Sturm-Geschäftsführer Thomas Tebbich ist dieser Tage gut ausgelastet. Das erste Champions-League-Heimspiel seit 23 Jahren steht vor der Tür.
Wobei das Wort Heimspiel gegen den FC Brügge (Mittwoch, 21 Uhr im LIVE-Ticker) differenziert zu sehen ist. Sturm muss für die Partie nach Klagenfurt ausweichen, weil Liebenau für die Königsklasse nicht taugt. Die Grazer haben deshalb einen organisatorischen Mehraufwand zu leisten, der sich sehen lassen kann.
Tebbich spricht mit 90minuten über das nach eigenen Angaben aufwändigste Verkehrskonzept, das für eine Großveranstaltung im Wörthersee Stadion bisher entwickelt wurde, wie sich das Ausweichen nach Klagenfurt finanziell auswirkt und seine Enttäuschung, dass das Stadion wohl nicht ganz voll sein wird.
Außerdem erzählt der 49-Jährige, der seit acht Jahren für die wirtschaftlichen Angelegenheiten beim SK Sturm verantwortlich ist, in welche Infrastrukturbaustellen große Teile der Europacup-Einnahmen fließen, was er zur Kritik am Merchandising zu sagen hat und wann das Brügge-Spiel für ihn ein Erfolg gewesen ist.
90minuten: Wir stehen unmittelbar vor der Champions-League-Heimpremiere von Sturm. Ist Klagenfurt bereit?
Thomas Tebbich: Ich glaube, ja. Das Testspiel im Sommer gegen Paris St. Germain war dabei extrem wichtig für uns. Wir haben lange gekämpft, damit wir einen Gegner bekommen, der uns rund 20.000 Zuschauer bringt. Vom Verkehrskonzept, über Parkplätze, Shuttleservice, Security, Ticketing bis hin zu Wlan-Verbindungen für die Pressetribüne konnten wir die gesamte Infrastruktur in einem Probelauf testen.
90minuten: Und dieser Probelauf war zufriedenstellend?
Tebbich: Es hat wirklich gut funktioniert. Wir haben ein paar Kinderkrankheiten im Ticketingsystem bei den Scannern und Drehkreuzen entdeckt und weil das Stadion in Kärnten auch nicht mehr das jüngste ist, mussten wir bei der IT-Infrastruktur - Glasfaserkabel und Wlan-Router - einige Optimierungen vornehmen, weil die UEFA sehr hohe Kapazitäten für Datentransfers verlangt. Mir war wichtig, dass alle externen Dienstleister bei diesem Spiel dabei sind, um solche Dinge gleich vor Ort lösen zu können.
90minuten: Der Verkehr wird einer der Knackpunkte sein. Es reisen im Grunde fast alle Fans von außerhalb an, weil die große Mehrheit aus der Steiermark kommen wird. Wie habt ihr da vorgesorgt?
Tebbich: Wir haben ein Verkehrskonzept entwickelt, das es in diesem Ausmaß für eine Großveranstaltung in der Wörthersee-Arena bis jetzt noch nicht gegeben hat. Wir haben sehr großräumig gedacht, es wird schon auf der Autobahn Hinweistafeln und Informationen zum Leitsystem für Parkplätze und Shuttles geben. Alle Busse werden bei uns registriert und bekommen einen Parksticker oder werden auf den Listen vor Ort vermerkt. Am Parkplatz vor der Südtribüne haben wir Platz für rund 100 Busse. Leider haben sich für dieses Spiel relativ wenig Busse angemeldet, obwohl wir die Kooperation mit Busfinder für die ganze Steiermark haben. Wir wollen den Individualverkehr so klein wie möglich halten. Durch den Spieltermin unter der Woche zeichnet sich aber leider ab, dass die individuellen Anreisen im Verhältnis zu einem Cup-Finale in Klagenfurt, das am oder vor einem Feiertag gespielt wird, weit höher sein werden.
90minuten: Das bedeutet: Man muss mit weit mehr Verkehr bei der Anreise rechnen.
Tebbich: Ja, genau. Leider. Intensive Regenfälle sind für den Spieltag zusätzlich angesagt. Umso wichtiger wird das frühzeitige Leitsystem schon auf der Autobahn. Wir haben die gesammelten Informationen breit im Vorfeld des Spiels über alle unsere Kanäle kommuniziert.
90minuten: Gibt es auch ein Fandorf vor der Südtribüne, wie beim Cupfinale?
Tebbich: Wir haben eine gute Gastronomieversorgung rund um das Stadion ausgearbeitet. Das klassische Fandorf wird es aber jetzt zumindest einmal beim Brügge-Spiel nicht geben, was im Wesentlichen dem späten Spieltermin unter der Woche geschuldet ist.
Das wirtschaftliche Ergebnis wird wohl ein ähnliches sein, wie wenn wir in Liebenau gespielt hätten. Die Kosten pro Spieltag sind für uns dramatisch höher.
90minuten: Wie viele Tickets sind für dieses erste Heimspiel in der Champions League schließlich abgesetzt worden?
Tebbich: Wir stehen bei 26.500 verkauften Karten.
90minuten: Zufriedenstellend?
Tebbich: Wir haben 30.800 Plätze. Ich weiß, das Spiel ist in Klagenfurt, aber ich hätte mir gewünscht, dass wir beim ersten Champions-League-Heimspiel nach 23 Jahren ausverkauft sind. Aber es wird in jedem Fall eine richtig coole Atmosphäre und Kulisse sein. Man darf ja nicht vergessen: Im Vergleich zum Cup-Finale sind fast alle im Stadion dieses Mal Sturm-Fans.
90minuten: Aus bekannten Gründen und wie angesprochen, findet die Champions League in Klagenfurt und nicht in Liebenau statt. Es können weit mehr Tickets verkauft werden. Dem steht ein ungleich höherer organisatorischer Aufwand gegenüber. Kannst du uns eine Einschätzung geben, wie die finanzielle Balance für Sturm dabei aussieht?
Tebbich: Das wirtschaftliche Ergebnis wird wohl ein ähnliches sein, wie wenn wir in Liebenau gespielt hätten. Die Kosten pro Spieltag sind für uns dramatisch höher. Es beginnt mit den angesprochenen Infos auf der Autobahn, die natürlich von uns getragen werden müssen, und endet bei den Reise- und Hotelkosten für das gesamte Team. Es ist ein massiver Aufwand und eine extreme Herausforderung für die gesamte Geschäftsstelle.
90minuten: Stichwort Geschäftsstelle. In welchem Ausmaß ist die Geschäftsstelle bei euch durch diese Herausforderung Champions League gewachsen?
Tebbich: Wir haben schon in den letzten Jahren in allen Bereichen stark zugelegt. Im Merchandising haben wir einen neuen Fanshop eröffnet und der Onlineshop wächst stark, was eine große Logistik im Hintergrund nach sich zieht. Sponsoring ist mehr geworden, wir haben eine Position geschaffen für die Events in unserem Longin-Klub und der Bereich der Spieltagsverantwortung ist ebenfalls größer geworden. Diese Abteilung betreut die Spiele aller Teams und jetzt auch die UEFA-Delegation für die Champions-League-Partien. Wir haben aktuell etwas mehr als 60 Mitarbeiter und sind in letzter Zeit um rund zehn Vollzeitäquivalente gewachsen.
90minuten: Beim Thema Merchandising wurde in letzter Zeit immer wieder Kritik laut, was die Verfügbarkeit von Fanartikeln betrifft. Zugespitzt hat sich das jetzt für die Champions-League-Dressen, die nach nur wenigen Tagen ausverkauft und nicht mehr verfügbar waren. Wie begegnest du dieser Kritik?
Tebbich: Im Falle der Dressen ist das einfach erklärt. Im Prozess zwischen unserem Ausrüster Nike und unserem Vertriebspartner ist es zu Lieferengpässen bei diversen Produkten und Kapazitätsproblemen beim Veredeln der Shirts gekommen. Somit konnten unsere Partner nicht nur nicht fristgerecht, sondern mit monatelanger Verspätung und in nur reduzierter Stückzahl an uns liefern. Wir hätten uns das natürlich anders gewünscht, um die sehr hohe Nachfrage an Dressen bedienen zu können.
90minuten: Das heißt unter dem Strich, dass ihr wegen euren Ausstattungspartnern Umsatzeinbußen hinnehmen musstet.
Tebbich: Ja, genau. Ich möchte keine Details dazu nennen, aber wir sind natürlich mit den Partnern in Gesprächen, was die Kompensation dieses Schadens betrifft. Es ist für uns absolut nicht zufriedenstellend, wie dieser Prozess gelaufen ist und noch mehr für unsere Fans, die sich kein Dress kaufen können. Wir haben uns für die Zukunft auf einen verbesserten Prozess geeinigt, um den entsprechenden Umfang aller Nike-Produkte für die Fans zur gewünschten Zeit zur Verfügung zu haben.
90minuten: Von diesen Problemen abgesehen, bringt die Teilnahme am höchsten europäischen Bewerb natürlich schon allein durch das Startgeld eine erhebliche Summe Geld für Sturm. Wie wirkt sich das auf Umsatz und Budget im Klub aus?
Tebbich: Der Impact ist natürlich in erster Linie, dass wir für 2024/25 wieder einen neuen Rekord im Bereich des Umsatzes erzielen werden. Wir präsentieren im Laufe des Oktobers die Zahlen für 2023/24, wo wir auch schon lauter neue Rekorde herzeigen können. Für den kommenden Abschluss steigert sich das durch das Startgeld noch einmal massiv. Am Ende des Tages geht es aber eigentlich um den Gewinn und die Kosten, die durch die jüngsten Erfolge für die kommende Saison anfallen werden, die sind noch einmal ganz andere als bisher. Ich nehme hier nur den Kader als Beispiel, der breiter, qualitativ besser und somit auch teurer geworden ist. Aber natürlich werden wir durch die Champions-League-Gelder unseren Gewinn weiter steigern können.
90minuten: Was wird mit dem Mehr an Geld, das bleibt, im Klub passieren?
Tebbich: Wir haben mehrere Infrastrukturbaustellen. Da ist das Stadion in Gleisdorf für Sturm II, wo es Probleme mit dem Rasen gibt. Es sieht danach aus, dass wir mittelfristig weiter dort planen und in dem Fall müssen wir gemeinsam mit der Gemeinde den Platz weiterentwickeln. Nummer zwei ist die Gruabn, wo wir langfristig mit den Damen spielen wollen. Hier wollen wir gemeinsam mit der Stadt Graz etwas weiterbringen. Die Tribüne ist restauriert worden, aber es fehlt an WC-Anlagen, an Spieltagsgastronomie und natürlich haben wir auch dort ein Thema mit dem Rasen, wo wir etwas tun müssen. Zusätzlich werden wir in den Postsportplatz investieren, wo die Damen und die Damen-Akademie derzeit trainieren. In geringerem Ausmaß freilich, weil in absehbarer Zeit die Damen in das neue Trainingszentrum umziehen werden.
90minuten: Für dieses Trainingszentrum in Graz-Puntigam wurde für Herbst 2024 der Baubeginn angekündigt. Wie sieht es damit derzeit aus?
Tebbich: Wann konkret der Bau startet, darauf will ich mich jetzt nicht festlegen. In jedem Fall ist die Eröffnung des Zentrums für den Frühsommer 2026 vorgesehen.
90minuten: Was ist nun in diesem neuen Bau alles geplant? Konkret bekannt ist, dass es drei neue Trainingsplätze geben wird. Wie wird es darüber hinaus ausschauen?
Tebbich: Zusätzlich zu den Fußballplätzen wird es ein Trainingsgebäude mit rund 1.500 m² geben. In dem werden Büros, Physioräume, Kraftkammer und Kabinen für die Akademie, den Nachwuchs und die Damen Platz finden. Die Kapazität der Anlage ist darauf ausgelegt, dass wir in Folge noch zwei weitere Trainingsplätze dazu bauen könnten.
Wenn man diese Dinge, die notwendig sind - Kapazitätserweiterung, Pressezentrum, zusätzliche Flächen rund um das Stadion und was es sonst noch an UEFA-Auflagen gibt - abbilden kann, fände ich es cool, wenn wir an diesem für uns so emotionalen Standort bleiben könnten.
90minuten: Das heißt, weil Messendorf komplett für die erste Mannschaft gebraucht wird, muss Sturm II weiterhin in Tillmitsch trainieren und in Gleisdorf seine Spiele austragen?
Tebbich: Mit den zunächst realisierbaren drei Trainingsplätzen, wird es vorwiegend ein Damen- und Nachwuchszentrum sein. Was die Heimspiele für Sturm II betrifft, gibt es mittelfristig die eine oder andere Überlegung, aber das ist aktuell noch nicht spruchreif.
90minuten: Dann wäre da noch das leidige Thema Stadion Liebenau. Man weiß inzwischen, dass eine Zwei-Stadien-Lösung für Graz von der Politik abgesagt wurde und Sturm weiterhin mit dem GAK in Liebenau Bundesliga spielen wird. Eine Arbeitsgruppe beschäftigt sich derzeit damit, was alles dort adaptiert werden muss, um diesen Spielbetrieb zu gewährleisten und das Stadion wieder europacuptauglich zu machen. Bist du persönlich der Meinung, dass dieser alte Bau so umgebaut werden kann, dass das mittelfristig auch Sinn für alle Beteiligten macht?
Tebbich: Wenn man diese Dinge, die notwendig sind - Kapazitätserweiterung, Pressezentrum, zusätzliche Flächen rund um das Stadion und was es sonst noch an UEFA-Auflagen gibt - abbilden kann, fände ich es cool, wenn wir an diesem für uns so emotionalen Standort bleiben könnten. Die Teilung mit dem GAK ist - und da spreche ich ja nicht nur für Sturm - für beide Klubs nicht das Wunschszenario. Wichtig zu erwähnen ist zudem, dass die komplette Gastronomie an den Spieltagen an die Vereine übergeben wird. Jeder Dorfklub finanziert sich über seine Kantine und wir haben diese Möglichkeit in der Bundesliga aktuell nicht.
90minuten: Zum Schluss kommen wir noch einmal zur Champions-League-Heimpremiere. Was muss passieren, damit dieses Spiel gegen den FC Brügge für dich ein Erfolg war?
Tebbich: Sportlich muss das mein Kollege Andi Schicker beantworten, obwohl ich mir natürlich ein erstes Anschreiben in der Königsklasse sehr wünsche! Aus der Perspektive meines Verantwortungsbereichs war es ein Erfolg, wenn unser Verkehrskonzept funktioniert und wir keine langen Staus und Verzögerungen haben werden. Dazu gehört auch der Zugang zum Stadion und dass alle Fans zeitgerecht zum Anpfiff im Stadion sind. Wenn wir zum Anpfiff hin mit den Tagestickets noch so nahe wie möglich an ein ausverkauftes Stadion herankommen, wäre das freilich auch sehr schön.