Mario Haas: "Ein kleiner Vorteil für Österreich"

Mario Haas: "Ein kleiner Vorteil für Österreich"

Im Interview mit 90minuten spricht Mario Haas, von 1999 bis 2000 Legionär bei Straßburg, über die Entwicklung des österreichischen Nationalteams, seine Zeit in Frankreich und das erste Spiel gegen den Turnierfavoriten.

90minuten: Österreichs Kader hat mit den Ausfällen von David Alaba und Xaver Schlager zwei starke Spieler zu ersetzen. Wie schätzt du den Kader ein?

Mario Haas: Ich glaube nicht, dass wir sehr viel Qualität verloren haben durch die beiden Verletzungen. Es hat jeder im Team seine Aufgaben und natürlich tut es weh, wenn Alaba oder Schlager fehlen, aber man kann das kompensieren. Im Endeffekt ist kein großer Nachteil entstanden, die anderen Spieler werden 100 Prozent für die Mannschaft geben und wir können mit den vorhandenen Spielern etwas erreichen. Wir sind nicht umsonst so weit gekommen.

90minuten: Wie hat sich die Mannschaft unter Teamchef Ralf Rangnick entwickelt?

Haas: Sie haben den Spielstil enorm entwickelt. Da merkt man genau, was Rangnick umsetzen möchte und die Burschen können das auch sehr gut annehmen. Wir haben viele Legionäre, die Erfahrung mitbringen und schon auf dem Level spielen, der notwendig ist, um gute Spiele abzuliefern.

90minuten: Wo siehst du noch Potenzial in der Entwicklung?

Haas: Natürlich kann sich auch das Nationalteam noch weiterentwickeln. Egal, ob es da um die Stürmerfrage, die Defensive oder die Torhüterfrage geht. Das ist ein laufender Prozess.

Ich glaube, dass Rangnick mit Österreich viel mehr entwickeln und erreichen kann als mit den Bayern.

Mario Haas

90minuten: Teamchef Rangnick stand kurz vor dem Absprung, hat sich dann aber doch für Österreich entschieden. Hättest du damit gerechnet?

Haas: Es war für ihn sicher eine Ehre, von den Bayern gefragt zu werden. Ich glaube, dass Rangnick mit Österreich viel mehr entwickeln und erreichen kann als mit den Bayern. Bei den Bayern hat er jede Woche Druck, Druck und Druck. Eines ist aber auch klar: Gleichzeitig Teamchef zu sein und bei den Bayern zu unterschreiben, wäre nicht gegangen. Möglicherweise war das auch einer der Hauptgründe für die Absage.

90minuten: Von 1999 bis 2000 warst du bei Racing Straßbourg und hast somit als einer von wenigen Österreichern in Frankreich gespielt. Wie beurteilst du heute diese Zeit, die wohl nicht ganz einfach war?

Haas: Es war eine sehr schöne Erfahrung für mich. Es war damals nicht einfach in ein anderes Land zu kommen, schon gar nicht als Österreicher und dann nach Frankreich. Ich habe auch menschlich mit vielen Spielern und Trainern gute Erfahrungen gemacht, auch wenn es für mich keine einfache Zeit war.

90minuten: Was hat damals die Zeit nicht einfach gemacht?

Haas: Ein großer Sponsor hatte damals viel Geld und wollte mit aller Gewalt in kurzer Zeit etwas aufbauen und nicht nachhaltig entwickeln. Das hat nicht funktioniert, es hat keinen Plan gegeben. Allein in meinen 1,5 Jahren hatte ich vier Trainer. Das hat man dann auch in den Folgejahren nach meiner Zeit gesehen, als das Team immer weniger Erfolg hatte und abgestiegen ist. Ich habe aber immer noch Kontakt, bekomme immer wieder E-Mail-Einladungen zu den Spielen.

90minuten: Warst du danach nochmal bei einem Spiel vor Ort?

Haas: Nein, bei einem Spiel war ich nicht, weil mir einfach die Zeit fehlt.

90minuten: Kommen wir zu Frankreich. Was traust du der Équipe Tricolore bei der EURO zu?

Haas: Frankreich ist sicher ein Topfavorit auf den Turniersieg. Aber Fußball ist eben Fußball und es gibt auch Favoriten, die ihrer Rolle nicht gerecht werden. Frankreich muss das auf dem Platz erst auch einmal zeigen und bestätigen.

Wenn die einmal ins Spielen kommen, wird es ganz schwer, gegen sie zu bestehen. Man braucht aber dennoch keine Angst haben.

Mario Haas über EM-Mitfavorit Frankreich

90minuten: Österreich spielt gleich im ersten Spiel gegen Frankreich. Ein Vorteil oder Nachteil?

Haas: Ich glaube schon, dass es ein kleiner Vorteil sein kann, weil die Franzosen möglicherweise noch nicht so im Rhythmus sind, wie sie es dann im Laufe des Turniers sicher sein werden. Wenn dem so ist, dann könnten wir ihnen schon ein bisschen weh tun – dazu hat das österreichische Team auf jeden Fall die Möglichkeiten, um das umzusetzen, was Ralf Rangnick will.

90minuten: Wer sind für dich die Schlüsselspieler von Frankreich?

Haas: Im Endeffekt ist bei Frankreich jeder Spieler ein Schlüsselspieler. Da steckt so viel Qualität drinnen, das ist ein Wahnsinn. Wenn die einmal ins Spielen kommen, wird es ganz schwer, gegen sie zu bestehen. Man braucht aber dennoch keine Angst haben.

Mario Haas 1999 bei Racing Straßbourg

Mario Haas 1999 bei Racing Straßbourg
Foto ©

90minuten: Was glaubst du, wie beide Teams das Spiel anlegen werden?

Haas: Das weiß ich nicht, aber ich glaube, dass die Franzosen so schnell wie möglich über Konter ein Tor erzielen wollen, über ihre schnellen Spieler auf dem Flügel. Österreich wird sicher pressen und versuchen, das Spiel von Frankreich zu zerstören. Frankreich wird mit fußballerischen Qualitäten hinten raus spielen und Österreich wird pressen. Das wird sehr interessant.

90minuten: Könnte Frankreich Österreich unterschätzen?

Haas: Durch die guten Qualispiele von Österreich kann ich mir das nicht vorstellen. Frankreich weiß sicher Bescheid.

Danke für das Gespräch!

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