Red Bull Salzburg - SK Rapid: Samstag, ab 17:00 Uhr im LIVE-Ticker >>>
90minuten: Fangen wir beim Aktuellen an. Es funktioniert nicht immer alles, das hat man gegen Blau-Weiß Linz gesehen. Wie zufrieden bist du als Routinier mit der Entwicklung der Mannschaft?
Guido Burgstaller: Abgesehen von ein paar Ausnahmen in dieser Saison können wir mit der Art, wie wir Fußball spielen, sehr zufrieden sein, auch im Vergleich zu vor zwei Jahren. Natürlich wurden Punkte liegen gelassen bzw. haben wir das Spiel nicht immer ganz über 90 Minuten durchgezogen, aber das hat mehrere Gründe. Es gibt eine gewisse Konstanz, ohne riesige Schwankungen. Ich will keine Ausreden suchen, aber dass uns in den letzten Spielen die Energie fehlt, merkt man schon.
90minuten: Rapid hat bislang 28 Spiele absolviert, um das einzuordnen. Gibt es eine Hauptproblematik? Zuletzt wollte der Ball nicht ins gegnerische Tor.
Burgstaller: Wir wollen viel und probieren auch viel, das zeigen auch die Laufdaten. Neben der Energie geht auch die Leichtigkeit vor dem Tor etwas verloren. Dann geht es einem nicht mehr so leicht von der Hand. Allerdings ist das im Sport auch normal, diese Phasen gibt es bei jeder Mannschaft. Wenn es spielerisch nicht läuft, muss man die Tore eben anders erzwingen, also "dreckige" machen, etwa aus Standards.
90minuten: Wer sich länger mit dem SK Rapid beschäftigt, sieht ohne Lobhudelei, dass der gezeigte Fußball und die Arbeit von Trainer und Sportdirektor stabil wirken. Reicht das schon zum Titel zum Karriereende im Sommer? Oder müssen sich die Fans noch etwas gedulden?
Burgstaller: Ich denke, das wäre zu euphorisch und zu weit hergeholt. Wenn man sich die letzten Jahre ansieht, war Rapid international nicht vertreten und es gab einige Probleme. Trainer und Sportdirektor passen jetzt sehr gut, die Harmonie stimmt und wir haben Qualitätsspieler. Man kann nicht erwarten, dass man gleich alles zerreißt. Es muss step-by-step gehen. Diesen nächsten Schritt im Vergleich zur letzten Saison sind wir auch schon gegangen. Das sage ich ohne zu übertreiben: Wenn uns wer gesagt hätte, dass wir international so dastehen und so viele Punkte in der Liga hätten, hätten wir das unterschrieben, abgesehen natürlich vom Cup-Aus.
90minuten: Bei Rapid ist ja auch immer irgendwas, wenn man überlegt, was alleine im letzten Jahr alles passiert ist. Was macht das mit der Mannschaft?
Burgstaller: Das ist einfach erklärt. Überall da, wo Harmonie ist, erntet man irgendwann die Früchte des Erfolgs. Man darf sich nicht immer sofort vom Weg abbringen lassen, nur weil irgendwas nicht passt. Und ich habe ja auch bei anderen großen Traditionsvereinen wie Nürnberg, St. Pauli und Schalke gespielt und wenn man nach Gelsenkirchen schaut, geht es dort drunter und drüber. Das ist ja tragisch und es tut weh, wenn man weiß, wo der Verein einmal war. Rapid hat – in anderer Art und Weise – auch immer wieder Themen, eben nicht nur sportlich.
90minuten: Aber ist es für die Spieler so wichtig, wer Präsident ist?
Burgstaller: Nein, eigentlich gar nicht, aber trotzdem beschäftigt einen bei so großen Vereinen jedes Thema. Egal was nicht passt, man spürt auch ein bisschen Unruhe. Dort, wo alle an einem Strang ziehen, kommt der Erfolg, das sieht man bei uns. Oder auch beim Nachbarn Austria Wien. Da ist es seit einiger Zeit ruhiger und es funktioniert.
90minuten: An manchen Dingen wie nach dem Derby seid ihr selber schuld, aber was ist, wenn mit den Fans was ist? Wünschst du dir da mehr Besonnenheit?
Burgstaller: Schau, bei so einem Traditionsverein mit so vielen Anhängern und so großen Emotionen musst du als Spieler damit klarkommen, was passiert, wenn es Gegenwind gibt. Von Ausschreitungen oder unseren Gesängen rede ich da nicht. Dafür sind wir bestraft worden, das ist ein No-Go und hat bei uns keinen Platz. Aber, dass es bei uns einen anderen Druck gibt als bei Hartberg, wenn es nicht läuft, muss man als Spieler schon wissen. Es passt auch nicht jeder Spieler überall hin. Aber: Wenn du erfolgreich bist, pusht dich das umso mehr. Für mich hat es nie etwas Schöneres gegeben. Ich kenne ja auch die Kehrseite. Mit Schalke sind wir Achter geworden und die Fans waren unglücklich. Ein Jahr später waren wir Zweiter und es war genau das Gegenteil.
Nein, ich hab jetzt nicht einen doppelten Übersteiger gemacht und den Ball ins Kreuzeck geschossen. Das kann ich nicht.
90minuten: Welche besondere Rolle hat da ein Routinier, vor allem im Umgang mit Jüngeren?
Burgstaller: Ich bin da eigentlich so wie immer. Egal ob mit 35 oder 27, ich bin ein ganz normaler Spieler, der sich in der Kabine einbringt, wenn es nicht so gut läuft und wenn es rennt, mache ich meine Späße. Ich bin nicht der Typ, der andere auf die Seite nimmt und ihnen etwas erklärt. Ich gehe im Training und am Platz voran, will ein Vorbild sein. Klar, wenn ein junger Spieler Fragen hat, bin ich da. Ich würde mich eher aufregen, wenn einer sein Talent nicht ausspielt, nicht Gas gibt, sich auf dem Erreichten ausruht oder nicht weiß, warum er da ist. Und ganz ehrlich: Unsere jungen Spieler geben alle Gas und wissen, wo sie spielen sowie, dass sie hier im Gegensatz zu anderen vergleichbaren (oder "größeren") Klubs vielleicht früher die Chance bekommen, viel zu spielen.
90minuten: Und wie sieht es mit denen aus, die Österreich bzw. Wien noch nicht kennen, also den Legionären?
Burgstaller: Man schaut da nicht extra drauf. Wenn die Truppe harmonisch ist, fügen die sich automatisch ein. Das ist auch unsere Stärke. Wir verstehen uns, die Harmonie stimmt und jeder gönnt jedem alles. Wenn du mich fragst, würde ich sagen, dass sich hier alle sehr wohl fühlen.
90minuten: Du bist ja auch einmal von einem kleinen Verein ins große Wien gekommen, von dort ins Ausland. Wie ist das?
Burgstaller: Das war ungewohnt. Es gab viele neue Eindrücke und natürlich probiert man Dinge aus, vor allem, wenn man das erste Mal in einer Großstadt ist, gutes Geld verdient. Es war sehr schön, ich hatte kein Heimweh.
90minuten: Wie froh bist du, dass 2011 noch nicht jeder ein Smartphone hatte?
Burgstaller: Ich habe die Zeit Gott sei Dank miterleben dürfen. Wenn du einen 25-Jährigen fragst, weiß der gar nicht mehr, wie das ist. Also können sie es nicht vergleichen. Ich kenne es, aber von mir gibt es auch so ein Video als ich unterwegs war. Ich finde es immer schwierig, wie damit umgegangen wird.
90minuten: Wobei in Deutschland ist das noch größer, da soll die Bild ja Redakteure in Klubs geschickt haben.
Burgstaller: Die Bild ist schon immer sehr informiert, vor allem bei den Vereinen, wo ich immer war.
90minuten: Wie geht man damit um? Heutzutage ist ja quasi jeder Bild-Reporter.
Burgstaller: Man muss es halt in Kauf nehmen, dass jemand ein Foto machen will, wenn man irgendwo essen ist. Wenn du nein sagst, wirkt das arrogant und viele machen eh dann heimlich eines.
90minuten: Ich erinnere mich an die Zeit bei Schalke, da nannte das Magazin 11Freunde dich "16 Bit-Stürmer", also einer, der einfach ist, aber einfach seine Tore macht. Wie hast du damals aufgefasst?
Burgstaller: Das kann man eh negativ oder positiv sehen, aber ich habe mir die ganze Karriere keine Gedanken darüber gemacht, welche Headlines es gibt oder was über mich geschrieben wird. Der eine schreibt das, der andere jenes; das ist so wie mit Trainern, der eine mag dich, der andere nicht. Keiner sagt: Der kann nur laufen und weiß, wo das Tor steht, fertig. Du brauchst eine gewisse Grundtechnik und die habe ich. Aber nein, ich hab jetzt nicht einen doppelten Übersteiger gemacht und den Ball ins Kreuzeck geschossen. Das kann ich nicht, aber das war ja meine große Stärke: Ich weiß, was ich kann und was nicht. Darum war ich wohl auch überall Stammspieler und habe meine Scorerpunkte gemacht.
90minuten: Hattest du eigentlich, als du in die Akademie gekommen bist, den Wunsch oder die Vorstellung, einmal in England zu spielen und deutscher Vizemeister zu werden?
Burgstaller: Gar nicht. Da ist man jung, hat Spaß am Fußball und nimmt immer den nächsten Step. Ich war kein Träumer, der gemeint hat, dass ich da oder dort spielen will. Beim Sichtungstraining haben sie mich genommen und dann geht es darum, in die U17 zu kommen, weiter in die U19 und zu den Amateuren. So hat sich das aufgebaut, bis man mich beim FC Kärnten angerufen hat und gemeint hat: Der Stürmer ist ausgefallen, fahr mit nach Vorarlberg. So kam ich zu meinem ersten Profieinsatz.
Ich will nicht alles immer schlecht reden. Salzburg hat schon auch Positives für den österreichischen Fußball gemacht.
90minuten: Es kann ja auch hemmend sein, wenn man sich als Junger schon weiß Gott wo spielen sieht...
Burgstaller: Manche bauen sich diesen Druck auf, das habe ich nie gemacht. Also man will schon gut spielen, aber als Junger habe ich einfach alles gegeben, damit ich es schaffe – aber wohin, das ist eh schwer abzuschätzen.
90minuten: Es ging dabei nie zu einem "Mäzenverein". War dir das wichtig?
Burgstaller: Ich hätte die Möglichkeit gehabt, nach der Zeit bei Nürnberg, zu so einem Verein zu gehen. Meine Wunschlösung waren schon immer Traditionsvereine, aber man kann sich das nicht immer aussuchen, muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Das war der Fall, ich habe ja zweimal im Winter den Verein gewechselt. Dass es so funktioniert hat, ist schon außergewöhnlich, die Klubs sind ja auch auf Fanebene befreundet. Das macht mich schon froh, dort gespielt haben zu dürfen.
90minuten: Haben diese anderen Klubs dennoch ihre Berechtigung bzw. den Platz gefunden? Ich habe das Gefühl, dass sie als Teil des Fußballs mittlerweile akzeptiert sind.
Burgstaller: Das muss man ja auch, es bleibt einem ja auch nichts anderes übrig. Aber ich will nicht alles immer schlecht reden. Salzburg hat schon auch Positives für den österreichischen Fußball gemacht. Die haben einiges getan, das sollte man nicht ganz unter den Teppich kehren.
90minuten: Nach dieser Saison ist deine aktive Zeit vorbei. Was passiert dann in den ersten Wochen? Fußball ist ja nicht immer nur Glamour, sondern auch nur zwei, drei Wochen ohne Fußball im Jahr - arbeiten, wenn die anderen frei haben.
Burgstaller: Ich freue mich auf die Planungssicherheit. Ich kann dann beispielsweise sagen: Ich bin in vier Wochen beim 90. Geburtstag meiner Großmutter dabei, gemeinsam mit der ganzen Familie. Man kann das Wochenende planen oder einfach da sein. Meine Tochter kommt in die Schule und ich kann am ersten Schultag da sein und sie abholen. Ich bin ja hier, sie ist in Kärnten. Ich freue mich auf den normalen Alltag, ohne an Feiertagen zu trainieren oder über das Wochenende im Bus zu sein.
90minuten: Und wie geht es sonst weiter?
Burgstaller: Ich habe nicht direkt einen Plan, aber jetzt am Montag einmal die Trainer-B-Lizenz abgeschlossen. Sonst genieße ich die Freizeit nach fast 20 Jahren aktiver Karriere. Dann werde ich ausprobieren, was mir Spaß macht und man wird merken, wo man mich antrifft – oder ob man mich überhaupt sieht.
90minuten: Letzte Frage: Du hast vorhin gesagt, dich interessieren die Headlines nicht. Aber welche nehmen wir denn für deine Karriere oder zumindest dieses Interview?
Burgstaller: (denkt nach) Meine Karriere können andere bewerten, ich bereue jetzt eigentlich nichts. Im Fußball gibt es eh immer nur Schwarz- oder Weiß-Denken und kein Grau. Entweder du bist mit 35 gerade gut und, wenn du einmal nicht triffst, bist du schlecht, alt, sollst aufhören. Dann trifft man am nächsten Wochenende wieder und man sagt, dass es wieder geht. Überleg' du dir etwas.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!