Ein ungarischer Stamm-Teamspieler. Ablösefrei. Und noch vor der Europameisterschaft.
Das war schon eine Ansage von Markus Katzer, als Bendegúz Bolla im Frühsommer 2024 bei Rapid andockte. Der mittlerweile 25-Jährige ist auch seit seiner Ankunft Stammspieler auf der Rechtsverteidiger-Position.
Was für die ganze Mannschaft gilt, tut es auch für Bolla: Die Suche nach der Form läuft aktuell. Zumindest am Einzug ins Viertelfinale der UEFA Conference League hatte jedoch auch er seinen Anteil.
Von Kopf bis Fuß mit Tattoos geziert, am Platz auch mal emotional – das sind die Eindrücke, die der Magyare hinterlässt.
Gegenüber 90minuten verrät Bolla aber, dass er eigentlich ganz anders tickt. Und spricht über seinen Werdegang, der untrennbar mit jenem des aktuell besten Ungars verbunden ist: Dominik Szoboszlai.
Die Väter gründeten gar einen Verein
Bevor dessen Weg in die Red-Bull-Akademie führte, wuchsen der nunmehrige Liverpool-Akteur und Bolla fußballerisch Hand in Hand auf.
Beide stammen aus Szekesfehervar, sind nur durch ein Jahr im Alter getrennt und sogar darüber hinaus verbunden: Durch ihre Väter, László Bolla und und Zsolt Szoboszlai.
Die gründeten zusammen das Unternehmen "Fönix" – und in weiterer Folge einen kleinen, gleichnamigen Klub. Mit dem Hauptzweck, ihren beiden Söhnen bessere Entwicklungsmöglichkeiten zu geben.
"Sogar in diesem Alter sah man sein riesiges Potenzial. Jedem war klar, dass er es ganz nach oben schafft, wenn er so weitermacht. Er hat mir damals sehr geholfen. Wo ich heute stehe, verdanke ich zu 80 Prozent dieser Zeit."
"Morgens sind wir in die Schule, hatten auch eine gute Vereinbarung dort: Wenn die anderen Musik- oder Kunstunterricht hatten, durften wir trainieren. Und am Nachmittag hatten wir dann Teamtraining im kleinen Klub", erinnert sich Bolla gegenüber 90minuten an die Zeit zwischen 2007 und 2014 – als er 8-15 Jahre alt war.
Fünf, sechs junge Spieler waren sie, die alle in die gleiche Schule gingen – Dominik und er die ältesten davon. Das erleichterte die Tagesplanung.
Das Supertalent färbt ab
Schon damals zeichnete sich ab, dass aus Szoboszlai ein ganz Großer werden könnte. Dementsprechend viel investierten er und sein Vater, der ihn selbst trainierte.
"Durch seinen Vater hatte er neben unserem gemeinsamen Training noch mehr individuelle Einheiten. Manchmal trainierte er viermal am Tag", so Bolla.
"Sogar in diesem Alter sah man sein riesiges Potenzial. Jedem war klar, dass er es ganz nach oben schafft, wenn er so weitermacht."
Doch auch Bolla selbst profitierte von der gemeinsamen Zeit bei Fönix – und ist überzeugt: "Er hat mir damals sehr geholfen. Wo ich heute stehe, verdanke ich zu 80 Prozent dieser Zeit."
Ein Abstecher in eine andere Fußballwelt
2014 zog es Bolla in die Akademie von MTK Budapest. Szoboszlai folgte altersgemäß ein Jahr später, es hielt ihn aber nicht lange in der Hauptstadt – da trennten sich die Wege. Der Jüngere stieß Anfang 2017 zu Red Bull, der restliche Weg ist bekannt.
Bolla hingegen wurde in Ungarn glücklicher. Naja, beinahe.
Auch sein Vater zog alle Register, um den Sohn auf das nächste Level zu heben. Das Mittel dazu hieß Dinamo Zagreb.
Gar nicht so einfach, dort als Nicht-Kroate unterzukommen – auch wenn es nur um Training in der Jugend ging: "Ich war ein Jahr lang dort unter der Woche, um am Wochenende nach Ungarn heimzukehren und in der ungarischen Akademie Meisterschaft zu spielen."
Der Unterschied in den Mentalitäten sollte ihm weiterhelfen.
Nur am Papier im Rudel
Es blieb beim Intermezzo, obwohl Dinamo sogar anbot, den Weg gemeinsam und offiziell fortzusetzen. Der Einstieg ins Profigeschäft geschah stattdessen beim Videoton FC, seit 2019 als Fehervar FC bekannt. Also wieder in der Heimatstadt.

Gleich im ersten Jahr mit Bollas Anwesenheit wurde der Klub Meister, Spielzeit gab es aber keine. Es folgten Leihen in die zweite Liga, die ihm gut taten – und schließlich zum Durchbruch bei Vidi in der Saison 2020/21 führten.
Das machte Wolverhampton aufmerksam, der Premier-League-Klub holte Bolla für zwei Millionen Euro. Einsatz sollte es in England keinen einzigen geben, dafür Leihen in die Schweiz: Zwei Jahre bei den Grasshoppers, ein Jahr bei Servette Genf.
Eine Zeit, die zwar nicht zum weiteren Engagement in England, aber zum Durchbruch im Nationalteam verhalf.
Rapid bot Sicherheit und Chancen
Umso überraschender schien es, dass sich Bolla für Rapid als nächsten Karriereschritt entschied. Noch vor der EURO 2024, bei der er in allen drei Spielen zum Einsatz kommen sollte.
Doch gerade deswegen wollte Bolla Sicherheiten. Eine befreite Endrunde spielen können, ohne an die nächste Station denken zu müssen. Und Rapid tat viel, um ihn nach Wien zu lotsen.
"Ich war auch vor der Unterschrift hier, habe mir alles angesehen, mit Markus Katzer gesprochen – und dann eben entschieden, dass das der perfekte nächste Schritt für mich sein würde", so Bolla.
(Text wird unterhalb fortgesetzt)
Zumindest gemessen am Output auf europäischer Bühne keine falsche Entscheidung. Immerhin ist auch ein Conference-League-Viertelfinale eine Chance, sich zu präsentieren.
Eine ganz andere Rolle bei Rapid
Nicht, dass der Ungar schon wieder an einen Abgang denken würde. Der Vertrag läuft bis 2027, er hat noch viel vor.
Auch in Sachen persönlicher Entwicklung. Dass in Rapids bevorzugtem 4-2-2-2 auch einmal defensive Schwächen bei Bolla augenscheinlich werden, zeigt noch genug Entwicklungsmöglichkeiten.
Bei den Grasshoppers und Servette wurde er offensiver eingesetzt, auch einmal als rechter – oder gar linker – Mittelfeldspieler, stets mit einem Mann hinter ihm.
Ähnliches gilt für das ungarische Nationalteam, das auf eine Dreierkette setzt. Ganz andere Situationen als bei Rapid, wo seine Defensivaufgaben mehr Gewicht haben.
Das wurde auch beim 0:2 gegen Sturm in Graz augenscheinlich, als Bolla in den letzten 20 Minuten ganz anders auftrat, sich Rapid mit der Umstellung auf 3-5-2 jenen Systemen annäherte, mit denen Bolla groß wurde.
Nichtsdestotrotz: "Ich bin ein offensiverer Spieler, aber sehe mich trotzdem als Außenverteidiger. Damit muss ich auch zuerst meinen defensiven Job erledigen. Die Offensive sollte nur ein Plus sein."
Er sei für eine offensivere Rolle aber durchaus offen.
Außen Party, innen Zen
Apropos offensiv: So angriffslustig wie am Feld sieht sich der Ungar abseits davon nicht. "Ich bin eher ein ruhiger Typ und ein Familienmensch. Die Emotionen kommen nur am Platz raus", beschreibt sich Bolla.

Da dürfen auch die zahlreichen Tattoos keinen falschen Eindruck verleihen: "Natürlich haben manche von ihnen eine Bedeutung. Aber 80 Prozent meiner Tattoos habe ich, weil ich die Motive mag und schön finde."
Platz für neue wäre nicht mehr viel: "Ich habe etwa nur eines meiner Beine tätowiert, das andere ist noch frei. Auch am Rücken wäre noch Platz."
Besser zur ruhigen Attitüde passt da schon das Lieblingshobby: Die Fischerei. "Das ist wirklich gut für meinen Kopf. Ich schalte gern zwei, drei Tage komplett ab, vergesse den Fußball und andere Dinge im Leben komplett."
Bei Rapid wird sich die Karriere entscheiden
Dafür ist jetzt natürlich keine Zeit. Rapid muss für ihn im besten Fußballeralter die große Entwicklungsmöglichkeit darstellen, an weiteren Aspekten seines Spiels zu arbeiten.
Nur dann kann es mit dem großen Ziel auch Mitte 20 noch klappen: "Normalerweise wechseln Spieler von hier in bessere Ligen, das wäre auch mein Ziel."
Bolla ist überzeugt, dass er bei Rapid alle Möglichkeiten vorfindet, sich noch in diese Richtung zu entwickeln. Aber abseits aller persönlicher Ziele liege sein Fokus selbstverständlich auf größtmöglichem Erfolg für den Klub. In dieser Saison ist das wohl nur mehr in Europa möglich.
Die Ziele sind aber hochgesteckt, auch mit dem Nationalteam, wo er das große Ziel der Weltmeisterschaft 2026 anvisiert. Auch das wäre eine Auslage.
Vielleicht, um sich irgendwann wieder mit Dominik Szoboszlai messen zu können. Mit dem es auch außerhalb des Nationalteams den regelmäßigen Kontakt gibt.
Bevor solche Zukunftsträume Realität werden können, gilt es aber im Hier und Jetzt, wieder in die Spur zu finden.