Bereits als Jugendlicher war Thierno Ballo österreichischen Fußballfans ein Begriff. Im Chelsea-Nachwuchs machte der Offensivspieler mit Mitspielern wie Jamal Musiala auf sich aufmerksam, trainierte bei den Profis unter Frank Lampard und Thomas Tuchel.
Nach intensivem Hype erlebte er im Herbst 2021 eine weniger gelungene Leihe zum SK Rapid. Beim WAC konnte der Österreicher im Profigeschäft Fuß fassen, schaffte es sogar in den vorläufigen EM-Kader des ÖFB-Teams.
Im Interview mit 90minuten spricht der aktuelle Heeressportler über die freundliche Aufnahme von David Luiz ins Chelsea-Team, gebrochene Versprechen bei Rapid, den bitteren EM-Cut von Ralf Rangnick und wie ihm der Anschiss von Didi Kühbauer weiterhilft.
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90minuten: Neben dem Fußball bist du aktuell auch beim Bundesheer. Wie läuft die Vorbereitung auf das Frühjahr?
Ballo: Alles gut. Die Vorbereitung lief gut. Wir haben gute Spiele bestritten. Es zählt aber erst ab dem ersten Spiel. Da müssen wir da sein. Es ist egal, was davor passiert ist.
90minuten: Wie oft musst du zum Bundesheer?
Ballo: Ich mache die Grundausbildung. ÖFB und Verein haben für mich abgeklärt, dass ich jedes Mal zum Training darf. Ich verpasse dahingehend nichts. Sie wissen, dass Fußball ein wichtiger Teil von mir ist.
90minuten: Beeinträchtigt dich das Ganze als Profisportler?
Ballo: Ich mache nicht, was die anderen machen. Ich gehe hin, stelle mich vor und fahre dann direkt zum Training. Mehr mache ich nicht.
"Es hilft, wenn er uns sagt, wo wir uns verbessern müssen oder wir Anschiss kriegen. Das benötigen manche Spieler. Ich brauche das auch manchmal, dass ich immer dranbleibe."
90minuten: Den Herbst hat der WAC auf Platz vier abgeschlossen. Wie zufrieden seid ihr damit?
Ballo: Wir sind sehr zufrieden, wissen aber auch, es könnte besser sein. Manchmal haben wir selbst reingekackt.
90minuten: Sieben Tore und sechs Assists hast du beigesteuert. Wie zufrieden bist du mit dir selbst?
Ballo: Es könnte besser sein. Letztes Jahr war es in der Hinrunde ein bisschen mehr. Natürlich steht aber an erster Stelle, dass ich der Mannschaft helfen kann.
90minuten: Im Cup wartet mit Schwarz-Weiß Bregenz im Viertelfinale ein Zweitligist. Die Chancen auf ein Halbfinale und in weiterer Folge ein Finale sind also durchaus gut.
Ballo: Wir sind noch weit vom Finale entfernt. Du darfst keinen Gegner unterschätzen. Bregenz ist mit harter Arbeit so weit gekommen. Wir müssen hineingehen, als wäre es ein Endspiel.
90minuten: Im Sommer hat Didi Kühbauer beim WAC übernommen. Was für einen Einfluss hat er auf die Mannschaft?
Ballo: Kühbauer habe ich schon gekannt, er hat mich damals zu Rapid geholt. Wir haben eine gute Beziehung. Wir wissen, was er will. Er pusht uns und holt das Bestmögliche aus uns heraus. Es tut uns manchmal gut, nicht nur gelobt zu werden. Es hilft, wenn er uns sagt, wo wir uns verbessern müssen oder wir Anschiss kriegen. Das benötigen manche Spieler. Ich brauche das auch manchmal, dass ich immer dranbleibe. Es läuft alles gut. Er macht das super.
90minuten: Dann möchte ich noch über die Anfänge deiner Karriere sprechen. Mit elf Jahren bist du ins Ausland zu Bayer Leverkusen gewechselt. Warum?
Ballo: Meine Eltern mussten aus beruflichen Gründen nach Deutschland ziehen.
90minuten: Mit 16 Jahren bist du dann von Viktoria Köln nach England zum FC Chelsea gewechselt. Es gab auch Interesse von anderen Premier-League-Klubs und Vereinen aus der Deutschen Bundesliga. Wie ist das damals abgelaufen?
Ballo: Sie hatten Interesse und wir haben uns angehört, was sie mit mir vorhaben und wie ich mich weiterentwickeln kann. Sie wissen, wie man Spieler besser macht. Im Endeffekt habe ich mich für Chelsea entschieden, weil es wichtig ist, sich gut zu entwickeln. Alles andere kommt von alleine.
90minuten: Wie ist es dir mit der schulischen Ausbildung in England ergangen?
Ballo: Ich hatte aus Deutschland einen Lehrer dabei, der hat mit mir gelernt. Als ich rübergewechselt bin, musste ich den englischen Abschluss nachholen. Da hatte ich extra Privatunterricht.
90minuten: Der Chelsea-Nachwuchs gilt als sehr professionell. Wie hast du das Ganze miterlebt?
Ballo: Es war sehr professionell. Man denkt, sie sind viel weiter. Wir hatten alles Mögliche. Ernährungsberater und Individualtrainer. Es gab einfach alles. Man hatte seine eigenen Ordner, wo man Videos anschauen konnte. Du hast gesehen, wo du dich verbessern musst. Es war ein Traum für einen Spieler, der sich entwickeln will.
"Das sind hochprofessionelle Spieler, davor musst du Respekt haben. Du weißt, was sie alle geschafft haben. Es ist ein Traum, mit ihnen zu trainieren und ein schönes Erlebnis."
90minuten: Jamal Musiala und dich hat die deutsche Sprache damals verbunden.
Ballo: Wir haben uns gut verstanden. Wir haben bei den Spielen manchmal untereinander Deutsch geredet, damit uns die Gegner nicht verstehen. Das hat uns geholfen und hat Spaß gemacht. Ab und zu habe ich noch Kontakt zu ihm.
90minuten: Beim FC Chelsea konntest du auch bei den Profis mittrainieren. Was war das für ein Gefühl?
Ballo: Das sind hochprofessionelle Spieler, davor musst du Respekt haben. Du weißt, was sie alle geschafft haben. Es ist ein Traum, mit ihnen zu trainieren und ein schönes Erlebnis. Das nimmst du fürs Leben mit.
90minuten: Du hast unter Frank Lampard und Thomas Tuchel trainiert. Wie hast du die beiden erlebt?
Ballo: Sie helfen jungen Spielern, reden auch mit denen. Auch die Spieler sind nett, nehmen dich direkt auf, versuchen dir zu helfen. So kannst du dich schnell adaptieren. Es ist etwas Schönes. Man merkt, sie kommen zu dir, begrüßen dich, reden und lachen mit dir. Mit ein paar habe ich noch Kontakt und schreibe mit ihnen ab und zu.
90minuten: Mit wem hast du noch Kontakt?
Ballo: David Luiz, er war einer von denen, die mich so gut aufgenommen haben. Mit Rüdiger halte ich auch noch Kontakt. Havertz habe ich schon aus Leverkusen gekannt, wir sind zusammen in Deutschland aufgewachsen. Die jüngeren Profispieler schreiben mir auch viel.
90minuten: Es gab damals einen großen Hype um dich. Wie bist du damit umgegangen?
Ballo: Ich hatte damals die richtigen Leute an meiner Seite. Sie haben mich unterstützt und geredet, wie ich damit umgehe. Das hat mir sehr geholfen, dass ich normal geblieben bin.
"Da sind Sachen gelaufen, die mir nicht gepasst haben. Es wurden Sachen versprochen, aber nicht eingehalten."
90minuten: Hast du Druck verspürt?
Ballo: Das kann man nicht Druck nennen. Du hast immer Druck, aber es kommt darauf an, wie du es aufnimmst. Wenn dich die richtigen Personen unterstützen, merkst du davon gar nichts mehr.
90minuten: 2021 wurdest du an den SK Rapid ausgeliehen. Das Engagement lief nicht nach Wunsch, die Leihe wurde nach einem halben Jahr abgebrochen. Wie blickst du jetzt darauf?
Ballo: Kühbauer hat mich geholt, da lief alles gut. Dann kam der neue Trainer. Da sind Sachen gelaufen, die mir nicht gepasst haben. Es wurden Sachen versprochen, aber nicht eingehalten. Das hat Chelsea auch gemerkt und gesehen, es ist besser, wenn sie mich zurückholen. Sie haben mich gebraucht und es ist dann alles gut gelaufen.
90minuten: Im Sommer 2022 bist du dann zum WAC unter Robin Dutt in ein ruhigeres Umfeld gewechselt. Im Nachhinein der genau richtige Schritt?
Ballo: Der Trainer hat mich geholt und hatte Vertrauen in mich. Dutt kannte mich von Leverkusen. Er hat mir die Chance gegeben und diese habe ich ausgenutzt. Man merkt, wenn ein Trainer einem Spieler vertraut. Das willst du zurückgeben.
90minuten: Im Sommer warst du im vorläufigen EM-Kader des A-Nationalteams. Was war das für ein Gefühl, einberufen zu werden?
Ballo: Darüber war ich sehr glücklich. Es hat mich sehr überrascht, auch wenn ich wusste, dass ich es schaffen kann. Es waren coole Typen, eine coole Truppe. Ich habe viele kennengelernt, sie waren alle nett zu mir. Wir hatten auch einen Top-Trainerstaff. Es war schön, schade, dass es nicht geklappt hat. Dafür werde ich arbeiten, um das nächste Mal dabei zu sein. Es ist mein großes Ziel, mein Debüt im A-Team zu geben.
"Das ist meine Truppe, ich kenne die U21. Es war noch ein letztes Spiel vor der Sommerpause. Das war direkt in der Nähe, dann habe ich gesagt: Wenn ich in die Schweiz nicht mitfliegen kann, ob es möglich wäre, in der U21 zu spielen."
90minuten: Du sprichst es an. Als einer von drei Spielern bist du dem letzten Cut zum Opfer gefallen. Wie wurde dir das Ganze mitgeteilt?
Ballo: Der Trainer hat mich zur Seite geholt und mit mir geredet. Das habe ich akzeptiert. Ich bin froh, die Erfahrungen gemacht zu haben.
90minuten: Statt in den Urlaub bist du nach dem Cut dann zur U21 nach Wiener Neustadt gereist, um ein Testspiel gegen Schottland zu absolvieren.
Ballo: Das ist meine Truppe, ich kenne die U21. Es war noch ein letztes Spiel vor der Sommerpause. Das war direkt in der Nähe, dann habe ich gesagt: Wenn ich in die Schweiz nicht mitfliegen kann, ob es möglich wäre, in der U21 zu spielen. Das hat funktioniert. Wir haben 5:0 gewonnen. Es war ein geiler Abschluss.
90minuten: Im Herbst warst du bei der EM-Qualifikation mit der U21 mit dabei. Wie bitter ist es, die verpasst zu haben?
Ballo: Es war sehr bitter. Wir waren einfach eine geile Truppe. Wir hatten alle das Ziel, wollten für Österreich dort sein. Es war sehr knapp, uns hat nur ein Punkt gefehlt. Man hat gesehen, was wir können. Wir haben uns auch gegen die großen Länder durchgesetzt.
"Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Bis jetzt war ich nur bei Österreich, und es hat mir immer Spaß gemacht."
90minuten: Wie hast du Werner Gregoritsch erlebt?
Ballo: Wir haben eine gute Beziehung zueinander. Er weiß, was ich will. Wir haben uns gut verstanden. Er hat oft mit mir geredet und mir auch weitergeholfen.
90minuten: Du bist in der Elfenbeinküste geboren. War für dich von Anfang an klar, dass für Österreich auflaufen möchtest?
Ballo: Ich bin in Österreich aufgewachsen. Das meiste, was ich kenne, ist Österreich. Die Familie ist auch da.
90minuten: Sollte die Elfenbeinküste an dich herantreten, wäre ein Nationenwechsel für dich denkbar?
Ballo: Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Bis jetzt war ich nur bei Österreich, und es hat mir immer Spaß gemacht.
90minuten: Beim WAC hast du einen neuen Vertrag bis 2027 unterschrieben. Was sind deine Ziele für die Zukunft? Eine Top-5-Liga?
Ballo: Wenn es gut läuft, ist es natürlich mein Traum. Im Endeffekt liegt es an mir. Wenn etwas kommt, muss man sich hinsetzen und überlegen, was das Beste ist.
90minuten: Im Sommer hat angeblich Lok Moskau angeklopft. Wie ist das damals abgelaufen?
Ballo: Es war nicht Lok Moskau, sondern ein anderer Verein. Mein Manager und der Verein haben sich hingesetzt und geredet. Im Endeffekt haben wir entschieden, dass es sportlich aktuell hier am besten passt.
90minuten: Stichwort Bundesheer. Warst du dahingehend gehindert, ins Ausland zu wechseln?
Ballo: Das Bundesheer muss ich sowieso machen. Wir haben es aber nicht deswegen abgesagt, sondern entschieden, was das bestmögliche für mich war. Es ist besser noch ein Jahr sich zu entwickeln und dann sehen wir eh was kommt.