Peter Svetits: "Man muss die eierlegende Wollmilchsau erfinden"
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Peter Svetits: "Man muss die eierlegende Wollmilchsau erfinden"

Wenige Menschen haben im Fußball so viel Zeit verbracht, wie Peter Svetits. Er begann 1994, noch vor Bosman, beim GAK, legte sein letztes Fußballamt als Klagenfurt-Präsident 2019 zurück. Ein Gespräch über Tradition und Investoren.

1974/75 gewann Peter Svetits mit dem USV Rudersdorf den burgenländischen Landescup und wurde 1977/78 Landesmeister. Weiter rauf als in die Relegation zur 2. Liga ging es nicht. Als Funktionär schaffte er es zu weitaus höheren Ligen.

1994 kam er laut Eigenangaben zum GAK, war später Sportlicher Leiter, auch bei der Stronach-Austria. Den Niedergang der Rotjacken erlebte Svetits über Gebühr hautnah mit. Nachdem er aus Schwanenstadt den FC Magna in Wiener Neustadt gemacht hatte, legte er seine dortigen Ämter 2009 zurück. Von 2011 bis 2019 war Svetits Austria-Klagenfurt-Präsident.

Mit dem Fußball hat der 66 Jahre alte Ex-Funktionär nichts mehr zu tun, aber er hat im Interview mit 90minuten für den Themen-Schwerpunkt "Investoren" über diese bewegten Jahrzehnte viel zu erzählen.

Kein Präsident wollte wahrhaben, dass so etwas wie das Bosman-Urteil kommen könnte. Anfang des darauffolgenden Jahres danach haben sie bei der Konferenz alle gejammert.

Peter Svetits

90minuten: Der österreichische Fußball war lange Zeit mit Ihnen verbunden. Angefangen hat es in den 90ern, eine spannende Zeit, weil zuerst der Eiserne Vorhang fiel, neue Staaten entstanden, die Champions League eingeführt wurde und 1995 Österreich nicht nur der EU beitrat, sondern auch das berühmte Bosman-Urteil erlassen wurde. Wie war es vor dieser Zeit?

Peter Svetits: Kein Präsident wollte wahrhaben, dass so etwas wie das Bosman-Urteil kommen könnte. Ich war damals der Einzige, der in einer Präsidentenkonferenz gesagt hat, dass das den Fußball erschüttern würde und man rechtzeitig Maßnahmen ergreifen müsste. Darum habe ich Drei- bis Fünfjahresverträge gemacht, ein halbes Jahr bevor das Urteil Rechtskraft bekam. Die langfristigen Verträge haben dem GAK über eine Zeit hinaus geholfen, als die anderen Klubs Probleme bekamen.

Anfang des darauffolgenden Jahres haben sie bei der Konferenz alle gejammert. Der Rudi Quehenberger von Austria Salzburg ist zum Flipchart gegangen, hat das Datum vor dem Urteil hingeschrieben sowie "Transferwert 100 Mio. Schilling", danach das 'heutige' Datum, mit Transferwert 0. Dann sind die Budgets explodiert und unser Fußball ist ins Strudeln gekommen.

90minuten: Die Vereine haben zunächst oft billigere Fußballer aus dem Osten geholt oder sich gleich einmal finanziell überhoben, wie etwa der FC Tirol. Was hat man sich da als GAK-Funktionär gedacht?

Svetits: Davor hat man die Spieler wie Leibeigene behandelt und sie erpresst: Entweder du spielst zu meinen Bedingungen oder nicht. Das hat sich grundlegend geändert und mit der Zeit kamen die Mäzene, die sich bei Vereinen beteiligen wollten. Der erste war Martin Kerscher beim FC Tirol. Man hat die Beträge eben erhöht, damit die Spieler bleiben, und das hat vielen Probleme bereitet.

Damals, als Frank Stronach den Fußball aufmischte und der GAK Meister wurde
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Damals, als Frank Stronach den Fußball aufmischte und der GAK Meister wurde

90minuten: Der erste ganz große Mäzen war Frank Stronach. 2001 bis 2003 waren Sie Sportlicher Leiter bei der Austria, später Berater und 2008/09 beim FC Magna in Wiener Neustadt. Wie war Stronach damals?

Svetits: Stronach hat einen riesigen Erfolg verbucht, den die Öffentlichkeit nicht so gesehen hat. Da war nicht nur der Betriebsführervertrag, der viel Geld gebracht hatte, viel mehr als bei allen anderen. Er meinte bei der Übernahme: Man muss in die Forschung investieren. Damit meinte er bei einem Fußballklub, dass man etwas Nachhaltiges machen muss, was man sich leisten kann. Das war seine Akademie. 2000 haben drei Vereine den Status bekommen.

Davor lief die Spitzenausbildung über die Bundesnachwuchszentren, die die Landesverbände geführt haben. Denen die Spitzenausbildung wegzunehmen, war nicht so einfach. Viele Vereine konnten das nicht erfüllen, es brauchte die entsprechenden Plätze, Trainer mit Lizenzen und so weiter. Ganz klar: Wie wir heute dastehen, haben wir eigentlich dem Mäzen Stronach zu verdanken.

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90minuten: Das mit den Akademien bestreitet niemand. In den 2000ern traf ja die "alte" auf die "neue" Fußballwelt. Stronach hat bei der Austria gewerkt, wie es beispielsweise auch bei PSG der Fall ist, Mateschitz hat angefangen, sein Klubimperium zu bauen; umgekehrt haben sich viele andere Klubs da wohl noch bewegt, wie es nicht mehr sein sollte. Es gab eine Reihe an Konkursen: FC Tirol, GAK, Sturm Graz,...

Der Stronach hat auch nur das Beste wollen. Mateschitz hat mit Salzburg die perfekte Lösung gefunden. Was man aber auch sagen muss: Der Erfolg in den ersten Jahren war überschaubar.

Peter Svetits

Svetits: Der ÖFB hat nichts anderes im Sinn gehabt, als das in Zukunft zu verhindern. Im Auftrag von Stronach konnte ich noch die Lizenz von Schwanenstadt erwerben und Wiener Neustadt gründen. Die Hürden wurden aber höher, nun ist das nicht mehr möglich. Es gab Reibungspunkte gegenüber allen, die privates Geld in den Fußball investiert haben.

Der Stronach hat auch nur das Beste wollen. Mateschitz hat mit Salzburg die perfekte Lösung gefunden. Was man aber auch sagen muss: Der Erfolg in den ersten Jahren war überschaubar. Erst, als er mit Rangnick und Co. die richtigen Leute gefunden hat, hat es funktioniert. Es gab zu Beginn viele Probleme, aber er hat es sich halt leisten können, ein paar hundert Millionen Euro reinzustecken, damit irgendwas rauskommt.

Andere überstehen das nicht, haben aufgehört oder kamen selbst in Schwierigkeiten. Wenn du gute Spieler hast, dann kommen die Fans und Sponsoren. Man muss das Geld aber heute ausgeben, von dem man sich erhofft, es morgen zu verdienen. Vereine wie Tirol, Sturm oder der GAK haben im Vorfeld viel Geld ausgegeben, dann hat der Erfolg gefehlt und sie sind ins Strudeln gekommen.

90minuten: Das beginnt, wenn teure Neuzugänge nicht funktionieren.

Svetits: Wenn das drei Vereine machen, kann trotzdem nur einer Meister werden. Bei den genannten Klubs wurden auch die Begehrlichkeiten im eigenen Verein sehr groß, sie bekamen mehr Geld, es läuft aber nicht weiter. Alle, die Meister geworden sind, bekamen finanzielle Probleme. Nur die Austria und Salzburg nicht.

So mancher war nicht nur Funktionär, sondern auch Society-Darling, wie etwa Hannes Kartnig
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So mancher war nicht nur Funktionär, sondern auch Society-Darling, wie etwa Hannes Kartnig

90minuten: Liegt das auch an Personen, die nicht nur Präsident, sondern auch Society-Gäste waren? Ist dem einen oder anderen das eigene Ego im Weg gestanden?

Svetits: Es hat schon den einen oder anderen Showman gegeben, aber daran liegt es nicht. Man ist einfach getrieben, es gibt nur den Vorwärtsgang. Wie erklärt man den Fans, dass man den größtmöglichen Erfolg hat und dann die besten vier, fünf Spieler verliert? Die will man halten, dass es weiter gut läuft. Wie man sich da verkauft, ist wieder etwas anders. 

90minuten: Mitte der Nullerjahre ist ja noch etwas passiert. Die gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) wurde eingeführt...

Svetits: … und davor schon die Einführung der Lizenz. Das alles hatte die Folge, dass sich viele Vereine nichts leisten konnten.

90minuten: Eine Folge waren auch Ermittlungen. Bei Ihnen hat die WKStA ab 2007 auch ermittelt. Das Verfahren wurde 2021 eingestellt, man hat Ihnen vorgeworfen, Löhne nicht korrekt abgerechnet zu haben.

Svetits: Das gängige Modell damals war, dass die Fußballer ihre Persönlichkeitsrechte an den Verein übertragen. (Anm.: damit der Verein den Spieler vermarkten kann und somit mehr Geld verdient wird, weswegen die Spieler mehr Gehalt bekommen). Sturm Graz hatte ein anderes Modell und unseres beim GAK – das acht von zehn Vereinen angewandt haben und in Deutschland seit den 90ern auch üblich ist - wurde vom Finanzamt in Graz nicht anerkannt. Als einziges in Österreich...

Jeder, der in den Fußball investiert, ist ein Mäzen. In Österreich ist der Präsident ehrenamtlich. Man kann entweder Geld reinstecken, wenn man viel davon hat, oder eines "aufstellen".

Peter Svetits

90minuten: Da fühlt man sich wohl schon auch wie im falschen Film. Viele Funktionäre dachten, es passt, was sie tun, plötzlich steht die Staatsanwaltschaft vor der Türe...

Svetits: Das muss man sich vorstellen: Beim FC Tirol hat man dieses Modell mit den Persönlichkeitsrechten nach Österreich gebracht. Es gab sogar einen Vortrag einer Unternehmensberatung vonseiten der Bundesliga, wie das anzuwenden ist. Nur in Graz dachte man, dass Persönlichkeitsrechte Schwarzzahlungen sind – das waren sie aber nicht. Trotzdem wurde beim GAK daraus ein Kriminalfall gemacht, andere Vereine konnten mögliche Fehlkalkulationen einfach nachzahlen.

90minuten: Sie sind dann nach einem Intermezzo in der Steiermark zu Austria Klagenfurt gegangen, waren dort Präsident. Links und rechts fahren einem die Mäzen- und Investorenvereine um die Ohren. Aufgestiegen ist die Austria ja auch erst mit einem Investor.

Svetits: Das stimmt nicht ganz. Ich habe den Verein 2011 in der Regionalliga mit dem Ziel übernommen, ihn in den nächsten fünf Jahren in die Bundesliga zu führen. Das habe ich nicht ganz geschafft, weil die Sponsoren in Kärnten nicht mitgespielt haben. Wir sind mit bescheidenen Mitteln zwar in die 2. Liga aufgestiegen, aber finanziell an unsere Grenzen gestoßen. Mir war klar, dass das nur über einen Investor möglich ist. Den habe ich 2019 gefunden und ihm dem Verein übergeben. Der macht das sehr gut, aber finanziell läuft es nicht so gut, wie sie sich das vorgestellt haben.

Hans-Joachim Watzke bekommt laut Medienberichten als Vorsitzender der Geschäftsführung ein festes Gehalt in der Höhe von 2,4 Millionen Euro
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Hans-Joachim Watzke bekommt laut Medienberichten als Vorsitzender der Geschäftsführung ein festes Gehalt in der Höhe von 2,4 Millionen Euro

Jeder, der in den Fußball investiert, ist ein Mäzen. In Österreich ist der Präsident ehrenamtlich und kann Geld hergeben, wenn er eines hat. In Deutschland bekommen die Hoeneß' und Watzkes auch noch etwas gezahlt. Hierzulande gibt das der Markt nicht her. Man kann entweder Geld reinstecken, wenn man viel davon hat oder eines "aufstellen".

90minuten: Wir träumen hier auch von großen Erfolgen, sind dabei manchmal aber naiv, denken, dass man das mit vielen Mitgliedern und mit ein paar Transfers erreichen kann. Umgekehrt fungieren viele große Firmen nicht als Sponsoren.

Svetits: Deswegen wäre es sinnvoll, wenn man es zulassen würde, dass Personen und Firmen investieren können. Im "Standard" hat der Sturm-Präsident neulich ein Interview gegeben, dass man den Verein nicht verkauft. Aber das können maximal drei Vereine, Sturm und Rapid, vielleicht die Austria. Dieses System funktioniert aber nur, wenn man ganz vorne ist. Fußball ist immer in Zyklen, manchmal geht es rauf, dann wieder runter. Die Frage ist, was macht man, wenn man sich sportlich nach unten bewegt. Kann man sich die Investitionen leisten, dass es aufwärts geht?

Jetzt schwächelt Salzburg, auch, weil sie gute Leute verloren haben. Einerseits den Big Boss durch einen tragischen Tod und andererseits mit Christoph Freund einen fähigen Mann. Sturm hat die Gunst der Stunde mit guter Struktur und Führung genutzt. Die werden jetzt aber nicht fünf oder zehn Jahre lang Meister. Die gute Führung bewahrheitet sich nicht dann, wenn man gerade Champions-League-Millionen bekommt, sondern, wenn es nicht so gut läuft.

Man muss die eierlegende Wollmilchsau erfinden, damit beides leben kann: Tradition und Investor.

Peter Svetits

90minuten: Bei so manchem Verein ist auch die öffentliche Hand stark dahinter, dass es ihm gut geht.

Svetits: Die anderen Vereine wie Sturm oder der GAK haben doch einen Bruchteil von dem, was die Wiener Vereine bekommen! Das ist halt so.

90minuten: Ist der Zug abgefahren, dass Fußballvereine Mitglieder und einige Sponsoren haben – und auch Erfolg?

Svetits: Schauen's: Wir reden da von Konzernen, nur die können sich das leisten. Aber in der Steiermark gibt es ja keinen Konzern! Wo werden denn die Entscheidungen getroffen? In Wien oder woanders. Böhler hat das Werk in Kapfenberg, könnte den KSV locker jährlich mit Millionen unterstützen – aber die Entscheidungen werden international getroffen. Wir haben diese regionalen Großkonzerne nicht. Es hat ein paar gegeben, wie Swarovski, Red Bull oder Stronach. Aber welchen Milliardär aus Österreich gibt es noch, der regional in den Fußball investiert?

90minuten: Die Zukunft ist in der Regel der Investorenklub, die Ausnahme ist der Mitgliederverein?

Svetits: Natürlich. Rapid und Austria werden auch immer Ausnahmen sein, weil es in Wien sehr viele Konzerne gibt und die Entscheidungen dort fallen. Wir wissen ja, wie viel die bekommen, wobei Rapid mehr bekommt als die Austria. Darum tun sich die Vereine in den Bundesländern auch so schwer, weil es keine Großsponsoren gibt.

Derbies gibt es für Svetits nur noch beim Golfen. Auf die Fußballzukunft blickt er so: "Man muss die eierlegende Wollmilchsau erfinden, damit beides leben kann: Tradition und Investor."
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Derbies gibt es für Svetits nur noch beim Golfen. Auf die Fußballzukunft blickt er so: "Man muss die eierlegende Wollmilchsau erfinden, damit beides leben kann: Tradition und Investor."

Und dann bleiben eben nur noch zwei Möglichkeiten, der Milliardär oder das Modell, bei dem man Anteile verkauft. Ich bin einmal bei der Raika in Klagenfurt hineingegangen und wollte einen Termin – die haben mich ausgelacht. Da wäre es um eine Werbetafel für 10.000 Euro gegangen....

90minuten: Den Fußball haben Sie persönlich hinter sich gelassen. Schädigen all die erwähnten Dinge den Fußball?

Svetits: Österreich ist viel zu klein, um es sich zu leisten, Investoren wegzuschicken. Man bräuchte eine Lösung, dass sie einsteigen können, der Verein aber auch bestehen bleibt. Man muss die eierlegende Wollmilchsau erfinden, damit beides leben kann: Tradition und Investor.

Das muss man in Zukunft angehen, sonst werden sich Vereine wie Sturm oder andere schwertun. Es bleibt kein Verein 50 Jahre oben, außer vielleicht Bayern München. Es wird kein Weg daran vorbeiführen, dass sich der Fußball Investoren öffnet. Wichtig ist halt auch, dass man die Fans mitnimmt.

90minuten: Das Problem wird sein, dass die Geldgeber selten nur zahlen und sonst nichts tun.

Svetits: Das kommt doch auch darauf an. Das Problem sind die mit den wenigen Millionen, der OMV-Chef wird nicht mitreden. Aber ich stimme zu: Nur Geld hergeben und nichts sagen, das wird es nicht spielen. Es braucht diese Richtlinien, damit beides möglich ist.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!

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