Ex-Stadionchef im Interview: Geht in Liebenau bald das Licht aus?
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Ex-Stadionchef im Interview: Geht in Liebenau bald das Licht aus?

Gerald Pototschnig war Chef der Stadion GmbH in Graz und ist seit September in Pension. Jetzt warnt er vor einer desolaten Substanz des Liebenauer Stadions und ist auch für die Zukunftspläne wenig optimistisch.

"Ich vermisse in der medialen Debatte zum Stadion in Liebenau einen wichtigen Aspekt", meldete sich Gerald Pototschnig per Telefon auf die die 90minuten-Geschichte zur Stadion-Posse in Graz, die sich mit den aktuell kursierenden Plänen zum Umbau der Spielstätte in Liebenau beschäftigt hat. Dieser Anruf war der Ausgangspunkt für dieses Interview.

Der 63-Jährige war Journalist bei der "Kleinen Zeitung", später bei der Holding Graz für Sportsponsoring zuständig und in den letzten vier Jahren Chef der Stadionmanagement GmbH in Graz. Seit September ist er in Pension. Im Gespräch berichtet er von den sehr herausfordernden letzten Jahren, in denen die Stadiondebatte in der steirischen Landeshauptstadt so richtig losgegangen ist.

Die Wünsche der Vereine, die Stadtpolitik und vor allem das rigorose Sparprogramm, das die Stadt Graz als Eigentümerin dem Stadion seit langem verordnet hat, machten Gerald Pototschnig bei seiner letzten beruflichen Station zu schaffen. Und er warnt davor, nicht nur in die Zukunft zu blicken, sondern den aktuellen Zustand der Heimstätte zweier Bundesligisten nicht zu vergessen.

90minuten: Sie waren die letzten vier Jahre bis zum Antritt Ihres Ruhestandes Leiter der Stadionmanagement GmbH in Graz. Wie herausfordernd war diese Zeit, angesichts des sportlich und politisch so brisanten Themas "Stadion"?

Gerald Pototschnig: Sehr, sehr herausfordernd. Gemeinsam mit Barbara Muhr, die im Vorstand der Messe Congress Graz (MCG), wo das Stadion dazugehört, für den Sportbereich die Verantwortung übernommen hat, mussten wir das Team damals praktisch völlig neu aufstellen. Es war nichts da. Als ich übernommen habe, gab es zum Beispiel keinen einzigen ausgebildeten Greenkeeper im Fußballstadion der zweitgrößten Stadt Österreichs. Das Büro war Großteils eine Baustelle. Liebenau ist bei der MCG mitgelaufen, aber es war niemand vor Ort, der das Ganze geleitet hat. Auch der Sicherheitsaspekt war immer wieder sehr herausfordernd. Es hat viel Energie gekostet, alle paar Wochen ein zerlegtes Stadion wieder herstellen zu müssen. Und wenn immer wieder, auch beim letzten Derby, scheibtruhenweise Pyrotechnik auf die Tribünen kommt, frage ich mich zudem, ob bei den Vereinen die richtigen Leute an der richtigen Stelle sitzen. Und dazu kam eben auch noch, dass in unsere Zeit die Offensive von Christian Jauk hineingefallen ist, der das Stadion als Heimat für den SK Sturm von der Stadt übernehmen wollten.

90minuten: Sie bezeichnen den Vorstoß von Jauk als Offensive. Klingt fast ein wenig kriegerisch.

Pototschnig: Wir sind dabei als Stadionleitung auch ein wenig zwischen den Fronten gestanden. Es war eine undankbare Aufgabe. Auf der einen Seite gab es die Stadt als Eigentümerin und auf der anderen die Vereine, wo vor allem einer der beiden unfassbar Dampf gemacht hat. Und ich sage es, wie es ist: Dazu war ihnen jedes Mittel recht. Es hat kein Interview des Christian Jauk gegeben, wo er nicht dem Stadionmanagement ans Bein gepinkelt hat. Das hat die tägliche Arbeit nicht unbedingt einfacher gemacht.

90minuten: Wir hatten durch diesen Vorstoß von Sturm dann die Debatte über eine mögliche Zwei-Stadien-Lösung. Sturm übernimmt Liebenau und für den GAK wird ein Standort gesucht, wo eine neue kleinere Arena erreichtet wird. Wie das ausgegangen ist, ist bekannt. War dieser jahrelange Prozess notwendig, um jetzt beim Plan zu landen, dass Liebenau im Eigentum der Stadt bleibt und für beide Klubs renoviert wird?

Pototschnig: Man hätte sich das alles sparen können. Ich möchte dazusagen: In offizieller Funktion hatte ich dazu nichts zu melden, weil wir keine Parteienstellung bei dem Thema hatten und haben. Wir wurden ab und zu konsultiert, es gab den notwendigen Austausch mit dem zuständigen Beteiligungsstadtrat Manfred Eber, aber mitreden konnten wir nicht. Über die aktuellen Pläne zum Um- und Ausbau war das Stadionmanagement überhaupt nicht informiert. Wir haben maximal über den Flurfunk im Rathaus das eine oder andere mitbekommen. Meine persönliche Meinung habe ich aber immer wieder kundgetan: Ich war zu jeder Zeit der Ansicht, dass es kein zweites Stadion braucht. Eine Stadt wie Graz benötigt ein modernes, alle Stückeln spielendes Fußballstadion. Und eines wurde in der Debatte außerdem immer vergessen: Wenn ich für den GAK eine kleine feine Anlage auf die grüne Wiese baue, habe ich die Problematik Liebenau trotzdem nicht gelöst. Das wäre dann noch immer ein alter abgewohnter zerlemperter Kobel geblieben, der von Grund auf saniert werden muss.

90minuten: Sie sprechen den Bestand des Liebenauer Stadions an. Sie haben den nach Ihrer Definition zerlemperten Kobel einige Jahre lang aus der Nähe betrachtet. Wo sind die Probleme, die die Substanz der Spielstätte hat?

Pototschnig: Das Problem ist: Das Stadion ist 27 Jahre alt und in all den Jahren nach der Eröffnung ist defacto nie etwas investiert worden. Ja, es hat Maßnahmenpakete gegeben. Einmal fünf Millionen da, einmal eine halbe Million dort. Das waren aber allesamt keine Instandhaltungs- und Sanierungsdinge. Das Einzige, was tatsächlich neu gemacht wurde, ist der Kabinentrakt. Schon von der vorigen Stadtregierung unter Siegfried Nagl gab es den strikten Auftrag an den damaligen Geschäftsführer in der MCG, zu sparen. Das hat er getan, aber niemand hat geschaut, wo gespart wird. Und beim Stadion hat er gespart, dass es knirscht.

90minuten: Wo bröckelt es denn aktuell am meisten?

Pototschnig: Ich könnte bei den kompletten Räumlichkeiten abseits der Kabinen anfangen, die allesamt nicht am Puls der Zeit sind und die Liste fortsetzen. Aber die allergrößte Baustelle ist definitiv das Flutlicht. Es ist veraltet und es ist schadhaft. Es ist sogar so alt, dass es keine Ersatzteile mehr dafür gibt. Teilweise hilft man sich mit Lampen vom Sportcampus Weinzödl aus, wo jetzt nach und nach die Trainingsplätze des GAK auf LED umgestellt werden und somit ein paar Leuchtkörper frei werden. Damit kann man sich noch ein bisschen drüber retten. Aber letztes Jahr im Dezember beim Heimspiel von Sturm gegen Lustenau sind wir ganz knapp vor einer Absage gestanden, weil die ganze Anlage am Freitagnachmittag in die Knie gegangen ist.

90Minuten: Woran lag das?

Pototschnig: Jeder, der wissen möchte, wovon ich spreche, möge sich die Elektrik für das Flutlicht genauer anschauen. Wo die verbaut ist und wie die verbaut ist. Bei einer Kantine auf der Ostseite muss man die Bierfässer auf die Seite räumen, dann dort hineinkriechen und gearbeitet werden kann, nur am Boden liegend oder möglichst flach hockend. Anders kommt man nicht hin. Ich sage das symbolisch, aber im Grunde ist das so: Wenn da nichts passiert, kann es im Stadion ganz schnell finster werden. Und wenn das Flutlicht endgültig den Geist aufgibt, weiß ich nicht, wie lange in Liebenau kein Fußball mehr gespielt werden kann. Eine neue Flutlichtanlage für ein Stadion gibt es eben nicht beim Baumarkt im Regal.

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Gehen bald komplett die Lichter aus in der Merkur Arena?

90minuten: Wie akut ist die Gefahr, dass dieser Worst Case eintritt?

Pototschnig: Erst ein paar Wochen vor meinem Ausscheiden, sind zwei Strahler auf der Verteilerebene zersprungen. Wir mussten die Berufsfeuerwehr holen, weil das eineinhalb Stunden vor Matchbeginn passiert ist und das Publikum konnte erst verspätet eingelassen werden. Die Feuerwehr konnte das Problem beheben, aber ich glaube, es ist nicht überspitzt, wenn ich sage: Beim Flutlicht ist Gefahr im Verzug. Ich würde nicht verantworten wollen – und ich habe das auch schriftlich dokumentiert – es mit diesem Flutlicht die nächsten Jahre bis es vielleicht zu den geplanten Umbauten kommt, weiter zu probieren. Die letzte UEFA-Messung hat zum Beispiel auch schon eine verminderte Strahlkraft ergeben.

90minuten: Gibt es noch so ein drängendes Thema wie das Flutlicht?

Pototschnig: Kein derart akutes, dass der Spielbetrieb gefährdet wäre. Aber zum Beispiel die Stadionsitze, die auf meinem Wunschzettel ganz oben gestanden wären, sind extrem in die Jahre gekommen. Nach fast jedem Spiel gibt es Beschwerden, dass wieder irgendwo ein Sitz kaputt war oder ein Kleidungsstück zerrissen wurde, weil eine Schraube oder ein Eisenspan aus der Sitzgelegenheit herausgestanden ist. Ansonsten muss ich jetzt vorsichtig sein, weil ich doch schon ein paar Wochen weg bin. Aber bis vor kurzem waren jedenfalls Starkstromleitungen im Stadiongraben mit Billa-Sackerl abgeklebt, um sie vor Feuchtigkeit zu schützen.

90minuten: Sie haben vorher den Wunsch von Sturm angesprochen, das Stadion übernehmen zu wollen. Hätte sich die Stadt Graz damit salopp gesagt nicht relativ einfach eines kostspieligen Problems entledigen können?

Pototschnig: Ob man sich in diesem Fall so mir nix, dir nix des ganzen Themas entledigt hätte, bin ich mir nicht sicher. Es lag alles ein wenig im Nebel. Bis zum Schluss ist von Sturm auch keine Zahl am Tisch gelegen, wieviel der Verein bereit wäre zu zahlen. Es hat auch niemand gewusst, ob der Verein mit dem Baurecht die komplette Finanzierung der Reparaturen übernommen hätte. Wir haben läuten gehört, dass Christian Jauk sich sehr wohl erwartet, dass die Stadt weiterhin etwas zuschießt. Genau war das jedenfalls nicht zu verifizieren. Die Bürgermeisterin hat dann zusätzlich noch eingebracht, dass nicht klar sei, ob Sturm mittelfristig finanziell weiterhin so gut dasteht, das alles stemmen zu können.

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Die Sturm-Verantwortlichen sind sich der Probleme in Liebenau bewusst

90minuten: Aber es kam ja damals gar nicht dazu, dass Sturm seine gesamten Pläne auf den Tisch legt. Die Politik, und speziell die KPÖ, haben es nie zugelassen, dass das konkret zu Ende diskutiert werden konnte.

Pototschnig: Da wurde an allen Ecken und Enden geprüft und erhoben, aber ja, vom Gefühl her würde ich die Einschätzung teilen, dass es in Wahrheit für die jetzige Stadtregierung nie ein wirkliches Thema war, das Stadion herzugeben.

90minuten: Wir gehen jetzt kurz davon aus, dass die am Tisch liegenden Umbaupläne, die jetzt bis nächstes Jahr geprüft werden, so umgesetzt werden. Würde in so einem Fall, abgesehen von allen möglichen anderen Themen, nicht der GAK in einem für seine Verhältnisse komplett überdimensionierten Stadion spielen müssen?

Pototschnig: Ich glaube der GAK hat derzeit andere Sorgen als ein überdimensioniertes Stadion. Die Frage, ob es dann eine befriedigende Situation für den GAK wäre, stellt sich nicht. Er kann sich weder an einem neuen Stadion finanziell beteiligen und auch am geplanten Um- und Neubau in Liebenau nicht. Der GAK ist im Moment nicht der Key Player in der ganzen Sache.

90minuten: Würden Sie den Befund teilen, dass Sport generell, und Fußball im Speziellen, bei der Grazer Politik nicht genug Stellenwert genießt?

Pototschnig: Ganz pauschal gesehen, meine ich, dass der Sport in Österreich, in der Steiermark, in Graz, nirgendwo den richtigen Stellenwert hat. Ich sage ganz frech, es mangelt im ganzen Land an einer Sportkultur. Konkret auf Graz bezogen: Stellenwert hat der Sport vielleicht schon, Graz ist tatsächlich eine Sportstadt, auch wenn das aktuell ein wenig lächerlich anmutet. Der Grazer ist ein fachkundiger Sportfan und leicht zu begeistern. Ob in der Sportpolitik alles richtig eingestuft wird, wage ich allerdings zu bezweifeln. Ich fürchte auch, dass von allen Seiten das Thema im Grazer Wahlkampf 2026 in irgendeiner Form ausgeschlachtet werden wird.

90minuten: Wir stehen aktuell zum Thema Stadion bei Machbarkeitsstudien zu einem Umbau für beide Vereine. Sehen Sie als langjähriger Begleiter und Beobachter in unterschiedlichen Funktionen, dass diese Angelegenheit am Ende zu einer für alle zufriedenstellenden Lösung kommen wird?

Pototschnig: Ich bin nicht sehr optimistisch. Aktuell sind das Luftschlossflausen, die herumgeistern. Grundsätzlich ist der Ansatz ein Guter, in Graz mit einem modernen Fußballstadion das Auslangen zu finden. Ich meine allerdings zu orten, dass der vielzitierte Brief ans Christkind aus der Schublade geholt wurde und dass sich alles in der Form, wie insbesondere Sturm und Christian Jauk sich das vorstellen, nicht so einfach umsetzen lässt. Ich glaube, die Europacup- und Länderspieltauglichkeit sind möglich und ich glaube auch, dass die Stadtregierung ernsthaft erkannt hat, dass am Stadion etwas gemacht werden muss. Aber wie schnell das geht, ob es ohne Umweltverträglichkeitsprüfung funktioniert und ob die aktuellen Pläne in ihrer Gesamtheit halten, da habe ich meine Zweifel.

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