Fiorentina-Star Georgieva: "Wir sind Menschen, keine Maschinen"
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Fiorentina-Star Georgieva: "Wir sind Menschen, keine Maschinen"

Die ÖFB-Frauen sind in die Ära Schriebl gestartet. Italien-Legionärin Marina Georgieva erklärt im Interview, wie sehr man sich über die verpasste EM ärgert, was es braucht(e), um besser zu werden und wie sie über die Zukunft des Frauenfußballs denkt.

1997 in Melk geboren, heuerte Marina Georgieva nach Anfängen in Hainburg und beim ASK Bruck/Leitha 2011 in St. Pölten an. Dort wurde sie zweimal Meisterin und wechselte 2017 zum 1. FFC Turbine Potsdam nach Deutschland.

Im selben Jahr debütierte die Abwehrspielerin im A-Nationalteam. 46 Mal trug sie das ÖFB-Trikot, unter anderem im Europameisterschafts-Viertelfinale 2022. Auf Klubebene schnürte sie von 2018 bis 2022 die Schuhe für den SC Sand, dann ein Jahr für Paris St. Germain.

Heute kickt sie in der Serie A für die Fiorentina und verpasste in der laufenden Saison mit der "Natio" die Quali für die EM 2025. Ohne ihr aktives Zutun am Feld ist sie auch 2025 im Kader der Nationalmannschaft, die mit einem 1:0 gegen Schottland in das Länderspieljahr startete.

In der Nations League Liga A geht es Ende Mai im direkten Duell mit den Schottinnen um die Möglichkeit, gegen eine zweitplatzierte Nation der Liga B im Konzert der Großen mitzukicken. Dort will das Team wieder hin. Wie es zu der Situation kam, dass man die EM verpasste, wie der Start in die Ära Schriebl war und was dem Team fehlt, erklärt sie im Interview mit 90minuten.

90minuten: Österreich ist in die Ära Schriebl mit einem wichtigen Sieg und drei erwartbaren Niederlagen gestartet. Wie sieht deine Bilanz der ersten Monate aus?

Marina Georgieva: Wir gehen in jedes Spiel so, dass wir es gewinnen wollen. Aber Deutschland und die Niederlande sind sehr gute und starke Gegner; da ist es dann schwer, dagegenzuhalten. Um da etwas mitzunehmen, hat uns in den bisherigen Vergleichen mit Top-Nationen noch die Klasse gefehlt. Aber es ist für uns mehr drinnen und ich denke, dass wir in Zukunft Zählbares mitnehmen können.

90minuten: Was man auf jeden Fall geschafft hat, ist im Rennen um den Verbleib in der Nations League Liga A zu bleiben. Man muss den direkten Vergleich mit den Schottinnen gewinnen, dazu reicht nach dem 1:0 ein Remis. Im Herbst war Polen in derartigen Schnittbegegnungen nicht zu schlagen. Was hat sich getan?

Georgieva: Ein Trainerwechsel ist immer eine neue Chance, sich zu beweisen und eine neue Rolle im Team einzunehmen. Wenn ein neuer Trainer kommt, gibt es auch einen gewissen Aufschwung. Dann hat sich natürlich taktisch auch etwas geändert, personell ist es so, dass vermehrt Jüngeren eine Chance gegeben wird, mehr Verantwortung zu übernehmen. Das ist ja auch positiv. Und so gesehen hat sich schon einiges getan, aber es war jetzt nichts Riesengroßes.

90minuten: Woran liegt es denn, dass es im Herbst nicht mehr so gelaufen ist, wie wir alle uns das eigentlich erhofft oder sogar erwartet haben?

Georgieva: Was man dazu sagen muss, ist, dass wir auch sehr viele Erfolge mit der Trainerin hatten und das soll man auch keinesfalls schlechtreden. Irene Fuhrmann war lange unsere Trainerin und irgendwann ist dann auch einmal die Luft draußen. Die Mannschaft braucht dann etwas Neues und obwohl sie alles gegeben hat und sehr gute Arbeit geleistet hat, war es anscheinend Zeit für dieses Neue.

90minuten: Was macht den neuen Trainer Alexander Schriebl aus? Im Schriebl-Cast meinte er, wenn er Zeit hat, dann schaut er am liebsten in die Luft.

Georgieva: Der Alex ist ein sehr umgänglicher Trainer, er ist nahbar und pflegt einen sehr respektvollen Umgang mit den Menschen. Man hat immer das Gefühl, dass man zu ihm kommen kann, ihm jede Frage stellen kann. Er ist sehr kommunikativ und kann die Menschen packen.


90minuten: Nur um das zu verstehen: Im Sinne von "mitreißen"?

Georgieva: Ja, genau. Er ist super sympathisch. Aber er hat auch eine klare Idee, die wir durchziehen.

90minuten: Ist es etwas anderes, von einem Mann trainiert zu werden? Teamchefin - das hat ja auch Symbolwirkung. Und kurz nach der Trennung von Irene Fuhrmann hat ja auch Liése Brancão den SKN verlassen...

Georgieva: Das ist alles schwer zu beantworten. Es gab wohl einige, die dachten, dass Brancão kommt. Wir als Team haben uns aber nicht so viel damit befasst, wer es wird. Vielmehr haben wir gehofft, dass sich der ÖFB wirklich darum bemüht, einen qualitativ hochwertigen Trainer zu finden, der zu uns passt und uns sportlich und menschlich auf ein neues Level bringt.

90minuten: In der Gerüchteküche las man ja auch von ehemaligen deutschen Bundestrainerinnen. Geworden ist es einer, der einen Mittelständler in der Frauen-Bundesliga und einen Männer-Zweitligisten betreut hat.

Georgieva: Was uns als Team besonders macht, ist, dass wir extrem bodenständig und zielorientiert sind. An diese Dinge, die wir nicht beeinflussen können, verschwenden wir keine Gedanken. Wir versuchen, das Positive zu sehen und geben allen die Chance, sich der Mannschaft zu zeigen und sich zu beweisen.

Natürlich holt man sich aber vorab Informationen ein und ich habe auch jemanden gekannt, der ihn kannte. Dann habe ich gefragt, wie Alexander Schriebl so ist - und extrem positives Feedback bekommen. Wir als Team können ohne Vorurteile in das Ganze hineingehen und uns selber davon überzeugen oder enttäuschen lassen.

Wir sind mega enttäuscht, es ist scheiße und tut noch immer weh. Und der schlimmste Moment kommt dann, wenn die EM stattfindet.

Marina Georgieva

90minuten: Dazu passend eine Frage: Wie groß ist das Thema Erwartungshaltungsmanagement? Zuletzt hat sich Barbara Dunst gegenüber 90minuten aufgeregt und gemeint, dass hier "immer alles entweder super oder dramatisch" ist.

Georgieva: Bei Welt- und Europameisterschaften dabei zu sein, ist auch unsere Erwartung an uns selbst. Wenn das nicht klappt, ist es schwierig damit umzugehen, weil wir uns im Kreise der Teilnehmerinnen sehen bzw. nicht mehr so der Underdog sind, der sagen kann: Ist ok, da nicht dabei zu sein. Das ist es nicht.

Um es klar zu sagen: Wir sind mega enttäuscht, es ist scheiße und tut noch immer weh. Und der schlimmste Moment kommt dann, wenn die EM stattfindet. Das haben wir schon bei der verpassten WM erlebt. Nun müssen wir uns schlichtweg wieder darauf konzentrieren, was wir ändern können, damit wir unsere Stärken finden und wieder dabei sein können.

90minuten: Man redet sich ja gerne darauf hinaus, dass Österreich so ein kleines Land ist. Aber das Team spielt ja dennoch bei großen Namen wie der Fiorentina, Arsenal oder Bayern; umgekehrt sieht es in der Liga ganz anders aus, da spielt man vor ein paar Leuten, die Spielerinnen müssen arbeiten gehen.

Georgieva: Ich finde es aber gut, dass die Leute denken, dass wir zu einer EM gehören. Natürlich gibt es solche und solche Fans, man will die Kommentare manchmal gar nicht lesen. Wir sind natürlich ein kleines Land, also muss man realistisch sein, dass wir nicht dieselben Ressourcen wie die großen Länder haben.

Aber umgekehrt haben wir schon bewiesen, was wir können und das können wir meiner Meinung nach noch einmal schaffen, auch wenn sich alle anderen Länder auch - zum Teil sehr schnell - weiter entwickeln.

Georgieva ist frohen Mutes, dass es bald wieder mit einem Großereignis klappt
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Georgieva ist frohen Mutes, dass es bald wieder mit einem Großereignis klappt

90minuten: Du hast in Deutschland und Frankreich gespielt, aktuell in Italien. Was sind die Unterschiede, wo können wir aufholen?

Georgieva: Ich will nichts schlechtreden, weil ja investiert wird. Aber es beginnt in Österreich bei den Trainingsbedingungen und man kann schon mehr Möglichkeiten schaffen, dass mehr Mädchen überhaupt mit dem Fußball anfangen können.

Wenn die Quantität steigt, wird die Qualität logischerweise höher, dann werden die Trainingsbedingungen besser und alles wird professioneller und am Ende fließt mehr Geld, weil mehr Fans kommen. Das hängt alles zusammen und am Ende führt es dazu, dass die Spielerinnen nicht mehr arbeiten gehen müssen und sich nur noch auf den Fußball konzentrieren können.

90minuten: Weil wir gerade über Entwicklung sprechen: Frauenfußball ist ja ein "Wachstumsmarkt", wie es die UEFA nennt. Welche Entwicklung soll man denn den Männern eher nicht nachmachen?

Georgieva: Der Spielkalender wird immer voller und das geht auf Kosten der Gesundheit der Top-Nationalteamspielerinnen, die auch Champions League spielen. So viele englische Wochen sind ja unglaublich, und es kommen immer mehr Wettbewerbe dazu.

Wir sind Menschen, keine Maschinen. Unsere Körper können einfach nur ein gewisses Pensum an Training und Belastung aushalten. Noch dazu spielen wir genauso lange wie die Männer auf genauso großen Spielfeldern. Ich weiß nicht, ob wir da auch so viele Spiele wie die Männer spielen können – wobei ich auch nicht glaube, dass es für die Männer gesund ist.

Gegen die Deutschen haben wir im ersten Spiel geführt und lange gut mitgehalten, erst am Schluss hat man gesehen, wo die Unterschiede sind. Wir gehen jedenfalls in jedes Spiel, um es zu gewinnen.

Marina Georgieva

90minuten: Ich hätte das jetzt nie gefragt, aber es gibt schon die Überlegungen, Tore zu verkleinern – wäre das sinnvoll, Kombination mit kürzeren Halbzeiten und/oder kleineren Feldern oder ist das das falsche Signal? Der Sport folgt da ja kaum einer Logik, der Marathon ist bei Frauen und Männern gleich lang, im Speerwurf ist das Gerät aber unterschiedlich.

Georgieva: Das ist eine berechtigte Frage. Anscheinend funktioniert es ja von der Belastung her und dann gibt es sicherlich noch mehr dieser Kommentare, dass Frauen ja weniger Spielzeit haben und so weiter. Diese Genugtuung will ich denen eigentlich nicht geben. Deswegen tendiere ich dazu, das so beizubehalten; aber eben weniger Spiele bzw. mehr freie Tage dazwischen. Man will ja immer noch mehr Spiele und noch weniger Regenerationszeit.

90minuten: Mit welchen Gedanken bereitet man sich jetzt auf die Nations League nach der Saison vor?

Georgieva: Gegen Schottland braucht es einen Punkt, um den Verbleib in der Nations League Liga A spielen zu können. Gegen die Deutschen haben wir im ersten Spiel geführt und lange gut mitgehalten, erst am Schluss hat man gesehen, wo die Unterschiede sind. Wir gehen jedenfalls in jedes Spiel, um es zu gewinnen.

90minuten: Ist es da angenehmer, zuerst die Pflichtaufgabe zu haben und dann das Prestigeduell? Angenehm wäre es wohl nicht, wenn man sich eine Watschn abholt und dann nicht verlieren darf....

Georgieva: Ich persönlich bevorzuge es auf jeden Fall zuerst gegen Schottland zu spielen und dann den Abschluss zuhause gegen Deutschland.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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