
Yorbe Vertessen: "Müssen mental mehr bei der Sache sein"
Bei den meisten Klubs wäre ein 24-jähriger Stürmer eher jung. Bei Red Bull Salzburg ist Yorbe Vertessen ein Routinier. Eine ungewohnte Rolle, aber eine Aufgabe, der sich der introvertierte Offensivmann stellen will, wie er im Interview erklärt.
Zwei Tore und ein Assist in fünf Spielen - es gab schon Stürmer mit schlechteren ersten Wochen. Vor allem lief - oder läuft - es bei Red Bull Salzburg noch immer nicht so ganz rund. Vielleicht braucht diese Saison gut Ding einfach Weile.
Das scheint auch für Yorbe Vertessen zu gelten. Der bei PSV Eindhoven ausgebildete Stürmer wechselte 2024 zu Union Berlin und nun jüngst an die Salzach, da ihm die entsprechende Spielzeit bislang fehlte.
Im 90minuten-Interview spricht er über die ersten Wochen in Salzburg, wie er als eher introvertierte Person in einem neuen Umfeld ankommt und was für den Verein nun wichtig ist.
90minuten: Fünf Spiele, zwei Tore, ein Assist. Würdest du sagen: Ich bin in Salzburg angekommen?
Yorbe Vertessen: (denkt nach) Zu Beginn dauert es immer ein bisschen, sich an das neue Umfeld, an die neuen Mitspieler und den Staff zu gewöhnen. Das war schon etwas schwierig, aber nach etwa einer Woche habe ich mich besser gefühlt. Man hat es dann auch am Feld gesehen, dass ich mich eingelebt habe. Aber ich denke, das ist ein ganz normaler Prozess.
Ich glaube, dass ich ein eher introvertierter Typ bin und nicht zu den lauten gehöre. Das macht es dann wohl etwas schwieriger, sich auf ein neues Umfeld einzustellen.
90minuten: In einem Interview, dass du kurz nach dem Wechsel zu Union Berlin gegeben hast, hast du nämlich erwähnt, dass dir das nicht leicht fällt: "Es war schwierig, sich anzupassen. Ich bin eine Person, die vielleicht ein bisschen mehr Probleme damit hat."
Vertessen: Ich glaube, dass ich ein eher introvertierter Typ bin und nicht zu den lauten gehöre. Das macht es dann wohl etwas schwieriger, sich auf ein neues Umfeld einzustellen.
90minuten: Apropos "normal": Bei so gut wie jedem anderen Fußballklub wärst du mit 24 einer der jüngeren Spieler. In Salzburg bist du der sechst-älteste Feldspieler, insgesamt der acht-älteste. Wie ordnest du dich ein?
Vertessen: Ich konnte schon einiges an Erfahrung sammeln, etwa in der Champions League für PSV Eindhoven oder in der deutschen Bundesliga mit Union Berlin. Da kann ich den jungen Spielern hier schon das eine oder andere mitgeben, sie unterstützen uns dabei, eine Führungsrolle einnehmen. Das ist auch für meine Persönlichkeitsentwicklung gut.
90minuten: Im Vorstellungsvideo hast du gemeint, dass du natürlich noch niemanden kennst. Wer sind mittlerweile denn deine Hauptkontakte? Mit wem gehst du auf einen Kaffee?
Vertessen: Ich habe eine gute Connection mit Maximiliano Caufriez, er ist ja auch Belgier und wir sind fast gleichzeitig hergekommen. Aber mittlerweile bin ich schon gut dabei, verstehe mich mit allen Spielern. Bei mir dauert das eben ein wenig länger.

90minuten: Dein neuer Klub hatte schon bessere Halbsaisonen. Wie waren denn die Kollegen sonst so drauf, als du gekommen bist? Da waren ja auch zwei sehr empfindliche Champions-League-Niederlage davor mit dabei.
Vertessen: Da hatte ich nicht den Eindruck, dass alle hängende Köpfe hatten. Der Blick war positiv und auf die nächsten Spiele gerichtet, mit dem Ziel, diese zu gewinnen und besser zu werden.
90minuten: Bleiben wir beim Kader. Du bist nicht der Laute, wer ist es denn?
Vertessen: Mads Bidstrup ist einer der Anführer, bei ihm und Alex Schlager spürt man das am ehesten. Karim Onisiwo überzeugt mit seiner Erfahrung, ist aber jetzt nicht der, der die ganze Zeit auf den Tisch haut. Das macht dann eher Mads (lacht). Wichtig ist aber auch, mit Leistung voranzugehen. So kann man der Mannschaft ebenfalls helfen.
90minuten: Wie sehr braucht man denn diese Typen überhaupt noch, weil dieses Lautsein wirkt etwas altbacken.
Vertessen: Die brauchst du schon. Sie halten dich und das Team wach und aufmerksam. Wenn es da ein paar im Team gibt, die diese Rolle spielen, ist das super. Aber es braucht eine Balance.
90minuten: Wenn ich mir die fünf Spiele ansehe, die ihr gespielt habt, seid ihr mit den Siegen gegen die Austria und Sturm wieder in die Spur gekommen, aber irgendwie fühlt es sich nicht unlogisch an, dann gegen den Tabellenletzten nur Unentschieden zu spielen oder ist das Team einfach noch nicht stabil genug?
Vertessen: Wir selbst ärgern uns darüber wohl am allermeisten. Um das zu ändern und solche Siege einzufahren, müssen wir als Mannschaft besser werden. Gegen Altach waren wir etwas träge und irgendwie zu wenig fokussiert. Wenn wir dort so wie gegen Sturm aufgetreten wären, hätten wir das sicher gewonnen. Es ist wohl so, dass wir mental noch mehr bei der Sache sein und konzentrierter spielen müssen, um diese Spiele zu gewinnen. Daran arbeiten wir, aber es ist ein Prozess, an den wir glauben müssen. Jetzt ist es, wie es ist.
Tore und Assists von Yorbe Vertessen (bewerbesübergreifend)
Saison | Tore | Assists | Minuten |
---|---|---|---|
2021/22 | 9 | 5 | 1.348 |
2022/23 | 6 | 3 | 1.079 |
2023/24 | 8 | 5 | 1.364 |
2024/25 | 4 | 1 | 1.199 |
90minuten: PSV Eindhoven hat vielleicht nicht 100 Prozent die exakte Stellung wie Salzburg, aber es gibt dort auch viel Talent. Ist dir das dort auch aufgefallen, dass gerade sehr talentierte Spieler beim Außenseiter manchmal glauben, man kann ein paar Prozent nachlassen?
Vertessen: Wie sage ich das jetzt am besten? PSV hatte mehr Erfahrung und war sich in solchen Spielen wie am Sonntag gegen einen Nachzügler bewusster, wie man diese Spiele angehen muss. Insofern müssen wir das lernen, dass wir auch in solchen Spielen kein Prozent weniger geben.
90minuten: Du hast in der Eredivisie gespielt, das ist aktuell die sechstbeste Liga des Kontinents, Deutschland ist sowieso eine der größten überhaupt. Österreich ist derzeit auf Rang 13. Ist das ein Rückschritt?
Vertessen: Ich sehe das nicht so, weil ich brauche Spielzeit und die bekomme ich hier. Für mich ist das also perfekt, um weiter besser zu werden. Das ging bei PSV und in Berlin nicht so gut, weil ich dort nicht so oft in der Startelf war. Dieses Feeling, viele Spiele in Folge zu spielen, ist sehr super.
90minuten: Unterschrieben hast du bis 2029 und du gehörst hier zu den älteren Kickern. Was planst du bzw. was hat der Klub dir erklärt und was sieht man in dir? Wenn du so lange bleibst, könntest du ja zu einer Identifikationsfigur werden.
Vertessen: Um ehrlich zu sein, denke ich gar nicht so weit in die Zukunft. Derzeit liegt mein Fokus auf den nächsten Spielen, hier viel zu spielen und eine wichtige Rolle einzunehmen. Dann werden wir auch sehen, was passiert.
90minuten: Sportdirektor Rouven Schröder meinte in deinem Vorstellungsvideo auch beispielsweise: "Der weiß gar nicht, wie gut er ist." Wo würdest du sagen, könntest du noch besser werden?
Vertessen: Meine größte Herausforderung ist es, meine Qualität stabil abzurufen. Das war in der Vergangenheit sicher nicht optimal, da muss ich besser werden. Da gehört dann auch mehr Spielzeit dazu, was mich zu einem besseren Spieler machen wird. Meine Ballkontrolle könnte manchmal auch noch besser sein, ich will da oft zu schnell zu viel.
Das Team ist so jung und wenn du da überreagierst, erreichst du vielleicht eher das Gegenteil.
90minuten: Mit Stabilität meinst du mentale Bereitschaft. Gab oder gibt es bei den bisherigen Klubs diesbezügliche Unterstützung? Immerhin haben die ja einige Euros auf den Tisch gelegt und wenn dein Rücken schmerzt, schickt man dich ja auch zum Physio.
Vertessen: Ich habe mit einem Mentalcoach gearbeitet und habe jetzt auch jemanden, mit dem ich darüber rede. Das versuche ich etwas zurückzufahren, aber ganz generell hilft mir das weiter.
90minuten: Ich denke, in dieser Hinsicht bist du beim richtigen Klub, junge Spieler brauchen ja viel Erfahrung. Wie geht der doch ältere Thomas Letsch als Trainer mit euch um, sagen wir nach einem 1:1 in Altach?
Vertessen: Er hat angesprochen, was wir gut und was wir weniger gut gemacht haben. Er versucht auch immer, sachlich zu bleiben. Und es ist auch gar nicht notwendig, auszuflippen. Das Team ist so jung und wenn du da überreagierst, erreichst du vielleicht eher das Gegenteil. Diese Ruhe und Sachlichkeit tun uns gut.
90minuten: Es gibt bei uns ja die Punkteteilung und da ist dieses Ergebnis nicht so wichtig. Salzburg wird in die Meistergruppe einziehen und will Meister werden, so weit, so gut. Was hast du dir vorgenommen?
Vertessen: Da sage ich noch einmal Spielzeit und dass ich für das Team wichtig sein will. Da geht es nicht nur um Tore und Assists, sondern auch darum, wie wir als Team verteidigen.
90minuten: Was ist denn das Herausfordernde, gegen Teams zu spielen, die "den Bus parken".
Vertessen: Es ist da natürlich schwieriger da durchzuspielen und manchmal auch frustrierend, wenn es nicht klappt. Kurz: Das sind die beschissensten Spiele (lacht). Aber die müssen wir einfach gewinnen, wenn wir Meister werden wollen.
90minuten: Wie knackt man sie?
Vertessen: Du musst sie immer unter Druck setzen, dann durchbricht man diese Mauer irgendwann.
90minuten: Wenn man sich die letzten Wochen so ansieht, fällt es euch ja leichter gegen die großen Teams zu spielen.
Vertessen: Ja! (lacht) Du spielst gegen mehr Qualität und kannst dich da challengen. Natürlich bekommst du auch ein bisschen mehr Platz und den können wir besser nutzen.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!