Viktor Kassai: "Ein VAR-Eingriff ist kein Gefühl"
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Viktor Kassai: "Ein VAR-Eingriff ist kein Gefühl"

Der Video Assistant Referee steht nicht nur in Österreich oft in der Kritik. Schiedsrichter-Boss Viktor Kassai spricht im 90minuten-Interview über Kritik, Herausforderungen und Lösungswege.

90minuten: Fangen wir mit einer einfachen Frage an. Der VAR macht den Fußball fairer. Das belegen auch die Zahlen. Darüber gibt es auch aus Ihrer Sicht vermutlich keinen Diskussionsbedarf, oder?

Viktor Kassai: Ja, darüber sind wir uns einig. Natürlich gibt es nach jeder Runde Diskussionen über gewisse Entscheidungen, die getroffen wurden. Das liegt aber auch daran, dass sich die TV-Übertragungen massiv entwickelt haben und Einblicke liefern, die es früher für die Fans vor dem Fernseher nicht gegeben hat. Wir können mittlerweile jede kleine Berührung sehen. Wir haben - was die Zahlen betrifft – weniger Fehlentscheidungen im Fußball als früher.  Eine Grauzone bleibt jedoch immer.

90minuten: Wir sind uns einig, dass der VAR den Fußball fairer macht, die Diskussionen über Schiedsrichterentscheidungen jedoch zugenommen haben. Warum?

Kassai: Man kann es schwer vergleichen, ob es jetzt mehr Diskussionen gibt als früher. Diskussionen gibt es immer, ich glaube aber nicht, dass es wesentlich mehr geworden sind. Vielleicht hat sich die Art und Weise der Diskussion verändert. Natürlich melden sich nach dem Spiel oft Trainer zu Wort, warum die eine oder andere Entscheidung nicht gecheckt wurde, warum kein Eingriff stattgefunden hat. Es sind meistens die Trainer von jener Mannschaft, die verloren hat – wie früher vor der Einführung des VAR-Systems.

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90minuten: Sie sind jetzt seit knapp mehr als einem Jahr für den ÖFB tätig, haben oft betont, dass es auch eine gewisse Zeit dauert, bis man sich überall eingearbeitet hat. Mit welchen konkreten Zielen mit Bezug auf den VAR sind sie in die Saison 2024/25 gestartet?

Kassai: Das erste Jahr war ganz wichtig für uns, damit wir uns gegenseitig kennenlernen. Jetzt sind wir an dem Punkt, dass wir sagen: Ein klarer Fehler von einem VAR ist nicht mehr zu akzeptieren, es gibt keine Ausreden mehr. Wir erwarten von unseren VARs, dass keine Fehler mehr passieren, die nicht mehr zu argumentieren sind. So eine Situation, wie wir sie bei Klagenfurt gegen Blau-Weiß Linz (Anm.: Rote Karte von Fabio Strauss) hatten, darf nicht mehr passieren. Natürlich gibt es wesentlich mehr Diskussionen über Entscheidungen...

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Ich wusste, dass es im Schiedsrichterwesen überall ähnliche Probleme gibt. Für den VAR braucht man Erfahrung. In nur wenigen Ländern gibt es beispielsweise eine wöchentliche Schulung beim VAR.

Viktor Kassai

90minuten: Waren Sie positiv oder negativ überrascht, in welcher Verfassung Sie das österreichische Schiedsrichterwesen vorgefunden haben?

Kassai: Ich habe davor schon Erfahrungen in drei Ländern als aktiver Schiedsrichter und Schiedsrichtermanager gemacht. Ich kann daher ein bisschen vergleichen und war nicht negativ überrascht. Ich wusste, dass es im Schiedsrichterwesen überall ähnliche Probleme gibt. Für den VAR braucht man Erfahrung. In nur wenigen Ländern gibt es beispielsweise eine wöchentliche Schulung beim VAR. Wir hatten jetzt zumindest vor der Saison eine gemeinsame Schulung. Wir haben dann auch viel analysiert. Von einigen Leuten, wo die Einstellung oder Perspektive nicht gepasst hat, haben wir uns dann verabschiedet, mit anderen hingegen intensiver zusammengearbeitet. Zudem ist es meine Aufgabe, junge Schiedsrichter:innen zu finden. Das brauchen wir für die Zukunft, hier haben wir schon einige junge Talente hochgezogen.

90minuten: Sie haben vorher gesagt, ein Ziel ist es, dass klare Fehler so nicht mehr akzeptiert werden können. Wie sieht ihre Bilanz nach den ersten sechs, sieben Runden der ADMIRAL Bundesliga diesbezüglich aus (Anm.: Das Interview wurde nach der 7. Runde geführt)?

Kassai: Ich denke schon, dass wir eine realistische Bilanz haben. In den ersten sieben Spieltagen haben wir, wie schon vorher erwähnt, aus meiner Sicht eine Situation gehabt bei Klagenfurt gegen Blau-Weiß Linz (Anm.: Rote Karte von Fabio Strauss). So etwas darf nicht passieren. Ich habe auch schon gesagt, dass alle anderen Entscheidungen, die diskutiert wurden, Grauzonen sind. Wir haben die von mir angesprochene Situation mit dem Kollegen besprochen, und hoffen, dass so etwas nicht mehr passiert.

90minuten: Das heißt: Ein schwerer Fehler, sonst hat es gepasst?

Kassai: Nein, absolut nicht. Aber aus meiner Sicht waren einige Situationen, die auch medial oder unter den Fans stark diskutiert wurden, Interpretationsfragen und keine klaren Fehlentscheidungen.  

90minuten: Aber dennoch wäre es jetzt im Interview hier interessant, zu wissen: Wie viele VAR-Situationen sind so gelaufen, dass Sie selbst sagen: Das war ein klarer Fehler vom VAR?

Kassai: In den ersten sieben Spieltagen hatten wir insgesamt sieben Situationen. Zwei davon wurden bereits vom Schiedsrichter im Zuge des On-Field-Reviews richtigerweise nicht akzeptiert. Drei Situationen lagen im Graubereich und waren eine Frage der Interpretation. Die übrigen zwei Szenen waren Fehler, die nicht passieren dürfen.

Durchschnittlich gibt es bei 40 Prozent der Spiele eine VAR-Intervention. Hier liegen wir genau im Durchschnitt. Es gibt einige Länder, wo es deutlich mehr sind, aber auch einige, wo es weniger Eingriffe mit nur 25 Prozent gibt.

Viktor Kassai

90minuten: Eine Kritik, die manchmal kommt, ist, dass der VAR zu oft eingreift. Das ist zunächst ein Bauchgefühl. Was sagen die offiziellen Zahlen zu diesem Thema?

Kassai: Ich war in der vergangenen Saison im Rahmen der UEFA bei einem Seminar, wo eine Statistik gezeigt wurde. Durchschnittlich gibt es bei 40 Prozent der Spiele eine VAR-Intervention. Hier liegen wir genau im Durchschnitt. Es gibt einige Länder, wo es deutlich mehr sind, aber auch einige, wo es weniger Eingriffe mit nur 25 Prozent gibt. Wir liegen also in der Mitte, ich glaube daher nicht, dass es zu viele Eingriffe sind. Die Frage ist allerdings eine andere aus meiner Sicht.

90minuten: Und zwar?

Kassai: Das Motto des VAR lautet, bei klaren Fehlentscheidungen einzugreifen. Das ist eine interessante Fragestellung. Was bedeutet "klar"? Wenn es ein Foul gibt, das der Schiedsrichter am Feld nicht gesehen hat, dann ist es klar. Die Frage ist, können wir es mit den TV-Bildern beweisen? Wenn ja, dann gibt es wenige Diskussionen. Manchmal haben wir das Gefühl, dass es ein Foul ist, aber keine klaren Bilder. Dann darf sich der VAR aber auch nicht melden. Das ist auch eine Frage, welche Bilder zur Verfügung stehen. Es gibt aber keine Zahl, die jetzt eindeutig belegt, dass wir in Österreich zu oft einschreiten.

90minuten: Die Zahlen sind also unverdächtig. Warum möglicherweise aber das Gefühl aufkommt, dass zu oft eingegriffen wird, liegt auch daran, dass man oft sehr lange braucht, um eine Szene zu finden, die dann die offensichtliche Fehlentscheidung belegen soll. Das ist dann doch eher ein Indiz, dass es keine klare Fehlentscheidung sein kann, oder?

Kassai: Für ganz normale Situationen braucht man beim VAR rund eine Minute oder vielleicht eineinhalb Minuten. Für ganz klare Szenen geht es auch schneller und es braucht nur 30 Sekunden. In Summe muss man sich vorstellen, dass man zuerst verstehen muss, wie die Situation entstanden ist, dann die richtige Kameraposition suchen, etc. Wir müssen alle Kamerapositionen checken, um zu einer Entscheidung zu kommen, und das braucht auch manchmal seine Zeit. Zudem: Im Stadion kommt den Zuschauer:innen die Zeit manchmal auch ein bisschen länger vor, als sie tatsächlich ist. Und bei Abseits-Entscheidungen muss man sich jedenfalls die Zeit nehmen, um die Linie genau zu ziehen. Hier wäre ein Fehler unverzeihlich. Wir haben acht bis zwölf Kameras; hätten wir bis zu 15 wie in manch anderen Ländern – es würde womöglich noch länger dauern.

90minuten: Das ist ja auch eine Kritik, die man oft hört, dass es in Österreich zu wenige Kameras gibt. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es nicht bei jedem Spiel Hintertor-Kameras über die gesamte Spielzeit. Haben wir in Österreich einen technischen Nachteil, weil wir zu wenige Kameras zur Verfügung haben?

Kassai: Klar ist, wenn man mehr Kameras hat, kann man eventuell mehr sehen. Aber wie schon vorher erwähnt, würde es auch mehr Zeit brauchen. Die Frage ist, was wir wollen? Wollen wir es wie in einem Videospiel haben, wo wir dutzende Kamerapositionen sehen können? Das ist eine Entscheidung von Bundesliga und dem TV-Rechtehalter.

Ein bisschen mehr Kameras wären nicht schlecht, speziell aus der Gegenüberansicht. Das haben wir aktuell nur bei Topspielen.

Viktor Kassai

90minuten: Aber was wäre Ihr Wunsch?

Kassai: Ein bisschen mehr Kameras wären nicht schlecht, speziell aus der Gegenüberansicht. Das haben wir aktuell nur bei Topspielen. Damit könnten wir andere Perspektiven sehen. Aktuell können wir mit den acht Kameras die meisten Situationen lösen. Eine Gewissheit, dass wir mit 15 Kameras alles sehen könnten, haben wir allerdings auch nicht. Ich glaube daher, dass eine Erhöhung der Kameraanzahl nicht im Fokus stehen sollte. Wir brauchen primär gute Schiedsrichter, das kann ich direkt beeinflussen.

90minuten: Ich möchte in diesem Interview jetzt nicht einzelne Situationen durchgehen, nur ein exemplarisches Beispiel mit Ihnen besprechen. Es geht um die Rote Karte im Spiel zwischen Austria Klagenfurt und Rapid, die für heftige Diskussionen gesorgt hat. Vermutlich auch, weil Rapid involviert war, aber nicht nur. Wir haben vorher darüber gesprochen, dass der VAR nur bei einer klaren Fehlentscheidung eingreifen soll. War das eine klare Fehlentscheidung?

Kassai: Es ist ein sehr gutes Beispiel. Es gibt in diesem Fall zwei Fragen für den Schiedsrichter und den VAR. Erstens: War es ein Foul oder nicht? Diese Entscheidung war klar, es war ein Foulspiel. Die zweite Fragestellung war dann: Hatte der Rapid-Spieler die Chance, den Ball noch zu kontrollieren, und wenn ja, ob er noch eine Torchance bekommt. Für den VAR war die Antwort ja. Wir waren in der Reflexion mit dieser Entscheidung auch einverstanden. Daher war es aus unserer Sicht ok, dass der VAR eingreift, weil alle Kriterien für eine Torchance vorhanden waren.

90minuten: Hat es damals eine Rolle gespielt, dass der Schiedsrichter am Feld sehr jung war, und der VAR sehr erfahren?

Kassai: Ich hoffe nicht, weil ich möchte charakterstarke Schiedsrichter. Es gab auch andere Beispiele, wo ein junger Schiedsrichter gegen die Empfehlung des VAR entschieden hat. Es ist auch wichtig, dass ein VAR-Eingriff nicht das Gefühl vermittelt, dass die Entscheidung, die auf dem Feld gefallen ist, revidiert werden muss.

90minuten: Aber in der Realität bringt ein VAR-Eingriff zu einem hohen Prozentsatz auch eine Änderung der Entscheidung mit sich …

Kassai: Nach unseren Angaben wurden in den ersten sieben Spieltagen der laufenden Saison 69 % der VAR-Empfehlungen vom Schiedsrichter akzeptiert. Ein Eingriff ist kein Gefühl, sondern basiert auf Fakten, deshalb ist der Prozentsatz hier auch sehr hoch. Aber es gibt immer Raum für Interpretationen, deshalb haben wir in manchen Fällen unterschiedliche Entscheidungen von VAR bzw. Schiedsrichter.

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90minuten:  Ein Thema, über das sehr oft diskutiert wird, ist, dass das österreichische Schiedsrichterwesen nur schwer zu Fehler stehen kann. Das war speziell unter Ihrem Vorgänger Robert Sedlacek evident. Man hat das Gefühl, dass man sich teilweise noch immer schwer damit tut. Täuscht dieses Gefühl? Wenn ich Ihre Antwort von vorher richtig interpretiere, dann ist aus VAR-Sicht bisher nur der eine schwere Fehler beim Spiel zwischen Klagenfurt und Blau-Weiß Linz passiert?

Kassai: Wir haben jede Woche nach dem Spieltag auf der VAR-Website drei Szenen, die wir für die Öffentlichkeit analysieren. Hier kann man erkennen, dass wir potenzielle Fehler nicht verstecken. Wir wissen, dass das nicht alle Szenen sind, aber es ist auch nicht unsere Aufgabe, zehn oder mehr Clips für die Öffentlichkeit aufzubereiten. Wichtiger ist, dass wir intern jede Woche rund 15 Clips für unsere Schiedsrichter vorbereiten, wo wir dann genau analysieren, was gut und was weniger gut gelaufen ist.

90minuten: Aber man tut sich aus Ihrer Sicht nicht schwer, über Fehler zu sprechen?

Kassai: Nein, absolut nicht. Wir haben mit Ali Hofmann ein transparentes System gefunden. So wie wir auch hier im Interview mit Journalisten sprechen, ist das in anderen Ländern nicht immer üblich, wo die Schiedsrichter-Verantwortlichen eher im Hintergrund gehalten werden. Wir sind immer bereit, über Medienanfragen zu sprechen. Wir haben auch mit Trainern und Sportdirektoren von den Vereinen einen regelmäßigen Austausch, wo wir auch über unsere Fehler sprechen.

90minuten: Wir haben schon über die Anzahl der Kameras gesprochen. An welchen Schrauben kann denn sonst noch gedreht werden, um den VAR aus technischer Sicht zu verbessern? In manchen Stadien gibt es problematische Kamerapositionen, dann gibt es Probleme mit Gegenlicht und dem Ziehen der Linien, etc. Muss man diese Probleme derzeit so hinnehmen wie sie sind, oder kann man etwas verändern?

Kassai: Ja, es gibt diese Probleme, die Sie ansprechen. Es gibt zum Beispiel manchmal auch Probleme mit dem Ton. Natürlich sind wir angehalten, hier Lösungen zu finden. Da braucht es dann auch Gespräche mit unserem Partner Hawk-Eye. Es ist dies aber keine Ausrede, wenn wir einen Fehler machen. Was wir brauchen ist: Erfahrung, Schulung, Erfahrung, Schulung und so weiter. Unsere Schiedsrichter sind aber leider Amateure, weshalb es nicht so leicht ist, diese zu einer Schulung zusammenzubekommen. Wir haben keinen Stützpunkt, wo alle gemeinsam trainieren können, so wie bei einem Verein die Spieler sich gemeinsam entwickeln können. Was wir zumindest jetzt ermöglichen ist, dass Schiedsrichter in den VAR-Room kommen können, um bei einem Match sich auf eine nicht gebrauchte VAR-Station zu setzen und parallel zum Live-Match zu üben. Der Schlüssel zum Erfolg liegt im Bereich der Schulung.

Die Technologie ist vor allem auch eine Kostenfrage und wir lesen von vielen Neuigkeiten, wie die halbautomatische Abseitstechnologie. Doch das ist sehr teuer, und die Liga muss dafür bezahlen.

Viktor Kassai

90minuten: Wie sieht der technologische Fortschritt im Bereich des VAR aus. Was ist hier kurz- bis mittelfristig zu erwarten? In der Premier League waren letztens 20 iPhones am Spielfeldrand im Einsatz …

Kassai: Was wir abseits der technologischen Entwicklung in der vergangenen Saison eingeführt haben, ist der VAR-Instruktor. Nach jedem Spiel gibt es eine Besprechung des VAR mit dem Instruktor für ein Feedback. Ich erwähne das deswegen, weil nicht nur bzw. nicht immer die Technologie zählt. Die Technologie ist vor allem auch eine Kostenfrage und wir lesen von vielen Neuigkeiten, wie die halbautomatische Abseitstechnologie. Doch das ist sehr teuer, und die Liga muss dafür bezahlen. Wir sehen aber auch, dass es nicht überall die beste Technologie gibt, wie im Fall der WM oder einer EURO. Wir müssen unsere Lage realistisch sehen.

90minuten: Aber es ist schon auch eine Technologie-Frage, die den perfekten VAR ermöglicht?

Kassai: Wie schon erwähnt, ist das eine Frage, die die Bundesliga klären muss. Aus finanzieller Sicht gibt es aber derzeit keinen Puffer mehr. Wir nehmen aber jede technische Möglichkeit gerne mit.

90minuten: Sie haben schon öfters betont, dass ein guter Schiedsrichter auf dem Feld nicht unbedingt ein guter VAR sein muss und auch umgekehrt, ein guter VAR nicht unbedingt ein guter Schiedsrichter auf dem Feld ist. Was heißt das für die Zukunft? Wird es zwei verschiedene Arten von Schiedsrichter-Jobs geben?

Kassai: Ich glaube nicht, dass wir irgendwann einmal zwei komplett verschiedene Schiedsrichterkader haben werden. Es gibt einige gute Schiedsrichter, die in beiden Bereichen sehr gut sind. Es ist aber vorstellbar, dass jemand, der keine Perspektive als Schiedsrichter hat, sich zu einem VAR-Spezialisten entwickelt. Es kann schon sein, dass es künftig mehr Spezialisten gibt. Wir haben bereits jetzt mit Manuel Schüttengruber einen Kollegen, der seine Karriere als aktiver Schiedsrichter am Feld beendet hat, und nun als VAR im Einsatz ist.

90minuten: Es gibt in Österreich seit einiger Zeit auch die Diskussion über Profischiedsrichter. Welche neuen Möglichkeiten würden sich in Bezug auf den VAR dadurch ergeben?

Kassai: Wir machen aktuell eine Umfrage mit anderen Verbänden, die bereits auf Profischiedsrichter setzen, um die Erfahrungen einzuholen. Die Lösungen in den anderen Ländern sind sehr unterschiedlich, da die arbeitsrechtlichen Bedingungen überall anders sind. Wir wollen im Winter die ersten Grundideen den Schiedsrichter:innen präsentieren. Es wird in die Richtung gehen, dass wir jenen Schiedsrichter:innen, die Interesse daran haben, es ihnen ermöglichen wollen. Wir wollen aber niemanden zwingen. Schiedsrichter aus der älteren Generation werden wir damit vermutlich weniger erreichen, weil diese bereits seit Jahren einen fixen Job haben, den sie jetzt nicht aufgeben wollen. Schiedsrichter, die sich für diesen Weg entscheiden, könnten ein gewisses Fixum gezahlt bekommen, parallel zu einer reduzierten Spielgebühr.

90minuten: Und wenn es in diese Richtung geht, was würde sich dann für den VAR ändern?

Kassai: Mit diesen Schiedsrichtern können wir natürlich viel intensiver arbeiten, das betrifft alle Bereiche, nicht nur den VAR. Da geht es auch um Mentalcoaching, und einige andere Themen. In Aspern hätten wir dann künftig auch aus Sicht der Infrastruktur viel mehr Möglichkeiten, um gemeinsam zu arbeiten.

90minuten: Wir haben bei der U20-WM der Frauen eine neue Form des VAR gesehen. Jedes Team hatte eine gewisse Anzahl von Challenges und musste selbst aktiv werden, um eine Überprüfung zu fordern. Wie finden Sie dieses System?

Kassai: Ich habe diese neue Entwicklung mit Interesse verfolgt. Es ist noch zu frisch, um sagen zu können, ob es mehr Vorteile bringt oder nicht. Die FIFA wird auch noch Zeit brauchen, um hier zu einem Urteil zu kommen. Ich kann mir vorstellen, dass es in einigen Jahren für die Verbände eine Wahl gibt. Der Vorteil dieses Systems ist, dass es keine ständige Überprüfung des VAR braucht und daher günstiger ist. Ein Nachteil wäre, dass man einige größere Fehler dann nicht entdecken würde.

90minuten: Danke für das Gespräch!

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