Welchen Wunsch Ex-SKN-Trainer Gitsov gehabt hätte
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Welchen Wunsch Ex-SKN-Trainer Gitsov gehabt hätte

Derzeit steht Aleksandar Gitsov zwar noch beim SKN St. Pölten unter Vertrag, ist aber seit Anfang Oktober nicht mehr Cheftrainer. Im 90minuten-Interview spricht er über ein ereignisreiches Jahr und seine Pläne.

Nach dem Ende der Zusammenarbeit mit dem VfL Wolfsburg, Philipp Semlic und Tino Wawra sollte beim SKN St. Pölten im Sommer eine neue Ära anlaufen. Unter der Schirmherrschaft des Investors Paul Francis wurde in ganz Europa nach einem neuen Trainer gescoutet, die Wahl fiel auf den 37-jährigen Aleksandar Gitsov, in Österreich war er zuvor als Assistent für den FAC und den SV Horn und danach in Bulgarien für ZSKA Sofia tätig.

Nach einem enttäuschenden Saisonstart mit einem neu zusammengestellten Kader musste er seinen Posten schon nach 10 Spielen wieder verlassen, ausgerechnet nach einem Sieg gegen Tabellenführer Ried zog der SKN die Reißleine. Im Interview mit 90minuten wagt Gitsov einen Rück- und Ausblick.

90minuten: Du bist seit Anfang Oktober nicht mehr Cheftrainer des SKN St. Pölten. Wie verbringst du aktuell deine Zeit?

Gitsov: Es ist erst zum zweiten Mal in den letzten 10 Jahren so, dass ich keinen Job habe. Ich versuche so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie zu verbringen, die  ich während meiner Tätigkeit in Sofia über acht Monate kaum gesehen habe, auch während meiner Zeit in St. Pölten war es oft nur am Wochenende gut möglich. Meine Kinder haben ihre ersten Fußballtrainings, bei denen ich gerne dabei bin. Außerdem nehme ich Spanisch-Unterricht, es ist eine Sprache, die im Fußball ja oft verwendet wird und gerade im Umgang mit südamerikanischen Spielern praktisch ist. 

90minuten: Wie viele Sprachen sprichst du dann insgesamt?

Gitsov: Deutsch, Englisch, Bulgarisch, Serbisch und an meinen Spanischkenntnissen arbeite ich gerade. 

90minuten: Außerdem machst du gerade deine Pro-Lizenz, da sollten demnächst Hospitationen auf dem Programm stehen. Weißt du schon, wo du hinwillst?

Gitsov: Vier Module sind schon absolviert, die Ausbildung ist sehr intensiv. Ich hatte Vorstellungen davon, was auf mich zukommt, in der Realität ist es jetzt eigentlich noch besser - Thomas Eidler und sein Team machen richtig gute Arbeit. Ich versuche verschiedene Trainer zu beobachten, habe auch schon verschiedene Aufenthalte in West- und Osteuropa geplant. Wir sollen aber auch in anderen Sportarten hospitieren, ich habe die letzte Woche in Verona beim dreifachen Champions League Sieger im Volleyball verbracht. Mir geht es darum, die Zeit, die ich gerade habe, so gut wie möglich zu nutzen.

Die Vereinsführung hat sich für einen Trainerwechsel entschieden. Ich kenne den Verein recht gut, überrascht hat es mich nicht.

Gitsov über die Entlassung bei ZSKA Sofia

90minuten: Du hast ein insgesamt turbulentes Jahr hinter dir. Vor fast 12 Monaten haben wir schon einmal miteinander gesprochen (Zum Interview >>>), damals warst du als Co-Trainer bei ZSKA Sofia auf Titelkurs. Obwohl die Ergebnisse in Ordnung waren, musstet ihr im April frühzeitig gehen. Hat dich dieser Ausgang überrascht?

Gitsov: Ich habe ZSKA Sofia damals mit Rapid verglichen, beide Vereine sind sich da ähnlich: Jede Woche zählt, es gibt keinen Raum für Misserfolg. Wir hatten schon richtig gute Phasen, aber nach der Winterpause war  nicht jedes Ergebnis optimal. Die Erwartungen und der Wunsch nach Erfolg und dem ersten Meistertitel seit 2008 haben Auswirkungen gehabt, die Vereinsführung hat sich für einen Trainerwechsel entschieden. Ich kenne den Verein recht gut, überrascht hat es mich nicht.

90minuten: Funktioniert hat der neue Weg dort bis jetzt noch nicht, von einem Titel ist man derzeit deutlich weiter weg als in der Vorsaison.

Gitsov: Sie versuchen jetzt, unter einem neuen Besitzer den Umbruch zu schaffen. Wenn man viele Transfers macht und im Hintergrund viel organisatorisch passiert, funktioniert das nicht sofort, sondern braucht seine Zeit. Ich hoffe, dass der Verein bald wieder auf Platz 1 stehen wird, wo er hingehört. 

Wir sind natürlich im Austausch, zum aktuellen Zeitpunkt ist das aber kein Thema.

Gitsov über einen Wechsel zu Debrecen

90minuten: Du hast in Bulgarien mit Nestor und Nikon El Maestro zusammengearbeitet. Die beiden trainieren seit kurzem Debrecen in Ungarn. War es eine Option, dass ihr euch dort wieder trefft?

Gitsov: Wir sind natürlich im Austausch, zum aktuellen Zeitpunkt ist das aber kein Thema.

90minuten:  Es hat sich abgezeichnet, dass du nach deiner Zeit in Sofia zurück nach Österreich kommen möchtest. Es gab im Mai aber verschiedene Gerüchte: Die U23 von Eintracht Braunschweig soll sich gemeldet haben, auch Austria Lustenau.

Gitsov: Beide wären keine schlechten Optionen gewesen. Ich habe mich in dieser Zeit mit einigen Vereinen ausgetauscht, wollte auch unbedingt ab Sommer etwas machen und meine Erfahrungen aus Sofia umsetzen. Am Ende habe ich mich für St. Pölten entschieden. 

90minuten: Wann hat sich denn der SKN zum ersten Mal bei dir gemeldet? 

Gitsov: Mitte Mai hatten wir ein erstes Kennenlerngespräch, über den Job als Cheftrainer haben wir dann konkret ab Anfang Juni gesprochen. 

90minuten: Mit wem bist du da zusammengesessen? In St. Pölten gibt es einen Investor, der sich zu dieser Zeit stark eingebracht hat, Christoph Freitag war als Sportdirektor neu dabei.

Gitsov: Christoph war dabei, auch mit Paul Francis (Anm: Investor, CEO F32) habe ich gesprochen. Mit der Zeit hatte ich dann sowieso mit allen Verantwortlichen zu tun.

Als junger Trainer hat man natürlich die Vision, derjenige zu sein, mit dem der Verein diese Ziele erreicht.

Aleksandar Gitsov

90minuten: Mit welchen Argumenten hat man dich letztendlich vom SKN St. Pölten überzeugt?

Gitsov: Die Aufgabe würde wahrscheinlich jeden Trainer reizen, der die 2. Liga kennt. Das Niveau der Professionalität und die Infrastruktur kann man sich eigentlich nur wünschen, der Verein strebt seit Jahren nach Erfolg und dem Wiederaufstieg - als junger Trainer hat man natürlich die Vision vor Augen, derjenige zu sein, mit dem der Verein diese Ziele erreicht, das war bei mir nichts anderes.

90minuten: Der Verein ist damals aus einer schwierigen Saison gekommen, Trainer wurden mehrfach getauscht, der Sportdirektor war weg, der VfL Wolfsburg als Kooperationspartner und Geldgeber auch - dafür ist ein neuer Investor gekommen. Wie hast du die Stimmung wahrgenommen?

Gitsov: Alle waren sehr motiviert, ich hatte das Gefühl, dass die Hoffnung auf einen konzeptorientierten Restart schon groß war. Man wollte einen neuen Weg gehen, mit dem ich mich auch voll identifiziert habe. Die Stimmung war wirklich positiv.

90minuten: Deine Amtszeit war nach 10 Spielen wieder vorbei, wie würdest du sie rückblickend zusammenfassen?

Gitsov: Sie war definitiv sehr charakterbildend für mich. Es gab immer wieder Momente, in denen wir gut gespielt und eigentlich alles richtig gemacht haben, uns aber nicht belohnen konnten. Das führt normalerweise dazu, dass das Vertrauen in den Prozess verloren geht - diesmal war das aber nicht der Fall. Für mich als Führungskraft war das eine positive Erfahrung, in solchen Phasen neue Reize zu setzen und in jeder Woche neue Motivation zu finden.

Der Sieg gegen Ried, also das letzte Spiel, fasst es eigentlich gut zusammen. Das war drei Tage nach dem Spiel gegen die Admira, wo wir ein wenig unglücklich verloren haben. Trotzdem haben wir es geschafft, das Vertrauen zu behalten. Das nehme ich mir für zukünftige Aufgaben mit.

Wenn wir nur über die ersten Spiele reden, ist das ein bisschen unfair. Der Kader ist jetzt ein anderer, als er es zu Saisonbeginn war.

Aleksandar Gitsov

90minuten: Du hast es schon angesprochen, gegen Ende wart ihr deutlich erfolgreicher als zum Saisonstart. Ihr habt viele Neuzugänge erst spät dazubekommen - war mit dem Kader, den ihr in den ersten Spielen hattet, einfach nicht mehr drinnen?

Gitsov: Wenn wir nur über die ersten Spiele reden, ist das ein bisschen unfair. Tatsache ist, dass der Kader jetzt ein anderer ist, als er es zu Saisonbeginn war. Wir haben im August sechs Transfers getätigt, Malcolm Stolt, Elijah Just und Ramiz Harakaté sind zum Beispiel erst spät nach St. Pölten gekommen. Die ein oder andere Position war zum Start einfach nicht optimal besetzt, das hat unsere Leistung natürlich beeinflusst. Im September hat es sich dann in eine positive Richtung entwickelt. 

90minuten: Du wurdest unter anderem geholt, um attraktiven Offensivfußball beim SKN zu etablieren. Warum hat das in dieser Form nie wirklich funktioniert?

Gitsov: Für die ersten zwei Spiele kann man das so sagen, gegen Austria Lustenau und den FAC waren wir deutlich unterlegen. Ab den Spielen gegen Amstetten und Kapfenberg in denen wir lange mit einem Mann weniger auf dem Platz gestanden sind, haben zumindest die Statistiken zu Pressingintensität und Torchancen besser ausgeschaut. Am Ende des Tages zählen natürlich die Ergebnisse, über die ersten fünf Spiele waren sie nicht gut. 

90minuten: Auch ein Teil der Geschichte ist, dass nicht nur Spieler geholt, sondern auch mehrere aus dem Kader gestrichen wurden. Ich denke da zum Beispiel an Dario Tadic. Würdest du sagen, dass du diese Situationen im persönlichen Umgang gut gemanagt hast?

Gitsov: Ich finde schon. Mein Zugang ist, immer ehrlich zu sein und alles so früh wie möglich mit den Spielern zu klären. Wir sind alle Menschen, mir persönlich ist es in der täglichen Kommunikation sehr wichtig, korrekt mit ihnen umzugehen. Am Ende waren es Entscheidungen, die mit der strategischen Ausrichtung des Vereins zu tun haben. 

90minuten: Rückblickend war das Spiel in Ried der Start einer sehr erfolgreichen Phase, der Verein hat 13 von 18 möglichen Punkten geholt. War diese Entwicklung zu erwarten?

Gitsov: Ich finde, dass es schon ab dem Spiel gegen Voitsberg gut funktioniert hat. Bei 24 Torschüssen gegen Stripfing kann man der Mannschaft eigentlich keinen Vorwurf machen. Auch die knappe Niederlage gegen die Admira kann man nicht nur negativ bewerten. Wenn ich mir etwas wünschen hätte können, wäre es mehr Zeit zu Saisonbeginn, also ein früherer Start beim SKN St. Pölten gewesen. Einfach, um die Kaderplanung und die Zusammenstellung des Trainerteams schon früher zu erledigen. 

Das ist 'part of the job'. Man darf es auch nicht zu persönlich nehmen, im Fußballgeschäft wird jeder irgendwann irgendwo entlassen.

Aleksandar Gitsov

90minuten: Das letzte Spiel deiner Amtszeit war der Sieg gegen die SV Ried. Wann wurde dir mitgeteilt, dass du nicht mehr der Cheftrainer bist?

Gitsov: Am Montag danach. Ich habe das als normal wahrgenommen, wie ich es dir über meine Tätigkeit in Sofia erzählt habe: Das ist 'part of the job' das passiert. Man darf es auch nicht zu persönlich nehmen, im Fußballgeschäft wird jeder irgendwann irgendwo entlassen. 

90minuten: Hast du schon einen Plan wann es für dich weitergehen soll?

Gitsov: Ich versuche immer, bereit zu sein. Eine Frist habe ich nicht. Im Trainergeschäft kann es auch sehr schnell gehen. Jetzt nutze ich die Zeit, um mich weiterzubilden.

90minuten: Bleibt es dabei, dass du gerne in Österreich bleiben möchtest?

Gitsov: Ich habe schon öfter gesagt, dass ich mich mit dem Fußball in Österreich identifiziere. Ich kenne mich hier gut aus und versuche an jedem Spieltag ein Spiel live im Stadion zu sehen. Natürlich ist es schwer, sich auf ein Land festzulegen, Österreich hat aber Priorität für mich. 

90minuten: Du hast in den letzten 12 Monaten viel erlebt. Was nimmst du aus dieser Zeit für den Rest deiner Trainerkarriere mit?

Gitsov: Ich habe eine noch klarere Vorstellung davon, wie meine Mannschaft spielen soll, aber auch, wie ich mein Team zusammenstellen will. Ich rede nicht nur von Spielern, sondern auch vom Trainerteam: Wie man Leute führt, wie man Aufgaben delegiert und managt. Die Erfahrung, die ich gesammelt habe, war extrem wichtig für mich. Ich hoffe, dass ich das bei meiner nächsten Tätigkeit umsetzen und eine noch bessere Version von mir sein kann.

Vielen Dank für das Gespräch!



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