Mit der Verpflichtung von Ex-ÖFB-Teamspieler Alessandro Schöpf landete der Wolfsberger AC im vergangenen Winter-Transferfenster einen regelrechten Coup.
In den ersten fünf Spielen zeigte der 31-jährige Routinier bereits, warum ihm eine bisher erfolgreiche Karriere in Deutschland und zuletzt in der amerikanischen MLS vergönnt war, und steuerte zwei Treffer bei. Doch was bewegte den gebürtigen Ötztaler dazu, seine erste Bundesliga-Saison im Lavanttal zu verbringen? Wie sieht er die Chancen auf einen Titel für die Kühbauer-Elf? Und wäre eine Rückkehr für ihn ins ÖFB-Nationalteam denkbar? 90minuten hat beim 36-fachen ÖFB-Teamspieler nachgefragt:
90minuten: Du bist jetzt schon einige Wochen in Wolfsberg. Wie hast du dich eingelebt?
Schöpf: Ich habe mich in Mannschaft und Umfeld gut eingelebt, auch weil es für mich als Österreicher nicht so schwierig ist, sich schnell einzufügen. Die Mannschaft hat es mir aber auch sehr einfach gemacht, denn die einzelnen Charaktere sind sehr angenehm und ich fühle mich sehr wohl. Zudem haben wir auch schnell eine Neubauwohnung gefunden, von dem her ging alles relativ zügig.
90minuten: Neben deiner Rückkehr nach Österreich spielst du aktuell deine erste Saison in der ADMIRAL Bundesliga. Wie hast du dir die Liga vorgestellt?
Schöpf: Eigentlich so, wie ich sie auch bis jetzt wahrgenommen habe. Die Liga ist sehr ausgeglichen, jeder kann jeden schlagen, Selbstläufer gibt es keine. So waren auch die Spiele bisher, die ich miterlebt habe. Das Niveau an sich ist gut, wobei man das nicht mit einer der Top-Fünf-Ligen vergleichen kann. Trotzdem sieht man immer wieder, dass viele junge Spieler nach einer guten Saison auch die Chance haben, sich danach in einer Top-Liga im Ausland zu beweisen, was dafür spricht, dass zum einen auf die Liga geschaut wird und man sich als junger Spieler zum anderen gut weiterentwickeln kann.
90minuten: Gibt es etwas, das dich überrascht hat?
Schöpf: Etwas überraschend war für mich leider der Zuschauerschnitt. Wir haben zum Beispiel bei der WSG vor fast leeren Rängen gespielt, was für die Bundesliga und für einen als Profi schon etwas traurig ist, weil der Fußball ja prinzipiell von den Fans und deren Emotionen lebt. Da würde ich mir schon wünschen, dass mehr Fans den Weg ins Stadion finden, um eine gute Stimmung zu machen, das würde die Attraktivität der Liga nochmals anheben.
Generell geht es jetzt ans Eingemachte, wir kämpfen dank einer guten Saison um zwei Titel. Da wollen wir so erfolgreich wie möglich sein, denn das ist die wichtigste Phase der Saison.
90minuten: Kommen wir zu deiner Rolle beim WAC. Was hat dich überzeugt, nach Wolfsberg zu wechseln?
Schöpf: Als mein Vertrag in Vancouver ausgelaufen ist, hat der WAC sofort angefragt, wie es bei mir aussieht, ob ich nach Europa zurückkommen will. Ich habe dann gesagt, dass ich mich melden würde, sofern wir zurückkehren möchten. Nachdem sich in der MLS dann nichts ergeben hat, habe ich den WAC kontaktiert und über meine Pläne informiert. Da das bereits zum Ende des Winter-Transferfensters war, musste alles sehr schnell gehen, auch weil nicht so viele Vereine im Winter nach Spielern suchen. Vom WAC hatte ich schließlich ein konkretes Angebot vorliegen, weshalb ich Wolfsberg als gute Alternative gewählt habe, um nach Österreich zurückzukehren und erstmals in der Bundesliga zu spielen. Anschließend hatte ich außerdem sehr gute Gespräche mit Trainer Didi Kühbauer, der mir genau gesagt hat, was er sich von mir erwarten würde. Das hat von vorne bis hinten gut gepasst und war auch ein ausschlaggebender Punkt.
90minuten: Dass die Rolle gut zu dir passt, hat man in den ersten Spielen bereits gesehen. Welche Erwartungen hast du an dich selbst in dieser Saison?
Schöpf: Ich möchte der Mannschaft in erster Linie so weit helfen, wie möglich, egal ob mit Toren oder Vorlagen. Generell geht es jetzt ans Eingemachte, wir kämpfen dank einer guten Saison um zwei Titel. Da wollen wir so erfolgreich wie möglich sein, denn das ist die wichtigste Phase der Saison. Ich versuche daher meine Erfahrung und Führungsqualität so gut wie möglich einzubringen und am Platz vorneweg zu gehen, um so der Mannschaft zu helfen. Was für mich selbst dabei rausschaut, ist eigentlich egal, denn der Mannschaftserfolg steht über allem, weshalb ich hoffe, dass wir am Ende dieser Saison einen Titel holen, denn das wäre sensationell.

90minuten: Ganz ehrlich gefragt: Wie realistisch ist der Meistertitel in dieser Saison für euch?
Schöpf: Wir wollen den Titelkampf so lange wie möglich offenhalten. Daher hoffe ich, dass wir lange an der Spitze dranbleiben und am Ende vielleicht überraschen können. Primär schauen wir aber alle nur von Spiel zu Spiel, denn damit sind wir in der bisherigen Saison, denke ich, ganz gut gefahren. Und natürlich freuen sich auch Stadt und Region, dass wir eine gute Saison spielen und können so vielleicht noch mehr Fans in das Stadion ziehen, auch weil wir eben oben mitspielen.
90minuten: Sprechen wir über deine Beziehung zu Cheftrainer Didi Kühbauer. Wie gut kanntest du ihn, bevor du nach Wolfsberg gekommen bist? Hast du dir die Zusammenarbeit so vorgestellt?
Schöpf: Vom Namen her kannte ich ihn zwar, persönlich aber noch nicht. Eigentlich habe ich ihn mir genauso vorgestellt, wie er auch wirklich ist. Er ist ein sehr geradliniger Mensch, der dir auch mal sehr direkt sagt, wenn etwas nicht gepasst hat. Ich denke aber, dass das genau der richtige Weg ist, alles andere bringt nichts. Mir ist so eine direkte Art viel lieber, als wenn hinterrücks plötzlich entschieden wird, dass du aufgrund der eigenen Leistung nicht mehr spielst und du gar nicht weißt, warum. In seiner Art ist er generell auch sehr konstruktiv und versucht, die Mannschaft nach vorne zu bringen, auch wenn er ab und zu auf den Tisch haut und klar sagt, was nicht passt. Generell würde ich sagen, dass er eine gute Mischung aus Ehrgeiz und Lockerheit hat, was auch ein Grund ist, warum es in dieser Saison sehr gut für uns läuft.
Die Spiele, die ich für das Nationalteam gemacht habe, waren immer eine große Ehre und ich war immer mit voller Freude dabei.
90minuten: Gibt es an Kühbauers Stil etwas, das dich positiv überrascht hat?
Schöpf: Als positiv würde ich den ehrlichen und offenen Austausch wahrnehmen. Er hat klar zu mir gesagt, was er von mir möchte und auch, was ihm nicht gefallen hat. Er sieht mich beispielsweise klar als Achter, was er mir persönlich auch so gesagt hat. Mich hat das sehr beeindruckt, weil ich von der Ehrlichkeit überrascht war. Das war am Ende auch ein Grund für mich, überhaupt nach Wolfsberg zu kommen.
90minuten: Werfen wir einen Blick auf deine Vergangenheit. Du hattest in deiner Karriere bereits einige große Stationen in Deutschland und zuletzt auch in Kanada. Wie unterscheidet sich der WAC oder generell die Liga von deinen bisherigen Teams?
Schöpf: Das sind ganz andere Welten. Du hast etwa in der Deutschen Bundesliga einen ganz anderen Druck, weil du, je nachdem bei welchem Klub du spielst, auch den Titel gewinnen willst oder auch musst. Die mediale Aufmerksamkeit ist in Deutschland zudem viel größer, auch als in Amerika. Da ist der Fußball teilweise wichtiger als das eigene Leben. In der MLS ist das nicht so, denn da hat Fußball keinen so großen Stellenwert. Dennoch ist die MLS eine Liga, die vor allem finanziell und infrastrukturell sehr attraktiv ist, denn du hast bei jedem Klub einfach alles. Dadurch, dass du nicht absteigen kannst, hast du aber viel weniger Druck, du spielst quasi nur um zu gewinnen, in einer Liga, die durch den Salary-Cap noch einmal viel ausgeglichener ist, als es bei uns ohnehin schon ist.
90minuten: Stichwort MLS: Was hat dich dazu bewogen, nach Vancouver zu wechseln?
Schöpf: Das hatte zum einen finanzielle Gründe, aber zum anderen auch den Grund, dass Vancouver als Stadt sehr schön ist. Du siehst auch einmal andere Sachen, eine andere Sprache und eine andere Kultur. Deutschland war für mich nie so richtiges Ausland, weil es kulturell und von der Mentalität her sehr ähnlich zu Österreich ist. Deswegen haben meine Familie und ich das als sehr interessant erachtet, den Fußball dort einmal kennenzulernen, etwa was es heißt, zu einem Auswärtsspiel zu reisen. Während du dich in Österreich fast immer in einen Bus setzt, fliegst du in der MLS zu jedem Auswärtsspiel mindestens 40 Minuten bis sechs Stunden und hast dann auch noch zwei bis drei Stunden Zeitverschiebung. Das ist schon eine andere Welt, wobei du die Möglichkeit hast, ganz andere Dinge kennenzulernen und anders wahrzunehmen.

90minuten: War es prinzipiell so, wie du es dir vorgestellt hast?
Schöpf: Am Anfang war es schon eine große Umstellung, auch weil die Städte ganz anders aufgebaut sind und mit meiner Welt nicht viel zu tun hatten. Nach der Anfangszeit haben wir aber ein schönes Haus gefunden und uns gut eingelebt. Vancouver ist eine tolle und sichere Stadt, in der es einfach alles gibt, von Top-Restaurants bis hin zum Meer und den Bergen. Kanada ist da schon noch einmal besser als die USA, vor allem für Familien. Den Sicherheitsstandard dort kann man auf jeden Fall mit unserem hier vergleichen.
90minuten: Kommen wir von der Vergangenheit zu deiner Zukunft. Grob gesagt: Wo soll es für dich noch hingehen?
Schöpf: An sich bin ich offen für alles. Primär ist es für mich wichtig, dass ich fit bleibe und erfolgreich Fußball spielen kann. Beim WAC will ich der Mannschaft so gut helfen, wie es geht. Wenn ich das eine oder andere Tor mehr mache oder vorlege, wäre das natürlich in Zukunft schön, aber an oberster Stelle steht der Erfolg der Mannschaft. Wir haben zwei Möglichkeiten in diesem Jahr, einen Titel zu holen, was natürlich schön wäre. Für mich persönlich geht es aber wie gesagt darum, gesund zu bleiben und in den mindestens eineinhalb verbleibenden Jahren beim WAC so viele Spiele wie möglich zu machen. Alles Weitere wird man sehen, denn Fußball ist wie wir wissen ein sehr schnelllebiges Geschäft.
90minuten: Angenommen Teamchef Rangnick ruft an. Wäre eine Rückkehr ins ÖFB-Team für dich denkbar?
Schöpf: Natürlich wäre es das. Die Spiele, die ich für das Nationalteam gemacht habe, waren immer eine große Ehre und ich war immer mit voller Freude dabei. Wir hatten damals und heute eine tolle Mannschaft, da freut es einen jedes Mal, dabei sein zu dürfen. Ob ich aber je wieder einberufen werde, ist Zukunftsmusik. Wenn ich meine Leistungen kontinuierlich abrufen kann, dann könnte es noch einmal passieren. Jetzt konzentriere ich mich voll und ganz auf den WAC, alles Weitere ist Spekulation, weil es auch immer vom Trainer einer Nationalmannschaft abhängt.