Friedl und Werder: "Das gibt es im heutigen Fußball nicht mehr oft"
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Friedl und Werder: "Das gibt es im heutigen Fußball nicht mehr oft"

Der Tiroler spricht über seine aktuellen Vertragsverhandlungen mit Werder, seine Kapitänsrolle und sein Verhältnis zu Ralf Rangnick.

Im vergangenen September ließ Werder-Kapitän Marco Friedl aufhorchen. Mit den Worten "Ich bin sehr sauer", richtete der Tiroler ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick seinen Unmut über die Nicht-Nominierung für das Nationalteam aus.

Im Oktober stand der 27-Jährige dann im Teamkader, im Frühjahr verpasste er die Länderspiele. Mitgrund für eine Nicht-Einberufung war aber auch eine zurückliegende Verletzung.

Weiters befindet sich der Kapitän von Werder Bremen derzeit in Vertragsverhandlungen. 

Im Interview mit 90minuten spricht Friedl über seine laufenden Gespräche mit Werder Bremen, seine Vorstellungen betreffend Werder-Kader und darüber, wie er seine Kapitänsrolle interpretiert. Außerdem erzählt er von einem klärenden Gespräch mit Teamchef Ralf Rangnick und erklärt, warum eine Bayern-Rückkehr für ihn ein Traum wäre.

Anmerkung: Das Interview wurde vor dem Stuttgart-Spiel am vergangenen Wochenende geführt.

90minuten: Ihr seid ideal aus der Länderspielpause gestartet. Nach einem 3:0 gegen Holstein Kiel gab es ein 2:0 über Eintracht Frankfurt. Was sagst du zum Aufschwung?

Marco Friedl: Wir haben uns als Mannschaft gefangen. Wir haben Fehler aus den vergangenen Wochen abgestellt. Es waren zwei super Partien. Vorne waren wir effizient. Zudem standen wir defensiv stabil und haben kaum Chancen zugelassen.

90minuten: Du sprichst die defensive Stabilität an. Es gab es immer wieder schwächere Leistungen, wie gegen Gladbach. Warum fehlt die Konstanz?

Friedl: Dieses Problem begleitet uns schon eine Weile. Wir hatten immer wieder Spiele, in denen wir viel zu viele Tore bekommen haben. Diese Saison lassen wir eigentlich nicht mehr zu als andere Mannschaften, aber gefühlt wird jeder kleinste Fehler eiskalt bestraft. Die gesamte Mannschaft muss in der Defensivaktion noch konstanter agieren. Wenn jeder am Limit ist, siehst du was möglich ist. Das haben wir mehrmals bewiesen.

Wenn ich das Gefühl habe, dass es angebracht ist, dass Themen öffentlich diskutiert werden, dann mache ich das auch."

Marco Friedl über seine oft öffentlich angebrachte Kritik

90minuten: Aktuell fehlen fünf Punkte (mittlerweile drei, Anm.) auf Europa. Nach hinten kann eigentlich nicht viel passieren. Lautet das Ziel jetzt Europacup?

Friedl: Unser Ziel ist es, Spiele zu gewinnen, mehr Punkte als letztes Jahr zu sammeln und einen einstelligen Tabellenplatz zu belegen. Dann heißt es, schauen, was nach oben geht. Wir sagen nicht, wir müssen es in die europäischen Plätze schaffen. Wenn wir unsere Leistung bringen, bin ich zuversichtlich, dass wir noch das eine oder andere Spiel gewinnen.

Österreicher-Connection: In Bremen spielen noch Romano Schmid (links) und Marco Grüll.
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Österreicher-Connection: In Bremen spielen noch Romano Schmid (links) und Marco Grüll.

90minuten: Mit Marco Grüll und Romano Schmid sind zwei weitere Österreicher im Werder-Kader. Am Anfang deiner Zeit war Zlatko Junuzovic auch noch in Bremen. Wie wertvoll ist das für dich?

Friedl: Über die Jahre sind Spieler gekommen und gegangen. Es ist schön, Österreicher vor Ort zu haben. Wir verstehen uns einfach untereinander gut. Wir verbringen viel Zeit miteinander. Es ist schön, Spieler um dich herum zu haben, die du über Jahre kennst. Dann funktioniert es besser. Du kannst über viele Dinge sprechen. Ich freue mich, dass beide Teil der Mannschaft sind.

90minuten: Seit knapp drei Jahren bist du in Bremen Kapitän. Du giltst als jemand, der auch einmal öffentlich Kritik übt. Marco Grüll hat im Jänner zu mir gesagt: "Er spricht Dinge klar an, ist aber nicht der Lauteste." (Marco Grüll im Interview >>>) Wie siehst du deine Rolle?

Friedl: Das stimmt, was er gesagt hat. Im Mannschaftsrat sind Jungs, die viel Erfahrung und viel erlebt haben. Wir teilen uns die Aufgaben gut auf. In den ersten Jahren musste ich erst einmal in die Rolle hineinwachsen, mich in die Abläufe einfinden. Ich versuche, die wichtigen Dinge klar anzusprechen. Mittlerweile habe ich mehr Erfahrung. Über die Jahre trage ich mehr Verantwortung und kommuniziere schon sehr viel. 

90minuten: Du bist jemand, der auch einmal öffentlich Dinge klar anspricht. Von anderen Spielern hört man immer öfter Stehsätze. Was sagst du zu dieser Entwicklung?

Friedl: Das ist über die letzten Jahre mehr geworden. Viele Spieler sagen nur Dinge, die keine Probleme machen, da sie von der Öffentlichkeit schnell aufgegriffen werden und oft größer dargestellt werden als sie sind. Das begleitet dich dann oft über Wochen. Trotzdem bin ich jemand, der weiterhin offen in die Gespräche geht. Wenn ich das Gefühl habe, dass es angebracht ist, dass Themen öffentlich diskutiert werden, dann mache ich das auch. Das kommt in einem Jahr immer wieder vor, dass es Phasen gibt, wo es nicht läuft oder du im ersten Moment nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommst. Dann spreche ich es in meiner Rolle an, denke dabei aber daran, dass das Wohl des Vereins und der Mannschaft im Vordergrund steht.

Man spricht offen und ehrlich. Der Verein weiß, wie sehr ich ihn schätze. Wir werden schauen, was passiert.

Marco Friedl zu den Vertragsverhandlungen

90minuten: Wie oft tauschst du dich in deiner Rolle auch mit Cheftrainer Ole Werner aus?

Friedl: Wir tauschen uns schon sehr oft aus. Wir haben aber auch generell mit dem Mannschaftsrat sehr viele Sitzungen mit ihm und Peter Niemeyer. Du redest über sehr viele Sachen, es muss nicht immer Fußball sein. Man tauscht sich immer wieder über alles Mögliche aus. Wir haben ein super Verhältnis, können offen und ehrlich über alles reden.

90minuten: Werder hat angekündigt, deinen 2026 auslaufenden Vertrag verlängern zu wollen. Zuletzt gab es Meldungen, dass ein Vollzug bevorstehen soll. Was ist der Stand?

Friedl: Es gibt gute Gespräche. Wir reden offen darüber, was ich mir vorstelle, was sich der Verein vorstellt. Ich habe immer betont, dass ich mich im Verein sehr wohlfühle. Man spricht offen und ehrlich. Der Verein weiß, wie sehr ich ihn schätze. Wir werden schauen, was passiert. 

Peter Niemeyer würde Marco Friedl gerne länger in Bremen sehen.
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Peter Niemeyer würde Marco Friedl gerne länger in Bremen sehen.

90minuten: Was stellst du dir denn vor?

Friedl: Ich möchte eine schlagkräftige und konkurrenzfähige Mannschaft. Der Verein gehört weiter hinauf. Klar: Wir hatten einen Aufstieg, haben uns Stück für Stück nach oben gearbeitet. Die Entwicklung des Vereins in den letzten Jahren ist definitiv positiv. Davor war es schwierig, weil du unten drinnen warst. Wir machen vieles aber immer besser. Da gehören nicht nur die Spieler, sondern das ganze Trainerteam und die Leute drumherum dazu. Ich will, dass wir uns Stück für Stück verbessern, uns für die nächsten Jahre gut aufstellen. Als Kapitän fühle ich mich in der Verantwortung. Ich weiß, dass meine Aufgabe Spieler ist, dennoch bin ich gerne im Austausch, werde gerne informiert, was man sich im Verein vorstellt.

90minuten: Du hast gesagt: "Wenn Input gewünscht ist, dann werde ich meinen Beitrag leisten." Würdest du den Kader also gerne mitplanen oder wie ist das zu verstehen?

Friedl: In der Kaderplanung will ich nicht mitsprechen. Ich bin kein Kaderplaner, sondern Fußballer. Das ist gut so. Wenn es Fragen oder Bedarf an meiner Einschätzung gibt - sei es zu Themen innerhalb oder außerhalb der Mannschaft - bin ich jederzeit offen für ein Gespräch.

Der Verein hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Die DNA des Vereins begleitet dich für den Rest deines Lebens.

Marco Friedl über Jugendklub FC Bayern München

90minuten: Über sieben Jahre bist du nun in Bremen. Du bist auf dem besten Weg zur Vereinslegende. Was bedeutet dir der Klub?

Friedl: Es fühlt sich wie meine zweite Heimat an. Ich bin mit gerade mal 19 Jahren nach Bremen gekommen. Es war weit weg von Zuhause und für mich schwierig. Am Anfang habe ich nicht gedacht, dass es eine so lange Reise wird. Was ich hier im Laufe der Jahre erlebt habe, ist einzigartig und wunderschön. Natürlich war es nicht nur schön, es gab auch negative Zeiten. Wenn du dich so über die Jahre entwickelst und der Verein an der Seite ist, ist das top. Das gibt es im heutigen Fußball nicht mehr so oft. Der Verein Werder Bremen ist für mich etwas Besonderes.

90minuten: Blicken wir auf den Beginn deiner Profikarriere. Du bist mit zehn Jahren zum FC Bayern München, hast über die Jugend und die Amateure den Sprung zu den Profis geschafft und dort zwei Spiele absolviert. Was für Verbindungen gibt es noch nach München?

Friedl: Die Zeit war unglaublich. Wenn du beim größten Klub Deutschlands - vielleicht sogar Europas - die ganze Jugend durchläufst, dich durchsetzt, es zu den Profis schaffst und dort sogar Spiele machst, dann waren das schon unvergessliche Momente. Natürlich gehört dazu eine Portion Glück in bestimmten Situationen. Du musst auch den Willen haben, dass du es irgendwann schaffst. Ich hatte immer das Ziel. Der Verein hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin. Die DNA des Vereins begleitet dich für den Rest deines Lebens. Ich habe immer noch Kontakt zu einigen Spielern. Bei den Trainerteams haben sich viele Dinge getan. Da wurde alles ein bisschen ausgetauscht. Es gibt abseits der Spieler den einen oder anderen, der beim FC Bayern noch im Profibereich tätig ist. Deshalb habe ich immer wieder einen guten Austausch mit den Jungs.

Marco Friedl spielte zwei Mal für die Bayern-Profis. Im Bild (Mitte) mit Vereinslegende Thomas Müller (rechts) und Sebastian Rudy (links).
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Marco Friedl spielte zwei Mal für die Bayern-Profis. Im Bild (Mitte) mit Vereinslegende Thomas Müller (rechts) und Sebastian Rudy (links).

90minuten: Du hast erst kürzlich gegenüber "Sport1" zu einer möglichen Rückkehr gesagt: "Wenn es einen Verein gibt, bei dem du deine ganze Jugend verbracht hast, der nun mal einen großen Namen in der ganzen Welt hat und du zu diesem Klub zurückkehren kannst, dann würde das jeder unterschreiben." Was würde dir so eine Rückkehr bedeuten?

Friedl: Sie haben mich gefragt, ob ich es mir vorstellen könnte. Wenn du bei einem Verein die Jugend durchläufst und dort Profiluft schnupperst und sich die Gelegenheit ergibt, würde jeder den Schritt wagen und sagen: "Gerne!" Es ist im Profigeschäft üblich, dass Spieler zu dem Klub zurückkehren, wo sie groß geworden sind. Sollte sich die Möglichkeit irgendwann auftun, versuche ich sie zu nutzen. Aktuell ist das allerdings kein Thema - es liegt in weiter Ferne - das ist klar. Die Frage, ob ich es mir vorstellen kann, beantworte ich aber natürlich mit "Ja".

90minuten: Im letzten ÖFB-Lehrgang wurdest du nicht für das Nationalteam nominiert, dafür wurde beispielsweise ein Jonas Auer nachnominiert, der nicht einmal auf der Abrufliste stand. Gab es Kontakt zu Teamchef Ralf Rangnick?

Friedl: In der Phase war ich davor verletzt. Ich war sieben Wochen raus, bin im Spiel vor der Länderspielpause gegen Gladbach nur eingewechselt worden, weil ich noch nicht ganz fit war. Daher war das auch kein Thema. Für mich geht es darum, im Verein meine Leistung zu bringen, alles andere lasse ich auf mich zukommen.

Seit er da ist, geht es bergauf. Er hat neuen Schwung in den österreichischen Fußball und die Nationalmannschaft gebracht.

Marco Friedl über Ralf Rangnick

90minuten: Im September hast du, nachdem du nicht nominiert wurdest, gesagt: "Mit mir wird nicht kommuniziert, mit mir wird nicht geredet. Deshalb habe ich das Thema eigentlich schon abgehakt. Ich bin sehr sauer." Im Oktober standst du dann im Kader. Gab es damals eine Aussprache mit Teamchef Ralf Rangnick?

Friedl: Ja, wir hatten einen normalen und netten Austausch, offen und ehrlich. Für mich geht es einfach darum, Gas zu geben, gute Spiele zu bringen, mit dem Verein gute Ergebnisse zu sammeln. Es ist jedes Mal das Schönste, wenn ich dabei bin. Es liegt an mir. Alles Weitere werden wir sehen. 

90minuten: Du hast dein ÖFB-Debüt unter Franco Foda gegeben, hast Lehrgänge mit Ralf Rangnick erlebt. Was unterscheidet die beiden in ihrer Herangehensweise?

Friedl: Schwierige Frage. Mit Franco ist es schon sehr lange her. Jetzt ist es so, dass der Trainer einen extremen Wert aufs Pressing legt. Es ist stark offensiv ausgerichtet, in den Trainings herrscht eine extrem hohe Intensität. Das spiegelt sich auch in den vorherigen Stationen des Trainers wider. Das sagt viel über ihn aus. Die Jungs machen es auch gut. Seit er da ist, geht es bergauf. Er hat neuen Schwung in den österreichischen Fußball und die Nationalmannschaft gebracht. Du hast auch die passenden Jungs, um seine Idee umzusetzen. Deshalb ist es interessant, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat. 

Trotz Werder-Abstieg: Franco Foda nominierte 2021 Marco Friedl in den EM-Kader.
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Trotz Werder-Abstieg: Franco Foda nominierte 2021 Marco Friedl in den EM-Kader.

90minuten: 2021 hast du bereits die EURO miterlebt. Du warst, wenn auch ohne Einsatz, mit im Kader. Was sind deine Erinnerungen?

Friedl: Es war unglaublich. Vom ersten bis zum letzten Tag war es wie in einem Film für mich. Ich hatte eine schwierige Saison. Ich habe zwar alles gespielt, wir sind in diesem Jahr aber abgestiegen. Für mich war die Nominierung ein Stück weit überraschend. Es war ein Top-Erlebnis. Ich habe damals auch im Vorbereitungsspiel gegen die Engländer, wo wir nur knapp verloren haben, gespielt. Das war für mich vom ersten bis zum letzten Moment ein Traum. Klar wünschst du dir als Spieler, wenn du bei einer EM dabei bist, dass du Minuten kriegst. Es war aber schon so, dass ich das Drumherum so genossen habe. Es ist ein Event, dass du als Kind im Fernsehen geschaut hast. Dann live dabei zu sein im Stadion, aufzuwärmen, bereit zu sein, wenn irgendetwas passiert, das war schon ein Erlebnis. Ich hoffe, dass das ein oder andere in meiner Karriere dazukommt.

90minuten: Die WM 2026 wäre die nächste Gelegenheit. Eine Teilnahme wäre für dich ein Traum, oder?

Friedl: Das wäre nicht nur für mich, sondern für jeden Österreicher ein Traum. Die Länder, in denen die WM gespielt wird, haben das gewisse Etwas. Es ist noch ein Stück dort hin. Klar werde ich Gas geben und schauen, dass ich hoffentlich dabei bin.

VIDEO: Die Traumelf von Claudio Pizarro

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