Anfang Februar 2024 kam die Kampfmannschaft der SK Rapid Frauen erstmals zum Training zusammen. Rund ein Jahr später liegen die Hütteldorferinnen in der Wiener Landesliga auf Aufstiegskurs in die 2. Frauen Bundesliga. Cheftrainerin seit der ersten Stunde ist Katja Gürtler, die im 90minuten-Interview einen Blick zurück und in die Zukunft macht.
90minuten: Fangen wir mit einem aktuellen Thema an: Seit kurzem gibt es einen neuen Teamchef beim Frauen-Nationalteam. Alexander Schriebl ist es geworden, was sagen Sie - als ehemalige Nationalspielerin - zur Entscheidung?
Katja Gürtler: Davon bin ich aktuell wahrscheinlich zu weit weg. Er hat Anknüpfungspunkte an den Frauenfußball, das ist schon wichtig. Er hat einen Konnex zu Red Bull, ist super ausgebildet und wird sicher ein guter Trainer sein.
90minuten: Jetzt hätte ich gerne gefragt, ob der ÖFB vielleicht auch bei Ihnen angefragt hat. Ihnen fehlt derzeit aber noch die Pro-Lizenz - haben Sie Chancen, demnächst einmal bei einem Kurs dabei zu sein?
Gürtler: Ich möchte das auf jeden Fall machen, habe aber keinen Zeitdruck. Das Punktesammeln geht in der 2. Frauen-Bundesliga auch besser als in der Landesliga. Wenn es erst in drei Jahren so weit ist, passt das auch.
90minuten: Bis jetzt haben erst drei Frauen ihre Pro-Lizenz beim ÖFB gemacht. Ihr habt jetzt bei Rapid eine Ausbildung für junge Trainerinnen gestartet, gibt es da einfach insgesamt noch viel Aufholbedarf?
Gürtler: Es ist uns ein Anliegen, dass wir mehr Trainerinnen in den Fußball bringen. Es wird vom ÖFB auch viel getan, bis man die Früchte ernten kann, dauert es aber. Inzwischen sind immerhin auch mehrere Frauen bei den A-Lizenz-Kursen dabei, davon werden sicher auch manche die Pro-Lizenz machen.
Ich glaube, dass es wichtig ist, mit dem aktuellen Stamm langfristig planen zu können. Mit einem großen Umbruch rechne ich deswegen nicht.
90minuten: Neben dem Allianz Stadion hat vor fast genau einem Jahr das erste Training der SK Rapid Frauen stattgefunden. Das Team wurde seitdem weiter verstärkt und ist inzwischen sehr gut eingespielt, die Landesliga-Ergebnisse sind überragend. Was hat sich sonst noch alles getan?
Gürtler: Die Anspannung am Anfang war schon sehr groß, wir haben eine gewisse Eingewöhnungsphase gebraucht. Die Mädels müssen sehr viel leisten, gerade jetzt in der Vorbereitung machen wir vier Einheiten pro Woche. Da liegen wir dann auch sicher über dem Liga-Durchschnitt, was die Anwesenheit der Spielerinnen betrifft. Davon profitieren wir jetzt, die Intensität im Training ist auf einem höheren Level, gerade athletisch haben wir einen großen Sprung gemacht.
Das Klima im Team war von Anfang an sehr gut, wir hatten bis jetzt aber auch noch wenig Negatives wegzustecken. Im Sommer haben wir den Kader geringfügig verändert, ich glaube aber, dass es wichtig ist, mit dem aktuellen Stamm langfristig planen zu können. Mit einem großen Umbruch rechne ich deswegen auch im nächsten Sommer nicht.
90minuten: Das Niveau im Kader passt zum Ziel Aufstieg, die guten Ergebnisse bis jetzt überraschen wahrscheinlich niemanden. Was wären denn Hürden, mit denen Sie rechnen müssen?
Gürtler: Momentan ist der Druck von der Liga weg, die Mädels haben selbst schon gemerkt, dass sie einfach sehr gut sind. Wenn es in Richtung Relegation geht, warten K.o.-Spiele - da kann viel passieren, auch wenn die Qualität bei uns höher einzuschätzen ist. Wir arbeiten jetzt schon im mentalen Bereich, um diesen Druck ein bisschen zu nehmen.
Auch in der 2. Liga müssten wir uns umstellen. Jetzt spielen wir immer gegen einen tiefen Block, müssen uns also keinem Angriffspressing stellen. Das können wir aber jetzt auch schon trainieren, wir testen ja auch gegen Vereine aus der 2. Liga.
Ich denke, dass alle zu schätzen wissen, was sie hier bekommen. Wir werden auch das unsere beitragen, damit wir die Spielerinnen nicht abgeben müssen.
90minuten: Das Testspielprogramm in den letzen und nächsten Wochen hat es in sich: drei Zweitligisten (GAK, LUV Graz, Südburgenland/Hartberg) und die U20 vom 1. FC Nürnberg. Geht es da schon um eine Standortbestimmung für die Zukunft?
Gürtler: Es tut den Spielerinnen gut, wenn sie gefordert werden. Es sind sehr unterschiedliche Teams, gegen LUV Graz war es ein anderes Spiel als gegen Südburgenland oder Nürnberg. Wir sollten schon auf Augenhöhe in diese Partie reingehen, wir hätten uns mit unserem Niveau auch in der 2. Liga etablieren können.
90minuten: Wahrscheinlich ist das auch der richtige Ansatz, um dann selbstbewusster in die Relegation gehen zu können.
Gürtler: Genau. St. Georgen (Anm.: Ein weiterer Testspielgegner) liegt in der NÖ-Landesliga aktuell auf dem zweiten Platz. Die spielen auch wieder einen anderen Fußball, sind sehr körperlich. Es ist einfach wichtig für uns, diese Erfahrungen mitzunehmen.
90minuten: Was Sie schon angesprochen haben, ist, dass ihr den Stamm des Teams langfristig aufbauen und zusammenhalten wollt. Wie groß ist die Gefahr, dass auch bei weiterhin guten Leistungen die ein oder andere Spielerin abgeworben wird?
Gürtler: Die Gefahr ist immer da, ich halte sie aber nicht für sehr groß. Die Mädels sind hergekommen, um mit Rapid den Weg in die Bundesliga zu gehen. Die ein oder andere Topspielerin ist sicher auch für andere Teams interessant, aber ich denke, dass alle zu schätzen wissen, was sie hier bekommen. Wir werden natürlich auch das unsere beitragen, damit wir die Spielerinnen nicht abgeben müssen.
90minuten: Wahrscheinlich kommen auch gar nicht allzu viele Vereine in Frage, die mittelfristig attraktiver sein können.
Gürtler: Genau. Wenn man nächstes Jahr in der 2. Bundesliga spielt und Angebote aus der Bundesliga kommen, ist das kurzfristig reizvoll. Aber ich glaube schon, dass unser Projekt gut und nachhaltig angelegt ist und wir dementsprechend attraktiv sind.
Die Aufmerksamkeit kommt in Wellen und war vor allem am Anfang sehr groß, dann hat sie auch irgendwann wieder nachgelassen.
90minuten: Vor einem Jahr war auch das Finanzielle hier und da Thema. Der stellvertretende sportliche Leiter Matias Costa hat als Ziel genannt, bald unabhängig vom Männerbereich arbeiten zu können. Inzwischen habt ihr einige Sponsoren gewinnen können - wie weit seid ihr von dem Ziel noch weg?
Gürtler: Nicht sehr weit. Wie Sie sagen, sind wir beim Sponsoring sehr gut aufgestellt, auf der anderen Seite haben wir schon einen sehr großen Apparat, weil wir auch die Nachwuchsarbeit ernsthaft betreiben. Das Budget muss dementsprechend größer sein.
90minuten: Die Resonanz zu Beginn war grundsätzlich sehr positiv, es hat immer viel Aufmerksamkeit gegeben. Würden Sie sagen, dass das immer noch der Fall ist?
Gürtler: Die Aufmerksamkeit kommt in Wellen und war vor allem am Anfang sehr groß, dann hat sie auch irgendwann wieder nachgelassen. Der Zuspruch ist aber sehr gut, wir bekommen viel Positives zu hören. Es wird auch immer wieder Highlight-Spiele geben, wo wir vielleicht auch wieder ins Stadion können, ich denke auch an eine mögliche Meisterfeier, wo die Aufmerksamkeit vielleicht wieder steigt. Prinzipiell sind wir sehr zufrieden.
![Katja Gürtler an der Taktiktafel, daneben Co-Trainerin Birgit Gumpenberger](/storage/files/9e/11/aa/a4-8244-4f8a-a065-d4bf56373037.1280x720.jpg?v=2)
90minuten: Aufmerksamkeit ist gerade im Fußball nicht immer nur etwas Positives. Wie geht ihr damit um, wenn Spielerinnen mit Themen wie Sexismus oder anderen unangebrachten Kommentaren konfrontiert werden?
Gürtler: Eigentlich habe ich in diese Richtung noch nichts mitbekommen. Wenn einmal etwas vorkommen sollte, wird das auf jeden Fall thematisiert. Unsere Mädels werden ja grundsätzlich im Rahmen einer Medienschulung auch vorbereitet, da wird das sicher ein Thema sein: Umgang mit Fans, Umgang mit negativen Aussagen.
90minuten: Ich hätte ehrlich gesagt gar nicht damit gerechnet, dass für die Medienschulung Zeit bleibt. Bei den Männern ist das deutlich einfacher unterzubringen.
Gürtler: Es war uns schon wichtig, weil wir in der Öffentlichkeit stehen. Mit einem etwaigen Aufstieg müssen wir auch noch einmal sensibler sein, jetzt ist alles noch eine Spur kleiner. Auch auf uns kann viel einprasseln, wenn es schlecht läuft. Wir haben jetzt damit begonnen, damit wir vorbereitet sind.
Sie war unser Zugpferd - von dem her hätte ich mir schon gewünscht, dass sie mit uns in die Liga startet.
90minuten: Eine Geschichte im ersten Jahr, die nicht wie geplant aufgegangen ist, war die von Carina Wenninger. Wie haben Sie ihren Wechsel zur Austria im Sommer erlebt?
Gürtler: Ich habe schon das Gefühl gehabt, dass sie sehr zufrieden bei uns war. Ich glaube einfach, dass sie, gerade weil es bei uns gut gepasst hat, mit der Zeit wieder mehr Freude am Fußball hatte. Zu Lisa Makas (Anm.: Sportliche Leiterin, Austria Wien) hat sie auch einen guten persönlichen Draht. Sie hat sich dann dafür entschieden, noch einmal ganz oben spielen zu wollen.
90minuten: Haben Sie jetzt, einige Monate später, Verständnis für die Entscheidung?
Gürtler: Es ist immer schwierig, sich in jemand anderen hineinzuversetzen. Sie hat für uns eine große Rolle gespielt, war unser Zugpferd - von dem her hätte ich mir schon gewünscht, dass sie mit uns in die Liga startet. Man muss es einfach so nehmen, wie es ist. Ich war eigentlich sehr positiv überrascht, wie gut die Mannschaft das Ganze aufgenommen hat. Sie haben im Training schon sehr von Carina profitiert, es war eine coole Sache, die dann einfach weggefallen ist. Auch wenn eine Spielerin ihrer Klasse nicht eins zu eins ersetzbar ist, haben wir das sehr gut gelöst. Und so war das ganze Thema dann auch eigentlich wieder schnell vom Tisch.
90minuten: Zum Abschluss habe ich mir einige Fragen für einen Blick in die Zukunft überlegt. Sehr originell sind sie nicht, dafür aber kurz. Wann sehen wir Rapid denn in der Bundesliga?
Gürtler: Im Bestfall in eineinhalb Jahren.
90minuten: Das ist ambitioniert.
Gürtler: Man muss sich hohe Ziele stecken. Es ist ambitioniert, heißt aber natürlich nicht, dass es uns dann auch genau so gelingt.
Ich bin optimistisch, dass wir ihn heuer noch knacken werden.
90minuten: Wann sehen wir Profifußball beim SK Rapid? Vielleicht angelehnt an den SKN St. Pölten. Dort können zumindest einige Spielerinnen von dem Geld, das der Verein zahlt, leben. Der Rest ist immerhin sozial- und pensionsversichert.
Gürtler: Hoffentlich ziemlich zeitgleich mit dem Aufstieg in die Bundesliga, vielleicht in zwei oder drei Jahren.
90minuten: Wann sehen wir das erste Wiener Frauen-Derby?
Gürtler: Auch in eineinhalb Jahren. Oder zählt auch ein kleines Derby gegen den Sport-Club oder die Vienna?
90minuten: Ich hätte jetzt schon an die Austria gedacht. Es hätte ja sein können, dass ihr ein Testspiel gegeneinander plant.
Gürtler: Ach so, ich glaube, das machen wir nicht.
90minuten: Wann holt sich der SK Rapid den Zuschauer:innen-Rekord im österreichischen Klubfußball (Anm.: 8.832 Fans beim Champions League Spiel gegen den FC Barcelona im November 2024) zurück?
Gürtler: Ich bin optimistisch, dass wir ihn heuer noch knacken werden.
90minuten: Letzte Frage und ich würde sagen, dass der Aufstieg nicht als Antwort zählt: Wenn Sie sich eine Sache für die Rapid-Frauen wünschen könnten, was wäre das?
Gürtler: Dass die Energie, dieser Wille, die Leistungsbereitschaft und das Commitment vom Verein so bleibt, wie es ist.
Vielen Dank für das Gespräch!