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Rapid II-Trainer Kerber: "So eklatant ist der Unterschied nicht"
Rapid II spielt erstmals in der Youth League. Nun heißt der Gegner in der Hauptrunde Atlético Madrid. Im 90minuten-Interview spricht Trainer Jürgen Kerber über das Spiel, die Ausbildung in Hütteldorf sowie Verbesserungspotenziale.
Jürgen Kerber kennt sich aus mit Nachwuchs. Der gebürtige Vorarlberger spielte für den FC Dornbirn in der Regionalliga, seit 2007 ist er im Osten Österreichs. Da wirkte er bei Purkersdorf, Mauerbach und Muckendorf als Amateurkicker. 2010 heuerte er beim SK Rapid in der Jugend an. Der gelernte Elementarpädagoge leitete bis 2023 sogar einen Kindergarten.
Im November beförderte man ihn zum Nachfolger von Stefan Kulovits bei den Rapid Amateuren. Die Zweier führte er zum Meistertitel in der Regionalliga Ost und fixierte so die wichtige Rückkehr in die 2. Liga. In der Youth League bog seine U19 den SC Braga, was der Einser nicht gelang. Dank eines Sieges gegen Basel darf man nun gegen Atlético Madrid ran.
90minuten: Gehen wir zum 22. Oktober zurück: Rapids Youth League-Team spielt das erste Spiel in der Nachwuchskönigsklasse. Was war das für ein Gefühl?
Jürgen Kerber: Für uns war das etwas Besonderes, weil wir das erste Mal dabei sind. In der Kaderzusammenstellung haben wir auf einen guten Mix zwischen U18 und Rapid II geachtet. Es sind vermehrt Spieler der zweiten Mannschaft dabei gewesen. Und dann war es schon ein tolles Gefühl, da nach Portugal zu reisen und gegen Braga unter dem Label "Youth League" zu spielen.
Die waren richtig, richtig gut in den letzten Jahren und das hat auch unsere Gegneranalyse unterstrichen. Das haben wir auch gespürt, wir hatten in der Defensive viel zu tun, sie haben uns richtig reingedrückt. Wir hatten schon Glück, dass wir das 0:0 rübergebracht haben. Dieses erwartete Topspiel gegen einen Topgegner hatte auch einen Lerneffekt. So waren wir im Rückspiel gewappnet.
Rudelbildungen! Wir erwarten uns hier schon einen sehr emotionalen Gegner und so wird es auch sein.
90minuten: Das Rückspiel ist 3:2 gewonnen worden. Ist der Trainer später gekommen und hat gemeint: Umgekehrt wäre es besser?
Kerber: (lacht) Das war schon ein Thema, dass die Profis auch gegen sie gespielt haben. Am Ende kann man das schon einordnen, weil das eine ist ein U19-Bewerb, das andere etwas für die Erwachsenen.
90minuten: Gehen wir es durch. Basel wurde mit einer Gesamtscore von 5:1 geschlagen.
Kerber: Die Anreise war gut, der Erfolg gegen Braga hat uns Selbstvertrauen gegeben. Unser Ziel war es, weiterzukommen; unsere Vorbereitung hat auch ergeben, dass es im Bereich des Möglichen ist. Das Heimspiel (3:0, Anm.) war eine reife, souveräne Leistung und am Ende durchaus verdient.
90minuten: Atlético Madrid hat einen großen Namen, erwartet man die wie die Einser, also physisch stark, Umschaltspiel ...
Kerber: ... Rudelbildungen! Wir erwarten uns hier schon einen sehr emotionalen Gegner und so wird es auch sein.
90minuten: Braga, Basel, Atléti – wie weit geht denn das Niveau bei 18-, 19-Jährigen auseinander? Salzburg hatte wenig Chance, auch der Rapid-Kampfmannschaft räume ich gegen die Madrilenen wenig Chancen ein, um ehrlich zu sein.
Kerber: Es geht schon auch um die Idee, wie man Spieler ausbildet. Das hat in der U19 einen großen Impact auf die Leistung. Dann geht es auch um Vereinsphilosophien, also ob ich überregionale oder internationale Talente auch dazu hole, das ist ja auch möglich. Nur große Namen sind da nicht das Qualitätssiegel, es geht darum, die Ausbildung in den Vordergrund zu stellen. Am Ende ist auch der Anspruch unterschiedlich. Atléti will gegen Barcelona und Real um den Meistertitel spielen, wir messen uns da mit Salzburg und Sturm.
90minuten: Bei Rapid gab es in den letzten Jahren einige Umbrüche. Robert Klauß ist seit etwas mehr als einem Jahr Cheftrainer, Diego Simeone seit 2011. Wie entscheidend ist die Vereinsphilosophie?
Kerber: Darum geht es ja. Die Fluktuation auf der Trainerbank bei den Profis ist ja mittlerweile part of the game. Stellen wir uns vor, wir würden die Ausbildungsschiene nur an der Einser orientieren. Deshalb ist eine Vereinsphilosophie für die Ausbildung gut, die definiert, was der Kern ist, wofür wir stehen und wie wir ausbilden. Auf der höchsten Ebene sollen sich die Spieler schon integrieren können, aber bei den Profis geht es um internationale Plätze und Erfolg. Ausbildung bedeutet ja Entwicklung und das braucht Zeit.
90minuten: Martin Dellenbach, Besitzer von Viktoria Pilsen und bei Hartberg und Lafnitz engagiert, meinte mir gegenüber neulich, dass eine Zweier in der 2. Liga viel Aufwand ist, man auch auf Kooperationsspieler setzen könnte. Wie viele Kicker will Robert Klauß raufziehen können?
Kerber: Wir machen das nicht an Zahlen fest. Es gibt sehr gute Spieler und wenn diese die Leistung und Potenzial für oben mitbringen, sollen sie mittrainieren können und wir wollen sie auch stufenweise integrieren. Es waren auch einige Spieler auf Trainingslager mit. Man weiß es ja erst, ob es einer schafft, wenn man es auch ausprobiert.
Es können schon zwei aus einem Jahrgang sein, die gut sind, aber auch fünf oder auch einmal keiner. Die Ansprüche sind doch sehr hoch und unser Weg ist gut, wie man die letzten Jahre gesehen hat. Man kann die Jungen rauf bringen und sie auch weiter verkaufen. Wenn das so weiter geht, sind wir ganz zufrieden.
90minuten: Die Quote des Youth League-Finales aller Spieler, die dort 2016/17 für Salzburg aufgelaufen sind, ist gut. Fünf Leute in der Topliga, noch einmal einige in höchsten Ligen im In- und Ausland. Wer kann das aus der jetzigen Rapid-II-Mannschaft so weit kommen?
Kerber: Wenn ich das sagen könnte, könnte ich damit viel Geld verdienen. Im Ernst: Es sind einige gute Spieler dabei, ich will aber nicht sagen, wie viele oder wer das von den Anlagen her ist. Das Potenzial für die Bundesliga ist da.
90minuten: Wir spielen hierzulande U18, quasi alle anderen U19. Peter Schöttel will das nicht ändern, würde es aber Sinn machen?
Kerber: Wenn wir uns vermehrt international messen wollen, macht es vielleicht Sinn. Hierzulande ist es aber auch eine Strukturfrage. Es gibt Vereins- und Verbandsakademien, mit unterschiedlichen Ansätzen und Zielen. Intern lösen wir es so, dass wir in der Zweiten eine U19 mit ein paar älteren Spielern machen.
90minuten: In Österreich ist man ja lange Talent, andere Länder pfeifen sich da weniger. Insofern braucht es ja diese "getunte" U19 in der 2. Liga.
Kerber: Alles hat Vor- und Nachteile. Die 2. Liga ist schon ein guter Step für junge Spieler am Weg in die Bundesliga. Es gibt aber auch Spieler, die noch nicht weit genug für den Erwachsenenfußball sind. Für die wäre es besser, gegen gleichaltrige zu spielen. Ein Mittelweg wäre das Optimale, den gibt es aber nicht, also muss man mit den gegebenen Bedingungen umgehen.
Die Generationen, die nachkommen, stehen in Verantwortung dafür zu sorgen, dass die nächsten auch so weit oben spielen können.
So brauchen manche Spieler länger, andere kürzer. Der Sinn einer Ausbildung ist aber, dass gute Junge nachkommen, da muss man einschätzen, ob der Weg mit Rapid II oder einem anderen Verein passt. Eine allgemeine Aussage ist da kaum zu tätigen.
90minuten: Wäre ein Abstieg sehr schlimm für die Burschen? Die Ostliga gilt ja schon als eine starke Liga.
Kerber: Entscheidend ist es nicht. Wir haben das ja miterlebt, was die Unterschiede sind, aber ich sehe es so: Wenn es die Möglichkeit gibt, die Spieler auf der höchsten Ebene auszubilden, sollte man das auch tun, wenn es geht. Die Generationen, die nachkommen, stehen in Verantwortung dafür zu sorgen, dass die nächsten auch so weit oben spielen können. Das ist jedenfalls ein guter Ansatz, auch wenn es sich einmal nicht ausgehen kann. Davon darf man sich aber nicht vom Weg abbringen lassen, der ist ligaunabhängig.
90minuten: Da wird Sturm schon froh sein, dass die Zweier oben geblieben ist.
Kerber: So eklatant ist der Unterschied nicht, wir haben ja auch gegen Regionalliga Mitte-Vereine gespielt. Aber durch Corona haben aber schon gewisse ältere Spieler früher aufgehört, weil es keine Möglichkeit gab, Regionalliga zu spielen.
90minuten: In jedem Jahrgang gibt es Spieler, die ins Ausland wechseln, manche spielen Bundesliga, andere landen im Amateurfußball. Wenn ich in der U19 bei Rapid spiele, gehöre ich ja wohl zu den Besten im ganzen Land in dem Alter. Wie gestaltet man den Übergang von Nachwuchs- in den Profibereich? Wo muss man ansetzen, dass sie es möglich weit rauf schaffen.
Kerber: (denkt nach) Sie haben ja alles. Man muss aber Ausbildung und Fußball erst unter einen Hut bekommen und da gehören sie begleitet. Am Ende ist es schon so, dass wir die Spieler zwar weiter bringen wollen, aber am Ende liegt es auch an ihnen, was sie aus diesen Rahmenbedingungen machen. Es müssen die besonderen Fähigkeiten zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort passen. Es braucht in gewissen Phasen auch schlicht Glück. Man kann ja nicht ein Protokoll aufstellen, wenn man das durchlaufen hat, wird man Profi.
Mutige Wege dauern aber immer. Ich bin ein Freund davon, Dinge auszuprobieren, auch wenn es nicht aufgeht.
90minuten: Es wird ihnen ja auch schon einiges abgenommen. Aber über 18 sind es keine Kinder mehr, aber auch noch keine Erwachsenen.
Kerber: Alles trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Man braucht auch einen Charakter dazu. Es ist nicht selbstverständlich, dass man vor 25.000 Menschen Fußball spielen kann. Das kann einer von der Reife her früher, ein anderer später. Man muss sie abholen, wo sie sind und ihnen auf allen Ebenen – körperlich, persönlich, technisch-taktisch – den nächsten Step anbieten.
90minuten: Gibt es Spieler, die da ein paar Schritte überspringen?
Kerber: Die gibt es natürlich und im Nachhinein ist man immer gescheiter. Wenn man genau hinsieht, muss man halt auch sagen, dass es bei jenen Spielern, die beim ersten Widerstand das Weite gesucht haben, auch nicht mehr weiter gegangen ist. Es gehört auch ein gewisses Maß an Demut dazu, auch dass man Widerstände überwindet. Spieler haben viele Einflussfaktoren, da ist es nicht so einfach, den eigenen Weg zu behalten.
90minuten: Wo stehen wir denn?
Kerber: Wir investieren schon sehr viel und die Vereine haben die Verantwortung, dass es klappt. Österreich macht für die Größe des Landes einen guten Job. Es gibt aber immer Phasen, in denen man sich verbessern kann.
90minuten: Was kann man verbessern?
Kerber: Jetzt schauen wir einmal, wie die B-Akademien laufen. Man muss aber auch immer innovativ sein. Mutige Wege dauern aber immer. Ich bin ein Freund davon, Dinge auszuprobieren, auch wenn es nicht aufgeht. Das Bewährte ist auch nicht immer schlecht, aber es ist auch nicht gut, etwas unhinterfragt so zu tun, weil es immer schon so war.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!