Ercan Karas schwerer Stand in der Türkei: "Bereue nichts"
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Ercan Karas schwerer Stand in der Türkei: "Bereue nichts"

Mit Samsunspor erlebt Ercan Kara in der Süper Lig einen Höhenflug, persönlich hat er jedoch harte Monate hinter sich. Von "glorreichen Zeiten", türkischen Straßenbahnen und einer möglichen Rückkehr nach Hütteldorf.

Um Ercan Kara ist es ein wenig still geworden.

Der einstige Rapid-Goalgetter und siebenfache ÖFB-Teamspieler ließ sich im September 2023 nach eineinhalb Jahren in Orlando auf sein zweites Auslands-Abenteuer ein. Seither kickt der 29-jährige Mittelstürmer für Samsunspor in der Türkei.

Im exklusiven Interview mit 90minuten spricht der Wiener unter anderem über seinen schwierigen Herbst, seine Einstellung zu Reue und seine Ziele.


90minuten: Gratuliere zu deiner Leistung gegen Gaziantep! Wie geht es dir aktuell, wie bist du ins neue Jahr gestartet? 

Kara: Dankeschön. Ich bin gut ins neue Jahr gestartet. Ich bin wieder einmal drei Spiele am Stück reingekommen, habe die letzten Wochen gut gespielt. Gegen Gaziantep habe ich das entscheidende Tor vorbereitet. Natürlich kann es aber immer besser sein.

90minuten: Dein Klub Samsunspor hat in der Süper Lig einen überragenden Herbst gespielt, liegt vor Klubs wie Besiktas, Basaksehir oder Trabzonspor auf Tabellenplatz drei.

Kara: Ich glaube, wir haben die beste Hinrunde in der Geschichte des Vereins gespielt. Wir haben wirklich gut performt, haben Woche für Woche abgeliefert und meiner Meinung nach eine sehr gute Mannschaft. Dadurch, dass wir eine Transfersperre haben, ist keiner weggegangen, keiner ist dazugestoßen. Mit unserem neuen Trainer und der Mannschaft ist eine wirklich gute Atmosphäre entstanden. Ich glaube, das war der Schlüssel zum Erfolg.

Karas erster Saison-Assist zum Siegtor gegen Gaziantep:



90minuten: Wo liegen eure Qualitäten am Platz? Was macht euch neben eurem guten Teamgefüge aktuell so stark?

Kara: Jeder, der gegen uns spielt, hat ein bisschen Respekt bekommen. Auch, weil wir einen richtig guten Fußball gespielt haben. Wir haben eine Struktur, die der Trainer seit Tag eins durchsetzen wollte. Er will immer rausspielen und dass wir alles spielerisch lösen. Wenn es nicht gegangen ist, hat er uns immer unsere Freiheiten gegeben. Ich glaube, da hat er uns taktisch auch ein Stück weitergebracht. 

90minuten: Persönlich hast du keine einfache Zeit hinter dir. Im Herbst hast du in der Liga nur sieben Kurzeinsätze verbucht, ein Tor war dir noch nicht vergönnt. Wie beurteilst du deinen Herbst?

Kara: Das letzte halbe Jahr hatte ich ein paar Up's and Downs. Ich hatte eine Entzündung im Fersenbereich. Das war eine etwas lästige Sache, die mich ein bisschen zurückgeworfen hat. Ich habe bei Herr Dr. Resinger in Wien eine Stoßwellentherapie gemacht. Dann habe ich ein bisschen Zeit gebraucht, um wieder fit zu werden. Es ist nicht einfach, wenn die Mannschaft gut performt und gute Leistungen bringt. Als Stürmer musst du auf deine Chance warten, wenn die Konkurrenz gut spielt und trifft.

90minuten: In den letzten Wochen und Monaten musstest du mit der Rolle als Joker Vorlieb nehmen, durftest kaum von Beginn an spielen. Wie gehst du mit dieser Situation um?

Kara: Natürlich will ich immer spielen. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mich nicht mit dem zufrieden gebe, wie es gerade ist. Der Trainer hat vor dem Spiel gegen Basaksehir bei der Pressekonferenz gesagt, dass ich im Training immer wieder Gas gebe und in den nächsten Wochen auch von Anfang an spielen könnte. Das halbe Jahr ist nicht gut verlaufen für mich, aber ich schaue immer nach vorne und bin guter Dinge, dass ich wieder auf meine Einsatzminuten und Tore komme.

Erst zur Saison 2023/24 stieg Samsunspor in die Süper Lig auf. Heuer sorgt der Klub mächtig für Furore.
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Erst zur Saison 2023/24 stieg Samsunspor in die Süper Lig auf. Heuer sorgt der Klub mächtig für Furore.

90minuten: In der Türkei ist der Transfermarkt noch bis 11. Februar geöffnet. Ganz offen: Hast du dir Gedanken über einen vorzeitigen Abschied aus Samsun gemacht? 

Kara: Im Fußball ist es so, dass jederzeit ein Wechsel stattfinden kann. Egal, ob man spielt oder nicht spielt. Natürlich gab es Interesse und die eine oder andere Sache, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Im Fußball weiß man nie, was morgen passiert. 

90minuten: Das heißt, im Winter gab es schon auch Angebote? Aus der Türkei, aus dem Ausland oder vielleicht sogar aus Österreich? 

Kara: Ich weiß, worauf du hinaus willst (lacht). Es gab Interesse aus vielen Ligen, natürlich gab es Telefonate. Vermutlich auch, weil ich nicht so viel gespielt habe. Stand jetzt bin ich bei Samsunspor und gebe 100 % Gas. Wenn sich etwas ergibt, wird man das frühzeitig erfahren.

90minuten: Du bist jetzt seit rund eineinhalb Jahren in Samsun. Wie haben sich deine Liebsten und du eingelebt?

Kara: Am Anfang war es ein bisschen turbulent. Meine Frau war hochschwanger, ich hab mein erstes Kind bekommen. Ich bin ja aus Amerika gekommen. Es ist ein anderer Kontinent, andere Sitten, eine andere Kultur. Natürlich bin ich ein bisschen bekannt damit, weil meine Eltern und Vorfahren aus der Türkei kommen. Aber hier zu leben, ist doch etwas anderes. Jetzt fühle ich mich eigentlich sehr gut. Es ist ein wirklich schönes Leben hier am Schwarzen Meer.

90minuten: Inwiefern unterscheidet sich dein Alltag in Samsun vom Leben in deiner Heimat Wien?

Kara: Wien und Österreich haben ein bisschen mehr Struktur, was den Verkehr, den Tagesablauf angeht. Es ist einfach ein bisschen mehr "on time". In der Türkei ist alles ein bisschen gelassener, jeder nimmt die Dinge ein bisschen ruhiger auf. In Österreich kommt die Straßenbahn pünktlich in zwei Minuten, hier dauert es vielleicht mal fünf. Ich nehme das locker. Man muss sich anpassen, egal wo man lebt.



90minuten: In der Türkei ist die Leidenschaft für den Fußball riesengroß, die Menschen leben für ihre Vereine. Wie gehst du damit um? Wie nimmst du diese Mentalität wahr?

Kara: Ich nehme es sehr positiv auf. In der Türkei ist alles sehr euphorisch und emotional. Hier steht jeder mit Fußball auf und geht jeder mit Fußball schlafen. In der Stadt sprechen dich die Leute an, wenn du ein Tor schießt, wenn du ein Tor verfehlst. Du wirst überall erkannt. Das war in Wien aber nicht anders (lacht). Hier in der Türkei sind sehr große Klubs, auch wir in Samsun haben gerade einen Schnitt von 25.000 bis 30.000 Heimfans.

90minuten: Im September 2023 bist du damals aus Orlando in die Türkei gewechselt. Wenn du jetzt zurückschaust, würdest du diese Entscheidung noch einmal so treffen?

Kara: Ich bereue nicht, was ich gemacht habe. Ich habe es damals aus einem Grund gemacht, wollte aus emotionalen und sportlichen Gründen etwas anderes machen. Ich habe meine Entscheidungen immer so getroffen. Sportlich hat es nicht so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt habe. So ehrlich muss man sein. Aber das war alles gestern, ich schaue auf morgen.

Natürlich gab es Interesse und die eine oder andere Sache, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Im Fußball weiß man nie, was morgen passiert.

Ercan Kara über einen möglichen Vereinswechsel

90minuten: Nach der 2. Liga, der Bundesliga und der MLS ist die Süper Lig nun die vierte Profiliga, in der du dich messen durftest. Was zeichnet den türkischen Fußball aus? Wie beurteilst du das Niveau?

Kara: Ich finde, es ist ein gutes Niveau.  Es ist natürlich auch ein anderer Fußball, der hier gespielt wird. In der Türkei ist der Fußball eher ergebnisorientiert, in Amerika war alles ein bisschen wilder. 

Das letzte Mal lief der Sturmhüne im November 2021 für Österreich auf. Abgeschlossen hat er mit dem Kapitel ÖFB-Team nicht.
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Das letzte Mal lief der Sturmhüne im November 2021 für Österreich auf. Abgeschlossen hat er mit dem Kapitel ÖFB-Team nicht.

90minuten: Inwiefern hast du dich in den letzten Jahren fußballerisch weiterentwickelt?

Kara: Natürlich habe ich das eine oder andere gelernt, was ich früher nicht gemacht habe. Jeder Trainer, mit dem du zusammenarbeitest, gibt dir etwas weiter, wenn du offen bist, etwas anzunehmen. Dadurch, dass ich diese Erfahrung mit Amerika und jetzt der Türkei gemacht habe, bekommt man sehr viele Informationen und Einblicke. Ich bin, wie man sagt, in meinen "glorreichen" Jahren. Ich bin gerade 29 und mit der Erfahrung und meinem Spielstil als Stürmer, glaube ich schon, dass jetzt die besten Jahre kommen.

90minuten: Dein letzter Einsatz für das ÖFB-Team liegt nun einige Jahre zurück. Stellt eine Rückkehr ins Nationalteam eigentlich ein Ziel für dich da?

Kara: Auf jeden Fall! Im Nationalteam zu spielen, war immer schön. Es gab viele tolle Momente und klar hofft man immer, wieder zurück ins Team zu kommen. Aber dafür muss man Leistungen bringen und jeden Tag arbeiten. Ins Nationalteam kommen gerade nur die, die wirklich gut performen. An das muss man wieder herankommen.

Rapid ist Ercan Kara nach wie vor tief verbunden. Die Entwicklung der Hütteldorfer imponiert ihm.
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Rapid ist Ercan Kara nach wie vor tief verbunden. Die Entwicklung der Hütteldorfer imponiert ihm.

90minuten: Zum Abschluss: Wie intensiv verfolgst du den SK Rapid seit deinem Abschied? Wie beurteilst die Entwicklung des Klubs, vor allem unter Trainer Robert Klauß?

Kara: Ich habe ja noch viele Freunde beim Verein. Wie ich verletzt war, habe ich mir in Wien auch ein Europacup-Spiel im Allianz-Stadion angeschaut. Da wurde ich sehr gut empfangen, auch von den Fans. Das war wirklich ein schönes Erlebnis für mich. Seitdem ich von Rapid weggegangen bin, habe ich nicht die Zeit gehabt, noch mal zurückzukehren. Das war das erste Mal, nachdem ich weg war, dass ich wieder im Allianz-Stadion war. Das war ein schönes Erlebnis.

Sie sind sehr erfolgreich. Ich finde, dass sie das derzeit richtig gut machen, auch mit dem neuen Trainer. Ich wünsche Rapid immer nur das Beste. Ich habe dem Verein sehr viel zu verdanken. 

90minuten: Da liegt natürlich eine Frage auf der Hand..... Könntest du dir vorstellen, nach Österreich und vor allem zum SK Rapid zurückzukehren? 

Kara: Natürlich.

90minuten: Danke für das Gespräch und alles Gute!


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