Spielerberater zu Österreichs Kickern: Zu brav und falsch ausgebildet?
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Spielerberater zu Österreichs Kickern: Zu brav und falsch ausgebildet?

Wie gefragt sind Kicker aus der ADMIRAL Bundesliga am internationalen Markt? Eine spannende Frage, die dann beantwortet wird, wenn Berater keinen Namen nennen müssen.

Österreichs Fußballer haben nicht nur bei der Europameisterschaft 2024 gezeigt, dass hierzulande passabel gekickt wird. Das beweisen auch viele Legionäre in den besten Ligen, die sich in der Heimat auf den nächsten Schritt vorbereitet haben. Etwa Marco Grüll, der vom SK Rapid zu Werder Bremen ging oder Alexander Prass, der zu Hoffenheim wechselte. Die Liste ist lange und betrifft noch viele weitere.

Das liegt auch daran, weil im Ausland mehr bezahlt wird. Wer in Ausbildungsligen ein, zwei gute Saisonen spielt, wird recht schnell geholt, oftmals um kleineres Geld als ligaintern. Das betrifft die Bundesliga, aber auf etwas höherem Niveau auch die Ligen in Portugal oder den Niederlanden. Der Reichtum oben tröpfelt in gewisser Form nach unten. Vielleicht ist der Fußball da eine der wenigen Felder, wo das wirklich funktioniert.

Die Top30-Transfers der Bundesliga (und mehr) geschahen alle in den letzten zehn Jahren. Alleine in der Saison 2023/24 wurden 13 Spieler um Millionenbeträge in die weite Fußballwelt verkauft. Zwar hat Salzburg da klarerweise einen Löwenanteil, aber auch Sturm (Emegha zu Straßburg, 13 Mio), der LASK (Nakamura zu Reims, 12 Mio), Rapid (Kühn zu Celtic, 3,5 Mio) der WAC (Bamba zu Lorient, 5 Mio, Baribo zu Philadelphia, 1,4 Mio) und sogar Klagenfurt (Irving zu West Ham, 1,76 Mio) steuern einiges bei.

Wie steht es aber um den Wert der Kicker aus der heimischen Bundesliga? 90minuten hat im Rahmen des Schwerpunkts zur Zukunft der Bundesliga mit Spielerberatern gesprochen, die durchaus auch Kritik üben und aufgrund des heiklen Themas ihren Namen lieber nicht lesen wollen.

"Gute Entwicklung"

Einer, der schon länger im Geschäft ist und eine Reihe namhafter Spieler vertrat und vertritt, registriert eine gute Entwicklung. "Viele Vereine schauen verstärkt nach Österreich: Das Niveau der Liga wird immer stärker", sagt er. Der Hintergrund ist auch das Playoff-System, die Spiele in der Meistergruppe hätten ein gutes Niveau. Darüber hinaus sind die rot-weiß-roten Kicker im Schnitt eben noch etwas günstiger im Vergleich zu anderen Ländern.

Früher riet er zudem jungen Spielern bereits im Akademie-Alter, das Land zu verlassen, nun sollen sie sich getrost in Österreich durchsetzen, denn in den meisten Akademien würde sich das Niveau im internationalen Vergleich nicht unterscheiden. Dass die U22-Minuten zurückgehen, liegt aus seiner Sicht auch daran, dass man vielleicht zu wenig in die 2. Liga schaue. Und wo ein Spieler herkomme, sei in der globalisierten Welt ohnehin egal. 

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"Er ist ein Gesamtpaket und nicht gut, weil er ein Strizzi ist. Auch wenn er vielleicht ein bisschen anders tickt."

Internationale Klubs würden auch gar nicht darauf schauen, wo ein Spieler herkommt: "Je stärker die Vereine international spielen, desto mehr steigt der Stellenwert. Aber am Ende entscheiden Qualität und Leistung. Die Vereine sind ja nicht dumm, die wissen schon, dass man Junge leichter vermarktet als Ältere."

Da stört es auch wenig, wenn sich Spieler dann da und dort nicht durchsetzen. Mentalität ist etwas Individuelles. Andere Spielerberater werfen einen differenzierteren Blick auf die Sachlage.

"Zu wenig Mut"

Die Intensität, die international gesucht werde, die finde man schon in Österreich, vor allem Salzburg hat hier Pflöcke eingeschlagen, ist ein anderer Spielerberater überzeugt. "Das macht die Liga attraktiv", ist er sich sicher.

Allerdings reicht rennen, kratzen, beißen nicht. Aus seiner Sicht brauche es schon auch mehr fußballerische Ausbildung. Diese komme aber zu kurz. Das liege wohl auch daran, dass die Akademien "gleichstriegeln. Es kommen brave, gut ausgebildete Spieler heraus." 

Das hilft auf manchen Positionen, auf anderen nicht – ein Blick auf das Nationalteam zeigt das irgendwie auch: viele Abwehrspieler und Abräumer, weniger offensive Kreativität. 

"Es gibt in den Akademien auch keine übergeordnete Ausbildungslinie. Mancherorts spielen die Profis anders als im Nachwuchs", sagt er weiter, "Das System wäre gut, aber die wenigsten Vereine haben die Geduld, einen Kicker drei Jahre mitzuziehen. Dafür braucht es eine entsprechende Vereinsphilosophie, dass ein Trainer einen Jungen spielen lässt statt einen Älteren. Das muss von den Vereinen kommen. Das kritisiere ich. Die Umsetzung von Ausbildungsphilosophien ist nicht stark genug, auch wenn das ein Balance-Akt ist."

Wer 25 ist, muss sofort performen, verkauft man hingegen recht jung, gibt es mehr Zeit und einen höheren Verkaufswert.

Spielerberater

Einige Positionen bergen auch Risiko, etwa bei Pressingstürmern. Die Klubs erwarten sich viel, die eigene Erwartungshaltung ist hoch, wenn Stürmer nicht treffen, werden sie schnell zu Transferflops abgestempelt.

Der Kopf, da stimmt er dem erfahrenen Kollegen zu, sei schwer einschätzbar: "Man kann im Scouting viel über Daten machen, aber Mentalität scouten ist sehr schwierig. Viele Klubs scouten live und lernen die Spieler kennen." Es gehört eben mehr dazu, als nur gut mit dem Ball umzugehen.

Aus seiner Sicht illustriert das Beispiel Arnautović gut, was es letztlich braucht, allen zwischenzeitlichen Troubles zu Beginn seiner Karriere zum Trotz: "Was ihn ausmacht, sind seine Größe, er ist bullig und auch schnell, dann kann er noch kicken. Er ist ein Gesamtpaket und nicht gut, weil er ein Strizzi ist. Auch wenn er vielleicht ein bisschen anders tickt."

Es sei aber schwer festzumachen, was am Ende zu einer großen Karriere hilft. Das Gesamtpaket aus fußballerischen, mentalen und körperlichen Fähigkeiten ist entscheidend für eine erfolgreiche Karriere.

Wo sind die Gewinner?

Was man dem ÖFB-Teamstürmer nicht absprechen kann, ist ein gewisser Wille, etwas erreichen zu wollen. In der Breite fehle diese Gewinnermentalität, meint ein weiterer Spielerberater.

Er gibt sich ebenfalls kritisch und sieht hier auch Probleme darin, wie die Liga sich entwickelt. "Die Spieler werden seit der Reform immer älter und das Format lässt es schwer zu, junge Spieler einzubauen", meint er.

Das liegt aber nicht nur an der Reform selbst, sondern auch am erwähnten fehlenden Mut der Entscheidungsträger in den Vereinen. In anderen Ländern wie Dänemark sei das anders, dort spielen viele Junge. Um das Nachschauen zu ersparen: Auch dort gibt es eine 12er-Liga mit Playoff-System.

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In den Akademien schlummert noch viel Potenzial. Mehr Koordination wäre hilfreich

Die Akademien haben zudem noch "viel Potenzial". Einig sind sich alle, dass Spieler, die in die Topligen wollen, vor allem eines brauchen: Spielzeit.

Das sei aber schwierig, wenn die Klubs, wie sein Kollege erwähnt, ihre Spieler nicht in die erste Mannschaft bringen, weil die Linie fehle. Darüber hinaus werden Trainer und Sportdirektoren relativ oft gewechselt, was Kontinuität für junge Kicker verhindere.

Dabei ist das Alter entscheidend, vor allem wirtschaftlich. "Für viele Vereine stellt sich die Frage bei Kickern aus Österreichern nach dem Wiederverkaufswert", ist der dritte Berater überzeugt. "Wer 25 ist, muss sofort performen, verkauft man hingegen recht jung, gibt es mehr Zeit und einen höheren Verkaufswert."

Was ebenfalls nicht vergessen werden darf: Der Gap zwischen heimischen Topklubs und dem Rest der Liga, wo oben "kaum noch junge Österreicher spielen. Allerdings: Die, die wechseln schon zu einem guten Preis."

Verschiedene (Reform-)Ansätze

Am Ende führen viele Wege nach Rom. Der erfahrene Berater sieht im Gegensatz zu vielen anderen genug Diversität, nicht nur Red Bull-Fußball. Die einen bilden heimische Spieler aus und hoffen dadurch, auch Transfererlöse zu erzielen, andere kaufen zu und wollen dasselbe Ziel erreichen. Er meint, dass alle unterschiedlichen Spielstile ihre Berechtigung hätten.

Daraus kann man beispielsweise den Schluss ziehen: Spielt ein Kicker eher RB-Fußball, wird er für Pressingteams interessant sein. Setzt eine Mannschaft auf Ballbesitz, dann für solche Teams.

Der Österreicher-Topf könnte für rot-weiß-rote Kicker Abhilfe schaffen. Wer noch nicht am internationalen Transfertropf hängt, kann so doch einiges an Geld verdienen. Er gehöre allerdings reformiert, ist der andere Kollege überzeugt. Schließlich gibt es für 28 Jahre alte Österreicher auch Geld.

Selbst wenn die Einsatzzeiten der U22-Spieler höher bewertet sind, sei das eher unverständlich. Hier könnte gezielter gefördert werden. Eine Abschaffung der Punkteteilung in der Qualifikationsgruppe sei auch eine Möglichkeit, meint der zweite Berater: "Junge Spieler werden generell lieber gegen Ende der Saison eingesetzt. Mit der Punkteteilung geht das nicht so gut."

Es zeigt sich also schon, dass hier nicht alles Gold ist, was rot-weiß-rot glänzt. Österreichs Ligakicker kommen gut an, um einen nächsten Schritt zu nehmen, müssen die Vereine aber mehr tun.

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