Wer nach Österreichs treffsicherstem Knipser in einer Top-15-Liga Ausschau hält, wird im Linzer Donaupark fündig. Blau-Weiß-Stürmer Ronivaldo ist längst nicht mehr nur eine Zweitliga-Legende. Nach seinem Bundesliga-Debüt 2023 mit 34 Jahren zeigt sich der knapp 36-Jährige wie ein guter Wein - je älter, desto besser.
Mit zwölf Ligatreffern knipst der gebürtige Brasilianer deutlich öfter als die üblichen ÖFB-Stürmer. Löst der eingebürgerte Österreicher also unser Stürmerproblem?
Der Toptorjäger der ADMIRAL Bundesliga hat aber viel mehr als nur Tore zu bieten. Im ausführlichen und unterhaltsamen Interview mit 90minuten erzählt der "falsche Brasilianer" einige spannende Anekdoten seiner Karriere.
Der Goalgetter berichtet unter anderem, wie sein Name auf kuriose Weise in Kapfenberg entstand, wie Gott ihn im Traum heilte, wie seine McDonalds-Besuche in Lustenau zur Legende wurden, wie die Einbürgerung seinen Start in Linz vermieste und warum er noch lange nicht genug hat.
90minuten: Am vergangenen Wochenende konntet ihr einen wichtigen 2:1-Sieg über WSG Tirol feiern. Du hast dabei das schnellste Bundesligator der Saison erzielt. Was war das für ein Gefühl?
Ronivaldo: Für mich ist es sehr schön, ein Tor zu erzielen. Noch wichtiger war aber der Sieg, den haben wir gebraucht, um unser Ziel Klassenerhalt zu erreichen.
90minuten: Der Klassenerhalt kann mit dem Sprung in die Meistergruppe vorzeitig gelingen. Mit der Saison kann man zufrieden sein, oder?
Ronivaldo: Wir sind sehr zufrieden, wissen aber auch, dass wir uns verbessern können. Die Liga ist sehr stark und ausgeglichen. Die Top sechs wären ein Bonus.
Hier haben sie gedacht, Ronivaldo ist mein Familienname. Dann haben sie es schon auf mein Trikot gedruckt und zu mir gesagt, warum sagst du nicht, dein Vorname ist Ronivaldo? Ich habe gesagt, es ist kein Problem.
90minuten: Es warten im Fernduell mit dem LASK (LASK hat einen Punkt Vorsprung) noch WAC (A) und Hartberg (H). In Wolfsberg bist du gesperrt. Was erhofft ihr euch?
Ronivaldo: Ich habe 100 Prozent Vertrauen in die Jungs. Wir haben zwei Finali. Wir konzentrieren uns auf uns und vergessen den LASK (Restprogramm: WSG (H), Sturm (A)).
90minuten: Mit zwölf Toren bist du der beste Torjäger der ADMIRAL Bundesliga. Mit so einer beeindruckenden Saison kann man zufrieden sein, oder?
Ronivaldo: Ja. Für mich bleibt mein Ziel, gesund zu bleiben, dann ist alles möglich. Ich muss weiterarbeiten. Die Torschützenliste ist ein Bonus neben dem Klassenerhalt.

90minuten: 2013 bist du nach Österreich zu Kapfenberg gewechselt. Wie war das damals?
Ronivaldo: Als ich das erste Mal gekommen bin, war es sehr schwierig. Es war Winter. Den liebe ich zwar, aber es ist nicht leicht, wenn du aus Brasilien kommst, wo es 35 Grad hat. Trotzdem ist es schön, dass es geklappt hat. 90 Prozent der Kinder in Brasilien träumen davon, Fußballprofi zu werden. Dann war ich hier und wollte nicht mehr zurück. Egal ob es kalt oder heiß ist.
90minuten: In Brasilien bist du unter einem anderen Namen aufgelaufen. Wie ist Ronivaldo entstanden?
Ronivaldo: In Brasilien war mein Spitzname Val Ceara, in Ceara bin ich geboren. Hier haben sie gedacht, Ronivaldo ist mein Familienname. Dann haben sie es schon auf mein Trikot gedruckt und zu mir gesagt, warum sagst du nicht, dein Vorname ist Ronivaldo? Ich habe gesagt, es ist kein Problem.
Nachdem ich zwei Jahre nicht spielen konnte, hatte ich einen Traum. Gott hat mir gesagt: "Jetzt bist du fit." Am nächsten Tag bin ich um 5 Uhr aufgestanden, habe die Schuhe angezogen und war laufen.
90minuten: 2015 bist du zu Austria Wien gewechselt. In zweieinhalb Jahren hast du aber nie für die Profis gespielt, warst zwei Jahre lang eigentlich durchgehend verletzt. Wie bist du damit umgegangen?
Ronivaldo: Es war eine schwierige Zeit, aber ich glaube, Gott hat einen Plan für alle Leute. Ich habe viele Pläne, will dies und das machen, aber Gott hat einen Richtigen für mich. In dieser Zeit habe ich viel gelernt. Als ich zurückgekommen bin, habe ich mir gesagt: Wenn ich einen Schmerz habe, trainiere ich weiter. Die Augenbrauen waren mal bisschen kaputt (Platzwunde, Anm.) und der Trainer wollte nicht, dass ich trainiere, ich aber unbedingt. Für mich als Persönlichkeit war es sehr wichtig, ich konnte viel lernen. Ich habe 100 Prozent Vertrauen in Gott, warte auf eine Entscheidung von ihm und akzeptiere diese, egal ob sie schlecht oder gut ist.
90minuten: Du hast mal in einem Interview mit Spox erwähnt, dass dir Gott damals im Traum erschienen ist und alles war wieder gut. Wie war das damals?
Ronivaldo: Wenn ich es den Jungs erzähle, sagen sie immer, dass sie mir nicht glauben. Nachdem ich zwei Jahre nicht spielen konnte, hatte ich einen Traum. Gott hat mir gesagt: "Jetzt bist du fit." Am nächsten Tag bin ich um 5 Uhr aufgestanden, habe die Schuhe angezogen und war laufen. Als ich zurückgekommen bin, hat mich meine Frau gefragt, warum ich schon laufe? Dann habe ich es ihr erzählt. Seit diesem Tag habe ich null Schmerzen. Andere Leute sagen immer, dass ich mir das nur einbilde, ich weiß aber, was passiert ist.
Ich habe mich auch gefragt, warum gibt mir keiner die Chance in der Bundesliga?
90minuten: 2017 dann der Wechsel zu Austria Lustenau, du bist mit deinen weiteren Auftritten in der Liga für Wacker Innsbruck und Blau-Weiß Linz zur LigaZwa-Legende geworden (137 Tore in 217 Spiele). Was waren deine Highlights in der ADMIRAL 2. Liga?
Ronivaldo: Am Anfang habe ich einen großen Fehler gemacht, ich wollte kein Deutsch lernen, weil ich mir dachte, ich bleibe eh nur ein Jahr, Gott hatte aber einen anderen Plan. Ich habe in all den Jahren so viel gelernt. Ich bin in Lustenau zwei Mal Torschützenkönig geworden, es wurde immer besser. Die Leute haben mich gefragt, warum ich nicht in der Bundesliga spiele. Ich habe es nicht verstanden. Viele Leute haben gesagt, ich bin zu klein, war lange verletzt oder bin einfach ein alter Mann. Das habe ich akzeptiert. Dann bin ich hierhergekommen, wir sind aufgestiegen. Jetzt spiele ich mit fast 36 Jahren in der Bundesliga und habe vor Kurzem meinen Vertrag um zwei Jahre verlängert.

90minuten: Du warst zwei Mal Zweitliga-Torschützenkönig bei Lustenau, einmal im ÖFB-Cup. Gab es gar keine Angebote aus der Bundesliga?
Ronivaldo: Nein. Ich habe mich auch gefragt, warum gibt mir keiner die Chance in der Bundesliga?
90minuten: Kapfenberg, Wien, Lustenau, Innsbruck, Linz. In Österreich bist du viel herumgekommen. Welche Eindrücke hast du gewonnen?
Ronivaldo: Jedes Bundesland ist schön. Die Steiermark war schwierig, weil ich alleine war und keinen Kontakt mit anderen Brasilianern hatte. Dann in Wien war ich oft traurig, weil ich verletzt war. In Vorarlberg sind so viele Brasilianer. Wir haben jeden Tag gemeinsam gegessen. Egal was du gemacht hast, hast du einen Brasilianer getroffen. Innsbruck war auch sehr schön, die Landschaft mit dem Schnee ist perfekt. Leider kann ich nicht Skifahren. In Oberösterreich habe ich dann meinen ersten Titel gewonnen und Bundesliga gespielt, deshalb ist auch das besonders.
90minuten: Dabei verlief dein Start in Linz gar nicht so gut. Zwischendrin warst du nur Joker.
Ronivaldo: Anfangs war es nicht leicht für mich, ich hatte so viele Sachen im Kopf. Ich wollte die Staatsbürgerschaft und habe für die Prüfung gelernt. Ich kann mich zu 100 Prozent nur auf eine Sache konzentrieren. In Brasilien habe ich nie eine Prüfung gemacht, und plötzlich musste ich eine in einer anderen Sprache absolvieren. Ich war nur darauf konzentriert und habe ein bisschen auf den Fußball vergessen. Der Trainer hat gemerkt, dass ich nicht 100 Prozent auf meinen Job fokussiert bin. Als ich die Prüfung bestanden habe, war ich zu 100 Prozent da.

90minuten: Am Ende der Saison winkte in einem dramatischen Finale der Aufstieg.
Ronivaldo: Dieser Moment war sehr schön, fast wie mein erstes Profitor. Erster Titel, Aufstieg, Party mit unseren Fans. Die Mitarbeiter, unsere Familien, alle waren da. Unglaublich.
90minuten: Mit 34 Jahren hast du dann dein Bundesliga-Debüt gegeben. Mit zehn Treffern war deine Premierensaison mehr als ordentlich.
Ronivaldo: Der Niveauunterschied ist gegeben. Auch die Plätze sind in der Bundesliga deutlich besser. In der 2. Liga gibt es viele lange Bälle, was auch schwierig ist. Hier spielen nur zwei bis drei Mannschaften so. Es ist besser, wenn du gegen stärkere Mannschaften spielst. Es motiviert mich mehr, wenn 15.000 Zuschauer statt 200 im Stadion sind. Es gibt Spieler, die lieber vor weniger Fans auflaufen. Ich spiele aber lieber vor 15.000 Fans als eine Prüfung zu machen (lacht). Da war ich viel nervöser.
90minuten: Warum war es dir wichtig, österreichischer Staatsbürger zu werden?
Ronivaldo: Ich will hier bleiben. Für meine Familie ist es sehr wichtig. Meine Kinder sprechen zwei Sprachen, und später vielleicht noch mehr. In Brasilien hast du viel weniger Chancen. Hier hast du Möglichkeiten auf einen guten Job und eine gute Bildung.
Ich bin immer bereit. Ich habe immer Hunger. Die Jungs sagen: "Roni, deine Karriere ist beendet. Besser, du hörst auf." Ich spiele aber weiter, so lange ich gesund bin.
90minuten: Marc Janko hat nach der WSG-Partie bei Sky gesagt, er ist glücklich, dass ein Österreicher bester Torschütze der Liga ist. Unsere aktuellen ÖFB-Stürmer treffen bei weitem nicht so oft wie du. Läuft Ronivaldo bald im österreichischen Nationalteam auf?
Ronivaldo: Die Fans sagen in der Euphorie immer: "Warum spielt Ronivaldo nicht im Nationalteam?" Dort gibt es aber viele gute Stürmer, die in größeren Ligen spielen. Es gibt viele Optionen. Für einen Trainer ist es immer schwierig. Wenn ein Stürmer funktioniert, ist es gut. Wenn nicht, sagen die Leute: "Warum spielt nicht ein anderer?" Für mich ist es wichtig, gesund zu bleiben. Ich glaube aber, es ist zu spät. Wenn ich 27 wäre, hätte ich eine Riesenchance.
90minuten: Wenn ein Anruf vom Teamchef Ralf Rangnick kommt, wärst du aber bereit, oder?
Ronivaldo: Ja, sicher. Ich bin immer bereit. Ich habe immer Hunger. Die Jungs sagen, Roni, deine Karriere ist beendet. Besser, du hörst auf. Ich spiele aber weiter, so lange ich gesund bin.

90minuten: Letztes Jahr hast du gegenüber LAOLA1 verraten, dass du gerne zwei Jahre statt einem verlängert hättest. Heuer hast du trotz eines Angebots aus dem Iran für zwei Jahre unterschrieben.
Ronivaldo: Auf diesem Tisch war es sehr lustig vor einem Jahr (lacht). Schössi hat mit mir über den Vertrag gesprochen und wollte nur ein Jahr verlängern. Ich wollte zwei, wir haben diskutiert. Er hat gesagt: Ich bekomme nur eines, weil ich alt bin. Der Geschäftsführer hat aber gesagt, nächstes Jahr kommst du zu mir, dann machen wir zwei Jahre. Jetzt ist es Gott sei Dank so passiert. Mein Berater hat mir vom Angebot aus dem Iran erzählt, ich wollte aber nicht gehen. Ich bin sehr zufrieden. Ich hätte dort mehr Gehalt bekommen. Geld ist schön, aber nicht wichtig. Wichtig ist es für mich, dass meine Familie und ich glücklich sind. Im Moment ist ein Auslandswechsel kein Thema für mich.
Wenn ich kein Tor gemacht habe, haben die Leute McDonalds die Schuld gegeben. Wenn ich getroffen habe, hat es geheißen, wenn er zum McDonalds geht, macht er Tore. Es ist aber nicht so, dass Fußball Antworten für jede Situation gibt.
90minuten: Viele sagen, Ronivaldo ist wie ein Wein. Er wird im Alter immer besser. Was ist dein Geheimnis dahinter?
Ronivaldo: Ich habe immer Hunger auf Fußball. Die Jungs sagen, Roni, du bist nicht normal. Warum wirst du jedes Jahr besser? Wenn du gesund bleibst, ist alles möglich. Manchmal merkst du, wenn du nicht gut trainierst oder spielst. So wie gegen Altach. Ich habe drei Tage nicht gut geschlafen. Ich habe mich gefragt: "Warum habe ich nicht so gekämpft? Warum bin ich nicht so gelaufen? Warum habe ich die Bälle nicht festgemacht?" Ich bin ein alter Mann, aber hinterfrage mich immer und lerne.
90minuten: Angeblich soll Ernährung helfen. Dabei galtst du in Lustenau als Stammkunde beim McDonalds.
Ronivaldo: (lacht) Da war ich in manchen Kreisen eine Legende. Wenn ich kein Tor gemacht habe, haben die Leute McDonalds die Schuld gegeben. Wenn ich getroffen habe, hat es geheißen, wenn er zum McDonalds geht, macht er Tore. Es ist aber nicht so, dass Fußball Antworten für jede Situation gibt. Sie haben immer Spaß gemacht und gemeint: "Roni, warum hast du kein Fett, wenn du nach jedem Match zum McDonalds essen gegangen bist?" Wenn du dort isst, musst du am nächsten Tag trainieren, dann hast du weniger Fett. Es wurde viel Spaß darüber gemacht.
90minuten: Du giltst ja eigentlich als untypischer Brasilianer. Party ist angeblich nicht ganz so deins.
Ronivaldo: Die Jungs machen immer Spaß in der Kabine. Wenn wir uns treffen, heißt es, Ronivaldo, du bist ein falscher Brasilianer. Du magst keine Party und kein Bier. Du fokussiert dich nur auf den Fußball. Du willst immer zu Hause bleiben. Nicht jeder Brasilianer mag Party und Bier, mich interessiert es zum Beispiel nicht. Ich fokussiere mich auf meinen Job.
90minuten: Du hast einmal gesagt, du willst spielen, bis du 42 Jahre alt bist. Was hast du noch vor, auch danach?
Ronivaldo: Mein Ziel ist es, gesund zu bleiben. Jetzt ist mein Fokus der Fußball. Ich kann viel planen, am Ende entscheidet Gott. Vielleicht werde ich Trainer oder Co-Trainer für Kinder. Profitrainer möchte ich nicht werden. Heute denke ich so, du weiß nicht, was morgen passiert.
90minuten: Ronivaldo erleben wir also nicht als Trainer im Profibereich. Warum eigentlich nicht?
Ronivaldo: Ich bin schon so lange Zeit im Fußball. Ich habe mit 13, 14 Jahren dafür mein Zuhause verlassen. Profitrainer ist ein extremer Stress und sehr intensiv. Ich will ein bisschen mehr Spaß. Kinder sind auch anstrengend, aber es ist lustiger. Sie lieben Ronivaldo, in Lustenau habe ich schon ein bisschen Kinder trainiert, das war schön. Bis 16 ist es okay. Darüber: Keine Chance!