FAK-Legende Blanchard: "Ohne Respekt verlierst du"
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FAK-Legende Blanchard: "Ohne Respekt verlierst du"

Jocelyn Blanchard wechselte 2003 von RC Lens zur Austria und blieb bis zum Ende der aktiven Karriere in Österreich. Nach dem Karriereausklang in Kärnten war er Sportdirektor. Gegenüber 90minuten lotet er die ÖFB-Chancen gegen sein Geburtsland aus.

"Ich mach’ nichts", lacht Jocelyn Blanchard, mittlerweile 51 Jahre alt, im 90minuten-Interview. Der defensive Mittelfeldspieler erblickte 1972 in der Nähe von Lille in Béthune das Licht der Welt und arbeitete zuletzt in der Nähe bei Dunkerque am Kanal zwischen England und Frankreich als sportlicher Leiter.

Dort genoss er auch seine fußballerische Ausbildung, ehe er 1995 nach Metz wechselte und von dort drei Jahre später zu Juventus Turin ging. Nach einem weiteren Jahr heuerte er bei Lens an, 2003 unterschrieb er schließlich bei Austria Wien. Mit den Veilchen wurde er 2004/05 Cupsieger, 2005/06 gar Double-Sieger und Spieler der Saison. Zwei weitere Cuptitel sollten noch folgen, eher er seine aktive Karriere 2009/10 bei Austria Kärnten ausklingen ließ.

Nach dem Einstieg ins Funktionärsleben bei Istres als Jugendleiter (2010/11) war er von 2011 bis 2013 mit einer einjährigen Unterbrechung Sportdirektor bei Lens, zuletzt in selber Funktion bei Seraing in Belgien und seinem Jugendklub Dunkerque.

Nach mehr als drei Jahrzehnten im Fußball, sagt er: "Fußball ist heute ganz anders. Es ist so viel Geld drinnen und wir verlieren ihn. Paris St. Germain, Bayern München, Manchester City, Red Bull Salzburg – nur alle zehn Jahre wird jemand anderer Meister." Das hat letztlich Auswirkungen auf das Nationalteam. Veilchen sucht man aktuell vergeblich.

Anderer Fußball

Österreich interessiert ihn immer noch. In dem Spiel ums große Geld ist sein Ex-Klub am Verlieren. Damals, unter Stronach, da gab es Geld. Und Erfolge, auch international. 2005 spielten die Veilchen gegen Parma im UEFA-Cup, schieden nur aufgrund der Auswärtstorregel nach 1:1 und 0:0 aus. Heute: Die Austria hat ein super Stadion, aber es funktioniert sportlich nicht.

Sein Tipp, um wieder herauszukommen: Eine Philosophie entwickeln, ankündigen, dass man - beispielsweise - in die Akademie investiert. Dazu brauche es dann Durchhaltevermögen: "Nach zwei, drei Jahren kommen dann junge Spieler heraus, werden Stars. Die Zeit dazwischen muss man akzeptieren."

Fußball ist heute ganz anders. Es ist so viel Geld drinnen. PSG, Bayern, ManCity, Salzburg – nur alle zehn Jahre wird jemand anderer Meister.

Jocelyn Blanchard

In Frankreich ist die Situation mit PSG und ehemaligen Großklubs ähnlich. "Hier kommen die Investoren aus Amerika, China, dem arabischen Raum oder England – wenn man zahlt, gewinnt man." Der Unterschied zwischen PSG und City? Letztere haben eine Philosophie. "Du musst warten können und arbeiten."

Zurück zum Nationalteam-Fußball: Frankreich hat nach den Erfolgen um 2000 herum einiges an Aufbauarbeit gebraucht. Österreich hat den Umweg über Red Bull Salzburg bzw. Ralf Rangnick genommen.

Grande Nation?

Und auf ihn kommt viel Arbeit zu, Blanchards Meinung nach. Kylian Mbappé, Antoine Griezmann, Kingsley Coman und Co. sind in der Regel andere Kaliber als das, was Ralf Rangnick zur Verfügung hat. "Frankreich ist Favorit", sagt er und liefert den Grund gleich mit: "Wie viele Franzosen gibt es, wie viele Österreicher?"

Der Weltmeister von 2018 und Vizeweltmeister von 2022, das ist seine klare Nummer eins und Titelanwärter. Sowas sagt er, ohne arrogant zu wirken. Österreich spiele um Platz zwei. Aufpassen müsse man auf die Polen, die Niederlande sind schlagbar. Ein Vorbild könnte Kroatien sein, die sind noch weniger als die Österreicher, leben aber für den Wettkampf und sind gut am Ball sowie im Kollektiv.

Du kannst immer und überall verlieren, wenn du keinen Respekt hast.

Jocelyn Blanchard

Apropos Arroganz: Respekt hätte Frankreich natürlich. Jede Nation hat Spieler bei großen Klubs, ihm fällt Konrad Laimer von den Bayern sofort ein.

Niemand würde Österreich oder andere Mannschaften auf die leichte Schulter nehmen, so wie damals im UEFA-Cup, das gebe es nicht mehr: "Saragossa, Bilbao, die haben uns unterschätzt. Ich habe danach mit Spielern gesprochen und gefragt, warum sie geglaubt haben, gegen einen kleinen Klub zu spielen. Wir hatten unzählige Nationalitäten. Ich meinte: Wenn du denkst, die sind schlecht, weißt du, warum wir gewonnen haben."

Außerdem - bei allem Respekt vor Andorra und Co. - sollte niemand irgendwen unterschätzen. "Du kannst immer und überall verlieren, wenn du keinen Respekt hast", warnt er.

Schade sei es, dass David Alaba als bester Mann zuschauen muss. Nicht mehr aktiv sein, das will auch Blanchard - zumindest nicht mehr tagtäglich. Nach mehr als einem Jahrzehnt als Sportchef möchte er in die Koordination, gemeinsam mit einer sportlichen Leitung und einem Präsidium Dinge entwickeln. Vielleicht findet sich ja ein Klub, Deutsch spricht er übrigens noch gut.

Und bis dahin? "Mach’ ich Urlaub."

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