Sarah Puntigam: "In den USA bin ich nicht alt"
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Sarah Puntigam: "In den USA bin ich nicht alt"

ÖFB-Legionärin Sarah Puntigam kickt derzeit in den USA und möchte das noch länger machen. Im 90minuten-Interview erklärt sie, warum die USA für Fußballerinnen so interessant sind. Eines ihrer Fernziele: Die WM 2027.

Viele von den Altersgenossinnen der 31 Jahre alten Sarah Puntigam denken ans Aufhören. Sie nicht, denn im Gegensatz zu Europa ist der Frauenfußball in den USA viel größer, professioneller und weiter. Ihr Verein Houston Dash hat dabei noch einiges an Entwicklungspotenzial.

Bei diesem Projekt möchte die Mittelfeldspielerin voll dabei sein. Einerseits, weil ihr das Kicken sehr viel Spaß macht, andererseits, weil die ehemalige Deutschland-, Schweiz- und Frankreich-Legionärin noch lange nicht genug und mit dem Nationalteam einiges vor hat.

Im 90minuten-Exklusivinterview spricht die ÖFB-Kapitänin über die National Women’s Soccer League, wie diese sich entwickelt, die Unterschiede zwischen Texas und Europa und das Nationalteam.

90minuten: Fangen wir mit dem Aktuellsten an. Du hast jüngst deinen Vertrag bei Houston Dash verlängert. Er läuft jetzt bis Ende 2026 und geht nach dem neuen Tarifvertrag der NWSL. Wie kam es dazu?

Sarah Puntigam: Mit dem neuen Tarifvertrag hat das wenig zu tun, auch wenn dieser super ist für uns Spielerinnen. Wir sind schon länger in den Gesprächen gewesen bezüglich der Vertragsverlängerung. Vor nicht ganz zwei Monaten ist unsere Managerin entlassen worden, deshalb hat sich das dann ein bisschen herausgezögert. Jüngst wurde ein Interimsmanager eingestellt und dann wurde das vollzogen. 

90minuten: Bevor wir über die Bedeutung des neuen Vertrags reden, was sind denn die grundlegenden Unterschiede oder Verbesserungen im Gegensatz zum alten Tarifvertrag?

Puntigam: Es ist die erste Profiliga in Amerika, die bei Frauen und Männern die Free Agency einführt, Drafts und Trades ohne Einverständnis der Spielerinnen abschafft. Vorher hätte Houston nach dem Auslaufen meines Vertrages am Jahresende meine Rechte gehabt und ich könnte nicht einfach mit anderen Vereinen verhandeln und für zum Beispiel Gotham unterschreiben. Jetzt kann man nach dem Vertragsende mit allen Klubs sprechen. Davor war es quasi wie vor dem Bosman-Urteil.

Trades sind im amerikanischen Sport üblich, das heißt die Vereine können Spielerinnen einfach tauschen ohne Einverständnis der betroffenen SpielerInnen. Das wurde jetzt auch abgeschafft. Sprich im Prinzip ist es jetzt so, wie es in Europa auch ist. Darüber hinaus wurden die Mindestgehälter auch noch angepasst.

Auch Leute, die Mathematik studieren, sitzen bei den Matches mit dem Pullover und dem Kapperl der Uni da. Wenn du in Amerika sagst, du bist Sportlerin, ist das was Cooles.

Sarah Puntigam

90minuten: Was bedeuten nun die zwei Jahre für dich persönlich. Mit 31 ist man im europäischen Frauenfußball eher älter.

Puntigam: Das Komische ist, dass ich in den USA nicht alt bin. Insofern bedeutet dieser Unterschied, dass ich mich gar nicht fühle wie mit 31 Jahren, sondern generell ein paar Jahre jünger. Es macht mir Spaß, ich bin gesund. In dem Sinne war das kein Thema bei den Verhandlungen.

90minuten: Ich habe gelesen, dass der Wechsel nicht nur sportliche Gründe hat, deine Frau ist US-Amerikanerin.

Puntigam: Das hat, glaube ich, die "Kronen Zeitung" damals komplett aus dem Kontext gerissen. Wir hatten beide Vertrag in Köln und eigentlich war es so, dass sie ihre Karriere meinetwegen frühzeitig beendet hat. Im Vordergrund stand der Sport, weil da sind die USA einfach ein Traum in Sachen Frauenfußball. Die haben hier eine Geschichte, sind Weltmeisterinnen, Olympiasiegerinnen und es ist für mich einfach die weltweit beste Liga.

Man spielt hier nur in großen Stadien, es ist die Liga mit den weltweit meisten Zuschauern. Es war ein Traum von mir und ich habe es stets etwas bereut, hier nicht aufs College gegangen zu sein, weil mir die Mentalität einfach taugt. Diese einmalige Chance in Amerika zu spielen wollte ich unbedingt nutzen.

90minuten; Bleiben wir beim US-Sport. Warum hat denn da der Sport so einen hohen Stellenwert?

Puntigam: Das ist eine gute Frage. Sport ist hier einfach riesig bzw. ein großer Bestandteil. Jedes Sportereignis wird zum Event gemacht. College Sport ist riesig, die haben eine extreme Verbundenheit zu ihrem College, egal ob sie Sport betreiben oder nicht.

Auch Leute, die Mathematik studieren, sitzen bei den Matches mit dem Pullover und dem Kapperl der Uni da. Es ist sowas wie ein Patriotismus für die eigene Uni. Wenn du in Amerika sagst, du bist Sportlerin, ist das was Cooles. Das gefällt mir.

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Sarah Puntigam im Infight für das Frauen-Nationalteam

90minuten: Das gesellschaftliche Standing ist auch sehr hoch. Wenn sich Megan Rapinoe politisch äußert, hat das einen anderen Stellenwert, als wenn sich, ich sage einmal, Mats Hummels äußert.

Puntigam: Das stimmt. Der Frauenfußball hat hier eben eine große Tradition und ist bei Mädchen die Sportart Nummer eins.

90minuten: Was auch ganz anders ist, ist der Alltag. Von Köln nach Texas, das war sicher eine große Umstellung, oder?

Puntigam: Der Verein und meine Frau, die ja Amerikanerin ist, haben da schon sehr geholfen. Im Sommer ist eh so heiß, dass man gar nichts machen kann. Wenn man im Sommer zwei Stunden trainiert, ist man dann sehr k.o. davon. Ich vermisse zwar einige Sachen in Europa, habe aber zum Beispiel Klimaanlagen sehr schätzen gelernt. Ich war ja früher ein richtiger Klimaanlagengegner, weil ich da sehr empfindlich bin. Bei diesem Wetter habe ich sie aber lieben gelernt.

90minuten: Vor allem seid ihr aber auch aus einer der pulsierenden deutschen Städte in die USA gegangen und nicht aus einem kleinen Ort, der zufällig ein gutes Fußballteam hat.

Puntigam: Ja, ich vermisse die europäischen Innenstädte. Einfach zu Fuß irgendwohin spazieren, schöne Gebäude zu sehen, spontan sein. Ohne Auto kommt man hier nirgends hin. 

90minuten: Jetzt reden wir aber wieder über Sport. Houston Dash ist eher am Ende der Tabelle, zählt nicht zu den Topklubs. Wie ist der Klubs aufgestellt?

Puntigam: Leider ist die Saison bisher nicht so super für uns. Wir sind auch in einer Umbruchphase. Zudem ist unser Trainer seit Anfang Juli im Krankenstand, unser Manager ist kurz vor dem Transferfenster entlassen worden. Das sind ja alles Komponenten, die nicht ideal sind. Aber im Zuge meiner Vertragsverlängerung gab es sehr gute Gespräche mit den Verantwortlichen.

Die Inhaber haben große Pläne, wollen investieren, etwas Großes aufziehen und Erfolge feiern. Aber insgesamt ist hier jeder Klubs sehr professionell aufgestellt. Eigentlich ein Wahnsinn, was es an Staff gibt. Die Trainingsbedingungen sind top. Soweit ich weiß, sind alle Vereine in den USA so aufgestellt. Das ist ein großer Unterschied zu Europa, da gibt es schon die Topvereine, aber auch ein großes Gefälle.

Jeder kann jeden schlagen. Gotham wurde in der Saison 2022 Letzter und ist im darauffolgenden Jahr Meister geworden.

Sarah Puntigam

90minuten: Wo spürt man das in Deutschland oder Frankreich, wo du zuletzt gespielt hast, am meisten? Oftmals fällt da das Wort "Equal Play".

Puntigam: Das trifft es genau. Wir haben super Bedingungen, es gibt im Prinzip alles, damit ich mich nur auf das Training und meine Leistung konzentrieren kann. Um das Drumherum kümmert man sich, vom Essen bis hin zur Wäsche. In der Vergangenheit muss ich sagen - sei es jetzt Köln oder Montpellier - gab es Unterschiede. Da musste die Frauenabteilung an manchen Tagen auf Kunstrasen trainieren oder um sieben in der Früh ins Gym gehen. Man ist an dritter Stelle (Anm.: nach KM und KM II). Dazu kommen noch eine Reihe kleinerer Dinge, die immer ausgefochten werden müssen.

90minuten: Noch so ein grundlegender Unterschied ist, dass man nicht absteigen kann. Wie fühlt sich das an, gerade, wenn man am Tabellenende ist?

Punitgam: Hier geht es aus Prinzip ums Gewinnen, das ist die amerikanische Mentalität, alles andere ist egal. Ich habe in meiner gesamten Karriere nie was mit dem Abstieg zu tun gehabt, bis ich nach Köln gekommen bin. Das habe ich unterschätzt, was das für ein Druck ist, wenn ein Spiel entscheidet, ob man oben bleibt oder nicht. Das macht die Sache mental extrem herausfordernd.

90minuten: Früher wurde das mit dem US-Draftsystem noch befeuert. Der Schwächste bekommt die besten Sportler:innen.

Puntigam: Die Liga hier ist auf hohem Niveau sehr ausgeglichen. Jeder kann jeden schlagen. Gotham wurde in der Saison 2022 Letzter und ist im darauffolgenden Jahr Meister geworden. Es wird echt spannend sein, wie sich das jetzt aufgrund der geänderten Regelungen ändern wird und ob es so wird, wie in Europa, wo es pro Liga drei, vier Topvereine gibt.

90minuten: Was wäre denn so sportlich auf Vereinsebene das nächste Ziel?

Puntigam: Ich will die Liga hier gewinnen, das ist mit der Vertragsverlängerung mein großes Ziel. 


90minuten: Kommen wir zum Nationalteam. Wie anstrengend ist es, da immer viele Stunden nach Europa zu fliegen?

Puntigam: Für mich hat es abgesehen von den Reisestrapazen mehr Vor- als Nachteile. Vor ein paar Jahren hat man den Spielplan an die FIFA-Fenster angepasst. Von dem her ist es kein Problem, den Abstellungspflichten nachzukommen. Der andere Spielkalender (Anm.: die Saison geht von März bis November) kommt mir auch gelegen.

Was ich super finde, ist, dass im Winter um die Weihnachtszeit nicht gespielt wird. Da kannst du komplett abschalten, in Frankreich gab es maximal zehn Tage Winterpause, also im Prinzip ist durchgespielt worden. Ich mag es auch nicht, in der Kälte zu spielen. (lacht)

90minuten: Reden wir über die EM-Quali. Wie sehr schmerzt das?

Puntigam: Es war natürlich enttäuschend, aber das Gute ist, dass man jetzt halt immer noch die Chance hat und wir wollen uns wieder für die EM qualifizieren. Das ist immer noch möglich, eben ein Umweg. Aber sich für eine Endrunde zu qualifizieren, muss für ein Land wie Österreich immer als Erfolg angesehen werden.

90minuten: Warum haben dieses Jahr da und dort diese paar Prozent einfach gefehlt, um darüber zu kommen? Einige erfahrene Kickerinnen haben schon aufgehört, man kann wohl von einem Umbruch sprechen.

Puntigam: Es gibt wahrscheinlich viele Gründe, kann sein, dass es ein Mitgrund war. Kein Land schläft, alle entwickeln sich weiter und in der Liga A gibt es keine einfachen Spiele mehr. Mit der Nations League ist die Qualifikation auch schwerer geworden, finde ich.

Von dem her glaube ich, dass viele Faktoren zusammengekommen sind. In erster Linie müssen wir uns aber selbst hinterfragen, weil wir ja nicht die Leistungen gebracht haben, die es gebraucht hätte, um uns direkt zu qualifizieren. Aber wie gesagt, die Chance ist immer noch da und die wollen wir jetzt nutzen.

90minuten: Zum Glück kommt einiges nach. Nicht nur Campbell oder Höbinger, die U20 ist bei der WM zudem ins Achtelfinale gekommen.

Puntigam: Wir haben super junge Spielerinnen, die top ausgebildet und sehr talentiert sind. Da braucht man sich keine Sorgen zu machen.

90minuten: Vielleicht kicken die alle auch bei der WM 2027 – mit oder ohne Sarah Puntigam?

Puntigam: Stand heute ist es realistisch, dass ich die Qualifikation spiele und eine Weltmeisterschaft wäre die Krönung. In erster Linie will ich ja gesund und fit bleiben, Spaß am Spiel haben. Und jetzt muss erst einmal die Qualifikation für die EURO gelingen, dann schauen wir weiter.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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