Als Assistent von Adi Hütter, Werner Gregoritsch, Gerhard Struber, Thomas Letsch und einigen anderen hat sich Wolfgang Luisser in Österreich einen Namen gemacht. Für den SCR Altach stand er 2019 als interimistischer Cheftrainer sogar schon an der Bundesliga-Seitenlinie, beim Debüt gelang ein Auswärtssieg bei der Wiener Austria.
Nach einer Weltreise hat es den 45-Jährigen vor einigen Jahren permanent nach Hongkong verschlagen, innerhalb kurzer Zeit wäre er dort beinahe zum Nationaltrainer aufgestiegen. Im 90minuten-Interview erzählt er ausführlich, wie es jetzt für ihn weitergeht:
90minuten: Du hattest über vier Spiele die Chance, dich als interimistischer Teamchef in Hongkong zu beweisen. Obwohl du lange im Rennen warst, hat sich der Verband für einen Anderen als permanente Lösung entschieden. Wie geht es für dich jetzt weiter?
Wolfgang Luisser: Jörn Andersen (Anm.: Nationaltrainer Hongkong 2021 bis 2024) hat uns im Mai verlassen und ein Angebot aus der zweiten Liga in China angenommen. Der Verband hat mich dann gebeten, für die letzten beiden Quali-Spiele der WM 2026 gegen den Iran und Turkmenistan zu übernehmen. Im Sommer war der Nationaltrainerposten ausgeschrieben, ich habe mich beworben und war unter den letzten drei dabei. Man hat sich am Ende für Ashley Westwood entschieden - er ist Engländer und wurde Ende August vorgestellt.
Hongkong war jetzt im September noch bei einem Drei-Nationen-Turnier gegen die Solomon Islands und Fidschi dabei. Da war ich noch voll als Head Coach verantwortlich, er hat sich alles angeschaut und die Spieler kennengelernt. Wir haben das Turnier gewonnen, der Verband hat damit nach 13 Jahren wieder einmal einen Pokal geholt. In Hongkong war das etwas richtig Großes, alle waren happy, am Flughafen wurden wir von Medien empfangen. Am letzten Abend habe ich mich mit unserem Sportdirektor unterhalten und gefragt, wie es für mich weitergeht. Wenig später hat mir Ashley gesagt, dass er mich gerne als Co-Trainer dabei hätte.
Es ist schon ein cooles Gefühl, in der ersten Linie zu stehen und Freiheiten zu haben. Als Co-Trainer muss man sich oft an anderen orientieren.
90minuten: Habt ihr schon abgesprochen, wie die Zusammenarbeit aussehen wird? Was sind eure Ziele für die nächsten Monate?
Luisser: Ich bekomme wieder einen neuen Chef, er wird in den nächsten Wochen vorgeben, wie er Fußball denkt. Daran werde ich mich anpassen - wir wollen so viel gewinnen, wie möglich. Das ist auch für die Finanzierung des Verbandes wichtig, der für das Erreichen von sportlichen Zielen Geld von der Regierung bekommt. Wir müssen liefern.
90minuten: Das klingt eigentlich nach viel Druck. Neben dir haben sich mehr als 170 Personen für den Job als Teamchef beworben. Was macht ihn so attraktiv?
Luisser: Es ist die höchste Position, die ich hier erreichen kann. Für einen Trainer ist das schon eine Ehre und große Auszeichnung. Auch wenn das Level ein anderes ist, als wir es daheim gewohnt sind: Die Spieler sind trotzdem Profis, im Nationalteam arbeitet man mit den Besten zusammen. Man hat viel Verantwortung, kann über Taktik entscheiden und darüber, wer einberufen wird. Es ist schon ein cooles Gefühl, in der ersten Linie zu stehen und Freiheiten zu haben. Als Co-Trainer muss man sich oft an anderen orientieren. Mir hat das in den letzten Monaten schon Spaß gemacht.
90minuten: Wie war das Feedback zu deiner Arbeit?
Luisser: Gut! Unter mir haben wir ein Spiel gegen den Iran verloren, das ist aber auch die Nummer 20 der Welt, wir haben zwei Tore gemacht. Jetzt haben wir wie gesagt ein Turnier gewonnen. Ich glaube, dass ich für mich selbst Eigenwerbung gemacht habe.
Ich habe die Pro Lizenz und möchte das Ruder schon gerne einmal selbst in die Hand nehmen. Co-Trainer war ich jetzt 20 Jahre lang, die Rolle kenne und kann ich.
90minuten: Du konntest dich ja vor einigen Jahren auch schon in Altach als Cheftrainer präsentieren, jetzt war es wieder einmal möglich. Ist das der logische nächste Schritt für dich?
Luisser: Wenn sich die Gelegenheit ergibt - vielleicht auch in anderen Nationen - habe ich schon vor, mich zu bewerben. Ich habe die Pro Lizenz und möchte das Ruder schon gerne einmal selbst in die Hand nehmen. Co-Trainer war ich jetzt 20 Jahre lang, die Rolle kenne und kann ich. Jetzt habe ich mich auch als Chef bewiesen, das taugt mir. Diesen Job habe ich nicht bekommen, jetzt muss ich abwarten, was passiert.
90minuten: Dein Fokus liegt aber klar im internationalen Fußball? Oder wärst du für eine Rolle in einem Verein auch offen?
Luisser: Auf Nationalteamebene habe ich im ÖFB lange mit Werner Gregoritsch zusammengearbeitet, jetzt in Hongkong wieder. Es hat sich einfach so ergeben, dass ich in diesem Bereich viel Erfahrung sammeln konnte. Vielleicht bin ich eher für Nationalteams geschaffen. Ich bin aber auch immer wieder in Kontakt mit Jörn Andersen. Er wollte mich schon im Mai nach China mitnehmen - das hat nicht geklappt, weil der Verein damals wollte, dass der Co-Trainer Chinesisch spricht. Vielleicht ergibt sich diese Gelegenheit für einen Job in China noch einmal, auch eine Doppelrolle beim Nationalteam und einem Verein kann sinnvoll sein.
90minuten: Nach einer baldigen Rückkehr in Richtung Europa oder Österreich klingt das jedenfalls nicht. Ist das kein Thema für dich?
Luisser: Nein, momentan gar nicht. Als Co-Trainer bin ich damals immer jemandem gefolgt und von einer Station zur nächsten gesprungen. Ich habe mir hier etwas aufgebaut und habe mein Leben selbst in der Hand. Außerdem habe ich eine Familie und will mich um sie kümmern. Ich bin nicht für den Fußball nach Hongkong gekommen, sondern wegen meiner Frau, mittlerweile haben wir einen Sohn.
90minuten: Kommen wir zum Sportlichen, Hongkong liegt in der FIFA-Weltrangliste auf Platz 159. Wie weit nach vorne kann es in nächster Zeit realistisch gehen?
Luisser: Wir haben in diesem Jahr noch vier Freundschaftsspiele vor uns, das Nächste im Oktober auswärts in Liechtenstein. Die Gegner sind so gewählt, dass wir auf Augenhöhe spielen können. Das ganze letzte Jahr war sehr schwierig: Wir hatten im Asien Cup und der WM-Qualifikation einige starke Gegner. Für unser Ranking haben wir da einfach wenig machen können, jetzt ist das klare Ziel, dass wir Spiele gewinnen, um uns zu verbessern.
90minuten: Wie viel Qualität hat denn der Kader der Nationalmannschaft?
Luisser: Wir haben einige Spieler, die in der chinesischen Super League spielen, das ist ein wichtiger Kern. Es gibt auch einige gute Junge. Ein Spieler (Anm: Anthony Pinto) hat die letzten Jahre im Nachwuchs der Bolton Wanderers in England trainiert, jetzt spielt er für eine englische Universitätsmannschaft. Der Rest kommt aus der Hongkong Premier League.
90minuten: Du hast überhaupt auffällig viel auf junge Spieler gesetzt.
Luisser: Das ist mein Zugang, den Jungen eine Chance zu geben. Das habe ich auch so durchgezogen, insgesamt haben sieben Spieler debütiert. Zwei Nachwuchsspieler habe ich gegen den Iran zum ersten Mal spielen lassen, beide haben getroffen. Das muss der Weg für Hongkong sein, die jungen, talentierten, einheimischen Spieler müssen internationale Erfahrung sammeln. Einbürgerungen von älteren Spielern halte ich für weniger sinnvoll.
Nur weil man in Hongkong positiv auffällt, heißt das nicht, dass das Niveau automatisch für Europa reicht.
90minuten: Wenn wir von Talenten in Hongkong sprechen: Welche Erwartung haben sie an ihre Karriere? Ein 18-Jähriger, der in Europa für sein Nationalteam debütiert, wird sich wohl Hoffnung auf einen Sprung in eine der größeren Ligen machen.
Luisser: Das ist natürlich ein großes Ziel, das alle haben. Die, die es probieren, tun sich aber schwer, Fuß zu fassen. Vor allem junge Spieler können sich nicht erwarten, einfach nach Europa zu gehen und dort zu spielen. Nur weil man in Hongkong positiv auffällt, heißt das nicht, dass das Niveau automatisch für Europa reicht.
90minuten: Wird in den Vereinen so gearbeitet, dass sich das Niveau verbessern kann?
Luisser: Die Vereine und der Verband bemühen sich, Spieler herauszubringen. Es gibt Jugendligen und einige andere Projekte. Der Unterschied zu Europa ist aber schon groß, das habe ich auch nicht gewusst, bevor ich hergekommen bin. Kinder gehen bis 17:00 oder 18:00 in die Schule und lernen danach oder machen zusätzliche Kurse.
Seit einigen Jahren betreiben große europäische Vereine hier Fußballschulen - Chelsea, Arsenal, Liverpool oder Inter Milan zum Beispiel. Seit letztem Jahr sind auch Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain da, es werden also immer mehr. Mit diesen Akademien positionieren sich diese Teams in der Region, das ist gut für ihr Marketing, das Entertainment steht dabei schon im Vordergrund. Trainiert wird dort zweimal in der Woche. Einige Vereine kommen dann auf ein Kurztrainingslager oder für ein Testspiel vorbei, die Leute freut das.
90minuten: Mit Jakob Jantscher hat es vor einiger Zeit einen anderen Österreicher nach Hongkong verschlagen. Er hat erzählt, dass die Arbeitsbedingungen zwar gut sind, aber nicht alle genau wissen, wie sie das Beste daraus machen können.
Luisser: Grundsätzlich ist wirklich alles da, was man braucht - am Geld scheitert es nicht. Wenn ein Torwarttrainer für sein Training eine Drohne haben will, bekommt er nicht irgendeine, sondern die beste. Die Mannschaften haben alle GPS-Systeme. Es geht darum, dass die Trainer so ausgebildet werden müssen, dass sie aus den damit gesammelten Daten die richtigen Schlüsse ziehen können.
90minuten: Mit dir und einigen anderen im Verband, gibt es Personen, die viel Erfahrung aus größeren Ligen mitbringen. Das spricht schon dafür, dass man das ändern möchte.
Luisser: Unser Sportdirektor, Konditionstrainer und Cheftrainer kommen alle aus England. Der englische Einfluss auf den Fußball ist hier generell groß, jeder schaut Premier League und viele laufen in Leiberln von Manchester United, Tottenham oder Arsenal herum. Viele Leute sind Fußballbegeistert, die Plätze sind ausgebucht. Kinder spielen, ältere Menschen spielen, auch 60- oder 70-Jährige.
Natürlich versucht der Verband, sich weiterzuentwickeln und Experten aus dem Ausland dazuzuholen. In der Liga fehlt das noch, da bräuchte es gerade bei den Trainern eine bessere Ausbildung und mehr Know-How aus Europa. Dann wird der Fußball besser, davon profitieren dann alle.
90minuten: Würdest du sagen, dass sich die Situation bessert?
Luisser: Ja, natürlich, aber die anderen Nationen schlafen auch nicht. Als 159. der Welt muss man mehr aufholen, als andere.
Wir danken für das Gespräch!