Lazaro: "Seitdem kein Wort mehr mit Ralf Rangnick gesprochen"
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Lazaro: "Seitdem kein Wort mehr mit Ralf Rangnick gesprochen"

Valentino Lazaro ist bei Torino Stammspieler und zählt zu den besten Assistgebern der Serie A. Für das Nationalteam ist er aber seit Jahren kein Thema. Das versteht er nicht wirklich, wie er im 90minuten-Interview erklärt.

Wer sich die Vita von Valentino Lazaro ansieht, freut sich, dass er mit bald 29 Jahren beim FC Torino in der Rolle als Stammspieler angekommen ist. Und dann wundert man sich, dass er kein Thema im Nationalteam ist. Auf den Außenbahnen hat man hierzulande bekanntlich eher kein Überangebot an Top5-Liga-Legionären.

Zu lesen bekommt man auch nicht viel, dabei hat er einiges zu sagen. Genau über den Punkt - mangelnde Medienöffentlichkeit - möchte er sprechen, bevor überhaupt eine Frage gestellt wird:

Valentino Lazaro: Hi, wir haben uns erst vor zwei, drei Tagen in einer Freundesgruppe darüber gewundert, dass wenig berichtet wird, und dann meldest du dich, super Timing!

90minuten: Ich hatte das Interview mit dir schon länger auf der To-do-Liste und das Thema Öffentlichkeit auch, darum nehme ich den Ball gleich auf: Warum wird so wenig über dich berichtet?

Lazaro: Das weiß ich nicht, weil eigentlich ist man in der Serie A auch nicht gerade aus dem Blickfeld und es spielen ja auch einige andere Österreicher hier. Es hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich länger nicht beim Nationalteam war und damit ist man für die Medien nicht so attraktiv. Wobei es mich persönlich nicht stört, wenn weniger berichtet wird.

90minuten: Auch über das Nationalteam hätte ich später gesprochen, aber wenn wir schon dabei sind: 2022 hast du das erste und letzte Mal unter Ralf Rangnick gespielt. Auf der Außenbahn gäbe es Bedarf.

Lazaro: Ich bin seit Jahren der größte Fan des Nationalteams und supporte, wo es geht. Ich kenne die Spieler und war ja sieben, acht Jahre im Team dabei und werde nicht schlecht reden. Aber klar sehe ich mich von der Qualität und meiner Leistung her im Nationalteam und hoffe jedes Mal, dass ich vielleicht wieder eine Chance bekomme.

Dass Lazaro gut spielt, wird der Teamchef schon mitbekommen, seit zweieinhalb Jahren hat er ihn aber nicht mehr einberufen.
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Dass Lazaro gut spielt, wird der Teamchef schon mitbekommen, seit zweieinhalb Jahren hat er ihn aber nicht mehr einberufen.

90minuten: Hat sich der Teamchef oder jemand aus dem Staff jemals wieder bei dir gemeldet? Damals hieß es ja, dass du zu wenig Spielpraxis hast.

Lazaro: Also als er übernommen hat, war ich ja dabei. Er hat viele Einzelgespräche geführt und gemeint, dass Spielpraxis wichtig ist. Auch mit Sabitzer, der damals bei Bayern relativ wenig gespielt hat. Ich habe wegen Leihe und Trainerwechsel ab der zweiten Saisonhälfte bei Benfica nicht mehr gespielt, hatte dann aber ein gutes Gespräch mit dem Teamchef. Allerdings habe ich dann im Training gemerkt, dass ich gar nicht auf meiner Position trainiere, sondern Xaver Schlager und Konny Laimer imitierte. Da habe ich schon gemerkt, dass er nicht gerade ein großer Fan von mir ist.

Er hat mir einen Tag vor dem dritten Spiel gesagt, dass er Xaver eine Pause geben möchte und ich zum morgigen Spiel auf dieser Position spielen werde, als die Aufstellung kam, war aber auch das nicht der Fall. Und beim vierten und letzten Spiel des Lehrgangs war ich dann plötzlich auf der Linken Außenbahn gesetzt. Das war sehr undankbar: So haben wir noch nie zusammengespielt und Dänemark ist saustark. Da haben wir keine gute Figur gemacht. Ich bin auch zur Halbzeit raus und seitdem habe ich eigentlich kein Wort mehr mit Ralf Rangnick gesprochen. Das macht mich traurig, weil ich so lange im Nationalteam war und bis heute kein Wort gehört habe. Das sind alles sehr gute Freunde und jedes Spiel tut weh, weil ich so gerne am Platz stehen will.

Wenn ich Nationalteamtrainer wäre, würde es mich freuen, wenn jeder Spieler, der nicht einberufen wird, unzufrieden ist.

Valentino Lazaro

90minuten: Wenn ich das jetzt so genauso runterschreibe, dann wirst du wahrscheinlich drauf hoffen müssen, dass Rangnick irgendwann einmal nicht mehr Nationalteam-Trainer ist, weil ich kann mir nicht vorstellen, dass er es so lustig findet, wenn ein Spieler in einem Medium ein Interview gibt und sagt: "Ich find' das blöd, dass ich nicht einberufen werde."

Lazaro: Ja, natürlich. Aber ich weiß nicht, wie er darüber denkt. Wenn ich Nationalteamtrainer wäre, würde es mich freuen, wenn jeder Spieler, der nicht einberufen wird, unzufrieden ist. Es ist auch kein Groll dahinter, ich fokussiere mich in Italien auf meinen Job, bringe meine Leistung und gebe mein Bestes, um mit dem Fußball Argumente zu liefern. Das klappt ja in letzter Zeit ganz gut. Und er macht einen super Job, vielleicht bekomme ich ja wieder die Chance, mich zu zeigen.

90minuten: Deinen Verein wird es freuen, wenn ein Stammspieler gerade auf so einer intensiven Position nicht noch zehn Spiele mehr macht.

Lazaro: Das stimmt bis zu einem gewissen Punkt, aber mein Trainer Paolo Vanoli meint schon, dass er das nicht versteht. Er wollte wissen, was bzw. ob etwas vorgefallen ist, dass ich nicht einberufen werde - ich kann ihm keine Antwort geben. Er freut sich auf der einen Seite, dass ich für Torino fit bin, auf der anderen Seite sieht der Verein seine Spieler schon auch gerne im Nationalteam...

90minuten: ...weil sie dann teurer sind. Also wird sich der bis Saisonende laufende Vertrag wohl verlängern.

Lazaro: Jetzt sieht es sehr wahrscheinlich so aus. Ich habe eine Klausel, die die Verlängerung nach einer gewissen Anzahl an Einsätzen triggert und das wäre im Fall gegen den AC Milan so (Anm. Lazaro kam vergangenen Samstag gegen Milan zum Einsatz).

90minuten: Wie sieht denn deine Zwischenbilanz deiner Karriere aus? Du wirst im März 29 Jahre alt, ein guter Zeitpunkt.

Lazaro: Die Menschen beurteilen das von außen sicherlich immer anders, weil sie nur den Fußballer sehen, der am Wochenende am Platz steht, vielleicht haben sie Eindrücke von dem, was es in den sozialen Medien gibt. Ich persönlich sehe es so: Fußball ist mein Leben. Wenn ich an die Zeit zurückdenke, als ich mit drei Jahren in Graz angefangen habe, mit meinen Geschwistern und Freund im Hof zu kicken und einfach davon geträumt habe, irgendwann einmal österreichische Bundesliga zu spielen...

Lazaro träumte als Bub aus einfachen Verhältnissen von der Bundesliga. Nun hat er in halb Europa gespielt.
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Lazaro träumte als Bub aus einfachen Verhältnissen von der Bundesliga. Nun hat er in halb Europa gespielt.


Ich komme aus einer Familie, die nicht viel gehabt hat, da stand es nicht in den Sternen, dass du vielleicht einmal Fußballprofi bist. Also so gesehen, habe ich sehr viel erreicht. Als Fußballer ist man nie wirklich zufrieden. Ich weiß auch, dass es bei mir speziell in jungen Jahren sehr steil bergauf ging. Nach dem erfolgreichen Wechsel in die deutsche Bundesliga kam der Fünfjahresvertrag bei Inter Mailand und dann die vielen Leihen. Da ist es schwierig, Fuß zu fassen. Man kämpft zwar für eine längerfristige Leihe, aber es gibt dann oft nur einjährige. Da spielst du dann sechs Monate und die zweiten sechs nicht mehr. Das hat speziell bei Benfica wehgetan. Es waren drei eher schwere Jahre, auch wenn es mit Newcastle, Gladbach und Benfica große Vereine sind.

90minuten: Warum klappt es bei dem einen, bei dem anderen nicht?

Lazaro: Bei Inter kommst du ja nicht gerade zu einem kleinen Verein, und gerade ein Trainer wie Antonio Conte braucht sofort Erfolg. Das war ich so noch nicht gewohnt. Dass ich in der Vorbereitung drei Wochen pausieren musste nach einem Testspiel und die neue Sprache zu lernen hatte, hat bestimmt nicht geholfen. So waren die ersten Monate etwas schwer. Nach drei oder vier Monaten durfte ich das erste Mal von Beginn an ran, und konnte mit einem Assist zum Sieg beitragen. Aber die Mannschaft war so gut, dass Conte keinen Grund hatte, wen anderen spielen zu lassen.

Wegen der EM wollte ich dann Spielpraxis, dann ging es eben nach Newcastle, aber dann kam Corona, die EURO wurde verschoben. Danach war ich in Mönchengladbach, mit diesem Hin und Her ist es einfach schwierig, sich durchzusetzen. Und dann hat Inter ja auch viel Geld gezahlt... Bei Torino bekam ich dann die Chance und von Tag eins weg die notwendige Rückendeckung. Sie geben mir bis heute das Vertrauen, ich konnte mir in Italien einen Namen machen. Es ist wirklich mein Zuhause geworden und ich zahle das Vertrauen auch zurück. Derzeit bin ich beispielsweise viertbester Assistgeber der Serie A.

90minuten: Mittelstand in Italiens Oberhaus ist natürlich nicht nichts, aber warum hat es nicht für ganz oben gereicht?

Lazaro: Ich habe schon sehr viel miterlebt und werde dennoch erst 29 Jahre alt. Mit 22, 23 bin ich zu einem Weltverein mit einem Trainerstar gekommen, da war ich es noch nicht so gewohnt, so viel gefordert zu werden. Das sage ich auch ganz ehrlich. Ich habe noch viel Energie und Zeit und man weiß nie, was passiert. Vielleicht bekomme ich nochmals die Chance bei einem größeren Verein.

Ich war ja mit 16 Jahren das erste Mal in Mailand ein Spiel anschauen und habe davon geträumt, eines Tages vielleicht gegen sie zu spielen. Dann klopft dieser Weltverein an.

Valentino Lazaro

90minuten: Wobei retrospektiv klar ist: Wenn ein Verein wie Inter anklopft, geht man hin.

Lazaro: Ich war ja mit 16 Jahren das erste Mal in Mailand ein Champions-League-Spiel anschauen und habe davon geträumt, eines Tages vielleicht gegen sie zu spielen. Und ich hab davor ja erst zwei Jahre als Rechtsverteidiger gespielt. Dann klopft dieser Weltverein an. Du kannst zu deinem Traum nicht Nein sagen. Das werde ich auch niemals bereuen.

90minuten: Wenn man sich den Transfersommer 2017 ansieht, als Hertha dich zunächst geliehen hat, stehen da auch große Namen auf der Liste, wie Konrad Laimer oder Mergim Berisha. Einige andere, die es nicht "geschafft" haben. Dimitri Oberlin etwa hatte große Vorschusslorbeeren, verdingte sich in den letzten Jahren aber in der Schweiz, Türkei und nun Rumänien. Auch ein Ante Rogujic kam mit großen Vorschusslorbeeren, der ist via Rumänien zurück nach Zypern... Warum geht der eine steil, der andere nicht?

Lazaro: Jeder Spieler hat seine eigenen Qualitäten. Laimer ist anders als Oberlin. Und das nächste ist dann die Einstellung. Mir wurde ja auch oft vorgeworfen, dass ich nicht der klassische österreichische Typ außerhalb vom Feld bin. Was ich mir bis heute aber nicht vorwerfen kann – außer vielleicht in jungen Jahren von 16 bis 19 – ist, dass die Einstellung nicht gepasst hat. Dann brauchst du natürlich Glück und Timing. Da spielen viele Faktoren mit. Der Konny hätte sich überall durchgesetzt, ein anderer braucht ein anderes Umfeld.

90minuten: Die Frage, wie aus einem Talent ein Profi wird, beschäftigt ja schon Generationen. Wenn ich ein bisschen an deinen Ex-Verein in Salzburg denke, hat man so ein bisschen das Gefühl, dass es nicht so läuft, vielleicht geht's denen auch zu gut?

Lazaro: Das kann ich so nicht sagen, weil ich die Jungs privat nicht verfolge, aber wie ich den Verein kenne, ist das schon ein professionelles Umfeld und ein Klima, bei dem du Spaß an der Arbeit hast. Du bist da quasi auf so einer Welle und gehst in jedes Spiel mit einem Gefühl, dass man es gewinnt. Wenn das dann über viele Spiele nicht so gut läuft, bist du als Junger in einer ungewohnten Situation, spürst das erste Mal Druck. Man sollte gewinnen, tut es aber nicht. Das ist für alle schwer, sich da wieder das notwendige Selbstvertrauen einzuimpfen.

90minuten: Inwiefern hat es dich überrascht, dass Sturm einmal vorbeikommt? Nicht einmal Bayern München wird immer Meister.

Lazaro: Das wollte ich gerade sagen. Es war klar, dass irgendwann mal wer anderer Meister wird. Ich hoffe, dass meine Roten auch erfolgreich sind und näher rankommen, aber auch so ist es für die ganze Bundesliga gut. Salzburg war ja schon an einem Punkt, dass sie international sehr ernst genommen wurden. Wenn man jetzt wahrnimmt, dass das auch andere können außer ihnen als Zugpferd, zeigt das ja wiederum eine höhere Qualität.

Torino ist nicht nichts, aber mit knapp 29 Jahren kann man schon träumen, noch einen Vertrag bei einem noch größeren Klub zu unterschreiben.
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Torino ist nicht nichts, aber mit knapp 29 Jahren kann man schon träumen, noch einen Vertrag bei einem noch größeren Klub zu unterschreiben.

90minuten: Kommen wir noch zur Privatperson Valentino Lazaro. Wenn man sich durch dein Instagram scrollt, gibt es den Sportler, den Fashion-Fan und den Hundehalter.

Lazarao: Ja, der ist immer bei mir (Dreht die Webcam zum Hund, der neben ihm liegt).

90minuten: Sonst findet man wenig. Welche Rolle spielt diese Episode aus 2019, als du ein Foto von dir im Privatjet gepostet hast und kritisiert wurdest? Es wirkt so, als ob du danach kaum noch wirklich Privates gepostet hast.

Lazaro: Nein, gar nicht. Jetzt, wo du es sagst, denke ich das erste Mal darüber nach. Aber es ist halt wirklich einfach so, dass sich mein Leben speziell in Turin nur um den Fußball dreht. Alles andere ist mir, wenn ich das so sagen kann, relativ scheißegal, auch was in den Medien geschrieben wird. Auch wenn das Management sagt, dass das nicht gut ist für mein Image oder so. Es gab halt Gründe dafür. Vielleicht war ich damals auch noch jung und wollte mich rechtfertigen. Ich kann mich ja dran erinnern, dass ich damals ein Interview gegeben habe.

90minuten: Ist es also eine bewusste Entscheidung, das Privatleben nicht zu teilen?

Lazaro: Früher hat es schon an mir genagt, wenn Menschen ein falsches Bild von mir hatten. Vielleicht habe ich mich etwas zurückgezogen. Je älter und reifer du bist, desto freier willst du leben.

90minuten: So mancher deiner Kollegen schickt ja beispielsweise Hochzeitsfotos herum.

Lazaro: Wenn es für mich einen Moment gibt, in dem ich denke, dass ich etwas posten will, dann mache ich das.

90minuten: Aber generell fühlst du dich in Turin bzw. Norditalien sehr wohl, das passt ja auch zu deinem Faible für Mode, zumindest eher als Nordengland.

Lazaro: Also ich kann sagen, wenn du aus Mailand nach Newcastle kommst, ist es erstmal ein richtiger Schock. Heute bin ich oft an freien Tagen in Mailand, bei Fashionshows oder treffe Freunde. Man fährt ja nur eine Stunde und zehn Minuten hin.

90minuten: Für welchen Klub würdest du das aufgeben?

Lazaro: Mein Management ist natürlich auch schon mit Vereinen in Kontakt, weil mein Vertrag jetzt am Auslaufen ist. Selbst wenn er verlängert wird, stellt sich ja die Frage, ob ich wechsle oder nicht. Das beste, was ich tun kann, ist meine Leistung zu bringen, vielleicht schaffe ich es ja, die Saison als einer der drei besten Assistgeber abzuschließen. Das wäre der Hammer. Wenn wer anruft, muss es natürlich sportlich Sinn machen.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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