Scheiblehner: "Ich würde mir einen großen Klub zutrauen"
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Scheiblehner: "Ich würde mir einen großen Klub zutrauen"

Blau-Weiß Linz ist gut in die Saison gestartet, zuletzt punktete man aber dreimal nicht voll. Warum das relativ normal ist, welche Spieler eingeschlagen haben und wie es um seine Zukunft steht, erklärt Trainer Gerald Scheiblehner im Interview.

90minuten: Wie ernsthaft hätte sich Blau-Weiß Linz in den letzten Wochen eigentlich mit einem möglichen Scheiblehner-Abgang befassen müssen?

Gerald Scheiblehner: Zurzeit gibt es keinen Grund, über einen Abgang nachzudenken. Es geht darum, die Spiele bis zum Winter gut und erfolgreich zu absolvieren und dann wird es irgendwann um die Vertragssituation gehen, der läuft noch bis Saisonende, jetzt steht aber das Sportliche im Vordergrund.

90minuten: Ich meinte, dass ein größerer Klub anklopfen könnte. Gab es in den letzten Wochen Anfragen?

Scheiblehner: Es ist bekannt, dass Austria Wien im Sommer angefragt hat und das war auch sehr konkret. Dass sich so ein Verein mit mir befasst, hat mich geehrt und das ist auch Wertschätzung für unsere Arbeit hier in Linz. Letztlich habe ich mich für den Verbleib bei Blau-Weiß Linz entschieden, weil ich mich wohlfühle. Und die Entwicklung der Mannschaft ist noch nicht fertig.

90minuten: Der Name Sturm ist ja auch herumgegeistert, jetzt ist Christian Ilzer aber geblieben. Würdest du dir so einen großen Klub schon zutrauen?

Scheiblehner: Ich bin seit 16 Jahren Trainer und habe in den unterschiedlichsten Ligen Erfahrung gesammelt, auch jetzt in der Bundesliga. Es gab viele Auf und Abs, aber ich habe mittlerweile ein Trainerteam, auf das ich mich verlassen kann. Also würde ich es mir auf jeden Fall zutrauen. Blau-Weiß Linz ist aber eine große Aufgabe und wir haben aus den uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten – nicht nur in dieser Saison – sehr viel erreicht.

In der Bundesliga ist jedes Spiel auf Messers Schneide. Die Partien, die wir gewonnen haben, waren ja auch knapp.

Gerald Scheiblehner

90minuten: Christoph Pescheks Vertrag wurde jüngst bis 2027/28 verlängert. Wie wichtig ist diese Kontinuität?

Scheiblehner: Das ist doch immer wichtig. Christoph hat sich den Schritt zu Blau-Weiß Linz sicher gut überlegt und es hat viel dafür gesprochen, sonst hätte er es nicht gemacht. Er fühlt sich hier sehr wohl, das betrifft eigentlich alle, die hier im Verein arbeiten. Die Stimmung ist angenehm und positiv. Das ist für jeden ein wichtiger Grund, gern in die Arbeit zu gehen und das ist auch für Christoph sehr wichtig. 

Uns gibt das auch nach Innen und Außen Stabilität. Weil wenn man sich in der Bundesliga etablieren will, ist es wichtig, auf den entscheidenden Positionen gute Leute zu haben. Und es ist auch perfekt, wenn ein Team länger zusammenarbeitet, das haben in der Vergangenheit schon viele Beispiele bewiesen. So übersteht man auch nicht so gute Phasen und es ist toll, dass er sich nun für so eine lange Zeit von drei Jahren dazu bekennt.

90minuten: Stichwort "nicht so gute Phase". Das ist für Blau-Weiß jammern auf hohem Niveau, aber die letzten drei Spiele wurde nicht voll gepunktet. Woran liegt's?

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Die Zusammenarbeit zwischen Gerald Scheiblehner und Christoph Peschek ist offenbar gut

Scheiblehner: In der Bundesliga ist jedes Spiel auf Messers Schneide. Die Partien, die wir gewonnen haben, waren ja auch knapp und manchmal braucht es einen guten Spielverlauf oder die Führung. Insofern gibt für uns keine leichten Spiele. Gegen Sturm Graz kann man als Blau-Weiß Linz schon einmal verlieren, in Tirol arbeitet Trainer Semlic sehr gut und präsentiert sich sehr stabil. Gegen den WAC hatten wir in den ersten 20 Minuten zwei, drei sehr gute Torchancen vorgefunden, aber den Spielverlauf nicht auf unsere Seite gezogen und dann aus einem Standard das 0:1 bekommen. 

Die Wolfsberger haben zuletzt zweimal zuhause für Außenstehende überraschend gegen die WSG Tirol und Hartberg verloren. Sie haben die Spielweise verändert, sind tiefer gestanden und haben den eigenen Strafraum mit Baumgartner/Wimmer sehr gut verteidigt. So ist es schwierig, Chancen zu erspielen und deswegen gelingt dann kein Sieg. Voriges Jahr war es normal, dass man drei Spiele nicht gewonnen hat, jetzt diskutiert man darüber. Wir bewegen uns also in die richtige Richtung. 

90minuten: Jetzt trifft Ronivaldo seit drei Runden nicht, Conor Noß ist seit Spieltag fünf verletzt, zuletzt ist auch Alexander Briedl ausgefallen. Viel mehr dürfen jetzt nicht mehr ausfallen, oder?

Scheiblehner: Einen Stürmer wie Ronivaldo würden sich wohl mehrere Vereine wünschen, wenn er nicht trifft, ist das für die anderen nicht so leicht abzufedern. Er hat sechs Tore gemacht, das hat einige Punkte gemacht, aber es wäre unmenschlich zu verlangen, dass er jedes Spiel entscheidet. 

Wir hatten im Sommer mit einigen Verletzungen schon Pech. Oliver Wähling hat leider von Beginn weg körperliche Probleme und es ist nicht absehbar, wann er wieder fit wird. Lucas Dantas hat die Art, wie in Österreich Fußball gespielt wird, körperlich noch nicht verkraftet. Er hat immer wieder muskuläre Probleme und wir müssen da noch aufpassen und ihn langsam heranführen. Wir haben dann kurzfristig reagiert und Soumaïla Diabaté von Liefering und nach Nicolas Schmids Abgang zu Portsmouth noch Radek Vítek geholt. Im Gegensatz zum ersten Bundesligajahr haben wir im Kader schon den nächsten Schritt gemacht.

Es wäre schon ein Risiko, sie über einen längeren Zeitraum ins Tor zu geben. Wir schauen, wer am Markt ist und sich auf Blau-Weiß Linz einlassen würde.

Gerald Scheiblehner

90minuten: Ich habe neulich über Transfers geschrieben, die noch nicht funktionieren. Es war nicht so leicht, bei Blau-Weiß welche zu finden, aber Alexander Schmidt tut sich da noch schwer. Allerdings ist es auch schwierig, einen Spieler zu holen, der nicht wirklich spielen wird, weil es den Mittelstürmer in Person von Ronivaldo ja gibt.

Scheiblehner: Alex Schmidt hat in den letzten Spielen von Beginn weg gespielt. Wir versuchen ja, dass alle ihre Spielzeit bekommen, sowohl junge als auch jene, die bei ihren letzten Vereinen nicht so oft gespielt haben. Blau-Weiß wird da oft als zweite Chance angesehen. Wir haben es einmal den "zweiten Bildungsweg" genannt. Alle sprechen immer von seinem Talent und seinen großen Fähigkeiten. Das im Training zu zeigen, ist das eine, im Spiel hapert es noch ein bisschen, auch bei den letzten Stationen.

90minuten: Vielleicht ist Ronivaldo da eh ein gutes Vorbild. Der ist damals auch mit Mitte 20 von Kapfenberg zu Austria Wien und musste dann wieder retour in die 2. Liga, ehe er seit einiger Zeit jetzt durchstartet.

Scheiblehner: Er kann Blau-Weiß aber auf jeden Fall verstärken, ganz zufrieden sind wir noch nicht. Man kann von ihm schon mehr verlangen, als er gezeigt hat. Jetzt liegt es an Alex, den nächsten Schritt zu machen. Im Endeffekt entscheidet der Spieler, wie die Entwicklung vorangeht. 

90minuten: Wie sieht es in dem Zusammenhang mit den Torhütern aus? Muss man da vor dem Winter noch tätig werden?

Scheiblehner: Vítek war unsere klare Nummer eins, Andreas Lukse die Nummer zwei. Dann hat sich zuerst Vítek, dann Lukse verletzt. Unser "Glück" war, dass sie nicht gleichzeitig verletzt waren. Dahinter warten zwei sehr junge, talentierte Torhüter, aber keine Bundesligaerfahrung bzw. kaum Spiele im Erwachsenenbereich absolviert haben. Es wäre schon ein Risiko, sie über einen längeren Zeitraum ins Tor zu geben. Wir schauen, wer am Markt ist und sich auf Blau-Weiß Linz einlassen würde und schauen, wer uns helfen kann. So lange Radek fit ist, ist das kein Problem.

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Thomas Goiginger hat, wie viele Neuzugänge, sehr schnell gut funtioniert

90minuten: So viele Keeper, die infrage kommen, gibt es nicht.

Scheiblehner: Wir suchen einen Österreicher, weil wir den Topf brauchen und da gibt es zwei, drei Torhüter. Christoph Schösswendter ist seit Tagen dran. Es ist aber kein absolutes Muss, es würde nur mehr Sicherheit bringen.

90minuten: Ich erspare den User:innen einmal Arbeit. Vereinslos und erfahren sind Christopher Knett (34, zuletzt drei Jahre fünf Jahre in Griechenland und dem Iran engagiert), Tobias Knoflach (30, Hartberg, unter anderem Rapid) Tobias Schützenauer (27, Sturm, Altach), dann gibt es noch Daniel-Edward Daniliuc (24, Lafnitz) und Edwin Djulic (23, Stripfing). Das ist aber ein bisschen ähnlich wie bei Schmidt: Man muss jemanden holen, den man nur eingeschränkt einsetzen will.

Scheiblehner: Es ist ja auch eine Chance bzw. eine Möglichkeit, dass sie einen Vertrag bekommen, wenn sich jemand verletzt und sie so wieder einen Platz in der Bundesliga bekommen.

90minuten: Hat Blau-Weiß Linz "Ruhe am Ball" bzw. die "Erfahrung" und den "Unterschiedspieler" gefunden? Das waren bei unserem letzten Gespräch im Mai die Transferziele.

Scheiblehner: Mit Thomas Goiginger haben wir einen Spieler bekommen, der extrem wertvoll ist. Beim LASK hat er am Ende sehr wenige Spiele gemacht, in Osnabrück gar keine. Obwohl er sehr routiniert ist, braucht so einer ein paar Spiele, aber er hat das schnell in den Griff bekommen. Ich rechne es ihm hoch an, welchen körperlichen Zustand er hatte, als er zu uns gekommen ist.

Anderson ist auch ein sehr erfahrener Spieler, der schon viele Bundesliga-Spiele gemacht hat, er war meinerseits eine absolute Wunschverpflichtung. Mit Martin Moormann und Silvan Wallner wurden zwei vielversprechende Talente geholt. Sie sind beide Österreicher, Innenverteidiger, einer Links- der andere Rechtsfuß. Das sind für die Zukunft spannende Transfers. Wir haben also gute Treffer gelandet.

Vor dieser Saison haben dann viele gesagt, dass das zweite Jahr schwieriger wird als das erste. Ich habe immer geantwortet, dass das erste schon so schwierig war.

Gerald Scheiblehner

90minuten: In dem Interview meintest du, man rittert mit Altach und Hartberg um dieselben Spieler. Hat sich das nun geändert, wenn man die Tabelle herzeigen kann?

Scheiblehner: Es ist sicherlich ein Vorteil. Im Sommer haben wir auch mit dem Stadion gepunktet. Das kann einen Spieler positiv beeinflussen. Wir haben zudem gute Gespräche geführt und uns sehr um sie bemüht. Es ist ja auch wichtig, menschlich gut zusammenzukommen. Funktioniert es sportlich so wie jetzt, ist das ein weiterer Aspekt für ehrgeizige Spieler. Insofern machen wir große Schritte nach vorne. Aber Altach hat auch ein wunderschönes Stadion und in Zukunft einiges vor. Es wird nicht so sein, dass jetzt alle Spieler zu Blau-Weiß laufen, sondern ein Konkurrenzkampf bleibt. Das ist auch gut so und belebt das Geschäft.

90minuten: Die Medienaufmerksamkeit ist gestiegen. Wie fängt man jene ein, die vielleicht drohen, die Bodenhaftung zu verlieren?

Scheiblehner: Wichtig ist, dass man es vorlebt. Dazu haben wir auch Medienschulungen gemacht, mit dem Angebot einer vertiefenden Schulung. Das haben ein paar genützt. Es ist immer wichtig, die Spieler rundherum zu unterstützen und was ich mitbekomme, machen sie das gut.

90minuten: Das Gute derzeit ist ja, dass man es bezüglich Meistergruppe ein bisschen in der Hand hat. Vor dem Jahreswechsel trifft man auf die direkte Konkurrenz wie Hartberg, Austria und Klagenfurt.

Scheiblehner: Das macht es ein bisschen angenehmer und geht mit einem positiveren Gefühl in so ein Spiel. Letztes Jahr war es bei uns umgekehrt und wir hatten von Beginn bis Ende sehr viel Druck. Vor dieser Saison haben dann viele gesagt, dass das zweite Jahr für Blau-Weiß noch schwieriger wird als das erste. Ich habe immer geantwortet, dass das erste schon so schwierig war, dass ich hoffe, dass das zweite nicht noch schwieriger wird. Bis jetzt machen wir es gut, aber es sind erst zehn von 22 Runden gespielt. Nun gilt es, aus dem guten Start ein gutes mittleres Drittel zu spielen. Der Klassenerhalt ist für uns überlebenswichtig und wir wollen uns hier in den nächsten drei bis fünf Jahren in der Liga etablieren, das eine oder andere Mal in den Top6 landen. Für heuer ist das aber keinesfalls ein Ziel, wir nehmen es aber mit, weil es den verfrühten Klassenerhalt bedeutet.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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