Den geforderten Jahresabschluss hat Austria Klagenfurt zu spät abgegeben, im Herbst machten deshalb Gerüchte die Runde, der Klub hätte finanzielle Probleme. Und tatsächlich: Nach Steuern stand für die Saison 2023/24 ein Minus von 2,7 Mio. Euro. Nun ist auch noch die Meistergruppe verpasst worden.
Sorgen machten sich viele, einer aber nicht: Zeljko Karajica, der mit der SEH Sports & Entertainment Holding Hauptgesellschafter der Austria ist. Im Interview verspricht er gute finanzielle Nachrichten und spricht auch über Klagenfurt 2.0, Millionentransfers und Martin Hinteregger.
90minuten: Drei Jahre lang war Austria Klagenfurt in der Meistergruppe. Warum hat es jetzt nicht geklappt?
Zeljko Karajica: Diese Jahre in der Meistergruppe haben uns die wenigsten zugetraut. Das ist in den oberen zehn Prozent unserer Erwartung gewesen. Wir finden das super, aber ordnen es richtig ein. Im Sommer haben wir einen Umbruch vorgenommen und die Mannschaft deutlich verjüngt. Wir sind im Schnitt dreieinhalb Jahre jünger. Ältere, verdiente Spieler haben uns verlassen, die Talente stammen teilweise aus der Akademie. Das ist Austria Klagenfurt 2.0. Insofern ist es völlig logisch, dass, wenn Verletzungen dazu kommen, Schwankungen gegeben sind und man nicht automatisch Richtung Meistergruppe schaut. Das braucht alles seine Zeit und wir sind insofern im Rahmen.
90minuten: Welche Auswirkungen hat die Teilnahme "unten" finanzieller Natur, abgesehen von der Möglichkeit absteigen zu können. Man kann keine Verträge verlängern, keine Neuverpflichtungen mit fixer Teilnahme an der Bundesliga im nächsten Jahr tätigen. Und Sponsoren haben auch lieber Sturm, Rapid oder Salzburg zu Gast als Altach und Hartberg.
Karajica: Es gibt mit keinem Sponsor eine Vereinbarung, die besagt, dass wir oben mitspielen müssen. Insofern gibt es da keine negativen Auswirkungen. Umgekehrt könnte man ja auch fragen, was es uns gebracht hat, drei Jahre oben mitzuspielen. Da gab es auch keine Sponsoren-Nachschläge. Die Verträge sind für die Bundesliga getroffen.
Ich hoffe, dass wir nicht die einzigen sind, die das machen, dass die strategische Planung nicht komplett davon abhängt, ob man nach 22 Runden Sechster oder Siebter ist.
90minuten: Das ist eh logisch...
Karajica: Wir machen uns aber nichts vor, es ist wegen der Planungssicherheit schon gut, oben zu spielen. Man kann im Tagesgeschäft schnell nach vorne schauen. Die Tabelle ist ja geteilt, die Hälfte der Liga hat dasselbe Thema wie wir und es gehört zum professionellen Arbeiten dazu, dass man mit einem Auge auf das nächste Jahr schaut. Ich hoffe, dass wir nicht die einzigen sind, die das machen, dass die strategische Planung nicht komplett davon abhängt, ob man nach 22 Runden Sechster oder Siebter ist.
Wir werden unseren Kurs unabhängig davon umsetzen. Das sieht man ja jetzt schon mit Jannik Robatsch, Simon Spari oder Matteo Kitz. Auch das Ausnahmetalent Dino Delic wird man am Feld sehen. So schaffen wir Marktwert. Darüber hinaus sind sie alle Österreicher, wir werden das erste Mal versuchen, am Österreicher-Topf teilzunehmen.
90minuten: Die Erträge steigen auf 9,54 Mio. Euro (von 8,65) Euro, nach Steuern steht aber ein Verlust in der Höhe von 2,7 Mio. Es wurde viel spekuliert, wie schwierig war der Herbst, auch wegen des fehlenden Hauptsponsors? Die Austria gab beim Abgeben der Lizenz an, 2024/25 kein Minus zu haben.
Karajica: Ich kann Ihnen heute schon eine Garantie abgeben, dass wir schwarze Zahlen schreiben werden, auch ohne Hauptsponsor. Dieses Geschäftsjahr geht auch noch vier Monate, aber die Entwicklung ist absehbar und das haben wir der Liga auch so kommuniziert. Zwar gibt es verschiedene Erlösströme und es ist nicht immer absehbar, ob sie so eintreten, aber die Kosten sind abschätzbar.
Der Umbruch führte zu Kosteneffekten und davon profitieren wir hinsichtlich Profitabilität. Es hilft auch, weitere Altlasten abzutragen. Weil wir den Weg konsequent fortsetzen, werden wir nächste Saison die Kosten weiter reduzieren, und nicht alles mit beiden Händen raushauen.

90minuten: Es reicht wirklich in dem Ausmaß, erfahrene Spieler herzugeben?
Karajica: Es ist ja kein Geheimnis, dass Wimmer, der zum WAC gegangen ist, mehr kostet als Robatsch. Dafür muss man kein Insider sein. Und es gibt noch mehr Beispiele. Noch einmal: Wir bauen Wert auf. Robatsch ist 20 Jahre alt und es gilt dasselbe wie beim 18-jährigen Matteo Kitz – das ist unser Weg. Nach vier, fünf Jahren ernten wir die ersten Früchte von dem, was wir in die Akademie investiert haben. Das ist kein Lippenbekenntnis: Wir haben vier Spieler von dort, die ihre Spielzeiten in der ersten Mannschaft bekommen.
90minuten: Wie kommt ein Klub zu Geld? Klar, Zuschauer, Europacup, ein großer Brocken sind aber Transfereinnahmen wie möglicherweise bei Robatsch.
Karajica: Erstmal: Wenn sie auf die unsinnige E-Mail anspielen... (Anm.: Ein Gerücht, das die Krone in die Welt gesetzt hat.)
90minuten: … nein, das meine ich nicht!
Karajica: Jaja, ich möchte nur sagen, dass sich da einer Ihrer Kollegen ausgetobt und die E-Mail nicht hergezeigt hat, weil es sie nicht gibt. Robatsch hatte einen Marktwert von 100.000 Euro, jetzt wird er um 800.000 Euro gehandelt und ist Stammspieler, spielt auf Augenhöhe mit Salzburg und Co. Er, Kitz oder Delic kommen aus der Jugend und bekommen ihre Einsätze.
Wir haben mit 50 Kindern in der Akademie angefangen, sind bei über 400 und können keine weiteren aufnehmen, weil wir an unsere Kapazitätsgrenze stoßen. Wenn Sie mich fragen, ob ich lieber viel Geld investiere, um nicht in der Qualifikationsgruppe zu spielen oder eigene Spieler entwickle und wie jetzt fünf U-Nationalspieler habe, ist die Antwort für mich klar.
Da kann ich jetzt viel jammern, aber das System ist nun einmal so. Was ich beeinflussen kann, ist die konsequente Arbeit und die Jungs langsam an die erste Mannschaft heranzuführen.
90minuten: Es wird aber noch dauern, bis Klagenfurt sinnvoll siebenstellige Transfererlöse lukriert. Auch Rapid verkauft bislang eher im niedrigen siebenstelligen Bereich. Für eine halbe Million braucht man Robatsch nicht zu verkaufen.
Karajica: Das werden wir auch nicht tun. Ich gebe Ihnen zu 50 Prozent recht, aber wir haben Andy Irving aus der dritten Liga Deutschlands von Türkgücü geholt und um 1,76 Mio. Euro an West Ham verkauft. Der hat gegen Chelsea gespielt und ist A-Nationalspieler. Ganz so, dass wir nichts auf die Reihe bekommen, ist es nicht. Aber es ist uns bewusst, dass man das nicht vom einen auf den anderen Tag erreicht. Der erste Teil ist abgeschlossen:
Wir verfügen über fünf U-Nationalspieler, die in einer Altersklasse spielen, die für die Kampfmannschaft relevant ist, vier haben schon dort gespielt. Das wird nicht sofort zehn Millionen Euro bringen, aber mehr, als wir davor verdient haben. Das verbessert automatisch unsere Bilanz und bringt uns aus eigener Kraft nach vorne. Am Ende kann man streiten, wie viel es wird und es wird weniger sein, als Salzburg oder Sturm verdienen - aber wir haben auch geringere Kosten.
90minuten: Ich stimme zu, dass Irving bei selber Leistung für Rapid Hausnummer fünf Millionen gebracht hätte, bei Sturm zehn und bei Salzburg 15.
Karajica: Da kann ich jetzt viel jammern, aber das System ist nun einmal so. Ob es dann 800.000 oder 1,5 Mio. sind, auch darüber kann man diskutieren. Was ich beeinflussen kann, ist die konsequente Arbeit und die Jungs langsam an die erste Mannschaft heranzuführen. Mit Peter Pacult haben wir einen Trainer, der das kann. Und man muss mal drei, vier Transfers machen, damit die Welt da draußen es mitbekommt, dass man sich Klagenfurt-Spieler ansieht. Es ist ein Prozess, 20 Jahre lang waren wir nicht die erste Adresse am Transfermarkt.

90minuten: Jetzt stelle ich wirklich eine provokante Frage: Bei Transfermarkt stehen eben 1,76 Mio. Euro für Irving. Wie viele Irvings müssen Sie verkaufen, damit die Austria Ihnen nichts mehr schuldet?
Karajica: Ich freue mich darüber, dass wir in Zukunft hoffentlich regelmäßig solche Transfers machen, die dann auch die Unabhängigkeit und Stabilität von Austria Klagenfurt sicherstellen werden – auch ohne Gesellschafter und Zuwendungen von außen. Das wird eben schon 2024/25 so sein und da ist noch kein Transfer budgetiert.
90minuten: Aber es wird noch dauern, bis Sie Ihr Geld zurück bekommen.
Karajica: Das kann man so sagen, ein paar Anlaufverluste sind entstanden.
90minuten: Wann wird es so weit sein?
Karajica: Wenn Sie mir helfen, einen Spieler um zehn Millionen zu verkaufen, wird es deutlich schneller gehen als wenn wir für 500.000 Euro verkaufen. (lacht) Spaß beiseite, es spielen so viele Komponenten mit. Auf den ersten Blick ist Fußball einfach, aber auch sehr komplex.
90minuten: Eine komplexe Sache ist es auch, Fans ins Stadion zu bringen. Der Schnitt bewegt sich zwischen 4.000 und 4.500. Altach hat mehr, ist kleiner und sportlich nicht so stark. Wie dick sind die zu bohrenden Bretter, damit die Leute zur Austria gehen und nicht zum KAC und zum VSV?
Karajica: Ganz banal: Ich bin nicht zufrieden. Wir haben eines der schönsten Stadien Österreichs, mit einer großen Kapazität und es würde sich mehr Fans verdienen. Aber Sie wissen auch, wo wir in Summe stehen.
90minuten: Aktuell hat man den neuntbesten Schnitt.
Karajica: Wir pendeln zwischen sieben und neun. Ich will damit sagen: Wir haben den Verein vor fünf Jahren übernommen, im Jahr darauf wurden im Wörthersee-Stadion Bäume gepflanzt und wir haben unsere Heimspiele am Nebenplatz ausgetragen. Das rechtfertigt nichts, aber ich weiß, dass Fußball von Tradition und wiederholten Erfahrungen lebt. Sie werden mir recht geben, dass in den 20 Jahren vor unserem Einstieg nicht viel stattgefunden hat.
Es gibt im Sommer und Winter viele Freizeitmöglichkeiten und bevor ich im Winter bei minus drei Grad im Stadion sitze und mir das Spiel gegen Altach anschaue, da gehen viele lieber Skifahren.
90minuten: Da wird der ehemalige Präsident wohl anrufen und sich aufregen.
Karajica: Sie wissen, dass es Turbulenzen und Zwangsabstiege gab. Aber Klagenfurt hat nicht Jahr für Jahr Bundesliga gespielt. Es ist einfach sehr lange nichts passiert. Man muss die Leute erst wieder daran gewöhnen, zum Fußball zu gehen. Beim Eishockey sind fast immer 5.000 Menschen da. Und die Menschen überlegen sich, wo sie ihre Freizeiteuros ausgeben und es dauert, bis sie sich umgewöhnen. Ich wünsche mir, dass wir schneller wären, aber es dauert in diesem Geschäft.
Es ist zäh und die Konkurrenz ist so, wie sie ist. Es gibt im Sommer und Winter viele Freizeitmöglichkeiten und bevor ich im Winter bei minus drei Grad im Stadion sitze und mir das Spiel gegen Altach anschaue, da gehen viele lieber Skifahren. Es braucht hier Geduld, weil Zuschauer eine große Einnahmequelle sind. Vor fünf Jahren hatten wir 850 Zuschauer gegen Horn. Das ist schon eine Entwicklung.
90minuten: Ein Wort noch zu Martin Hinteregger. Dass er kicken kann, wissen wir, aber Sie werden auch ein Auge aufs Marketing gehabt haben...
Karajica: Es zahlt in vielerlei Hinsicht ein. Er kann auf Bundesliganiveau spielen, nach mehr als zwei Jahren Pause ist er sicher noch nicht bei 100 Prozent, kann uns am Feld aber direkt extrem weiterhelfen. Es hätte auch sein können, dass er sich verletzt nach so einer langen Auszeit. Und auf Social Media bekommt er dreimal so viele Likes aus Frankfurt wie aus Kärnten. Man sieht, dass er internationales Renommee bringt. Das brauchen wir auch im Marketing.
Es ist richtig, auf die Jungen zu setzen, aber man braucht auch Erfahrene, von denen sie profitieren können und die wir im Marketing auch brauchen. Er kann natürlich mehr Aufmerksamkeit generieren als ein 17-Jähriger aus der Akademie. Es braucht einen Mix aus beiden.
90minuten: Wenn ich Sie heute in fünf Jahren anrufe, welche Kennzahlen möchten Sie erreicht haben?
Karajica: Klagenfurt soll ein Stammgast in der Meistergruppe sein, wir sollen mindestens um die Qualifikation um Europa mitspielen und den Weg mit eigenen Talenten konsequent fortsetzen. In fünf Jahren will ich einen Nationalspieler entwickelt haben. Und die Zuschauerzahlen sollen um 50 Prozent höher und Kärnten soll Sponsoren-seitig deutlich besser erschlossen sein. Dann kann die Klagenfurter Austria ein fester Bestandteil der ersten Bundesliga sein.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!
VIDEO: Wird die Punkteteilung abgeschafft?