Bereits am 5. April 1994 hatte der 1975 geborene Rene Poms das Ziel seiner Spielerkarriere erreicht: Er debütierte für die Kampfmannschaft des damaligen Zweitligisten DSV Leoben. Das Spiel gegen den FavAC ging mit 3:0 an die heute strauchelnden Steirer.
Weiter als dahin reichte sein Horizont damals nicht, aus Poms wurde trotz weiterer Versuche ein Unterhauskicker und bereits Anfang 30 startete er 2007 seine (Spieler-)Trainer-Karriere. Lange noch, bevor die "Laptop-Trainer" überhaupt ein Begriff wurden.
Groll hegt er keinen, aber als Trainer will er es viel besser machen. Viele Jahre war er Co-Trainer, im Staff von Nenad Bjelica absolvierte er zwei Champions-League-Gruppenphasen, ehe er 2023 NK Osijek als Cheftrainer übernahm. Via Leoben und PAS Ioannina (Griechenland, 2. Liga) ging es im Herbst zum damals sieglosen GAK. 90minuten hat ihn zum Interview gebeten.
90minuten: Bis Sie am 11. Spieltag den GAK übernommen haben, hatte die Mannschaft keinen Saisonsieg, lediglich vier Remis, vor dem 1:1 bei Rapid vier Mal in Folge verloren. Was für eine Mannschaft haben Sie vorgefunden?
Rene Poms: Jeder, der mit Fußball zu tun hat, weiß, dass ein Team, das länger nicht gewonnen hat, an sich zweifelt. Das Selbstvertrauen ist angeknackst. Dann ist vieles nicht mehr selbstverständlich, das fängt schon bei den einfachsten Dingen an. Es schaukelt sich auf, man grübelt und das hindert einen dann daran, das Ruder herumzureißen. Die Mannschaft war auch genauso, aber körperlich in einem sehr, sehr guten Zustand. Man musste nicht viel umbauen. Das ist kurzfristig ohnehin nicht möglich.
Wenn ein paar Prozent fehlen, reicht es eben nicht aus. Ich habe es dem Team danach gleich gesagt und auch in der Vorbereitung ist das ein großes Thema.
Aber wir fokussierten uns zuerst auf das Spiel gegen den Ball, dazu gab es viel Zuspruch, Lob, Anerkennung und positive Energie, um die Spieler daran zu erinnern, dass sie gut sind und eine gute Mannschaft. Das habe ich vom ersten Tag weg versucht und es hat relativ rasch funktioniert.
90minuten: Nach einem 0:0 gegen Salzburg folgten die ersten zwei Saisonsiege. Nach zwei Siegen gab es das irre 3:4 gegen den WAC.
Poms: Ich will nicht sagen, dass uns das Spiel gegen den WAC aus der Bahn geworfen hat, weil wir 80 Minuten sehr, sehr gut gespielt haben. Es ist 3:0 gestanden, wir hatten sogar in Unterzahl noch zwei Chancen auf das 4:0, mit der fragwürdigen Schiedsrichterentscheidung und der Roten Karte sind wir ins Wanken gekommen, dann kam noch das Eigentor dazu. Das war völlig verrückt. Es war schon ein Spiel, das man im Nachgang nicht so einfach verdaut hat, wie wir es uns gewünscht haben.
90minuten: Danach noch eine klare Niederlage gegen Hartberg. Wie ist das Team damit umgegangen?
Poms: Hartberg klammere ich aus, weil wir einfach nicht das auf den Platz gebracht haben, was uns vorher ausgezeichnet hat. Nach vier Spielen und acht Punkten seit meiner Übernahme ist schon viel auf die Mannschaft eingeprasselt, also Interviews und Exklusivgeschichten. Das ist zwar positiv, aber da hat uns die Außenwelt schon etwas den Fokus genommen, wenn man das so sagen will.
Wenn ein paar Prozent fehlen, reicht es eben nicht aus. Ich habe es dem Team danach gleich gesagt und auch in der Vorbereitung ist das ein großes Thema: Wir müssen unsere Aufgaben erfüllen und dürfen uns nicht ablenken lassen. Wir sind nur gut, wenn wir an unsere Grenze und darüber hinaus gehen.
90minuten: Das heißt, es braucht viel Psychologie?
Poms: Wenn ein Spieler immer hört, dass er eh so super ist, neigt er dazu, ein bisschen weniger zu arbeiten und zu laufen und dann geht es sich halt schon nicht mehr aus. Ich hoffe, dass wir aus dem Hartberg-Spiel die Lehren gezogen haben. Mein Ansatz ist es jetzt, solche Spiele auf ein Minimum zu reduzieren. Das hat nichts mit dem Gegner Hartberg zu tun, ich hätte das bei jedem anderen Klub gesagt. Wenn wir mit dieser Art und Weise gegen Salzburg verloren hätten, wäre ich auch unzufrieden gewesen.
90minuten: Wie geht man nun die kommenden sechs Spiele an?
Poms: Jetzt geht es schon darum, die Art, wie ich Fußball spielen lassen möchte, zu vertiefen. Das war bislang nicht möglich, bzw. haben wir es sukzessive eingebracht, jetzt kann man noch gezielter in die Tiefe arbeiten. In Summe geht es auch nicht nur um die sechs Spiele, sondern 16. Wir denken von Spiel zu Spiel, mir ist aber bewusst, dass das letzte Drittel das alles entscheidende sein wird. Ich möchte, dass wir von Woche zu Woche besser werden. So werden wir à la longue auch funktionieren.
90minuten: Können Sie konkret sagen, wie der GAK unter Rene Poms auftreten soll?
Poms: Man hat schon gesehen, was ich will. Ich habe meine Ideen einbringen können, weil die Mannschaft fit und Intensität gewohnt war. So ist es leichter, als in allen Bereichen von vorne zu beginnen. Auf dieser guten Basis konnte ich meine Ideen implementieren. Nun geht es darum, das zu vertiefen und noch schneller und geradliniger zu spielen sowie gegen den Ball noch kompakter sein. Dann bin ich mir sicher, dass wir langfristig dorthin kommen, wo wir hin wollen und auf Sicht eine Mannschaft sind, die bei den oberen Sechs regelmäßig dabei ist, langfristig ist das große Ziel, dass der GAK ein absolutes Bundesliga-Topteam ist.
Wenn, wollen wir Qualität, nicht Quantität nachrüsten. Solche Spieler wecken auch bei anderen Vereinen Begehrlichkeiten oder spielen auf höherem Niveau.
90minuten: Und kurzfristig? Wie gut kann man schlafen, wenn man weiß, dass die Punkte geteilt werden?
Poms: Das kann immer ein Vorteil und Nachteil sein. Wenn man weit vorne ist, tut es weh, wenn man hinten ist, ist es ein positiver Schub. Es sind jetzt 16 Spiele, entscheidend werden die letzten zehn sein und auch wenn wir von Beginn an funktionieren wollen, mache ich mich nicht nervös, wenn nicht alles gleich klappt.
90minuten: Ein Routinier wie Andreas Ulmer hätte in so einer Situation helfen können. Woran lag das?
Poms: Ich persönlich bin der Meinung, dass der Andi noch Bundesliga-tauglich ist, es hat also nichts mit seinem Alter zu tun, wir haben uns einfach nicht einigen können. Man muss das aber auch relativ schnell abhaken, weil es eben dieses Transferfenster gibt. Also haben wir das gemacht. Es gibt ja auch mehrere Kandidaten und man darf sich nicht auf einen fixieren, es gibt ein Portfolio, das man abarbeitet.
90minuten: Wo steht man bei der Kaderplanung?
Poms: Sechs Spieler sind gegangen, der Kader ist reduziert. Wenn, wollen wir Qualität, nicht Quantität nachrüsten. Solche Spieler wecken auch bei anderen Vereinen Begehrlichkeiten oder spielen auf höherem Niveau. Dann muss man um die Spieler schon auch ein bisschen kämpfen. Viele denken nach und wägen Optionen ab. Als Trainer will man aber natürlich immer am ersten Trainingstag die ganze Mannschaft zusammen haben, aber wir geben ihnen diese Zeit. Sie sind ja alle topfit und es ist dann egal, ob der einen Tag früher oder später kommt.
90minuten: Es ist eh auch immer die Frage, welche Spieler im Winter verfügbar sind.
Poms: Der GAK hat im Sommer die Aufstiegsmannschaft mehr oder weniger behalten. Man hat ihnen als Anerkennung die Chance gegeben, Bundesligaluft zu schnuppern. Im Winter kommt nun der Umbruch, damit man sich mit den Spielern einigt, die wenig Minuten bekommen haben und eher wenige bekommen werden. Wir haben klare Ideen, wen wir holen wollen. Sie sollten qualitativ passen und sollen uns helfen können.
90minuten: Sie haben einen Vertrag bis 2026 unterschrieben, im Herbst meinten Sie in einem Interview: "Es kann sehr schnell gehen."
Poms: Ich bin nach wie vor felsenfest davon überzeugt und mir sicher, dass wir am Ende auf einem sehr guten Tabellenplatz sein werden. Das ist kein Zweckoptimismus, ich sehe das wirklich so und kann das im Vergleich zu den anderen Mannschaften wohl auch so einschätzen.
90minuten: Wie kommunizieren Sie nun denen, die aufgestiegen sind, dass es nicht reichen wird? Für Sie selbst hat es auch nicht zu höchsten Weihen gereicht, helfen da die eigenen Erfahrungen?
Poms: Ich bin jetzt in meinen 18. Trainerjahr und habe von der fünften Liga hinauf in jeder Spielklasse bis Europa- und Champions League trainiert. Ich habe also das ganze Portfolio an Stärken gesehen und am Platz gespürt. Es ist ja ein Unterschied, ob man sich ein Match im Fernsehen ansieht oder das tagtäglich sieht. So kann ich punkto Performance und Charakter gut abschätzen, ob einer noch nachsetzen kann oder ob es das gewesen ist. Bei sehr vielen Spielern, die ich bewerten musste, habe ich Recht behalten. Und wenn ich hier keine Zukunft sehe, aber der Spieler von sich überzeugt ist, wird er es woanders ja trotzdem schaffen.
Es spielt ja nicht nur der GAK in der Bundesliga, da freut sich dann wer anderer über unsere Fehlentscheidung. Ich denke, dass wir uns gut mit allen geeinigt haben und viele wie Zaizen, Rusek und Holzhacker sind ja auch in die 2. Liga gegangen. Und ein Spieler will ja spielen, es ist dann ein Rückschritt, aber so ist unser Geschäft. Ich würde allen Wünschen, dass sie aufsteigen, die Realität ist aber anders.
90minuten: Woran liegt's, dass es nicht klappt?
Poms: Das ist leicht zu erklären. Wir haben eine klare Positionsbeschreibung, was ein Spieler auf einer Position können muss. Wer die Position mit hoher Intensität und Energie ausfüllen kann, wird seine Minuten kriegen, wenn nicht, wird er nicht der richtige Spieler sein.
Mein Ziel mit 18 Jahren war es, bei Leoben in die Kampfmannschaft zu kommen. Das war damals schwer, weil es in der 2. Liga damals kaum Junge gegeben hat. Ich habe dann debütiert und mein Ziel war erreicht, der Horizont nicht größer.
90minuten: Ihre Karriere – frühes Ende, jahrelang Co-Trainer, dann zuletzt in Griechenland – ist eher ungewöhnlich. Wie nehmen Sie das ins Trainer-Dasein mit?
Poms: Meine größte Schwäche als Spieler war, dass ich mich zu klein gemacht habe. Mein Ziel mit 18 Jahren war es, beim DSV Leoben in die Kampfmannschaft zu kommen. Das war damals schwer, weil es in der 2. Liga damals kaum Junge gegeben hat. Ich habe dann debütiert und mein Ziel war erreicht, der Horizont nicht größer. Dann habe ich mich in den Amateurbereich zurückgezogen. Daraus habe ich gelernt und will als Trainer das Maximum. Mit 32 Jahren konnte ich bei Bruck vier Jahre Cheftrainer sein, meine Ambitionen sind hoch, als Landesliga-Trainer ist es aber schwer, in die Bundesliga zu kommen.
Also habe ich mir einen Karriereplan gemacht und geschaut, dass ich Co-Trainer werde und versuche, so auf das höchste Level zu kommen. Das habe ich geschafft, habe zweimal - mit der Austria und Dinamo Zagreb - Champions-League-Gruppenphase gespielt. Dann wollte ich den nächsten Schritt machen. Jetzt bin ich bei einem Topverein in Österreich kann meine Vorstellungen umsetzen. Wenn man erfolgreich ist, kommt dann logischerweise der nächste Schritt – aber daran denke ich nicht.
90minuten: Hat das Cheftrainer-Amt in Osijek Sie letztlich versöhnt?
Poms: Ich habe keinen Groll gegenüber meiner Fußballerkarriere. Ich habe viel falsch gemacht und wenn man diese Erfahrung hat, ist das eine gute Schule. Die Karriere, die ich als Spieler nicht hatte, hilft mir heute und ich kann Spielern in ähnlichen Situationen helfen und weiß, was zu tun ist. Ein Coach gibt viel weiter, was er an Erfahrung gesammelt hat, auch wenn man viel lesen kann. Der GAK ist mein elfter Verein in 18 Jahren als Trainer, ich habe in fünf Ländern über 1.300 Spieler trainiert. Dieser Erfahrungsschatz hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Das ist eine gute Basis, auch wenn man sich immer weiter entwickeln will.
90minuten: Abschließend: Lieber Europacup mit dem GAK oder Bundesliga mit Leoben?
Poms: Die Antwort ist einfach: Mit dem GAK Europacup. Wir waren in Leoben sehr erfolgreich, aber im Fußball zählt immer das Jetzt und Hier.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!