
Vorwärts Steyr: "Wir brauchen keine Mission 2027 oder was auch immer"
Siebeneinhalb Jahre war Andreas Blumauer General Manager beim SKN St. Pölten. Die letzten vier Jahre verbrachte er außerhalb des Fußballs. Jetzt ist er in selber Funktion beim abstiegsbedrohten Regionalligisten Vorwärts Steyr engagiert - in Teilzeit.
Andreas Blumauer stand viele Jahre in der ersten Reihe der heimischen Fußballmanager. Das Ende beim SKN St. Pölten war unschön, inklusive öffentlichem Schmutzwäschewaschen. Danach war es ruhig um den 49-jährigen, er kehrte dem Profifußball den Rücken.
Anfang Februar vermeldete der abstiegsbedrohte Regionalligist Vorwärts Steyr, dass Blumauer neuer General Manager wird. Das macht er in Teilzeit. Für den Verein ein "Meilenstein auf dem Weg zur Professionalisierung", wie es auf der Homepage geschrieben wurde. Für 90minuten ein guter Grund, mit ihm zu sprechen.
90minuten: Herr Blumauer, Sie haben einen neuen Job bei Vorwärts Steyr. Bevor wir darüber sprechen, was haben Sie seit Ende 2021 nach der Zeit beim SKN St. Pölten gemacht?
Andreas Blumauer: Ich habe mich mit dem damaligen Hauptsponsor Gottfried Denner gut verstanden. Nachdem ich vom SKN weg bin, hat er mich gefragt, ob ich nicht Interesse habe, im Nachhaltigkeitsbereich mitzuarbeiten. Also habe ich internationale Projekte abgewickelt. Unter anderem habe ich den Kauf eines Unternehmens in England durchgeführt und gemeinsam mit Denner andere Projekte im Bereich Nachhaltigkeit vorangetrieben. Es war auch ganz gut, sich ein bisschen von dem Fußballbusiness zu erholen, aber dann hat mir trotzdem etwas gefehlt.
90minuten: Haben Sie nach dem Desaster mit dem SKN noch daran geglaubt, im Fußball unterzukommen?
Blumauer: Ja. Ich habe mir ein gutes Netzwerk aufgebaut, weil ich ja doch einige Jahre in der Bundesliga war. Ich habe auch eine Fußballschule gegründet, in der Talente weiterentwickelt werden. Sie sagen Desaster und es hat in den acht Jahren Tiefen gegeben, aber wir sind ja vor dem Abstieg auch aufgestiegen, haben das Budget erhöht, Hauptsponsoren gefunden, das Frauen-Team dazu geholt. Diese positiven Dinge vergisst man im Nachhinein öfters.
90minuten: Wie schauen Sie heute auf den SKN? Wahrscheinlich dann doch nicht mit Häme...
Blumauer: Es ist schon ein bisschen mein Baby und somit hängt man noch mit dem Herz dran. Meistens scheidet man dann ja aus, wenn es nicht so gut läuft. So ist der Fußball eben.
Du verlierst ein Spiel, dann noch eines, irgendwann tauschst du den Trainer, glaubst, du kannst noch was retten, hast aber viel zu lange gar nicht daran gedacht, dass es dich erwischen könnte.
90minuten: Beide Vereine haben sich zurückgekämpft, auch wenn ich mich beim SKN jetzt nicht auf historische Diskussionen einlassen will. Dennoch: Für beide Klubs war es in der jeweils höchsten Liga schon ein Tanz auf der Rasierklinge. Sind fünf Jahre einfach zu kurz, um resilient zu werden?
Blumauer: Das stimmt mit Sicherheit, je länger man dabei ist, desto einfacher ist es, auch wenn jeder glaubt, mitreden zu können oder dass das so einfach ist. Fakt ist, dass man sehr viele Erfahrungen macht und umso mehr lernt, je länger man dabei ist. Das Netzwerk wird größer, man lernt auch aus den Fehlern, was einem dann wieder weiterhilft. Das, was ich beim SKN gelernt habe, kann ich jetzt zu anderen Projekten mitnehmen.
90minuten: Vorwärts Steyr spielt eine Liga weiter unten, ist im Abstiegskampf. Warum ist der Klub in der Regionalliga und nicht ein anderer?
Blumauer: Es läuft im Fußball eben oftmals nicht so, wie man es sich vorstellt. Ich habe lange mit den damals handelnden Personen gesprochen, sie sind ja teilweise noch immer da. Es war ähnlich wie beim SKN. Sie haben geglaubt, dass sie weiter oben mitspielen, sind in eine Negativspirale gekommen, die wir und sie nicht mehr stoppen konnten.
Du verlierst ein Spiel, dann noch eines, irgendwann tauschst du den Trainer, glaubst, du kannst noch was retten, hast aber viel zu lange gar nicht daran gedacht, dass es dich erwischen könnte. Du hast vielleicht den falschen Kader, den einen oder anderen falschen Spieler, der negative Stimmung hineinbringt, nicht die letzte Aufopferung und dann geht der Ball an die Stange statt ins Tor. Das ist kaum aufzuhalten. Die zwei Klubs sind ja auch nicht die einzigen, denen das passiert ist.
90minuten: Konkretisiert: Der SKN bzw. auch die Vorwärts haben einen, Hausnummer, Top3-Kader zusammengestellt?
Blumauer: Man lehnt sich dann vielleicht mit dem Budget hinaus, holt einen Spieler und es kommen die nächsten Angebote von Spielerberatern. Dann überlegst du, was passiert, wenn sich der erste Spieler verletzt und so weiter. Es ist eine Gratwanderung; weil es gibt ja auch noch die Ansprüche der Stakeholder, Vorstände, Fans, Presse und Co. Die wollen, dass man immer besser wird. Wer in der 2. Liga ist, soll in die Bundesliga, wer dort ist in die Meistergruppe, dann in den Europacup.
Beim SKN sind dies Ansprüche immer höher geworden, obwohl man drei Jahre vorher froh war, überhaupt aufgestiegen zu sein. Da braucht es innerhalb des Vereins wirklich eine gute Kommunikation. Wildon (Tabellenletzter mit drei Punkten Rückstand, Anm.) hat jetzt auch wieder Ex-Profis geholt. Hätten wir theoretisch auch machen können, nur da sagen mir ganz klar, dass dieser Weg mit viel zu hohen Risiken behaftet ist.

90minuten: Welche Liga ist für solche Husarenstücke anfälliger?
Blumauer: Es kommen in der Regionalliga genügend solche Angebote, dass einer von oben noch ein halbes Jahr oder Jahr spielen will. Man denkt sich dann schon, dass das den Fans gefallen würde, die Spieler meinen, sie reißen sich den Arsch auf, das gefällt auch den Sponsoren. Aber solche Experimente wird es mit mir in Steyr nicht geben.
90minuten: Steyr wird in Überlegungen, wo Bundesliga gespielt werden könnte, immer wieder genannt. Knapp 40.000 Einwohner, Geschichte, abseits des Zentralraums. Was will der Verein?
Blumauer: Der Verein will definitiv keine kurzfristigen Ziele haben, wir brauchen keine Mission 2027 oder was auch immer. Es soll kein großer Investor an Bord geholt werden, der das ganze Stadion komplett umbaut. Es braucht endlich wieder ein passendes Fundament. Das ist der Grund, warum ich zum Verein gekommen bin. Es braucht jetzt eine Basis, damit man nachhaltig positive Schlagzeilen schreiben kann. Um dieses Fundament ordentlich zu bauen, ist noch viel Arbeit zu tun, auch solche, die man nach außen hin nicht merkt.
90minuten: Dabei kann man die 2. Liga vom Kader her eigentlich schon budgetschonend mit Amateuren angehen.
Blumauer: Wir wollen alle erfolgreich sein, das ist ja überhaupt nicht das Thema. Aber es soll langfristig sein und da muss man erst einmal mit den Hausaufgaben anfangen, die jetzt länger nicht gemacht worden sind. Vor allem die eigene Jugend wurde vernachlässigt. Man sieht und hört hier zu wenig, es hat auch schon in unteren Ligen ausverkaufte Spiele gegeben. Den Fans ist die Spielklasse ja egal, sie wollen leidenschaftlichen Fußball sehen.
90minuten: Wie geht das in Teilzeit?
Blumauer: Offiziell sind es drei Tage in der Woche, weil ich meine eigene Fußballschule weiter betreiben will. Es ist in der dritten Liga nicht notwendig, dass ich jetzt jeden Tag im Büro in Steyr sitze. Es wissen alle, dass ich die Ansprechperson bin.
Irgendwo ein Logo hingeben wird nicht dazu führen, von einem Unternehmen Geld zu bekommen. Man muss als Verein kreativ sein, aber auch vonseiten der Funktionäre von ÖFB und Bundesliga, um Modelle zu entwickeln, die den Fußball attraktiv machen.
90minuten: Es wird derzeit viel über die Regionalligen gesprochen, beim ÖFB über eine neue Struktur verhandelt. Was wäre die ideale Lösung, damit die Steyrs, Leobens, Sportclubs und so weiter gut arbeiten können?
Blumauer: Eine gute Frage, aber ich habe auch kein Erfolgsrezept. Aber Fakt ist, dass es in der gegenwärtigen Situation fast unmöglich ist, einen Verein in der Regionalliga wirtschaftlich zu führen. Die Vorwärts hat das unheimliche Glück, mit BMD einen regionalen Sponsor zu haben, der Präsident und Eigentümer hat sich klar zum Verein bekannt und das sichert dank eines langfristigen Vertrags das wirtschaftliche Fundament. Gebe es das nicht, hätte jeder Verein ein Problem. Nur über mehrere kleine Sponsoren auf der Bande ist man nicht attraktiv genug. Da muss sich etwas komplett wandeln.
Irgendwo ein Logo hingeben wird nicht dazu führen, von einem Unternehmen Geld zu bekommen. Man muss als Verein kreativ sein, aber auch vonseiten der Funktionäre von ÖFB und Bundesliga, um Modelle zu entwickeln, die den Fußball attraktiv machen. Die Zuschauer sind übersättigt, warum sollte ich mich im Winter auf den Fußballplatz setzen, wenn ich im Fernsehen besseren britischen Fußball sehen kann?
90minuten: Mit der Premier League wird man schwer konkurrieren können.
Blumauer: Ich war ja länger für den Red Bull Ring tätig. Die haben die beste Infrastruktur hingebaut, ließen einen Stuntman herumfliegen und Flugzeuge herumschwirren. Und die Fans? Die haben gesagt: Wenn du willst, dass ich komme, musst du mich gratis hineinlassen und am besten auch noch daheim abholen.
90minuten: Vielleicht muss man das Sponsoring anders regeln. Da gibt es ja bekanntlich in Landesligen und drunter Leute, die halt Unsummen in den kleinen Verein investieren.
Blumauer: Da kann man jetzt lange drüber diskutieren, warum ein Unternehmer Sportsponsoring betreibt. Es geht um Werbewerte, die Platzierung der Marke. Aber auch um Soft Facts, also dass er ein Netzwerk vorfindet, mit denen er Kontakte knüpfen kann. Das muss bei der Vorwärts unabhängig von der ersten Männermannschaft funktionieren, man braucht Frauen- und Special Needs-Team, Jugendmannschaft und ein Business-Netzwerk.
90minuten: Was ist härter? Ein Unternehmen in England zu übernehmen oder das Führen eines österreichischen Fußballklubs?
Blumauer: Der Fußballklub in Österreich. Wer das nicht kennt, glaubt ja gar nicht, wer da aller mitredet. Alle - Fans, Sponsoren, Mitarbeiter, Spieler und so weiter - haben da ihre Interessen, die man als Führungskraft dann auch noch unter einen Hut bringen muss. Dann gibt es Variablen, die man schwer beeinflussen kann, etwa sportlichen Erfolg, eine Pandemie und so weiter. Im Business hast du deine Kunden, Lieferanten und da kann man einigermaßen reagieren. Das ist anders, wenn der Ball an die Stange geht und man verliert.
90minuten: Wenigstens wird der oberösterreichische Landeshauptmann beim Arbeiterklub aus Steyr nicht anrufen. Wie oft war das in St. Pölten der Fall?
Blumauer. Der hat mich in St. Pölten selten angerufen. Zu Beginn hat er uns auch oft besucht. In Oberösterreich hatte ich noch nicht so viele Berührungspunkte mit der Landespolitik im Zusammenhang mit der Vorwärts. Es würde mich aber freuen, wenn er uns einmal besuchen kommen würde.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!