René Aufhauser kritisiert Salzburg: "Es wurde zu extrem"
Bis 2022 war René Aufhauser Trainer in der Welt von Red Bull, schaffte es ins Youth-League-Finale. Seitdem wartet er auf seine Chance im Erwachsenenfußball und ist Akupunkturmasseur. Zu den Vorkommnissen beim Ex-Arbeitgeber hat er viel zu sagen.
90minuten: Hat Sie im letzten halben/dreiviertel Jahr jemand von Red Bull Salzburg angerufen?
René Aufhauer: Ich habe nur vereinzelt mit ehemaligen Kollegen aus dem Betreuerstab Kontakt gehabt, also hat es da keinen Kontakt geben.
90minuten: Dabei hätte es einige Möglichkeiten gegeben, nach Jaissle, Struber, Cinel und Lijnders. Wie gehen Sie damit um? René Aufhauser ist ja eine Vereinslegende...
Aufhauser: Das ist schwer zu beschreiben. Die Trennung vom FC Liefering im Sommer 2022 ist überhaupt nicht gut verlaufen, vielleicht ist da irgendwo auch etwas bei Red Bull Salzburg hängen geblieben, das der Verein nicht so gut gesehen hat. Darum hat es nie mehr Kontakt gegeben, obwohl ich alles von nicht allzu weit weg verfolge. Aber ich habe mich auch vom ganzen Fußballbereich ein wenig entfernt.
90minuten: Darüber möchte ich gleich reden, weil es, glaube ich, schon eine sehr interessante Geschichte ist. Aber bleiben wir noch bei Salzburg. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie Ihren alten Arbeitgeber?
Aufhauser: Es hat für mich persönlich immer noch einen bitteren Beigeschmack. Emotionen sind schwierig in dem Bereich, weil alles sehr professionell aufgezogen ist. Ich bin wegen der Sache damals niemandem von Red Bull Salzburg böse.
90minuten: Ich denke, man kann das verstehen. Sie haben 306 Spiele für Salzburg absolviert. Darum: Was läuft da gerade unrund?
Aufhauser: Also das Ganze ist nicht erst im letzten halben Jahr passiert, die Ursachen liegen weiter zurück. Als ich noch im Verein war, hat es immer wieder ganz gravierende Veränderungen gegeben, speziell im Sommertransferfenster, als viele (junge) Stars immer wieder gegangen sind.
Wenn 80, 90 Prozent des Kaders aus der gleichen Generation kommt, ist es schwer, wenn der eine dem anderen in der Kabine einmal etwas sagt.
Aber es gab einen Unterbau, der durch kontinuierliche Arbeit im Stand war, die Lücken vernünftig zu schließen. Die jungen Spieler, die nachgekommen sind, haben immer eine intakte Mannschaft vorgefunden, also von der Spielweise und der Hierarchie her. In den letzten zwei Jahren war das nicht mehr so der Fall, vielleicht ist auch die Qualität der Jungen nicht mehr so, wie es war.
90minuten: Beides liegt auch sicher an Verletzungen oder Ausfällen, die es früher nicht so in der Größenordnung gegeben hat.
Aufhauser: Ja, aber darüber hinaus war das Thema ältere Spieler immer umstritten. Man braucht erfahrene Spieler, um die Jungen heranzuziehen. Die Stabilität mit Talenten und Säulen muss passen. Da rede ich nicht von 30 plus, aber Spieler, die sich mit dem Verein identifizieren, eine Stabilität nach innen haben und diese nach außen übertragen, die Jungen an der Hand nehmen und führen können.
Wenn 80, 90 Prozent des Kaders aus der gleichen Generation kommt, ist es schwer, wenn der eine dem anderen in der Kabine einmal etwas sagt und die Steuerung ist schwierig. Wenn einer 26 Jahre alt ist und schon drei Jahre beim Verein ist, kann der in der Kabine schon einmal aufstehen und etwas sagen. Die Ramalhos, Junuzovics, Walkes, Ulmers und Wöbers gibt es nicht.
90minuten: Wann ist dieser Faden gerissen?
Aufhauser: Ich glaube schon, dass es im letzten Jahr von Matthias Jaissle angefangen hat. Es wurde mit den Jungen zu extrem und man hat die gestandene Achse, an der sich die Jungen orientieren können, nicht mehr adäquat nachbesetzt. Man könnte da auch Spieler zurückholen, weil ohne die Mischung hätten sich ein Laimer, Schlager, Daka oder Haaland ja auch nicht so entwickeln können. Da hat das Grundkonstrukt gepasst. Jetzt geraten sie schnell unter Druck.
90minuten: Vielleicht denken die guten Jungen auch zu schnell zu sehr an die genannten und sehen sich schnell in Manchester oder München?
Aufhauser: Das ist von Klein auf der Weg der Spieler. Heute ist die Ausbildung bis 17, 18, 19 Jahren auch noch top, aber in den letzten zwei Jahren haben nur wenige Spieler den Weg von Liefering zu Salzburg geschafft. Früher war das Gang und Gäbe, es waren fast schon zu viele.
Und wer jetzt vielleicht noch ein paar Spiele in Liefering brauchen würde, muss jetzt schon rauf und dann kommen sie nicht mehr in eine stabile Mannschaft. Die Struktur hatte einen großen Anteil, dass sich auch diese jungen Spieler nicht mehr so entwickeln können wie noch vielleicht vor einigen Jahren.
90minuten: Die Schnittstelle funktioniert nicht mehr. Ich denke da an Dijon Kameri. Da gibt es Tweets von mir, wo ich schreib: Der kickt für uns bei der EM 2024.
Aufhauser: Er hat viel gespielt und Champions-League-Einsätze gehabt, dann hat er wenig Einsatzzeit bekommen. Das war dubios.
90minuten: Woran liegt das? Am Spieler, der glaubt, er ist schon sehr weit oder auch an den Medien, die ja eh jeden gleich hochschreiben?
Aufhauser: Ich glaube, man darf diese Drucksituationen nie unterschätzen. Der spielt mit 18, 19 Jahren Champions League, aber ist er stabil genug? Dominik Szoboszlai ist ein gutes Beispiel. Jeder wusste, was der für ein Riesentalent ist, aber er hat vielleicht geglaubt, dass er zu gut ist für die Drecksarbeit. Dann hat er zu wenig Tore gemacht und es stand auf der Kippe, ob es bei ihm in Salzburg weitergehen kann. Er hat dann doch die Zeit bekommen und zwei, drei Spieler in der Mannschaft gefunden, die ihn führen. Das ist eben genau der Punkt, den ich meinte. Es braucht diese Führungsspieler.
90minuten: Vielleicht ist ein Trainer, der starke Drucksituationen kennt, nicht so schlecht. Jedenfalls sind die Köpfe ausgetauscht, aber man kann ja auch nicht den ganzen Kader vor die Türe setzen. Geholt hat man nur Karim Onisiwo. Also: Wie kommen die da wieder raus?
Aufhauser: Es war sicherlich das Ziel des Vereines, jemanden zu holen, der die Abwehr stabilisiert. Baidoo, Blank, Piatkoswki sind schon gute Einzelspieler, aber sie brauchen Führung. Zusammen sind sie auf höchstem Niveau zu fehleranfällig. Allerdings ist es schwierig, solche Spieler im Winter zu bekommen und Salzburg hat auch nicht mehr den Namen, dass die dann sagen: Da gehe ich sofort hin.
Intensives Spiel, hohes Anlaufen und vertikale Pässe, mutig vorwärts verteidigen – das habe ich in den letzten Monaten vermisst.
Onisiwo ist jetzt ein gestandener deutscher Bundesligaprofi, der mit seiner Erfahrung der Mannschaft schon weiterhelfen kann, aber ob der 15 oder 20 Tore macht, weiß ich auch nicht. Als Gesamtpaket – er war ja schon einmal in Salzburg – wird es schon okay sein, aber keiner, der die Mannschaft sofort stabil macht, da würde es noch mehr brauchen.
90minuten: Inwiefern aus Ihrer Sicht?
Aufhauser: Salzburg hat ja die eigene DNA in den letzten Monaten total verloren. Früher konnte man ohne zu wissen, in welcher Farbe die Teams spielen, wissen, wer die Bullen sind. Man war passiv und hat auf Umschaltspiel nach Ballgewinn gesetzt und somit Mittel angewandt, die viele Gegner in der Vergangenheit eigentlich immer gegen uns eingesetzt haben. Man hat sie mit den eigenen Waffen geschlagen. Intensives Spiel, hohes Anlaufen und vertikale Pässe, mutig vorwärts verteidigen – das habe ich in den letzten Monaten vermisst.
Das geht dann nicht von heute auf morgen, man muss die Spieler dorthin pushen, dass sie mutig sind. Momentan stehen wir in unserer eigenen Hälfte, früher sind wir 70 Prozent in der gegnerischen Hälfte gestanden. Klar läuft der Gegner dann zweimal alleine aufs Tor, aber dieses Risiko ist man eingegangen – wenn man davor zwei Tore macht. Das Spiel war viel attraktiver, Salzburg hat sein Erkennungsmerkmal verloren.
90minuten: Gut, Struber hatte zeitweise zwölf, 13 verletzte Spieler im Herbst. Dafür kann er nichts, aber irgendwann musst du gehen. Bei Lijnders sieht man eines klar: Keine verlorenen Spiele bis Ende August, Qualifikation zur Champions League, dann eine eher vermeidbare Niederlage gegen Rapid und seit dem ersten Champions-League-Spiel mit Lijnders' Schützlingen Clarke und Bajcetic fällt alles in sich zusammen. Das ist wiederum selbst verschuldet, so meine These. Weil früher hat man solche Spieler geholt und sie waren sechs Monate, ein Jahr in Liefering. Jetzt verstehe ich jeden anderen, der das komisch findet, wenn der Trainer seine zwei Teenager holt und man dann nicht so begeistert ist...
Aufhauser: Das unterschreibe ich voll und ganz. Das war sicherlich ein Fehler des Trainers – also nicht, sie zu holen, sie sind unbestritten talentiert und haben das Potenzial, große Spieler zu werden, aber der Kader geht durch die Qualifikation und dann macht man das so. Das kann ich machen, wenn ich vorher keinen Erfolg habe, da ist das ja in Ordnung, aber ich kann keiner funktionierenden, einer erfolgreichen Mannschaft plötzlich zwei junge Spieler hinsetzen.
Das geht vielleicht mit Erling Haaland. Ohne genau zu wissen, ohne damals in der Kabine gewesen zu sein, kann ich sagen, dass das an Spielern nagt und ich verstehe die, die den Kopf geschüttelt haben. Das hat die Beziehung zwischen Trainern und einigen Spielern stark beeinflusst.
90minuten: Kommen wir zu Ihnen und Ihren Lifechoices. Sie sind seit einigen Monaten Akkupunktur-Masseuer.
Aufhauser: Das ist eine Akkupunkturmassage mit Metallstäbchen, also keine Nadeln, wie man denken möchte.
90minuten: War es das dann? Werden Sie jetzt wie Statler und Waldorf aus der Muppetshow alles erklären, wenn man Sie fragt?
Aufhauser: Ich bin kommenden Sommer drei Jahre weg und das ist ehrlicherweise eine lange Zeit. Jetzt habe ich einen zweiten Bereich kennengelernt, habe meine Praxis bei mir zu Hause und die Lebensqualität ist hoch. Also der Fußball war immer mein Traum, aber meine Freizeitgestaltung hat sich 100 zu eins geändert. Die Work-Life-Balance ist eine andere. Mir taugt diese Arbeit extrem und ich bin viel mehr zuhause und kann mehr Zeit mit meiner Familie verbringen.
Den Fußball werde ich nie wegbringen, aber ob ich wirklich noch einmal den Weg zurück in den Profibereich mache? Da muss das Gesamtpaket passen. Und wenn es nichts mehr wird, waren es 25 tolle Jahre. Ich schließe also nichts aus, habe es aber zuletzt auch nicht forciert. Jetzt bin ich begeisterter Fan von Mannschaften.
90minuten: Ich kann mir auch vorstellen, wenn ein Amateurverein wie Seekirchen, der SAK oder Grödig daherkommt, denkt man sich auch: Ok, das waren jetzt 25 Jahre, will ich diesen Stress haben, um ein paar Amateurkicker zu trainieren...
Aufhauser: Vielleicht kommt es ja noch einmal so, dass es mich kribbelt. Wenn mir vor zwei, drei Jahren jemand gesagt hätte, dass ich zu Hause und Therapeut bin, hätte ich mir das nicht vorstellen können. Wer weiß also, was in zwei, drei Jahren sein wird und wo die Reise hingeht, vielleicht im Amateurbereich, bei einer Jugendmannschaft, einem Frauenteam oder bei Profis. Keine Ahnung. Für mich ist das Entscheidende, dass die Parameter passen.
Gott sei Dank pflege ich auch einen normalen Lebensstil. Das kann ich auch als Masseur im Großen und Ganzen stemmen, also mache ich mir finanziell keine großen Sorgen.
90minuten: Vielleicht schauen Sie auch irgendwann auf Ihr Konto und kommen drauf, dass Fußballtrainer recht gut verdienen und Therapeuten nicht so wirklich.
Aufhauser: (lacht) Deshalb heißt es jetzt ein bisserl mehr sparen und aufpassen, was man kauft.
90minuten: Ich kann mir René Aufhauser auch schwer mit der neusten Rolex im Ferrari vorstellen...
Aufhauser: Das war schon früher nicht meines und Gott sei Dank pflege ich auch einen normalen Lebensstil. Das kann ich auch als Masseur im Großen und Ganzen stemmen, also mache ich mir finanziell keine großen Sorgen.
90minuten: Damals, in den 2000ern, hat man ja immer gesagt, dass der Aufhauser ins Ausland muss. Wollen Sie das als Trainer nachholen?
Aufhauser: Es war 2005 schon so, dass es knapp war, dass ich zu Everton oder alternativ Fulham gehe. Das ist dann leider nicht zustande gekommen und ich bin zu Red Bull Salzburg gegangen. Das wäre die Krönung gewesen, damals gab es ganz wenige Österreicher im Ausland, den Emanuel Pogatetz in England, den Martin Stranzl in Stuttgart, der Andi Ivanschitz war noch nicht dort. Es waren andere Zeiten...
Es wäre schon eine coole Sache gewesen, meine Familie wäre mitgegangen, aber nach dem GAK war die Zeit in Salzburg großartig, ich konnte dann noch aufhören und habe nathlos den Einstieg ins Trainergeschäft geschafft und mich als Co etabliert, durfte mit internationalen Trainern zusammenarbeiten. So hat das sehr viel Hand und Fuß gehabt und war schon absolut großartig.
90minuten: Vielleicht sind es auch die Sportdirektoren, die ein bisschen uninspiriert sind. Ich meine, Did Kühbauer hat in der Bundesliga die Admira, Wolfsberg, St. Pölten, Rapid und den LASK, nun wieder den WAC trainiert. Und das bei nur zwölf Trainerstühlen.
Aufhauser: Das liegt schon auch immer an einem selber. Jürgen Säumel hat es geschafft, von Sturm II zur ersten Mannschaft zu kommen. Es ist eine gute Entscheidung, dass man ihm das Vertrauen schenkt. Es gibt sicherlich viele aus meiner Generation und darunter, die sich das auch verdienen würden. Allerdings gibt es auch die alten Hasen wie Peter Pacult, die andere Qualitäten haben, die 30 Jahre jüngere Trainer nicht haben.
90minuten: Sie haben vorhin gesagt, dass Sie andere Ligen verfolgen, sowie Everton. Ich denke, die Premier League interessiert Sie.
Aufhauser: Die Premier League ist die beste Liga der Welt. Auch die deutsche Bundesliga hat eine große Strahlkraft und man muss auch keine Sprache lernen. Obwohl, auch dort muss man Deutsch lernen. (lacht) Das wären schon auch Anfragen, wo man sich stark überlegt, aber da tickt die Uhr schon.
90minuten: Ich finde eine Sache spannend: Ich kann mich kaum erinnern, dass ein Trainer sowas sagt wie: Egal ob Männer oder Frauen. Wenn Sie zwei Angebote haben, welches nehmen Sie? Bundesliga – Bundesliga wird wohl bedeuten, Männerbereich. Aber darunter?
Aufhauser: Es entscheidet immer das Gesamtpaket: Wie sind die handelnden Personen, welche Aufgabe hat man, welche Ziele will man verfolgen? Das ist wichtiger, als ob es die erste oder zweite Liga ist.
90minuten: Aber Hausnummer ein Frauen-Bundesligist legt ein Angebot und ein 2. Liga-Klub der Herren. Was dann?
Aufhauser: Das muss man dann abwägen und auch meiner aktuellen Situation als Therapeut gegenüberstellen. Aber da muss das Paket gegenüber meiner jetzigen Situation schon recht gut sein.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!