
Windbichler: "In allen Ländern, in denen ich war, kann ich schimpfen"
Früher war er in Asien, Australien und Amerika aktiv, seit einigen Monaten ist Richard Windbichler jedoch in der Fußball-Pension. Im Interview spricht er über die kuriosesten Momente seiner Laufbahn und seinen geplatzten Transfer zu Rapid:
Richard Windbichler hat eine ereignisreiche Karriere hinter sich. Nicht viele können von sich behaupten, ihr Geld in Europa, Asien, Australien und Amerika verdient zu haben.
In Österreich spielte er zunächst für Admira Wacker und die Wiener Austria, ehe es ihn 2017 erstmals ins Ausland zog. Über Ulsan Hyundai (Südkorea) ging es 2019 zu Viborg FF (Dänemark). Noch im selben Jahr unterschrieb er bei Melbourne City (Australien). 2021 folgte der Wechsel zu Seongnam FC (Südkorea), 2022 dann zu CD Rongcheng (China), wo er zwei Jahre verbrachte. Seine Karriere ließ er schließlich bei San Antonio FC (USA) ausklingen.
Seit Februar ist der 34-Jährige offiziell zurückgetreten. 90minuten hat sich die Zeit genommen, um mit dem ehemaligen Abwehrspieler auf seine bewegte Karriere zurückzublicken.
STARTEN WIR MIT EINEM WORDRAP!
90minuten: Welche Sprachen sprichst du?
Richard Windbichler: In allen Ländern, in denen ich war, kann ich schimpfen.
90minuten: Was war das Kurioseste, das dir jemals serviert wurde?
Windbichler: Hühnerzehen mit Nagel.
90minuten: Welcher Fanmoment bleibt dir immer in Erinnerung?
Windbichler: In China hat mir eine ältere Dame einen Blumenstrauß geschenkt mit einem Kuvert, in dem umgerechnet 1500 Euro (Renminbi) drin waren. Das Geld habe ich zurückgegeben.
FORTSETZUNG FOLGT ...
90minuten: Wie geht’s dir als frischgebackener Fußball-Pensionist?
Windbichler: Ein jeder Arbeiter wäre froh, wenn er einmal ein paar Monate nicht arbeiten müsste. Ich habe mich auch auf diese Zeit gefreut, aber ich merke schon seit Monat vier, dass es kitzelt und kribbelt – mir fehlt ein bisschen das Feuer und die Aufgabe. Ich freue mich schon drauf, wenn die Trainerlizenzen (B-Lizenz, Anm.) losgehen.
90minuten: Vermisst du das Leben als Fußballprofi?
Windbichler: Einerseits bin ich froh, dass ich diesen körperlichen Aufwand nicht mehr habe, weil’s zum Schluss schon eine Quälerei war. Andererseits vermisse ich natürlich die Kabine, weil ich habe schon immer genossen, die Jungs in der Früh zu sehen - wurscht in welchem Land. Zum anderen vermisse ich die Anspannung und den positiven Stress und Druck.
90minuten: Während deiner Karriere haben dich immer wieder Muskelfaserrisse geplagt. Waren sie letztlich der auschlaggebende Punkt für dein Karriereende?
Windbichler: Ich habe einige Muskelfaserrisse angehäuft und auch zwei Muskelbündelrisse. Bei einem war das so, dass ich gelaufen bin und plötzlich einen Schmerz im Oberschenkel gespürt habe, als hätte mich jemand mit der Schrotflinte angeschossen. Zum Schluss habe ich mich gar nicht mehr sprinten getraut. Und wenn man zum Sprinten aufhört - wie will man dann ein Profifußballer auf höchstem Niveau sein? Rückblickend habe ich in San Antonio nicht eine schmerzfreie Woche gehabt. Es war ein Überlebenskampf bis zum letzten Tag.

90minuten: Strebst du eine Unterhaus-Karriere an?
Windbichler: Mit den Badeschlapfen kann man in der Regionalliga auch nicht spielen. 90 Minuten sind 90 Minuten. Hin und wieder muss man sprinten. Ich bin einer, der wenn er etwas macht, voll macht, damit ich jungen Spielern imponiere, sie inspiriere und denen ein Vorbild bin. Und das kann ich nicht mehr sein.
90minuten: Bis zum Transfer zur Wiener Austria kann man deinen Karriereweg als "unspektakulär" bezeichnen. Darauf folgte der Wechsel zu Ulsan Hyundai nach Südkorea. Wie das?
Windbichler: Zu dem Zeitpunkt hat ein koreanischer Spielerberater in Kombination mit einem deutschen Anwalt koreanische Spieler in den deutschen Markt gebracht (z.B. Hee-Chan Hwang). Und dann haben sie die Idee gehabt, dass sie’s umdrehen. Doch welcher Deutsche geht nach Korea? Dann sind sie nach Österreich gegangen. Sie dürften ein Spiel von mir gesehen haben, in dem ich überzeugt habe. Aber ich wollte in Europa meine nächsten Schritte machen. Nach eineinhalb Jahren Austria Wien hat der Koreaner wieder angerufen und mich an einem Punkt erwischt, wo ich wollte.
90minuten: Danach warst du zwei Monate in der 2. dänischen Liga. Mit dem anschließenden Wechsel nach Australien hast du dir dann die Bezeichnung "Weltenbummler" verdient … Wie kam’s dazu?
Windbichler: Wir haben mit Ulsan in der asiatischen Champions League schon in der Gruppenphase in Melbourne gespielt. Ich habe in Melbourne ein Tor geköpfelt und gut gespielt. Daheim haben wir gegen Melbourne 6:2 gewonnen – dadurch war mein Name schon ein Begriff. Ich habe noch weitere Angebote aus Australien gehabt. Es war nicht schwierig, mich für Melbourne City zu entscheiden, weil sie Teil der City Group mit New York und Manchester sind. Ich hoffte, dass sie mich später vielleicht nach New York schicken.
90minuten: Aber zuvor stand ja ein Wechsel zu Rapid im Raum ...
Windbichler: Mündlich waren sich schon alle einig, aber es hat geheißen, dass Rapid noch einen Innenverteidiger los werden muss, um eine Budgetlücke für mich zu öffnen. Währenddessen ist das Angebot von Melbourne gekommen, bei dem ich nur noch unterschreiben musste. Zum einen mochte ich das nicht, dass die sich so lange Zeit lassen, zum anderen war Australien auch irgendwo ein Wunsch von mir. Hätte ich keine Austria-Vergangenheit gehabt, wäre es bei Rapid vielleicht schneller gegangen, weil mich Trainer Kühbauer unbedingt wollte.

90minuten: Ein Jahr später ging’s wieder zurück nach Südkorea zu Seongnam, obwohl du unbedingt aus Asien weg wolltest - wieso?
Windbichler: Melbourne war zwar mit dem Meer, schönen Wetter und westlichen Kultur sehr lebenswert, aber der Fußball war scheiße. Ich wollte trotzdem gar nicht wechseln, aber die haben nicht lockergelassen. Und dann wollte mich der Bürgermeister von Seongnam anrufen und ich habe mich überzeugen lassen. Es hat gut angefangen und schlecht geendet. Trotzdem ist danach mit Chengdu Rongcheng in China der beste Vertrag meines Lebens gekommen, wo ich vor 40 Tausend Fans spiele, jedes Stadion voll ist, ich ein Superstar bin.
90minuten: Du warst quasi zur Corona-Hochsaison in Asien. Wie einprägsam war diese Zeit?
Windbichler: Sie war brutal chaotisch und deswegen war’s so leiwand, weil ich ein Fan vom Chaos bin und ich Geschichten zu erzählen haben will – darauf beruht mein Leben. Es hat angefangen mit der Einreise, die innerhalb von drei Monaten stattfinden hat müssen, weil sie im Vorjahr einen Fall hatten, wo in Brasilien die Botschaft geschlossen war, der Brasilianer kein Visum bekommen hat und Chengdu ihn ein Jahr lang bezahlt hat, obwohl er nicht einmal in China war. Aus dem Fehler haben sie gelernt. Nach zwei Monaten und 29 Tagen habe ich unter dubiosen Umständen ein Flugticket ergattert, bin eingereist und ins Hotel in Quarantäne gebracht worden.
90minuten: Wie kann man sich die in China vorstellen?
Windbichler: Ich war insgesamt 30 Tage im Hotelzimmer ohne ein Fenster zu öffnen, vor die Türe zu gehen oder etwas Gutes zu essen. Ich weiß noch ganz genau: Acht Meter habe ich von der Tür bis zum Ende des Raums gehabt und da bin ich hin und her gelaufen. Ich habe einen Ausdauertag gehabt, wo ich eine Dreiviertelstunde hin und her gelaufen bin. Sonst habe ich viel von diesen HIIT-Workouts auf Youtube gemacht. Aber man hat ja nichts zu tun, deswegen war’s eigentlich ein super Ausgleich. Ab dem Tag, an dem ich rausgekommen bin, haben wir zehn Spiele im Drei-Vier-Tages-Rhythmus gehabt. Ich hatte sonst keine Vorbereitung…ich hab’s überlebt, sagen wir’s mal so.
Von dem Moment an, wo ich Gott gesucht habe, hat er sich finden lassen, um mich genau nach San Antonio zu schicken.
90minuten: Zuletzt hast du dir mit dem Transfer nach Amerika zu San Antonio deinen persönlichen "American Dream" erfüllt. Und dort hast du mehr kennengelernt als den Fußball …
Windbichler: Ich habe in China einen Mitspieler gehabt, den ich wegen seiner Energie sehr bewundert habe. Er hat gesagt, dass er seine Energie von Gott hat. Ich habe nicht gewusst, was er meint, trotzdem habe ich mir gedacht, dass es historisch interessant wäre, die Bibel zu lesen. Von dem Moment an, wo ich Gott gesucht habe, hat er sich finden lassen, um mich genau nach San Antonio zu schicken, wo eine große Glaubensgemeinschaft herrscht. Aber ich bin gerade in einer Findungshase, wie ich meinen Glauben kommuniziere. Ich kenne noch andere Fußballer, denen es genau gleich geht, weil man schnell in eine Schublade gesteckt wird, wo "seltsam" drauf steht.
90minuten: Bei deinem Abschiedsposting hast du geschrieben: "Ich hätte mir keine schönere und aufregendere Karriere wünschen können“. Doch gibt es etwas, das dir in deiner Karriere verwehrt blieb?
Windbichler: Die letzten zwei Kontinente. Das Ziel habe ich mir in Korea bei Ulsan gesetzt, an einem Tag, wo ich im Kaffeehaus sitze und die Weltkarte sehe. Ich hätte mir diesen Traum gerne erfüllt. Vier aus sechs ist besser als zwei aus sechs. Man soll sich Ziele stecken, die nicht erreichbar sind, denn man kommt viel weiter, als wenn man sich nie dieses Ziel gesteckt hätte.
90minuten: Über deine aktive Karriere ist verhältnismäßig wenig berichtet worden. Jetzt wo die Fußballschuhe am Nagel hängen: Hegst du deswegen einen gewissen Grant auf die österreichischen Medien bzw. Berichterstattung?
Windbichler: Null. Ich find’s eher enttäuschend. Zeigt doch den Österreichern, was da los ist. Ich habe in China jedes Wochenende vor 40 Tausend Leuten gespielt, über 100 Tausend Follower auf den chinesischen Sozialen Medien gehabt und kein Mensch weiß es. Ich finde es eigentlich schade, dass nicht über den Tellerrand hinausgeschaut wird. Für den österreichischen Fußball könnte das sehr interessant sein.

WEITER GEHT'S MIT DEM WORDRAP!
90minuten: Wer war dein prägendster Trainer?
Windbichler: Didi Kühbauer.
90minuten: Kuriosester Moment deiner Karriere?
Windbichler: 30 Tage in der Hotelquarantäne eingesperrt mit drei Mahlzeiten, wo man die Hälfte nicht essen hat können inklusive einer 24-Stunden-Autofahrt von Shanghai nach Chengdu.
90minuten: Welches Fußballspiel wird dir immer in Erinnerung bleiben?
Windbichler: Mein erstes Spiel in Chengdu vor 40 Tausend Menschen.
90minuten: Welches Fußballspiel möchtest du am liebsten aus deinem Gedächtnis streichen?
Windbichler: WAC auswärts mit Admira in der zweiten Liga. Ich bin einmal in meinem Leben in der ersten Halbzeit ausgetauscht worden, aufgrund der Leistung - von Trainer Didi Kühbauer. Ich war ihm nicht böse, an dem Tag war ich turnbefreit.
90minuten: Welcher Mitspieler hat dich in deiner Karriere am meisten geprägt?
Windbichler: Tim Chow aufgrund seiner spirituellen Persönlichkeit.
90minuten: Du hast an vielen Orten gewohnt, aber was bedeutet für dich zu Hause?
Windbichler: Wenn ich an Heimat denke, denke ich an Petersbaumgarten, der Ort wo ich herkomme, den Spielplatz vorm Haus, meine Freunde.
90minuten: Wo hast du die österreichische Küche am allermeisten vermisst?
Windbichler: In Korea.
90minuten: Wo hast du am besten verdient?
Windbichler: Asien.
90minuten: Was war dein absolutes Karrierehighlight?
Windbichler: Die Fans von Chengdu.
90minuten: Vielen Dank fürs Gespräch!