Verletzungen kommen für Fußballer grundsätzlich nie zu einem guten Zeitpunkt.
Ungünstiger als im Fall von Luka Reischl hätte es aber wirklich nicht laufen können.
Der talentierte ÖFB-Nachwuchsstürmer war gerade dabei, so richtig in einen Lauf zu kommen, schoss auf Leihe in der zweiten niederländischen Liga Tore wie am Fließband - nur um Anfang März jäh von einem Schlüsselbeinbruch gestoppt zu werden.
Im Interview mit 90minuten spricht der 21-jährige Salzburger über seine turbulenten Wochen in Holland, die Schwierigkeiten des Umstiegs zum Profi und wie ihm der Fußball in der dunkelsten Phase seines Lebens Halt gab:
Unglaubliche Tor-Statistiken in der Jugend
Dass Reischl das Toreschießen grundsätzlich drauf hat, wissen Beobachter des österreichischen Fußballs schon länger.
Seit der Pongauer im Sommer 2015 im Nachwuchs des FC Red Bull Salzburg andockte, zerschoss er die ÖFB-Jugendligen förmlich. Seine eindrucksvolle Bilanz: 163 Tore in 112 Spielen ab der U14 bis zur U18.
"Man muss dazu aber auch sagen, dass wir auch oft Spiele dabei gehabt haben, die du 10:0 gewinnst, in denen du als Stürmer schnell mal drei, vier Tore schießt. Wenn du in einer Mannschaft spielst, die so dominant ist, kannst du viele Tore schießen", beschwichtigt Reischl.

Er habe als früh im Jahr geborener 2004er-Jahrgang körperliche Vorteile gegenüber Gleichaltrigen gehabt, zudem war er seinen Gegenspielern aufgrund einer Vergangenheit im Futsal technisch überlegen. "Und einen Torriecher habe ich schon immer gehabt. Ich habe gewusst, wo ich stehen und was ich machen muss", fügt er an.
Dazu kommt freilich eine gehörige Portion Talent. Nicht umsonst sollen sich vor einigen Jahren Top-Klubs wie Juventus Turin oder Manchester City um den damals 14-Jährigen bemüht haben.
"Das waren nicht mehr als Gerüchte, ich habe das auch nie in Erwägung gezogen. Für mich war es keine Überlegung, ins Ausland zu gehen. Für mich war primär wichtig, daheim bei der Familie zu sein und die Schule fertig zu machen. Und in der Red Bull Akademie hast du sowieso die besten Voraussetzungen", weiß Reischl.
Schicksalsschlag mit 14
Überhaupt wirkt der Jungstürmer für sein Alter sehr reif und klar im Kopf, schon in noch jüngerem Alter war er nur auf ein Ziel fokussiert: "Als ich in der U12 zu Red Bull Salzburg gekommen bin, war für mich klar, dass ich alles daran setzen werde, Profi zu werden."
"Das hat ein Riesenloch in mein Leben gerissen. Der Fußball war damals das, woran ich mich anhalten konnte, wobei ich mich ablenken konnte."
Die Gründe für Reischls Reife sind mitunter tragische. Als er nur 14 Jahre alt war, verlor er seinen Vater. "Das hat ein Riesenloch in mein Leben gerissen. Der Fußball war damals das, woran ich mich anhalten konnte, wobei ich mich ablenken konnte."
Sein Vater war für Reischls fußballerische Karriere extrem wichtig, er hat ihn als Junior zu jedem Spiel gefahren. "Ich widme bis heute jedes Tor ihm", so der gläubige Christ.
Auch sein Glaube habe ihm geholfen, diesen Schicksalsschlag zu verarbeiten: "Ich hole mir Kraft von oben. Mein Glaube gibt mir zu schlechten Zeiten, wie momentan mit meiner Verletzung, Kraft, aber hilft mir auch in guten Zeiten, weil ich dadurch immer dankbar bin und nicht abhebe, sondern bodenständig bleibe. Er ist in meinem Leben eine gewisse Stütze, an der ich mich anhalten kann."
Schwieriger Start in den Erwachsenenfußball
Mit 16 erfolgte Reischls Debüt beim FC Liefering, mit 17 wurde er in die renommierte "Guardian"-Liste der besten 60 Talente des Jahrgangs 2004 gewählt. Doch langsam schien der steile Aufstieg abzuflauen.
In den Saisonen 2020/21, 2021/22 und 2022/23 gelangen dem Akademie-Superknipser jeweils nie mehr als drei Meisterschaftstore.
"Das war natürlich nicht so einfach für mich. Aber ich habe versucht, nicht überzubewerten, dass ich in den ersten zwei Saisonen, in denen ich nicht so viel gespielt habe, nicht mehr so viele Tore geschossen habe. Ich habe gewusst, was ich draufhabe und, dass ich es sicher nicht verlernt habe", sagt Reischl dazu retrospektiv.

Außerdem dürfe man nicht vergessen, dass die gegnerischen Verteidiger plötzlich zum Teil über ein Jahrzehnt älter und keine Jugendfußballer mehr waren.
Die Tore blieben aus, und so tat es auch der lange Zeit eigentlich als nächster logischer Schritt geltende Aufstieg in die Herrenmannschaft des FC Red Bull Salzburg.
"Wenn du in der Jugend Jahr für Jahr weiterkommst, sogar manchmal bei den Älteren dabei bist, und alles genau so läuft, wie du es dir vorstellst, ist das nächste Ziel, wenn du bei Liefering bist, so schnell wie möglich in die erste Mannschaft zu kommen. Aber im Leben läuft nicht alles so, wie man es plant. Das habe ich schon früh durch den Verlust meines Dads mitbekommen", so der reflektierte Youngster.
"Natürlich hätte ich mir eine Chance bei Salzburg gewünscht"
Er habe in dieser Phase versucht, sich selbst nicht allzu viel Druck aufzuerlegen und sich mit anderen Spielern seines Alters zu vergleichen. Auch eine frühzeitige Flucht aus Liefering kam nicht in Frage - mit 103 Spielen ist Reischl mittlerweile mit Abstand Rekordspieler des Salzburger Kooperationspartners.
Die Geduld wurde schließlich im Jahr 2024 belohnt, welches er mit 13 Toren und drei Assists beenden konnte. Reischl war mittlerweile zum unumstrittenen Lieferinger Stammspieler und Kapitän aufgestiegen.
Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. In einer Woche bist du der Held und in der nächsten der Arsch von allen.
"Wenn einmal der Knoten platzt, kann es oft schnell gehen. Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. In einer Woche bist du der Held und in der nächsten der Arsch von allen. Deswegen versuche ich die Sachen, die ich beeinflussen kann, zu beeinflussen, und die Entscheidungen, die nicht in meiner Hand liegen, sind das Probleme von wem anderen", spielt Reischl darauf an, dass er trotz seiner mittlerweile wieder tollen Torquote und einer im Herbst 2024 akuten Stürmermisere in der Mozartstadt, weiterhin keine Chance "oben" bekam.
"Natürlich hätte ich mir diese gewünscht. Oder, dass ich bei wichtigen Testspielen mal dabei bin oder im Cup mal reingehaut werde. Ich finde, dass ich im Jahr 2024 gute Leistungen gebracht habe, aber es war nicht meine Entscheidung", seufzt Reischl.
Traumstart in Den Haag
Im Winter 2025 dann der Cut: Erstmals in seinem Leben entschied sich Reischl dazu, Salzburg zu verlassen. Die (Leih-)Destination: Aufstiegsaspirant ADO Den Haag in der zweiten niederländischen Liga.
"Für mich war es klar, dass ich mal was Neues erleben, mal aus der Komfortzone rausgehen will. Ein neues Land, ohne Vorurteile, keiner kennt dich so richtig, du kannst von Null starten und mal einen anderen Fußball kennenlernen", begründet Reischl diesen Schritt.
Keiner kannte ihn in den Niederlanden - aber das sollte sich rasch ändern. Der Offensivallrounder wurde in Den Haag zum Zehner umfunktioniert und erlebte einen traumhaften Februar, in dem er in vier Spielen hintereinander treffen konnte. Ein absolutes Traumtor gegen den FC Volendam inklusive (siehe Video unten).
😍 Luka Reischl met een 𝙃𝙀𝙀𝙍-𝙇𝙄𝙅𝙆𝙀 volley: 0️⃣-1️⃣#volado
— ESPN NL (@ESPNnl) February 7, 2025
"Ich bin in Holland sehr gut aufgenommen worden von Mannschaft und Fans, habe mich direkt sehr willkommen gefühlt. Das war auch wichtig, weil, wenn das nicht der Fall ist, ist es auch schwierig, Leistung zu bringen. Dass es dann von Anfang an so klappt, gibt mir natürlich ein gutes Gefühl", freut sich Reischl.
Wieso es auf Anhieb so gut klappte? "Wie es bei Stürmern oft ist, macht man nicht viel anders und auf einmal trifft man, macht irgendwie ein Tor und es fängt zu laufen an."
Verbleib in Holland? "Sie haben zumindest mal ein Bild von mir"
Sportlich war Reischl im bisherigen Frühjahr nicht zu stoppen, umso bitterer die schwere Verletzung im Spiel gegen den FC Den Bosch.
Bei einem Luftduell bekam er einen Check ab und brach sich erneut dasselbe Schlüsselbein, an welchem er bereits im Sommer 2023 eine Fraktur erlitt. Die Saison ist für Reischl nun quasi gelaufen, vielleicht gehen sich noch einige Spielminuten im niederländischen Aufstiegsplayoff aus, sollte Den Haag dieses erreichen.
Immerhin kann der Pechvogel seine Schulter momentan wieder uneingeschränkt und ohne Schmerzen bewegen. Für die Reha ist er vorerst nach Salzburg zurückgekehrt.
Den Haag besitzt eine Kaufoption auf ihn. Ob diese gezogen wird, will und kann Reischl noch nicht prognostizieren. Nur so viel sagt er: "Der Verein hat zumindest mal ein Bild von mir. Man wird sehen, was im Sommer passiert."
Der große Traum vom ÖFB-Team

Er selbst kann sich einen Verbleib in Südholland jedenfalls vorstellen: "Ich fühle mich dort sehr wohl und habe auch den Fußball sehr gut gefunden. Die Liga, die Fans - das war schon eine coole Erfahrung. Ich wäre auf jeden Fall nicht abgeneigt."
Läuft also alles nach Plan, ist Reischl kommende Saison Eredivisie-Stürmer - und damit wohl auch am Radar von Ralf Rangnick. Den ÖFB hat er von der U15 bis zuletzt zur U21 repräsentiert.
"Für mich war es immer eine Riesenehre, das Trikot tragen zu dürfen, die Hymne zu hören und für mein Land zu spielen. Ich glaube, davon träumen viele Jungs. Dass ich das schon so oft erleben durfte, ist natürlich cool. Aber das Endziel ist noch nicht erreicht. Natürlich will ich ins A-Team, das wäre ein großes Ziel von mir", träumt Reischl.
Das Träumen soll dem bodenständigen Pongauer erlaubt sein. Spieler mit rot-weiß-rotem Pass, die regelmäßig ins gegnerische Tor treffen, gibt es momentan nicht wie Sand am Meer. Kann Reischl nach seinem Comeback unmittelbar an seine tolle Torserie anschließen, stehen ihm alle Türen offen - auch jene zum ÖFB-Team.