Klagenfurt-Routiniers: "Viel Spannung, wenig Planungssicherheit"
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Klagenfurt-Routiniers: "Viel Spannung, wenig Planungssicherheit"

Thorsten Mahrer und Christopher Wernitznig haben in den letzten Jahren zusammengenommen rund 600 Bundesliga-Spiele absolviert. Im 90minuten-Doppelinterview erklären die Austria Klagenfurt-Routiniers, wie sie die Entwicklung der Liga sehen.

Es ist schon ein bisschen Wasser die diversen Flüsse Österreichs hinuntergeflossen, seit Thorsten Mahrer und Christopher Wernitznig das erste Mal in der Bundesliga aufgelaufen sind. Mahrer debütierte 2015 für den SV Mattersburg in der höchsten Spielklasse, Wernitznig 2011, im Dress des FC Wacker Innsbruck.

Alleine diese Informationen reichen aus, um zu wissen: Will man sich über die Entwicklung der Bundesliga unterhalten, sind die beiden heutigen Austria Klagenfurt-Kicker die richtige Adresse. 90minuten hat sie anlässlich des Schwerpunkts zur Zukunft der Bundesliga zum Doppelinterview geladen.

90minuten: Lieber Thorsten, lieber Christopher. Wer von euch hat am 1. Spieltag der Saison 2015/16 sein Debüt gefeiert?

Thorsten Mahrer: Ja, das war ich. Er war ja viel früher dran.

90minuten: Am 16. April 2011, Gegner von Wacker Innsbruck war der SK Rapid, das war's bei dir, Christopher. Könnt ihr euch noch an eure ersten Spiele erinnern?

Mahrer: Wir haben daheim gegen Salzburg gespielt und auch gewonnen. Das war ein gutes erstes Spiel.

90minuten: Markus Pink nach Perlak-Vorlage, Alexander...

Mahrer: ...Ibser in der letzten Minute. Das war ein ganz schwerer Abwehrfehler und er ist von der Mittellinie alleine aufs Tor zugelaufen.

Christiopher Wernitznig: Es ist 3:0 für Rapid gestanden, dann bin ich reingekommen, so für 15, 20 Minuten. Am Ende haben wir 3:0 verloren.

90minuten: Gibt es unter den über 200-Mahrer- bzw bald 400-Wernitznig-Bundesliga-Spielen eines, an das ihr euch besonders gern erinnert?

Mahrer: Das erste Bundesligaspiel mit Sieg gegen Salzburg war schon sehr gut. Und es klingt ein bisschen blöd und es war nicht unbedingt ein Bundesligaspiel, aber es war das Relegationsspiel in Klagenfurt gegen St. Pölten. Es durften Corona-bedingt davor keine Zuschauer rein, es war das erste mit Zuschauern und 3.000 sind gekommen. Diese haben so eine geile Stimmung gemacht, wir haben 4:0 gewonnen – das war extrem geil.

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Schon etwas länger her: Christopher Wernitznig im Dress von Wacker Innsbruck im Duell mit Grödig im Jahr 2013

Wernitznig: Für mich war es das Spiel um Platz 1 im Jahr 2014 mit dem WAC in Klagenfurt gegen Salzburg. Da haben wir 1:0 gespielt, ich selbst hab nach 44 Minuten meine bislang einzige rote Karte in der Karriere bekommen. Ich bin gegen Soriano zu spät gekommen, ganz klare rote Karte. Auch das Spiel um Platz 3 gegen Sturm um die direkte Europa League-Qualifikation 2018/19 war ein cooles Spiel.

90minuten: Das waren schöne Momente – was waren die, sagen wir, bescheidensten?

Wernitznig: Auf alle Fälle der Abstieg von Wacker Innsbruck. Wir sind eigentlich gut in die Saison gestartet, dann aber sang- und klanglos abgestiegen und das stand schon Wochen vor der letzten Runde fest. Es war auch von mir eine schwache Saison mit nur einem Tor und einer meiner bittersten Momente.

Mahrer: Ich bin zum Glück noch nie abgestiegen, aber als in Mattersburg der Bankenskandal ans Licht kam, auch wenn das jetzt nicht unbedingt etwas am Platz war, war das schade. Es war bis dahin der einzige Verein, für den ich länger in der Bundesliga gespielt hatte. 

90minuten: Inwiefern hat sich der Beruf des Profifußballers seit euren Debüts verändert?

Mahrer: Es wird alles moderner. Früher hat man sich auf den Fußball konzentrieren können und wenn ich mir alte Interviews ansehe, war es auch recht egal, was man da gesagt hat. Heute wird alles aufgezeichnet, auch wie man sich neben dem Platz verhält, Social Media ist ein riesiges Thema. Das ist auch für die Vereine superwichtig, weil sie zusätzlich Reichweite erhalten und sich gut vermarkten können. 

Wernitznig: Mittlerweile trainiert man mit GPS-Systemen, alles wird aufgezeichnet. Wir sind glaub ich der einzige ohne. Beim WAC hat man während des Trainings oder auch Spiels darauf geschaut, wie beispielsweise die Sprintwerte sind. So kann man Trainingssteuerung betreiben, die Verletzungsgefahr minimieren.

Früher hat man sich auf den Fußball konzentrieren können und wenn ich mir alte Interviews ansehe, war es auch recht egal, was man da gesagt hat.

Thorsten Mahrer

90minuten: Macht es so am Platz weniger Spaß?

Wernitznig: Das hat sich nicht geändert.

Mahrer: Die Anforderungen sind anders. Alle Offensivspieler müssen super schnell sein, zudem wird physischer gespielt. Aber es macht mir immer noch genauso viel Spaß wie vor 15 Jahren und es Leuten vor 50 oder 100 Jahren Spaß gemacht hat.

90minuten: Wir haben schon über Social Media gesprochen. Seid ihr froh, dass es früher beim Feiern noch nicht so viele Smartphones gegeben hat?

Mahrer: (beide grinsen) Vermutlich hatte jeder schon einen Moment, wo man sich gedacht hat: Gott sei Dank hat das niemand gefilmt. Aber jeder Fußballer ist auch ein Mensch, ich finde es dann schade, wenn jede Kleinigkeit auf die Waagschale gelegt wird. Auch Fußballer machen Fehler oder trinken einen zu viel.

Wernitznig: In Deutschland ist das viel schlimmer. Der Kicker und die Bild-Zeitung haben ja überall Mitarbeiter. Ich habe auch Geschichten gehört, dass sie Mitarbeiter in Klubs schicken und die schauen, ob sie jemanden treffen, der einen Blödsinn macht. Das ist meiner Meinung nach übertrieben. Wenn ich einmal ein Bier trinken will und man wird dabei immer gefilmt, muss das nicht sein.

90minuten: Bleiben wir beim Ausland, die Frage geht nur an Christopher. Was hat Thorsten bzw. wir alle verpasst? Wie ist es, in Moskau, Rotterdam, Dortmund oder London zu kicken?

Wernitznig: Mit der Mannschaft und der Familie durch Europa zu reisen, ist schon ein Erlebnis. Schade, dass viel während der Corona-Zeit war. Das war für die Fans nicht die beste Zeit. Es war eine riesige Erfahrung, beispielsweise in Dortmund. Finanziell hätte ich das auch gerne öfters gehabt.

90minuten: Was würdet ihr gerne aus dem Ausland nach Österreich bringen? Was fehlt uns?

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Thorsten Mahrer 2015 im Infight mit Naby Keïta, als es den SV Mattersburg noch gab

Mahrer: Wenn man volle Stadien hat, bringt das auch deutlich mehr Geld in die Kassen der Vereine. Eine geile Atmosphäre mit vollen Stadien, das würde man sich schon wünschen.

90minuten: Apropos Ausland. Ihr habt diesen Schritt beide nie gemacht. Warum nicht?

Wernitznig: Natürlich hätte ich gerne einmal etwas anderes gesehen, aber ich bin zufrieden mit dem Erreichten. Vielleicht waren wir auch zum falschen Moment gut. Bei Innsbruck, als ich 21, 22 war, habe ich viele Tore gemacht, hatte aber noch einen Vertrag und sie haben mich nicht gehen lassen. Ein konkretes Angebot hatte ich dann nie am Tisch.

90minuten: Schafft man es in eine große Liga, hat man ausgesorgt. Was plant ihr nach der Karriere?

Wenitznig: Ich habe vor drei Jahren mein Lehramtsstudium begonnen. Ich studiere nicht so viel wie ein normaler Student, versuche aber so viel wie möglich zu schaffen. Nach der Karriere möchte ich Bildungskarenz in Anspruch nehmen, Vollzeit studieren und das Studium beenden.

Mahrer: Ich bin erst relativ spät Profi geworden und mein Studium schon abgeschlossen (Anm.: Bachelor für Wirtschaftsberatung). Ich mache mir keine großen Sorgen und konzentriere mich auf den Fußball und will es so lange machen, wie es Spaß macht und mein Körper zulässt. Danach gibt es andere spannende Aufgaben.

90minuten: Dass es danach weniger Geld gibt, das ist dann so?

Mahrer: Da machen wir uns beide nichts vor. Was wir jetzt verdienen, werden wir in den Jobs danach nicht sofort verdienen.

90minuten: Klagenfurt hat ein schönes Stadion – warum ziehen „kleinere“ Vereine in Österreich nicht?

Wernitznig: Es fehlt einfach die Fanbasis, es fehlt oft an Tradition. Das Kärntner Publikum ist vielleicht auch ein bisschen schwierig, man schaut lieber Eishockey oder Skifahren. Fußball ist hier leider nicht die Nummer eins. Eine wirkliche Erklärung habe ich aber nicht.

Natürlich hätte ich gerne einmal etwas anderes gesehen, aber ich bin zufrieden mit dem Erreichten. Vielleicht waren wir auch zum falschen Moment gut.

Christopher Wernitznig

Mahrer: Geschichte ist auch entscheidend. In Deutschland hat schon der Opa oder Uropa seinen Sohn ins Stadion mitgenommen und der wieder seine Kinder. Bei uns war der Verein ganz weg vom Fenster und musste sich erst neu aufstellen. Es dauert, bis es diese Basis gibt.

90minuten: Welche Rolle spielen die Medien? Bei großen Klubs ist jede Kleinigkeit ein Bericht. Muss man mehr schreiben?

Mahrer: Ich weiß nicht, ob man mehr schreiben muss. Vielleicht ist die Berichterstattung auch negativ behaftet.

90minuten: Hat sich der Zuspruch verändert, seit Klagenfurt regelmäßig oben spielt?

Wernitznig: Mehr Fans sind nicht gekommen.

Mahrer: Die Erwartungshaltung ist gestiegen. Um was zu bewegen, braucht es wohl einen großen Schritt nach Europa. Es sind trotzdem super schöne Jahre und wir haben dreimal alle überrascht.

90minuten: Was fehlt einem kleinen Verein zum großen Schritt, also etwa Europa?

Mahrer: Nicht viel. Wir haben letztes Jahr eine super Saison gespielt und waren super nahe dran. In der Meistergruppe war es oft knapp und es ging gegen uns aus. Mit der Punkteteilung braucht man im richtigen Moment einen Lauf, dann gibt es die Chance, um die internationalen Plätze mitzuspielen. Dieser Lauf ist uns noch nicht so gelungen.

90minuten: Wie ist die Zwölferliga für Spieler im Vergleich zur Zehnerliga?

Wernitznig: Die Zehnerliga war auch für die Spieler schon ziemlich fad. Bei vier Spielen gegen jede Mannschaft weiß man, wie alle spielen. Auch die Zwölferliga hat Nachteile, aber es kommt mehr Spannung rein. In der Qualifikationsgruppe ist man nach zwei, drei verlorenen Spielen mitten im Abstiegskampf.

90minuten: Und wann werden zwölf Vereine fad?

Mahrer: Gerade mit der Punkteteilung ist es für die Fans super spannend, für die Vereine gibt es dadurch weniger Planungssicherheit. Lustenau hat zehn Punkte bis zur Tabellenteilung gehabt und hatten dann alle Möglichkeiten auf den Klassenerhalt. Ob das sonderlich fair ist, weiß ich aber nicht.

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Ein Wunsch der Kicker wäre es, dass das Stadion in Klagenfurt regelmäßig besser gefüllt wäre

90minuten: Hat das Niveau der Liga zugenommen? Laut Fünfjahreswertung sind wir knapp an den Top10 dran.

Mahrer: Die Punkte für die Fünfjahreswertung holen ja nur die Mannschaften, die international spielen, es spiegelt nur das beste Drittel wider. Vielleicht ist Polen in der Breite auch besser. Salzburg oder Sturm holen viele Punkte, darum stehen wir, wo wir sind. Die Liga ist aber gerade für Talentierte ein super Sprungbrett. Es passieren ja immer wieder unglaubliche Wechsel.

90minuten: Wer war denn der beste Kicker, gegen den ihr gespielt habt?

Wernitznig: Sadio Mané war schon richtig gut.

Mahrer: Bei Haaland hat man schon gesehen, was für Anlagen und welchen Torhunger der hat. Aber auch andere: Minamino, Keita, da waren schon ein paar Leute am Platz, bei denen man gesehen hat, wie gut sie sind.

90minuten: Machen solche Kicker einen selbst besser?

Mahrer: Du wirst auf jeden Fall besser, wenn du gegen gute Spieler spielst. Man sieht, wo man sich verbessern muss. Sie spielen international und brauchen eine Topqualität. Es ist auch ein super erfolgreiches Geschäftsmodell für die Vereine und spannend für die Liga, Topspieler herauszubringen. Wir können uns nicht über gute Gegenspieler beschweren.

Wenitznig: Ich finde, es ist eine win-win-Situation.

90minuten: Ist die Liga aus eurer Sicht finanziell stabiler geworden?

Wernitznig: Das kommt auf den Verein drauf an, beispielsweise bei der Pünktlichkeit der Zahlungen.

Mahrer: Die Kontrollorgane sind genauer geworden. Da war die Liga schon dahinter, dass alles professioneller wird.

90minuten: Wie schätzt ihr die Entwicklung der Liga allgemein ein?

Wernitznig: Wir sind auf einem guten Weg mit unseren internationalen Aushängeschildern Salzburg, Sturm und LASK. Die Entwicklung geht nach oben.

Mahrer: Da stimme ich zu. Es wäre schön, wenn sich zuschauermäßig noch mehr tun würde.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!

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