Lisa Makas: "Das Trainerteam sitzt immer am kürzesten Ast"
Lisa Makas ist 74-fache Teamspielerin und nach ihrem Karriereende 2022 übernahm sie den Sportdirektor-Posten bei Austria Wien. Grund genug, sie zu fragen, warum das Nationalteam im Playoff zur EM "nachsitzen" muss. Makas findet deutliche Worte.
90minuten: Weißt du, was am 30. September 2008 war?
Lisa Makas: Nein, eigentlich nicht.
90minuten: Da war U19-EM-Quali und du hast zwei Tore beim 5:1 gegen die Alterskolleginnen aus Polen geschossen.
Makas: (lacht) Das kann sein, ja.
90minuten: Das heißt vor allem, dass du genauso gut wie das Nationalteam weißt, wie man Polen schlagen kann. Welche Learnings kann das Team aus dem 1:3 in Polen und dem 3:1 daheim mitnehmen?
Makas: Man darf sich nie auf das "eigentlich" verlassen. Polen ist aber schon klar Underdog in dem Spiel. Diese Rolle haben wir lange genug genossen und sie haben nichts zu verlieren. Wenn sie es nicht schaffen, ist auch nicht viel passiert, weil die meisten damit rechnen, dass Österreich gewinnt. Das ist aber immer gefährlich, weil solche Nationen so überperformen können. Wir müssen konzentriert und konsequent sein, dann gewinnen wir.
90minuten: Das heißt, wir können uns einen Sieg erwarten?
Makas: Das Nationalteam hat sich, auch als ich selber noch gespielt hatte, ein gewisses Standing und Qualität erarbeitet. Wir sind nicht mehr in dieser Underdog-Rolle, waren nicht nur bei zwei Endrunden dabei, sondern dort auch im Halb- und dann im Viertelfinale. "Gewinnen müssen" ist natürlich immer schwierig und wir tun uns aktuell sehr schwer, das Spiel zu vollenden.
Bei den Mädels habe ich aktuell das Gefühl, dass es nicht rund läuft und wir es verloren haben, als Einheit am Platz zu stehen und 120 Prozent zu geben.
Und Polen war noch nie so nah an einer Endrunde dran und es kann schnell gehen, wie wir aus unserem im WM-Playoff-Out gegen Schottland wissen. Nichtsdestoweniger bin ich davon überzeugt, dass die Mannschaft weiterkommen kann, wenn weniger Fehler gemacht werden und man sich generell wieder zusammenfindet.
90minuten: Ich höre heraus: Man hätte sich das Playoff jetzt ersparen können bzw. müssen?
Makas: Auf jeden Fall. Ich glaube nicht, dass wir mit hundert Prozent performt haben, es gab Probleme mit der Konstanz. Das hat man ja gegen Deutschland gesehen: Du führst und verlierst dann noch. Sie sind zwar eine Topnation, aber dass wir es nicht über die Ziellinie bringen und somit einer großen Nation sehr weh tun, ist sehr schade – es wäre definitiv möglich gewesen.
90minuten: Da geht es um diese "Killermentalität". Ich glaube ja mittlerweile, dass das so ein bisschen Österreich ist. Wenn's drauf ankommt, stehen wir etwas an, sei es beim Eishockey, im Männer-Fußball, das hat man in diesem Sportjahr öfters gesehen. Glauben wir zu oft, dass es sich irgendwie ausgeht, weil es "eh scho passen" wird?
Makas: Das würde ich gar nicht so sagen, die Burschen haben eine überragende Endrunde gespielt. Aber wir sind keine Nation, die nur Erfolge nur mit individueller Qualität schaffen kann. Wir sind viel kleiner, es gibt in den jeweiligen Sportarten weniger Athletinnen und Athleten. Ich bin der Überzeugung, dass es als Österreich nur geht, wenn wir als Team zu hundert Prozent funktionieren, alle den Plan kennen und man für einander fightet. Darum sind wir zu meiner Zeit ja immer so weit gekommen. Spielerisch können wir uns nie mit Frankreich, Deutschland und so weiter vergleichen.
Aber wir haben ihnen etwas in den Weg legen können, etwa 2017, als wir nach einem Unentschieden gegen die Französinnen Erste waren. Es ging immer nur über das Kollektiv. Jetzt ist mehr Qualität und Quantität als zu meiner Zeit da, wir waren 12 oder 13. Heute gibt es durch die Bank Spielerinnen, die im Ausland spielen und Leistungsträgerinnen sind, die am Sprung dorthin sind oder zurückkommen. Bei den Mädels habe ich aktuell das Gefühl, dass es nicht rund läuft und wir es verloren haben, als Einheit am Platz zu stehen und 120 Prozent zu geben.
90minuten: Nach den Spielen gegen Slowenien wirkten die Spielerinnen auch überhaupt nicht zufrieden mit ihrer Leistung.
Makas: Ich glaube auch, dass es ihnen richtig auf die Nerven geht, jede fragt sich, warum es nicht funktioniert. Ja, es gab einen Umbruch, aber es sind auch viele schon lange mit dabei. Es läuft phasenweise gut, dann plötzlich nicht mehr und man macht die Gegnerinnen stark. Man kann schon ein Spiel nicht gut spielen, aber das zieht sich über viele Partien.
90minuten: Vielleicht ist das überhaupt ein generelles Problem von einem Land wie Österreich. Du bist in der Hälfte der Spiele Favoritin, in der anderen Außenseiterin.
Makas: Es sind natürlich unterschiedliche Spiele, weil man gegen die Großen nicht ins Messer reinlaufen will und gegen die Kleinen das Spiel machen muss.
90minuten: Welche Rolle spielt trotzdem die Eingespieltheit? Früher gab es, wie du erwähnt hast, eben 12, 13 Spielerinnen, jetzt gibt es mehr. Wer ist daran "schuld", dass man sich schwertut – Spielerinnen oder Trainerin?
Für mich als Außenstehende ist nicht immer klar, warum manche Spielerinnen nicht auf ihren angestammten Positionen zum Einsatz kommen.
Makas: Schwer zu sagen. Wenn wir einmal ohne Fehlpässe ins letzte Drittel kommen, machen wir zwar Tore, aber für unsere Qualität meiner Meinung nach zu wenige. Und man weiß auch heutzutage schon, wer spielen wird. Für mich als Außenstehende ist nicht immer klar, warum manche Spielerinnen nicht auf ihren angestammten Positionen zum Einsatz kommen, während andere auf der Bank sitzen.
90minuten: Wir bewegen uns im Leistungssport. Wenn die Teamchefin die Quali verpasst, also die Ergebnisse ausbleiben, muss sie dann gehen?
Makas: Die Teamchefin wird sich natürlich auch fragen, warum etwas nicht funktioniert. Wenn du bei zwei Endrunden dabei warst, musst du schon den Anspruch haben, bei der nächsten auch dabei zu sein, ich denke da sind wir uns alle einig. Wenn das nicht passiert, dann wissen wir ja, wie das Fußballgeschäft funktioniert. Da sitzt das Trainerteam immer am kürzesten Ast, auch wenn es nicht immer die fairste Lösung ist.
90minuten: Personelle Konsequenzen müssten schnell gezogen werden, im Februar stehen die nächsten Pflichtspiele an.
Makas: Der Fußball ist heute sehr überfüllt, mit Qualifikationen, Champions League und so weiter. Es geht Schlag auf Schlag, man kann sich nicht wie früher ein halbes Jahr neu sortieren. Das geht im Männerbereich nicht mehr, und jetzt auch nicht mehr im Frauenfußball.
90minuten: Es ist dort aber leichter. Im Herrenfußball ist mehr Geld, die Sportwissenschaft bzw. Trainingslehre ist eher auf männliche Körper ausgerichtet. Wie siehst du diese Entwicklung als Sportdirektorin? Ich habe den Eindruck, die UEFA meint da viel gut...
Makas: Ich weiß nicht, ob sie es gut meinen, am Ende des Tages wollen sie Geld einspielen. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen ist aber schon auch, dass dort Geld weniger eine Rolle spielt. Verletzt sich einer, holt man jemanden. Das geht bei mir bei der Austria nicht. Aber Gott sei Dank können wir die Strukturen eines Männerbundesligisten benutzen und unsere Spierlerinnen bestmöglich betreuen. Fakt ist, dass man den Athletinnen und Athleten keine Pause mehr gibt.
Wir spielen jetzt auch in der Frauen-Bundesliga erstmals so lange. Man muss da ein Stück weit aufpassen, weil es Ligen gibt wie die Premier League, die diese Entwicklungen besser abfedern können. Für die Sportlerinnen und auch Sportler wird es immer härter, weil der Körper gar nicht so schnell regenerieren kann. Man müsste in Österreich bzw. generell mehr in die Sportwissenschaft investieren, um das Training besser durch die Medizin oder Physiotherapie zu steuern, um schneller in Regenerationsphasen zu kommen und die Fußballer:innen so zu schützen. Wenn ein Verein das gut im Griff hat, ist man am Ende erfolgreicher.
90minuten: Wir haben jetzt viel über mehr Professionalisierung gesprochen. Dazu gehört auch, dass sich die Spitze verbreitert. Jüngst hat die Vienna den SKN geschlagen. Ist die Liga reif für neue Meisterinnen?
Makas: Das steigert die Qualität der Liga und es muss in diese Richtung gehen. Der SKN hat irrsinnig viele Punkte für Österreich erspielt, auch Hut ab vor der Leistung gegen Barcelona. Es wird immer schwieriger für Vereine, die nicht diese Struktur haben wie wir bei der Austria. Da arbeiten ja viele Menschen, das ist mit Ehrenamtlichen nur schwer zu bewerkstelligen. Es ist auch eine Vorgabe, dass Männervereine Frauenteams brauchen, aber ich denke schon, dass wir in ein paar Jahren mehr Männerbundesligisten in der Frauenliga haben werden. Die Qualität wird dann höher sein, die Frage ist aber, wie und mit welchem Budget man arbeitet.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!