Seit Mitte November steht Jürgen Säumel beim SK Sturm an der Seitenlinie. Nach dem Abgang von Christian Ilzer zu Hoffenheim zunächst interimistisch, seit rund einem Monat als fixer Cheftrainer. Seine Bilanz kann sich sehen lassen: Fünf Spiele, 14:4 Tore und mit dem 2:3 gegen Lille in der Königsklasse nur eine Niederlage. Von Anfang an machte er klar, dass er sich der Aufgabe, das Ilzer-Erbe anzutreten, gewachsen fühlt. Bisweilen ließ er mit seiner Mannschaft diesen Worten auch Taten folgen.
Im Jänner ist er nicht nur in Sachen Transfers mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Es gilt die Mannschaft auf gleich drei Bewerbe vorzubereiten, angefangen mit den Champions-League-Spielen gegen Atalanta Bergamo (21.1.) und RB Leipzig (29.1.). Danach geht es direkt weiter mit dem "Doppelpack" gegen die Wiener Austria - zunächst trifft man im Cup-Viertelfinale auf die "Veilchen", sechs Tage später wartet in der ersten Frühjahrsrunde das nächste Duell.
Was er plant, wie es ihm mit diesen Herausforderungen geht und wie weit man bei einem Biereth-Ersatz ist, schildert er im Interview mit 90minuten.
90minuten: Bei Sturm findet ein für das Wintertransferfenster ungewöhnlich großer Umbruch statt. Jusuf Gazibegovic und Mika Biereth sind weg, es gibt Gerüchte um weitere mögliche Abgänge von William Böving oder Otar Kiteishvili. Was bedeutet das für dich als Trainer? Wie gehst du damit um, so wichtige Spieler nicht mehr zur Verfügung zu haben?
Jürgen Säumel: Es stimmt, mit Jusuf Gazibegovic und Mika Biereth haben uns zwei Stammspieler verlassen, dazu kommt Erencan Yardimci. Diese Abgänge ergeben aber natürlich auch Chancen für Spieler, die bisher in der zweiten Reihe waren. Sie können jetzt auf sich aufmerksam machen und haben die Chance, Spielminuten zu sammeln. Auf der anderen Seite sind wir uns einig, dass wir noch auf dem Transfermarkt aktiv werden wollen, um die Abgänge abzufangen. Da haben wir aber noch ein wenig Zeit. Ich bin momentan darauf fokussiert, die Spieler weiterzuentwickeln, damit wir in unseren Prinzipien und in unserer Spielidee gefestigt sind.
90minuten: Du hast durchklingen lassen, dass ihr auf dem Transfermarkt tätig werden wollt. Das betrifft natürlich die Suche nach einem Ersatz für Mika Biereth. Wie weit seid ihr da schon?
Säumel: Mir ist es wichtig, dass der Spieler zu uns passt, dass er ein Profilspieler ist und uns verstärkt. Natürlich wäre es gut, wenn es so schnell wie möglich passiert. Es könnte aber schon noch den einen oder anderen Tag dauern. Es ist jetzt nicht der große Stress, weil der neue Spieler in der Champions League eh nicht spielberechtigt wäre.
90minuten: Das heißt, Manprit Sarkaria wird definitiv keine Option mehr für dich?
Säumel: Genau, er war ja auch im Trainingslager in Marbella nicht dabei. Er wurde vom Verein für Gespräche freigestellt. Da wird es sicher eine Lösung geben.
90minuten: So wie ich dich verstehe, wird auch die Möglichkeit, Szymon Wlodarczyk frühzeitig aus Salerno zurückzuholen, nicht in Betracht gezogen.
Säumel: Nein, auch das ist momentan kein Thema.
90minuten: Jusuf Gazibegovic war rechts hinten, wenn er nicht gerade links gebraucht wurde, gesetzt. Setzt du da im Frühjahr auf Max Johnston oder wünschst du dir noch einen Neuzugang?
Säumel: Max hat das im Herbst bei seinen Einsätzen ordentlich gemacht. Er ist ein Spieler, der eine sehr, sehr gute Mentalität mitbringt. Er kann sicher in die Rolle hineinwachsen. In den Testspielen hat er jetzt die Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. Dahinter haben wir auch noch Arijan Malic. Es gibt also schon Spieler, welche in die Rolle von “Gazi” hineinwachsen können. Gazi war ein absoluter Stamm- und Nationalspieler.
90minuten: Und auch als Typ war er enorm wichtig für euch.
Säumel: Ja, genau. Aber das war bei Sturm schon in der Vergangenheit so, dass immer wieder Spieler weggegangen sind und Neue in die Rolle hineingeschlüpft sind. Wir haben natürlich mit Biereth, Gazibegovic und auch Yardimci Abgänge, die beiden ersten waren klare Stammspieler. Unsere Aufgabe ist es, die Spieler, die da sind, zu entwickeln. Und wie gesagt, wir wollen auch auf dem Transfermarkt noch etwas machen.
90minuten: Du hast Arjan Malic angesprochen, den du bei Sturm II schon auf der Rechtsverteidiger-Position eingesetzt hast. Das heißt, du siehst ihn jetzt auch bei den Profis dort?
Säumel: Er war ja immer Teil des Trainingskaders, war auch beim Trainingslager in Marbella dabei und ist es auch jetzt beim Trainingslager in Slowenien. Es kann ja immer etwas passieren – zum Beispiel durch Verletzungen, weshalb jetzt viele Spieler die Möglichkeit bekommen, auf sich aufmerksam zu machen. Das Spiel gegen Atalanta Bergamo kommt relativ rasch, aber bis zum ersten Cup- bzw. Meisterschaftsspiel ist ja noch Zeit.
Bis Sommer ist noch sehr lange Zeit. Im Fußball sollte man als Trainer nicht so weit blicken. Mein Augenmerk liegt auf der Entwicklung der Mannschaft und ich konzentriere mich auf die Spieler, die momentan da sind.
90minuten: Abschließend zum Kader-Thema: Ist das, was jetzt im Winter passiert, schon ein Vorzeichen darauf, dass es im Sommer einen noch größeren Umbruch geben könnte?
Säumel: Bis Sommer ist noch sehr lange Zeit. Im Fußball sollte man als Trainer nicht so weit blicken. Mein Augenmerk liegt auf der Entwicklung der Mannschaft und ich konzentriere mich auf die Spieler, die momentan da sind. Die Arbeit mit ihnen macht sehr, sehr viel Freude. Das Gleiche gilt für meinen Trainer-Staff. Wir wollen auch Spieler herausbringen, die jetzt noch nicht so im Fokus stehen. Am Transfermarkt sind wir am Arbeiten, da bin ich im Austausch mit Micha Parensen und wir sind uns im Verein alle einig, dass hier noch etwas passieren soll.
90minuten: Kommende Woche geht es für euch nach Bergamo. Der Sprung in die Playoff-Ränge wäre schon ein kleines Wunder. Mit welchem Ziel geht ihr in die beiden verbleibenden Champions-League-Spiele?
Säumel: Es warten zwei absolute Top-Gegner. Bergamo spielt in der Serie A vorne mit und ist amtierender Europa-League-Sieger. Für unsere junge Mannschaft ist das ein super Spiel, um sich weiterzuentwickeln und auf internationalem Top-Niveau Erfahrungen zu sammeln. Für uns ist es eine Standortbestimmung zu einem sehr frühen Zeitpunkt, weil uns die Bewerbsspiele fehlen - da hat Atalanta natürlich einen Vorteil.
90minuten: Du musst als Trainer erstmals den Spagat schaffen, ein Team gleich auf mehrere Bewerbe vorzubereiten. Wie herausfordernd ist das für dich?
Säumel: Das ist schon speziell, weil es keine übliche Vorbereitung ist. Es ist nicht so, wie man es in Österreich kennt, dass man fünf Wochen Vorbereitung hat und dann das erste Bewerbsspiel. Das ist diesmal anders, es geht gleich gegen eine sehr, sehr starke Mannschaft aus Bergamo in der Champions League. Da gilt es natürlich, ein Fitnesslevel aufzubauen, damit wir im Frühjahr mit unserer Intensität spielen können. Es wird aber auch die nötige Frische brauchen, um in Bergamo eine gute Leistung abrufen zu können.
Wir werden einen sehr offensiven Fußball spielen. Mit viel Power, viel Wucht und entsprechender Intensität.
90minuten: Du hast gesagt, du möchtest an die Spielidee von Christian Ilzer anschließen. Wie sehr unterscheidest du dich als Trainer von ihm?
Säumel: Wir haben bei Sturm seit Jahren eine einheitliche Spielidee. Die haben wir schon bei Sturm II und in der Youth League gespielt. Deswegen sind die Prinzipien sehr ähnlich. Klar ist auch, dass jeder Trainer seine persönliche Note einbringen möchte. Wir haben den Herbst gut analysiert und gesehen, woran wir mit der Mannschaft arbeiten wollen. Daran sind wir täglich am Arbeiten und wir werden eine Mannschaft sehen, die hoffentlich in den Prinzipien gefestigt ist. Wir werden einen sehr offensiven Fußball spielen. Mit viel Power, viel Wucht und entsprechender Intensität.
90minuten: Einer der wenigen aus dem Trainer-Staff, der nicht mit Chris Ilzer nach Hoffenheim gegangen ist, war Günther Neukirchner. Warum hast du dich dazu entschieden, ihn nicht in deinen Trainerstab aufzunehmen?
Säumel: Der Grund war, dass ich ein Trainerteam mit den Leuten haben wollte, zwischen denen wir die Aufgaben am besten verteilen können. Günther ist ja nach wie vor als Entwicklungstrainer bei Sturm tätig. Wir sind da in einem guten Austausch. Wir wollen Spieler entwickeln und auch wieder den einen oder anderen aus unserem Nachwuchs im Profikader haben. Da ist Günther nach wie vor ein wichtiger Mann im Verein.
90minuten: Jetzt als fixer Cheftrainer bei Sturm: Hast du für dich ein persönliches Saisonziel definiert, das du erreichen möchtest?
Säumel: Dafür ist es noch zu früh. Wir werden die Ziele mit der Mannschaft ausarbeiten. Momentan liegt der Fokus auf dem täglichen Training, auf der Entwicklung der Spielidee und unserer Prinzipien. Dass wir diese einarbeiten und weiter festigen. Dann möchte ich eine Mannschaft sehen, die den Fußball, den Sturm in den letzten Jahren gespielt hat, umzusetzen versucht.