ÖFB-Frauen? "Immer alles entweder super oder dramatisch"
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ÖFB-Frauen? "Immer alles entweder super oder dramatisch"

Eintracht-Frankfurt-Legionärin Barbara Dunst gibt im 90minuten-Interview Einblicke in ihre Reha nach dem Kreuzbandriss, die Vorgänge im Herbst, die Trennung von Irene Fuhrmann und die Erwartungen an die Ära Schriebl.

Mit dem Kreuzband reißt für Fußballerinnen und Fußballer meistens auch die Karriere ein. Monatelange Rehabilitation ist die Folge. Umgekehrt kann man sich über viele Themen Gedanken machen. So auch Barbara Dunst im 90minuten-Interview.

Die Eintracht-Frankfurt-Legionärin spricht über ihre Verletzung, Equal Play, den Nationalteamherbst und wie man mit dem neuen Teamchef Alexander Schriebl bzw. den ÖFB-Kickerinnen nun umgehen sollte.

90minuten: Wie geht es dir aktuell?

Barbara Dunst: Mir geht es eigentlich sehr gut, ich bin jetzt schon einige Wochen wieder zurück in Frankfurt in der Reha und mache die ersten Schritte vorwärts. Das Knie spielt bis jetzt ganz gut mit.

90minuten: Kreuzbandrisse sind fiese Verletzungen, von sechs bis zwölf Monaten und darüber hinaus liest man.

Dunst: Sechs Monate sind bei Frauen eher unrealistisch. Ich werde meinem Knie die Zeit geben, die es braucht. Der Zeitpunkt war nicht so schlecht, ich habe die ganze Wintervorbereitung mitgenommen und werde mit acht, neun Monaten die Sommervorbereitung starten können. Ich bin da ganz positiv, dass es diese acht, neun Monate werden.

90minuten: Ist es dein Glück im Unglück, dass das Nationalteam die EURO in der Schweiz verpasst hat?

Dunst: Nein, das ist schon richtig doof, auch die Nations League ist ein cooler Bewerb, bei dem ich gerne dabei gewesen wäre. Es gab natürlich auch die Veränderung auf dem Trainerposten im Nationalteam, auch da wäre ich gerne von Anfang an dabei gewesen. Ich bin auf mich fokussiert, aber immer im Austausch mit den anderen Spielerinnen. Und es gibt nie einen guten Zeitpunkt, es ärgert mich extrem, weil mir wäre es lieber gewesen, wir hätten uns für die Europameisterschaft qualifiziert.

Unsere Ärzte beschäftigen sich mit einer Studie, die Kreuzbandrisse im Frauenfußball untersucht. Das muss in Zukunft mehr thematisiert werden, es passieren einfach viel zu viele.

Barbara Dunst

90minuten: Noch ein Wort zur Verletzung. Was man so hört, sind nicht alle Vereine gleich gut aufgestellt, was Gender-Medizin betrifft. Wie sieht das bei Eintracht Frankfurt aus?

Dunst: Die Eintracht ist in dem Bereich gut aufgestellt. Wir sind gut aufgeklärt worden, was ist, wenn wir die Periode haben, wie wir uns in den jeweiligen Phasen ernähren sollen, haben zyklusbasiertes Training und eine Ernährungsberaterin. Es gibt regelmäßige Abfragen, wie wir uns fühlen. Da gibt es häufiges Feedback von uns an die medizinische Abteilung, da sind wir top aufgestellt.

Ich glaube übrigens auch nicht, dass das ein Thema bei meiner Verletzung war, vielleicht war mein Muskel hinten lockerer, immerhin habe ich zuvor einen "Eisenbahner" in die Hüfte bekommen. Unsere Ärzte beschäftigen sich auch gerade mit einer Studie, die Kreuzbandrisse im Frauenfußball untersucht. Das muss in Zukunft mehr thematisiert werden, es passieren einfach viel zu viele. Das Athletiktraining ist grundsätzlich auch eine ausbaufähige Thematik. Ich merke jetzt in der Reha, wie intensiv Krafttraining ist, wenn einem permanent jemand zuschaut, ob die Hüfte richtig steht.

90minuten: Equal Play ist da schon fast erreicht?

Dunst: Durch die Fusion des 1. FFC Frankfurt mit der Eintracht zur Saison 2020/21 wurden auch schon Schritte eingeleitet, deren Umsetzung einfach auch brauchen, bis es die notwendige Professionalität in den verschiedenen Bereichen gibt. Ich traue mich aber zu sagen, dass wir auf einem sehr guten Weg sind und im Vergleich schon sehr professionelle Bedingungen haben – sportlich ist Entwicklung ja extrem.

90minuten: Was im Frauenfußball auch mittlerweile "normal" ist: Stimmen die Ergebnisse nicht, muss man gehen. Wie stehst du dazu, dass Irene Fuhrmann nach zwei verpassten Endrundenqualifikationen gehen musste?

Dunst: Schwierige Frage. Im Fußball geht es um Ergebnisse. Jetzt haben wir nach der verpassten WM-Quali auch die EM verpasst und dann ist es so, dass sich der Verband Gedanken macht, was ist, wenn man die Ziele nicht erreicht, ob es neue Impulse braucht. Und dann kommt es zur Trennung. Das ist traurig, aber man musste etwas verändern.

So ist das mittlerweile auch im Frauenfußball – wenn du als großer Verein oder Nationalverband gewisse Ziele nicht erreichst, muss die Trainerin gehen. Das ist einfach so, das ist das Business, es ist knallhart und sicher nicht immer schön. Daran muss man sich mittlerweile auch im Frauenfußball gewöhnen, weil es auch da um sehr viel Geld geht. Insofern hat es wohl so sein müssen.

Das Business ist im Frauenfußball mittlerweile auch knallhart, wer keinen Erfolg hat, muss gehen - das gilt auch für Ex-Teamchefin Irene Fuhrmann
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Das Business ist im Frauenfußball mittlerweile auch knallhart, wer keinen Erfolg hat, muss gehen - das gilt auch für Ex-Teamchefin Irene Fuhrmann

90minuten: Geht das nicht ein bisserl gar schnell? Immerhin sind wir beispielsweise von den Gehältern noch weit von Equal Pay entfernt, darum ist eben die Frage, ob es in Ordnung ist, dass man da schon alle Logiken dieses brutalen, leistungsorientierten Geschäfts darauf anlegt?

Dunst: Ob das jetzt zu schnell ist oder nicht, hat damit nichts zu tun.

90minuten: Woran hat es denn gelegen, dass es nicht geklappt hat?

Dunst: Ich würde mich da gar nicht so sehr auf dieses Polenspiel konzentrieren. Im Wesentlichen wollten wir uns direkt hinter Deutschland qualifizieren. Auswärts in Island waren die Bedingungen wirklich schwer, zu Hause sind wir aber nicht an unsere Leistungsgrenze gekommen. Es gibt jetzt keine gravierenden Punkte, Fakt ist eher, dass wir erfolgreich sein wollten und es nicht waren, weswegen der Verband sich in der Reflexion für die Veränderung entschieden hat.

90minuten: Welchen Faktor spielt es, dass Österreich über die Jahre das Außenseiter-Image abgelegt hat?

Dunst: Wir sind jetzt keine Nation, die man einfach unterschätzt und unsere Spielerinnen sind in Topligen engagiert. Und grundsätzlich gibt es keine kleinen Nationen mehr, das sieht man auch, wenn man sich die Polinnen ansieht. Da waren genügend Spielerinnen bei Topvereinen, es gab – wie auch bei Island – genügend individuelle Klasse. Die war früher vielleicht etwas geringer, weswegen man sich gesagt hat: Ok, die schlagen wir einfacher. Es rückt aber alles näher zusammen, alle Nationen geben Gas. Umgekehrt haben wir niemanden unterschätzt.

90minuten: Aber wie kommt man da wieder an die Leistungsgrenze? Bzw. warum erreicht man sie nicht, spielt dann lieber sicher nach hinten oder quer, als mutig in die Tiefe? Liegt es an denen, die aufgehört haben? Ist es eine mentale Sache?

Dunst: Man braucht immer eine gute Balance zwischen älteren und jüngeren Spielerinnen. Wir haben schon unglaubliche, große Persönlichkeiten in der Nationalmannschaft gehabt, ich konnte da viel mitnehmen. Die Werte muss man sicherlich weitertragen, aber man kann gewisse Sachen nicht kopieren. Ich bin ein anderer Typ als Carina Wenninger, Viki Schnaderbeck, Lisa Makas oder wie sie alle heißen.

Wir müssen nun jede Spielerin in unserer Mannschaft akzeptieren und annehmen, damit sich alle entfalten können, wie sie sind. Allerdings haben die aktuellen Jungen schon eine andere Basis als ich. Ich glaube, alle freuen sich darauf, jetzt etwas Neues zu starten. Man muss die Vergangenheit abschließen. Dadurch, dass wir die EM verpasst haben, ist schon das Schlimmste eingetreten, jetzt können wir die Spiele in der Nations League nützen und die wohl neue Spielphilosophie des Trainers annehmen.

Ich glaube auch, dass es jetzt egal ist, ob er erste, zweite, dritte oder vierte Bundesliga trainiert hat oder nicht. Es geht vielmehr darum, wie er mit der Mannschaft umgeht, die jungen Spielerinnen integriert.

Dunst über den neuen Teamchef

90minuten: Was passiert mit dem neuen Trainer?

Dunst: Wir müssen uns jetzt nicht verstecken. Es ist nicht so, dass man wieder geerdet ist, so ist es auch nicht. Ich wünsche mir einfach, dass die Spielerinnen diese Offenheit mitnehmen. Deutschland, die Niederlande, das sind Topnationen. Jetzt kann man in den nächsten Monaten wieder ein Team formen, das bereit ist, wenn die nächste WM- oder EM-Quali ansteht.

90minuten: Alexander Schriebl ist vielleicht nicht der Coach, mit dem man gerechnet hat. Er war Bergheim-Trainer und beim SV Horn bei den Herren.

Dunst: Man hat sich beim ÖFB wohl Zeit genommen. Mit uns bzw. unseren Kapitäninnen wurden gute Gespräche geführt, es gab also Austausch mit Peter Schöttel. Ich glaube auch, dass es jetzt egal ist, ob er erste, zweite, dritte oder vierte Bundesliga trainiert hat oder nicht. Es geht vielmehr darum, wie er mit der Mannschaft umgeht, die jungen Spielerinnen integriert. Mein Gespräch mit ihm war sehr positiv, bei der Art und Weise, wie er kommuniziert, war viel Neues dabei. Es kann aber auch sein, dass im nächsten Lehrgang noch nicht alles funktioniert.

Man muss dem auch Zeit geben, man vergisst ja auch, dass wir mit Irene eine super Europameisterschaft gespielt haben. In Österreich ist immer alles entweder super oder dramatisch. Das ist ehrlich gesagt nervig. Ich schaue mir dann die Zuschauerzahlen an und das ist doch ein Wahnsinn, dass da jeder seinen Senf dazu abgibt. Jetzt müssen wir zusammenhalten, dem Trainer und dem Team eine Chance geben. Es wäre einfach mein Wunsch, dass das so bleibt, auch wenn es ein bisschen Zeit braucht.

90minuten: Schriebl wird wohl auch Red-Bull-Fußball spielen lassen. Ist das ein Fußball, der zum Frauennationalteam passt?

Dunst: Wir haben schon immer intensiv gespielt und viele Mannschaften hatten gegen uns Probleme mit dieser Art und Weise. Ich finde, es passt sehr gut. Wir sind auch gegen Deutschland sehr gut ins Pressing gekommen und haben so zeigen können, dass das eines unserer Hauptmerkmale ist. Man muss aber auch Prozesse einleiten, also das Spiel mit dem Ball, wie wir das Pressing einsetzen und wie lange.

In anderen Ländern hat der Frauenfußball einen höheren Stellenwert, "da sind wir in manchen Punkten sehr weit entfernt und das ist einfach traurig"
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In anderen Ländern hat der Frauenfußball einen höheren Stellenwert, "da sind wir in manchen Punkten sehr weit entfernt und das ist einfach traurig"

90minuten: Irene Fuhrmann hat nach dem Ausscheiden schon auch den Verband kritisiert. Fühlst du dich gut betreut?

Dunst: Die Personen, die für uns verantwortlich waren, haben alles gegeben, wir waren bestens versorgt. Auch die Trainerin hat bis zum Schluss alles gegeben. Auch Teammanagerin Isabel Hochstöger hat stets versucht, im ÖFB etwas voranzutreiben. Was hinter den Kulissen passiert, weiß ich nicht. Ich habe mich immer eher mit dem Interesse an Frauenfußball beschäftigt. Ich bekomme es ja in Deutschland und England mit, da sind wir in manchen Punkten sehr weit entfernt und das ist einfach traurig.

Wir haben ein wichtiges Spiel gegen Polen, aber die Auswärtsfans haben mehr Stimmung gemacht. Es werden nicht genügend Leute mitgerissen und – das muss man auch so sagen – uns fehlt der Erfolg. Wir müssen jetzt einfach wieder schauen, dass wir mit der Art und Weise, wie wir Fußball spielen, die Menschen mitreißen. Und der Rest? Ich mache meinen Job, wenn ich zur Nationalmannschaft fahre und gebe alles.

90minuten: Sind wir in Österreich einfach zu wenige Menschen oder woran liegt's?

Dunst: Die Deutschen sind sehr erfolgreich, nach einem Tief. Es wird alles immer professioneller, in Nürnberg werden wieder recht viele gegen Österreich ins Stadion kommen. Sie kämpfen auch, aber es entsteht einfach eine Euphorie.

90minuten: Was würdest du dir wünschen, wie die Öffentlichkeit umgehen soll?

Dunst: Es kann jetzt eben schnell gehen oder auch nicht. Ich wünsche, dass es gleich klappt und dass die Mädels auf großer Bühne zeigen können, was sie können, Spaß haben und ohne Druck spielen. Man muss das Neue mit offenen Armen aufnehmen und nicht gleich in die Bewertung gehen, sondern positiv an die Sache herangehen. Es hat sich aber generell in unserer Gesellschaft ein Bewertungssystem entwickelt, in dem die Breite überall ihren Senf dazu gibt, vor allem auf Social Media. Aber es braucht ein positives Mindset, um den Frauenfußball zu pushen.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!

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