Beim aktuellen Tabellenvierten der 2. Liga - der Kapfenberger SV - hat man die Länderspielpause für eine Vertragsverlängerung genutzt: Trainer Ismail Atalan hat ein neues Arbeitspapier, das bis Sommer 2026 läuft, unterschrieben.
Selbstverständlich war das nicht, Kapfenbergs erfolgreicher Saisonstart hat Begehrlichkeiten bei anderen Vereinen geweckt. Im 90minuten-Interview erklärt Atalan, warum er trotzdem in der Steiermark bleiben will.
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90minuten: In der Länderspielpause hast du deinen Vertrag vorzeitig verlängert. Wenn man sich anschaut, welche Trainer in Österreich noch auf eine Verlängerung warten müssen, sagt das schon etwas aus. Siehst du das als Vertrauensbeweis vom Verein?
Ismail Atalan: Von beiden Seiten, denke ich. Das zeigt, welches Vertrauen wir in den Weg haben, den wir in den nächsten Jahren gehen wollen.
Im Endeffekt ist als Trainer wichtig, dass man seine Idee auf den Platz bekommt und diesen Prozess sollte man auch zu Ende bringen.
90minuten: Präsident Fuchs hat erwähnt, dass es auch schon die ein oder andere Anfrage für dich gegeben hat. Ist etwas dabei gewesen, das dich wirklich gereizt hätte?
Atalan: Es waren interessante Angebote dabei. Aber ich fühle mich in Kapfenberg sehr wohl. Im Endeffekt ist als Trainer wichtig, dass man seine Idee auf den Platz bekommt und diesen Prozess sollte man auch zu Ende bringen - das war für mich der ausschlaggebende Punkt. Außerdem habe ich ein sehr gutes Verhältnis zum Präsidenten und unserem Geschäftsführer, die mich in allen Belangen unterstützen. Ich schätze es sehr, was ich hier aktuell vorfinde.
90minuten: Als Trainer hast du Höhen, aber natürlich auch das ein oder andere Tief erlebt. Wie schwierig ist es dann, vielleicht auch einmal interessante Angebote abzulehnen? Auch in Kapfenberg kann man sich seiner Sache nie ganz sicher sein.
Atalan: Das ist aber überall so. Man hat bei jedem Verein den Druck, Siege einfahren zu müssen. Von daher hat es für mich keine Rolle gespielt, über den Konjunktiv nachzudenken. Mir geht es darum, dass wir hier unsere DNA auf den Platz bringen. Es ist mir wichtig, als Trainer für etwas zu stehen. Daher möchte ich nicht nach ein paar Spielen das nächstbeste Angebot annehmen, sondern den Weg mit den Jungs weitergehen und zu Ende bringen.
90minuten: Du hast immer wieder betont, wie viel Potenzial du in Kapfenberg und den Spielern siehst - jetzt zeigt sich aber eigentlich wieder: Wenn es in der 2. Liga für ein paar Monate gut läuft, kommen schnell größere Vereine und versuchen sich den Trainer oder Spieler zu holen. Ist es überhaupt möglich, unter diesen Voraussetzungen an einem längerfristigen Projekt zu arbeiten?
Atalan: Natürlich ist das schwer, aber was ist schon einfach im Leben? Die Zeit wird zeigen, was möglich ist. In der Liga stehen alle extrem eng beisammen, es geht in jedem Spiel um Kleinigkeiten, die am Ende entscheiden. Wir müssen es zumindest probieren.
Es ging mir mit der frühzeitigen Verlängerung schon auch darum zu zeigen, dass wir alle daran glauben.
90minuten: Du selbst hast dich also committed. Hast du den Eindruck, dass sich die jungen Spieler auch mit dem Projekt identifizieren?
Atalan: Es ging mir mit der frühzeitigen Verlängerung schon auch darum zu zeigen, dass wir alle daran glauben. Es war mir wichtig, die Plätze im Kader so zu vergeben, dass die Jungs zu ihren Einsätzen kommen. Wir wollten keinen XXL-Kader zusammenstellen oder viele erfahrene Spieler holen. Wir wollten unsere jungen Spieler nahe an der ersten Elf haben, teilweise sogar in der ersten Elf. Die Mannschaft arbeitet sehr hart, das sehe ich täglich. Man spürt, dass die Jungs wollen, jetzt geht es um die Umsetzung.
90minuten: Geschäftsführer Robert Schäfer hat in einem LAOLA1 Zwarakonferenz-Interview erklärt, dass du ein Trainer bist, der auf junge Spieler setzen will, obwohl noch Geld für den ein oder anderen Routinier da gewesen wäre. Warum ist dir dieser Ansatz wichtig?
Atalan: Meine Idee vom Fußball mit hoher Intensität ist älteren Spielern schwerer zu vermitteln, weil sie viel mit dem Auge machen. Meine Mannschaft soll den Ball jagen. Natürlich gibt es Routiniers, die das gut können, aber wenn sie überhaupt auf dem Markt sein sollten, sind sie extrem teuer. Dann setzen wir lieber auf einen Jungen mit viel Potenzial, dessen Entwicklung wir begleiten können.
90minuten: Kommen wir einmal zur bisherigen Bilanz: Es hat ja wirklich sensationell gut begonnen, mit fünf Siegen in Folge. Über die letzten Wochen hat es dann weniger konstant gut funktioniert, wie bringt man die Mannschaft wieder besser in die Spur?
Atalan: Indem wir akzeptieren, dass wir noch nicht so weit sind und einigen Spielern auch noch die Erfahrung fehlt. Es gilt, aus diesen Erlebnissen zu lernen. Vielleicht hört sich das komisch an, aber auch Niederlagen sind deswegen auf unserem Weg eingeplant.
90minuten: Wie gelingt euch das "daraus lernen" bis jetzt?
Atalan: Ganz gut. Wir hatten zum Beispiel Probleme damit, nach Ballverlusten schnell genug ins Gegenpressing zu kommen, dadurch haben wir vertikale Pässe nicht verzögern können. Es war unser erstes Ziel, daran zu arbeiten. Das gelingt uns ganz gut.
Es gilt uns zu stabilisieren, vielleicht auch einmal eine "langweilige" Saison zu spielen, was die Tabelle betrifft.
90minuten: Was mir auch aufgefallen ist: Ihr habt in enorm viele späte Gegentore bekommen. Fast 40 Prozent eurer letzten 15 Gegentore sind in den letzten 10 Minuten gefallen. Hast du dafür eine Erklärung?
Atalan: Die Konzentration. Wenn man sich die Tore anschaut, haben wir uns mit einem schlechten ersten Kontakt oder einem Pass selbst in Bedrängnis gebracht - das sind individuelle Fehler. Dann haben wir in der Box zu sorglos verteidigt, das haben wir natürlich alles analysiert und arbeiten daran.
90minuten: Das ist wahrscheinlich der Nachteil einer sehr jungen Mannschaft…
Atalan: Na klar. Wenn ein 30-Jähriger kurz vor Schluss im Spiel gegen die Vienna auf dem Platz steht, weiß er, dass er den Ball vielleicht lang schlagen sollte, dass er nicht ins Zentrum, sondern nach außen spielen muss. Dieses Risiko gehen wir natürlich ein. Nochmal: Wenn wir daraus lernen, haben wir alles richtig gemacht. Das ist wirklich wichtig.
90minuten: Aktuell steht ihr in der Tabelle natürlich trotzdem ganz gut da. Kann Kapfenberg schon in dieser Saison ein Wort um den Aufstieg mitreden?
Atalan: Wir haben einen klaren Fahrplan. Nach den letzten Jahren, in denen der Verein mehrmals erst kurz vor dem letzten Spieltag die Klasse gehalten hat, wollen wir dieses Jahr in Ruhe arbeiten und unsere Spieler entwickeln. Es gilt uns zu stabilisieren, vielleicht auch einmal eine "langweilige" Saison zu spielen, was die Tabelle betrifft. Nächstes Jahr wollen wir dann weiterschauen.
90minuten: Welchen Eindruck hast du generell von der Liga? Wir haben in den letzten Jahren knappe und sehr klare Entscheidungen erlebt.
Atalan: Die Liga ist viel ausgeglichener, als in vergangenen Jahren. Ich glaube, dass wir noch einige Überraschungen erleben werden. Am Ende denke ich aber schon, dass sich Ried und die Admira mit ihrer Qualität oben festbeißen werden. Wir müssen alle aufpassen, dass wir unsere Punkte einsammeln. Eigentlich können wir wirklich froh sein, dass unsere Liga so spannend ist.
90minuten: In einem YouTube-Video, in dem du im Sommer mitgewirkt hast, wird Kapfenberg als Topverein in der 2. Liga vorgestellt. Siehst du euch schon an diesem Punkt angekommen?
Atalan: Wir sind auf dem Weg, es wird aber noch ein bisschen dauern. Wir stehen dazu, es ist absolut unser Ziel.
Vielen Dank für das Gespräch!