Veratschnig: "Ohne dieses Gefühl macht Fußball keinen Spaß"
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Veratschnig: "Ohne dieses Gefühl macht Fußball keinen Spaß"

Vergangenen Sommer wechselte Nikolas Veratschnig vom Wolfsberger AC zum 1. FSV Mainz 05. Statt Linz heißt es jetzt Dortmund - ein Quantensprung. Im 90minuten-Interview erklärt er, wie es ihm am Weg zum Stammspieler geht.

Nikolas Veratschnig ist kein Mann vieler Worte. Aber wenn man das Kicken in Feldkirchen in Kärnten gelernt hat und am Wochenende gegen Bayern, Dortmund und Co. spielt, sprechen die Taten ohnehin für sich. Der Mainz-Legionär lief in den letzten vier Ligaspielen auf, am Samstag wartet der FC Bayern München.

Sein Werdegang könnte kaum klassischer sein. Beim Heimatklub kicken lernen, Wechsel in die Akademie eines Bundesligisten, ab der U19 auch Nachwuchs-Nationalspieler. 2021/22 folgten die ersten Einsätze bei der Kampfmannschaft des Wolfsberger AC, daraufhin war er zwei Jahre Stammspieler.

Bei einem Nachwuchsländerspiel fiel Veratschnig den Scouts auf und spricht nun im 90minuten-Interview über das Kicken vor 80.000 Menschen.

90minuten: Das Wichtigste muss man mit einem gebürtigen Kärntner schon einmal ganz am Anfang klären: Helau oder Leilei?

Nikolas Veratschnig: (lacht) Schon Helau, weil die Fastnacht hier ja viel größer ist. Bei mir zu Hause in Feldkirchen fahren vielleicht zehn Wägen beim Umzug mit und das war's.

90minuten: Vieles in Deutschland ist größer, so wie euer nächster Gegner, der FC Bayern München. Was verbindest du mit dem Klub, mit diesem Spiel?

Veratschnig: Das ist einfach ein Riesenverein. Wenn du als kleines Kind irgendwo spielen willst, dann fallen da Namen wie Bayern, Barcelona oder Real Madrid. Wir fahren am Samstag zum deutschen Rekordmeister und freuen uns sehr darauf; weil es umso schöner ist, wenn wir große Namen wie sie besiegen - was uns in der Saison schon gelungen ist.

Also Angst haben wir keine, wir haben sie diese Saison ja schon einmal geschlagen.

Nikolas Veratschnig, ein Mann ohne Furcht vor den Bayern

90minuten: Wären die Bayern auch einer der Klubs gewesen, von dem du als kleiner Bub geträumt hast? Für wen würdest du gerne spielen – ich glaube schon, dass man beim FSV Mainz 05 schon weiß, dass es größere Vereine gibt.

Veratschnig: Seit meiner Kindheit ist mein Lieblingsverein der FC Barcelona. Aber natürlich würde man als kleiner Bub bestimmt auch für die Bayern spielen.

90minuten: Wie geht ihr in das Spiel? Die Münchner sind ja immer ein bissl grantig, wenn sie aus dem Europacup ausscheiden und lassen das die nächsten Gegner durchaus spüren.

Veratschnig: Also Angst haben wir keine, wir haben sie diese Saison ja schon einmal geschlagen (Anm.: am 14. Spieltag, 2:1). Uns ist es auch egal, ob sie im Europacup sind oder nicht, wir fahren mit dem Gedanken im Kopf hin, dass wir gewinnen wollen - und das soll auch so sein.

90minuten: Heute vor einem Jahr hießen die Gegner Dobras und Pirkl im Dress des FC Blau-Weiß Linz, jetzt dann Harry Kane und Co. Was ist da im letzten Jahr eigentlich alles passiert?

Veratschnig: Das ist ein Riesenschritt für mich. In der Bundesliga gegen große Klubs wie Bayern zu spielen, davon träumst du als kleines Kind.

90minuten: Wie kam der Transfer zustande. Als langjähriger U-Nationalspieler mit Außenbahnerfahrung dürfte man doch schon auf einem Zettel stehen…

Veratschnig: Nach dem Spiel mit der U21 gegen Frankreich (Anm.: 2:0 am 17.11.2023) hat mich mein Berater angerufen und erklärt, dass da ein paar Scouts zuschauen waren, unter anderem von Mainz. Ich habe offenbar einen positiven Eindruck hinterlassen. Mein Manager hat mir dann gesagt, dass ich weiter beobachtet werde.

90minuten: Im Regelfall geht man ja meistens eher zu einem großen Verein im Land selbst, bevor man den Schritt ins Ausland wagt. Gab es auch die Möglichkeit, das zu tun?

Veratschnig: Es gab auch in Österreich Vereine, die an mir interessiert waren und ich habe mir die Angebote angehört. Aber Mainz hat mich überzeugt und ich habe mich für den Schritt ins Ausland, für mehr, bereit gefühlt.

Robin Dutt spielte in der Karriere des Kärntners eine wichtige Rolle
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Robin Dutt spielte in der Karriere des Kärntners eine wichtige Rolle

90minuten: Das Debüt erfolgte gleich im Cup gegen Wehen Wiesbaden, danach gab es zuerst nur Kurzeinsätze. Wollte man dich anschauen und dann -bauen?

Veratschnig: Ich bin in der 85. Minute eingewechselt worden und habe die Verlängerung auch komplett gespielt. Danach habe ich mich verletzt, war einen Monat außer Gefecht. Daraufhin habe ich mir etwas schwergetan, wieder hineinzufinden. So habe ich ein paar Spiele verpasst. Hinzu kommt, dass wir einen extremen Lauf hatten, da verstehe ich den Trainer, dass er keinen Grund hat, viel zu wechseln. Jetzt spiele ich zum Glück mehr.

90minuten: Mit einer gewissen Wartezeit muss man aber wohl auch rechnen, wenn man von Österreich nach Deutschland geht, oder?

Veratschnig: Mir wurde vor der Unterschrift kommuniziert, dass ich nicht gleich Stammspieler werde und mich hineinbeißen muss. Man sagte mir, dass ich fitter werden und körperlich zulegen müsse. Das haben wir im letzten Jahr schon relativ gut gemacht und seit Jänner bin ich sehr ready.

90minuten: Inwiefern meinst du fit? Woran hat es denn gefehlt? Sprintdaten, Ausdauer, Muskeln? Xaver Schlager ist in Deutschland auch zum Hulk geworden...

Veratschnig: Eigentlich war ich gut vorbereitet, aber mir hat dieser "körperliche Aufbau" einfach gefehlt, der für die sehr physische Spielweise der Bundesliga nötig ist. In Österreich lag der Fokus weniger auf Athletiktraining und mehr auf reiner Geschwindigkeit. Hier haben mir die Athletiktrainer ein paar gute Pläne gegeben, das hat super geklappt.

90minuten: Lustigerweise hat es bis zum 1. Dezember gedauert, als die Fans das erste Mal deinen Namen zuhause gehört haben, wenn auch nur eine Minute. Wie war das, als du gegen Hoffenheim das erste Mal vor heimischem Publikum eingewechselt wurdest?

Veratschnig: Es war fantastisch. Du fängst ja mit dem Fußballspielen an, um genau solche Momente zu erleben und ich hatte so viele Glücksgefühle.

Du kannst als Fußballer auch nur dann gut spielen, wenn du dich wohlfühlst. Ohne dieses Gefühl macht Fußball keinen Spaß.

Nikolas Veratschnig

90minuten: Mainz hat sich vorn festgesetzt, da hast du dann weniger gespielt, in den letzten Wochen werden die Einsatzminuten mehr. Wie lautet deine Zwischenbilanz nach gut einem Jahr Deutschland? Was war der geilste Moment? Der Auswärtssieg gegen Eintracht Frankfurt kurz vor Weihnachten?

Veratschnig: Auch wenn wir das Spiel verloren haben, war es unglaublich, in Dortmund vor 80.000 Fans zu spielen. Eigentlich kannst du es gar nicht in Worte fassen, wie cool das ist und was es für einen Fußballer bedeutet, vor so vielen Menschen zu spielen. Natürlich habe ich mir für uns ein anderes Ergebnis gewünscht.

90minuten: Die nächsten Gegner nach den Bayern sind die drittplatzierte Eintracht, der Abstiegskandidat VfL Bochum und der amtierende Meister Leverkusen. Da wird man vielleicht nicht mit zwölf Punkten rechnen können. Muss man jetzt damit rechnen, dass man ein wenig nach hinten gereiht wird?

Veratschnig: Wir denken nur von Spiel zu Spiel und machen uns über Frankfurt, Bochum und Leverkusen keine Gedanken. Diese Woche heißt der Gegner Bayern München und wir fokussieren uns voll darauf, wie wir dieses Spiel gewinnen können. Wir schauen nicht weiter in die Zukunft oder rechnen herum.

90minuten: Mainz ist da mittendrin zwischen Meistern, Europa League-Siegern, vor Dortmund oder Stuttgart. Die Entwicklung ging ja schnell. Nach einem Erfolgslauf muss man das Niveau ja halten können und die anderen sehen euch als Favorit an. Wie managt Bo Henriksen diese Entwicklung?

Veratschnig: Der Trainer gibt uns einfach ein unglaubliches Gefühl. Er ist zu allen Spielern ehrlich und sagt immer geradeheraus seine Meinung, auch wenn das manchmal hart ist. Aber es ist das Wichtigste, nicht vom Trainer angelogen zu werden und guten Kontakt mit ihm zu haben. Genau das managed er sehr gut. Und ich denke, dass wir deshalb auch als Team so gut funktionieren, weil wir uns untereinander so gut verstehen. Dafür sorgt er ja auch. Du kannst als Fußballer auch nur dann gut spielen, wenn du dich wohlfühlst. Ohne dieses Gefühl macht Fußball keinen Spaß.

90minuten: Mit Phillipp Mwene spielt ein ÖFB-Kollege da, tauschst du dich mit ihm oder anderen aus?

Veratschnig: Ich verstehe mich eigentlich mit all meinen Mitspielern sehr gut und wir machen auch viel zusammen in der Freizeit.

Bei einem Spiel der U21 fiel Veratschnig auf - nicht einfach, neben Zanglern wie Thierno Ballo
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Bei einem Spiel der U21 fiel Veratschnig auf - nicht einfach, neben Zanglern wie Thierno Ballo

90minuten: Welche Tätigkeit entspannt dich abseits des Fußballs?

Veratschnig: Einfach nur Kaffee trinken gehen, einen Kuchen essen oder mit den Mannschaftskollegen Karten spielen.

90minuten: Hätte ja sein können, dass du gerne auf Berge wandern gehst, das ist in Mainz ja eher schwierig.

Veratschnig: (lacht) Ja, hier gibt’s nur Hügel.

90minuten: Schauen wir zurück nach Wolfsberg. Beschreibe deinen Weg in den Profifußball!

Veratschnig: Bis zur U14 war ich bei meinem Heimatverein beim SV Feldkirchen. Bei einer Sichtung bin ich den U15-Trainern aus Wolfsberg aufgefallen, dort dann in die Akademie gegangen und habe alle Jahrgänge bis zu WAC II durchlaufen. Nach einem halben Jahr in der Regionalliga durfte ich unter Robin Dutt vermehrt bei den Profis mittrainieren. Er hat mich auch quasi zum Profi gemacht.

90minuten: Robin Dutt ist also die Schlüsselfigur, warum du nun bei Mainz spielst? Welche Knöpfe hat er gedrückt?

Veratschnig:  Für die eigene Entwicklung ist man als Spieler in vielen Teilen selbst verantwortlich, aber natürlich hilft es ungemein, wenn man schon in der Jugend tolle Trainer hat, die einen aufbauen. Robin Dutt hat in mir großes Potenzial gesehen und mich dann zu den Profis hochgezogen.

90minuten: Deine Ex-Kollegen stehen vor dem ersten Titel der Vereinsgeschichte. Bist du vielleicht zu früh gegangen - immerhin kann der WAC ja das Double holen!

Veratschnig: Ich hoffe es! Ich habe noch viele Freunde dort und wünsche es ihnen. Den Schritt bereue ich aber nicht.

90minuten: 22 Jahre alt, Außenbahnspieler, Arbeitgeber Mainz. Hast du schon Kontakt mit dem Teamchef gehabt?

Veratschnig: Es gab zu Ralf Rangnick noch keinen konkreten Kontakt, aber der Co-Trainer hat mich beim Training besucht und mit mir gesprochen. Er meinte, ich wäre ein interessanter Spieler für die Zukunft und muss weiter Gas geben und hart arbeiten. 

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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