Handl: Der "Möchtegern-Cowboy" in der großen Stadt
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Handl: Der "Möchtegern-Cowboy" in der großen Stadt

"Ich hatte mit dem Profi-Fußball abgeschlossen", sagt der Austrianer. Wie er sich zurückgekämpft hat und wovon er wirklich träumt:

Johannes Handl befindet sich in seiner sechsten Saison als Spieler des FK Austria Wien. Nur Topscorer Dominik Fitz und Ersatzgoalie Mirko Kos sind schon länger bei den violetten Profis.

"Mir bedeutet die Austria fast alles. Dieser Klub hat mir meinen Traum, in der Bundesliga zu spielen, ermöglicht", sagt der 26-Jährige.

Dieser Traum war eigentlich schon zerplatzt. Der Steirer hatte mit dem Profi-Fußball abgeschlossen, bevor er überhaupt dort angekommen war. Und doch hat er es im zweiten Anlauf geschafft.

Im großen 90minuten-Interview spricht der Innenverteidiger über schwere Zeiten, seine Träume im Western-Style, das violette "Ubuntu" und Gespräche im Bauhaus.

90minuten: Du hast vor einigen Wochen dein 100. Bundesliga-Spiel gemacht. Bedeutet dir dieser Meilenstein etwas?

Johannes Handl: Ich schaue nicht explizit drauf. Aber das ist schon eine coole Geschichte. Als ich zur Austria gekommen bin, hätte ich mir nicht erwartet, dass ich für diesen Klub mal so viele Spiele machen darf. Ich bin extrem stolz darauf. Das ist unglaublich.

90minuten: Es hat also Zeiten gegeben, in denen du dir das nicht vorstellen konntest?

Handl: Ich war für die Young Violets geplant. Durch Verletzungen habe ich dann recht schnell in der Bundesliga debütiert, aber der Weg ist auch schnell wieder runter gegangen. Wenn du dann einen Trainer hast, der nicht auf dich baut, verlierst du schnell den Glauben. Aufgegeben habe ich aber nie.

Ich habe in Lafnitz anfangs in der Oberliga gespielt, das hat für mich gereicht.

90minuten: Du hast zwischen 2015 und 2017 fast gar nicht gespielt, hattest – damals als Akademie-Spieler von Sturm Graz – zwei schwere Knöchel-Operationen. Du warst damals 19 Jahre alt.

Handl: Ich hatte damals mit dem Thema Profi-Fußball schon abgeschlossen. Ich habe es nicht gesehen, dass ich die körperliche Fitness und das Vertrauen in meinen Körper so erreiche, dass ich auf einem hohen Level spielen kann. Ich habe bei Sturm keinen Vertrag mehr bekommen, bin nach Lafnitz und habe dort anfangs in der Oberliga gespielt, das hat für mich gereicht. Es war eine bittere Zeit, ich wusste zwei Jahre lang nicht, wie ich weitermachen soll.

90minuten: Ab wann wurde es besser?

Handl: Wir sind mit Lafnitz in die Regionalliga aufgestiegen, ich habe es zu Wacker Innsbruck geschafft. Ab dem Zeitpunkt habe ich mir wieder Ziele gesetzt. Dass es nochmal in diese Richtung geht, ist ein Wahnsinn. Ich muss auch meinen Eltern danken, die viel auf sich genommen haben.

Johannes Handl im Trikot des SV Lafnitz
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Johannes Handl im Trikot des SV Lafnitz

90minuten: Ich kann mir gut vorstellen, dass die dir dann irgendwann auch gesagt haben, du sollst dir überlegen, was du mit deinem Leben machst.

Handl: Wahrscheinlich hat es sehr viele Gespräche gegeben, in denen ich gesagt habe, dass ich jetzt eh zum Studieren beginne. (grinst)

90minuten: Du bist in deiner sechsten Saison bei der Austria. Was bedeutet dir dieser Verein inzwischen?

Handl: Mir bedeutet die Austria fast alles. Dieser Klub hat mir meinen Traum, in der Bundesliga zu spielen, ermöglicht. Das ist mittlerweile mein Zuhause. Ich fühle mich so wohl da. Es ist extrem schön, dass ich all das miterleben darf. Bei so einem großen Verein so viele Jahre dabei sein zu dürfen, ist ein Wahnsinn.

90minuten: Du hast im November einen neuen Vertrag bis 2028 unterschrieben. Was müsste passieren, damit es dich noch einmal woanders hinzieht?

Handl: Mir ist der Verein so ans Herz gewachsen, da muss schon viel passieren, damit ich noch einmal einen anderen Schritt gehe. Ich will so lange hier bleiben, wie es für beide Seiten passt. Vor drei, vier Jahren hatte ich mal das Ziel, in Spanien zu spielen. Das ist mittlerweile wahrscheinlich unrealistisch. Aber da würde ich schon überlegen, wenn alles passt. In Österreich gibt es für mich nur die Austria, das wird wohl immer so bleiben.

Es ist ein kleiner Traum von mir, irgendwann mal Pferde zu haben, auf einer Ranch ein Western-Style-Leben zu leben.

90minuten: Du bist zwar schon lange da, aber keiner, der groß im Rampenlicht steht.

Handl: Ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt, bin ein ruhiger Typ. Das ist auch gut so. Wenn es nur Leute gibt, die im Rampenlicht stehen wollen, scheppert es irgendwann.

90minuten: Es braucht nicht nur Häuptlinge, sondern auch Indianer. Das führt mich zu deinen Tattoos.

Handl: Auf der Brust habe ich einen Stier, mein Sternzeichen, und mein Geburtsjahr. Am Schienbein habe ich eine Indianerfrau mit den Augen meiner Mutter, darunter steht der Name meiner kleinen Schwester mit ihrem Geburtsdatum. Die Geburtsdaten meiner Eltern und meiner großen Schwester habe ich auch noch. Und irgendwann kommt auf dem linken Bein der Papa als Cowboy.

Die Indianerfrau am rechten Bein
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Die Indianerfrau am rechten Bein

90minuten: Was hat es mit diesem Western-Thema auf sich?

Handl: Ich bin ein Möchtegern-Cowboy. Ich bin in dieses Western-Ding reingekippt. Ich habe die Serie "Yellowstone" geschaut, das Leben dort auf einer Ranch mit Pferden hat mich sehr fasziniert. Irgendwann will ich dort Urlaub machen. Es ist ein kleiner Traum von mir, irgendwann mal Pferde zu haben, auf einer Ranch ein Western-Style-Leben zu leben.

90minuten: Das klingt nicht so, als ob dich das Großstadtleben in Wien erfüllen würde.

Handl: Ich bin nicht unbedingt der Stadt-Mensch. Am Land würde es mir mehr taugen. Aber man kann ja auch in Wien in einem Randbezirk leben, wo es ruhiger ist.

90minuten: Wie würdest du die tabellarische Situation der Austria beschreiben?

Handl: Sehr gut! Wir hatten es vor der Saison als Ziel vor den Augen, vorne dabei zu sein, dass wir das so schaffen, hätte aber wirklich keiner geglaubt.

90minuten: Wie hast du persönlich die bisherige Saison erlebt?

Handl: Das erste halbe Jahr habe ich wegen meiner Verletzung quasi übersprungen. Ich habe hart gekämpft, um wieder zurückzukommen. Das hat sich ausgezahlt, ich bin gefühlt so fit wie nie. Ab dem Winter ist meine Saison erst richtig losgegangen.

Wenn ein Ballsack vergessen wird und jemand, der nicht eingeteilt ist, nimmt ihn mit, ist das "Ubuntu".

90minuten: Du bist als Stammspieler in den Sommer gegangen, dann kommt ein neuer Trainer und du verletzt dich in der Vorbereitung.

Handl: Verletzungen sind immer bitter. Am Anfang hat das sehr weh getan, ich war am Boden. Aber bei uns in der Kabine sitzen Burschen, die hat es noch viel schlimmer getroffen – Flo Wustinger sitzt neben mir, Ziad El Sheiwi zwei Plätze weiter. Wenn man sieht, wie die trotzdem jeden Tag mit einem Lachen im Gesicht in die Kabine kommen, vergisst man die eigene Verletzung recht schnell.

90minuten: Wie hast du die Entwicklung der Mannschaft im Herbst erlebt?

Handl: Ich kann mich genau an das GAK-Spiel (Anm.: 2:1 in der 9. Runde) erinnern, da habe ich gemerkt: Wir können wirklich jeden schlagen. Ab diesem Zeitpunkt war ein Flow drinnen. Es war zu spüren, dass wir in ein Spiel gehen und wissen, was wir tun müssen, um zu gewinnen. Wir wollen unser Ding durchziehen und schaffen das sehr oft und sehr lange am Platz auch. Es liegt dann eher an Kleinigkeiten, wenn wir gegen den WAC etwa 0:0 spielen.

90minuten: Es wird oft über die Kultur, die ihr innerhalb der Gruppe geschaffen habt, gesprochen. Wie sieht die aus?

Handl: Im Trainingslager im Sommer hat uns Co-Trainer Christian Wegleitner eine Dokumentation gezeigt, damit hat er dieses "Ubuntu" ins Leben gerufen. Am Anfang wurde das – wie es in einer Fußballmannschaft oft so ist – belächelt. Aber wir haben irgendwann von selbst gesagt: "Das war jetzt Ubuntu!" Da geht es um Kleinigkeiten, wenn etwa ein Ballsack vergessen wird und jemand, der nicht eingeteilt ist, nimmt ihn mit, ist das "Ubuntu". Das ist der Spirit in der Mannschaft, keiner ist sich für Drecksarbeit zu schade.

Trotz großer Konkurrenz ist Handl in der Dreierkette gesetzt
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Trotz großer Konkurrenz ist Handl in der Dreierkette gesetzt

90minuten: Es heißt bei Mannschaften schnell einmal, dass der Zusammenhalt etwas ganz Besonderes ist. Woran kann man das bei euch festmachen?

Handl: Es ist nicht nur "Ubuntu", aber das war ein wichtiger Baustein. Es wird immer positiv gepusht, der Nebenmann zieht dich wieder hoch. Wir schauen sehr aufeinander. So habe ich das noch nie auch nur annähernd erlebt.

90minuten: Wie passt da das Thema Konkurrenzkampf rein?

Handl: Gut. Nur durch Konkurrenzkampf wirst du besser.

90minuten: Das heißt, du hast dir im Sommer gedacht "Leiwand, der Drago kommt!" und nicht "Na super, da kommt jetzt einer, der fix auf einer Position spielt, auf der ich auch spielen könnte!"?

Handl: (lacht) Ich habe mir gedacht, dass es cool ist, mit ihm zusammenspielen zu können. Ich bin froh, dass er da ist. Das ist ein Wahnsinnsspieler, der uns mit seiner Erfahrung alle auf ein neues Level gebracht hat.

Unlängst hat mir im Bauhaus einer gesagt, dass wir das Derby bitte gewinnen müssen.

90minuten: Warum liegt dir die Dreierkette mehr als die Viererkette?

Handl: Ich habe das anfangs gar nicht geglaubt, dass mir die Dreierkette entgegenkommt. Unter Trainer Michi Wimmer habe ich das Spiel dann anders gesehen, habe verstanden, was man als Spieler in der Dreierkette anders machen kann. Du kannst als Halb-Innenverteidiger nach vorne attackieren und weißt, dass hinten immer einer absichert.

90minuten: Du hast einmal gesagt, du hättest früher eine schlechte Körpersprache gehabt.

Handl: Mir ist das selbst nie so aufgefallen, aber mir haben das Personen gesagt, die mich gut kennen. Und es hat wirklich gestimmt. Ich hatte damals dieses "nach vorne Verteidigen" nicht in mir drinnen. Bevor ich in einen Zweikampf gegangen bin, habe ich mich lieber fallengelassen, das Tempo rausgenommen. Seit ich das umgestellt habe, ist auch meine Körpersprache ganz anders.

90minuten: Spürst du schon das Derby-Kribbeln? Sprechen dich Leute darauf an?

Handl: Unlängst hat mir im Bauhaus einer gesagt, dass wir das Derby bitte gewinnen müssen. (lacht) Die Derby-Woche ist schon etwas Besonderes, ich bereite mich aber nicht anders vor als auf andere Spiele.

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