Donis Avdijaj: "Bin in der Blüte meiner Karriere, träumen ist erlaubt"
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Donis Avdijaj: "Bin in der Blüte meiner Karriere, träumen ist erlaubt"

Donis Avdijaj glänzt für den TSV Hartberg. Doch wohin kann es für den Offensivspieler gehen? Und wohin für die Oststeirer? 90minuten hat ihn zum Interview gebeten.

Die Vorschusslorbeeren waren zahlreich, als Donis Avdijaj vor ziemlich genau zehn Jahren von Schalke 04 zu Sturm Graz wechselte. Die Leihe sollte den Rohdiamanten schleifen und aus dem Talent einen Star machen. Es kam anders.

Heute spielt er beim TSV Hartberg und spielt am Platz die Stärken aus, die er schon damals in der Steiermark angedeutet hatte. Der FC Zürich zahlt 2022 dann sogar Ablöse, aber es bleibt dabei: Avdijaj fühlt sich auf steirischem Boden am wohlsten. 2023/24 hat er mit zwölf Toren und sechs Assists maßgeblichen Anteil an der Teilnahme am EC-Playoff. Und es läuft weiter für ihn. Zeit, mit ihm zu sprechen.

90minuten: Der TSV ist knapp hinter den Top 6. Fangen wir aber im Sommer an. Es gab eine Reihe an Abgängen.

Donis Avdijaj: Spieler, die gute Leistungen gebracht haben, sind gegangen. Aber es sind auch wichtige Säulen da geblieben und dazu gekommen. Wir haben meiner Ansicht nach an Qualität dazu gewonnen und somit konnten wir uns erwarten, diese Rolle zu spielen.

90minuten: Der Saisonstart war dann dennoch ein bisschen zach, dann ist auch Markus Schopp gegangen. Wie seid ihr damit umgegangen, wenn man sich denkt: Wir sind besser und jetzt haben wir keinen Ligasieg, dann geht auch noch der Coach.

Avdijaj: Das muss man von zwei Seiten betrachten. Es hat sich niemand gut und wohl mit den ersten Partien gefühlt. Aber die Auslosung war schon ein strammes Programm, mit LASK, Sturm, Austria und dann eigentlich auch Salzburg (Anm.: Das Spiel wurde auf Ansuchen der Salzburger verschoben). Diese Gegner haben alle den Anspruch, gegen uns zu gewinnen, aber wir haben uns schon mehr erhofft. Die Spiele waren dann auch sehr knapp, vor allem gegen den LASK. Sturm ist schon über uns zu stellen, das Duell mit der Austria hätten wir gewinnen müssen. Drei Topgegner zu Saisonbeginn, da muss man sich eben darauf einstellen, dass am Ende so wenig Punkte herausspringen.

Jeder Trainer hat seine Spielidee, sein System, seine Vorstellungen. Der eine kommt mehr über Gespräche mit einzelnen Spielern, der andere verbreitet Ruhe, ein anderer kommt über die Emotion.

Donis Avdijaj

90minuten: Dann kam Manfred Schmid, nachdem – das kann man so sagen – Schopp zu einem größeren Verein mit mehr Möglichkeiten gegangen ist. Wären die Siege auch mit dem alten Trainer gekommen?

Avdijaj: Da kann man jetzt natürlich viel hineininterpretieren. Aber der Verein hat mit Schopp viel Erfolg gehabt und er ist ein sehr guter Trainer, der die Chance wahrgenommen hat, den nächsten Schritt zu gehen und bei einem anderen Klub mit anderen Rahmenbedingungen zu arbeiten. "Manni" hat schon auch einen bisschen anderen Ansatz, aber er macht auch hervorragende Arbeit. Es ist schon ein Glück, dass auf einen so guten Trainer ein genauso guter folgt, vor allem für Hartberg. Der gibt alles und hilft uns extrem – ob es mit Schopp auch so gegangen wäre, kann man jetzt nicht sagen, aber es hätte auch so kommen können.

90minuten: Was unterscheidet die beiden denn, abgesehen von Systemfragen wie 3-5-2 und 4-2-3-1?

Avdijaj: Auch schwer zu sagen. Jeder Trainer hat seine Spielidee, sein System, seine Vorstellungen. Der eine kommt mehr über Gespräche mit einzelnen Spielern, der andere verbreitet Ruhe, ein anderer kommt über die Emotion. Jeder dieser oder aller anderen Ansätze hat seine Vorteile, also ist das Vergleichen schwierig.

90minuten: WAC-Präsident Dietmar Riegler meinte, Schmid sehe die Dinge zu positiv. Er war lange Co-Trainer, da ist aber auch der eine ein Kumpel, der andere ein harter Hund.

Avdijaj: Das ist ja ein positiver Aspekt und es gibt, wie gerade gesagt, viele verschiedene Ansätze, einer kommt mehr mit Autorität, der andere über Kommunikation. Gebraucht wird beides. Ich kann dazu nur sagen, dass ich als erfahrener Spieler absolut zufrieden mit "Manni" bin. Er hat schon Titel gewonnen und große Namen trainiert. Das zeigt, was er schon geleistet hat. Er ist also zwar schon ein positiver Mensch, aber er redet nicht alles schön, wenn es nicht läuft. Wir sind alle extrem zufrieden.

In der Steiermark klappte es für Donis Avdijaj bislang gut, andernorts leider weniger
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In der Steiermark klappte es für Donis Avdijaj bislang gut, andernorts leider weniger

90minuten: Schauen wir uns also das Sportliche an. Der TSV ist ein kleiner Verein, man spielt dennoch ansprechenden Fußball, bringt immer wieder Spieler nach oben. Erfolg definiert sich da sehr unterschiedlich. Aufgrund des Budgets ist schon ein Nicht-Abstieg ein Erfolg, in den letzten Jahren hatte man damit nichts zu tun, war im Europacup-Playoff und sogar in der Meistergruppe. Was macht dieser Verein anders als andere in dieser Preisklasse?

Avdijaj: Was den TSV Hartberg auszeichnet, ist den Umständen geschuldet. Im Vergleich zu anderen Vereinen ist es infrastrukturell anders als bei den anderen Klubs. Also braucht es Zusammenhalt und Teamgeist. Das zur Verfügung stehende Spielermaterial ist natürlich auch maßgeblich am Erfolg beteiligt. Manchmal liegt die Wahrheit auch einfach am Platz und wenn man es schafft, eine Mannschaft mit Qualität zusammenzustellen, kommt der Erfolg.

90minuten: Walter Kogler hat mir neulich gesagt, dass es in Wolfsberg auch ruhiger ist, vielleicht entfaltet sich der eine oder andere Spieler in ruhigerem Umfeld auch besser als in der großen Stadt.

Avdijaj: Auch das hat Vor- und Nachteile für die Spieler. Hier hat man die große Chance auf die höchste Spielklasse in Österreich, die Liga entwickelt sich immer besser. Bei Max Entrup sieht man ja, wie man hier aus dem Nichts noch einmal eine Chance bekommt. Diese Ruhe bedingt, dass es weniger Druck gibt, man kann hier auch zwei, drei schlechtere Spiele haben, da geht es woanders schon drunter und drüber. Für viele junge Spieler ist das sicherlich ein Vorteil, sich ganz darauf zu fokussieren, es im nächsten Spiel besser zu machen und sich auf höchster Ebene zu entwickeln.

90minuten: Du bist vor fast zehn Jahren als Supertalent zu Sturm gekommen. Schalke und Sturm, das sind in den jeweiligen Ländern Riesenvereine, könnten die etwas von Hartberg lernen, damit sich Talente besser entfalten können?

Avdijaj: Natürlich wäre es gut, wenn es überall so laufen könnte, aber es hat sich schon auch viel geändert. Vieles kommt von außen rein, eben auch je größer der Verein ist. Und wegen Social Media gibt es auch überall die Möglichkeit, Dinge rein zu tragen. Junge Spieler wollen dann auch Eindrücke von sich preisgeben, aber es braucht auch einen Schutzmechanismus, weil sie nicht so die Erfahrung haben, um Situationen richtig einzuordnen. Umgekehrt werden die Spieler auch immer früher besser betreut. Das finde ich wiederum positiv.

Aber der Erfolgsdruck, der auf großen Vereinen lastet, gehört zum Geschäft dazu. Also kann man schon ein rosa Bild malen, aber diese Seite muss man schon auch sehen. Und bei so großen Vereinen mit so einer großen Fanbase kann der Verein ja gar nicht immer und überall auf die einzelnen Spieler aufpassen.

Ich will das jetzt nicht falsch verstanden wissen, aber wir haben Qualität in der Truppe und es ist viel möglich, wenn wir die Leistung auf den Platz bringen.

Donis Avdijaj

90minuten: Du wirst dir ja auch gedacht haben, du wirst mit Schalke deutscher Meister. Was hättest du denn konkret gebraucht, um vom guten Fußballer wirklich zu dem Star zu werden, den die Öffentlichkeit damals in dir sehen wollte?

Avdijaj: Ich kann dir nicht sagen, wie die Vereine das handeln sollen. Meine Wunschvorstellung ist schon, dass die jungen Talente vorab sehr viel Struktur und Schulung erhalten. Die Vereine sollen dafür sorgen, dass die Jungen Spielpraxis bekommen, um sich zu entfalten, sei es im Verein oder per Leihe. Umgekehrt müssen auch die Spieler wissen, was ihre Ziele sind und was sie tun müssen, damit sich diese verwirklichen.

So kann er bestmöglich aufgebaut werden und für seinen Verein an seine Leistungsgrenze gehen. Das ist aber ein Bestfall-Szenario. Weil jeder Verein, egal ob oben oder unten in der Tabelle, hat Druck.

90minuten: Wie bringst du dich da ein? Es gibt ja Kicker wie Furkan Demir oder Justin Omoregie, die gerade auf Leihe sind und große Ziele mit Rapid und Salzburg haben.

Avdijaj: Junge haben natürlich auch großen Respekt. Es ist wichtig, dass man die Spieler aufnimmt und ihnen mitgibt, was man erlebt hat. Ich sehe es als meine Aufgabe, dass sie immer zu mir kommen können und sie nutzen das auch, nehmen die Möglichkeit, immer Fragen stellen zu können, wahr.

90minuten: Wie schaut es hinsichtlich deiner Zukunft aus? Du wirst im Sommer 29 Jahre alt, der Vertrag läuft bis Saisonende.

Avdijaj: Ich habe in den letzten zwei Monaten wenig darüber nachgedacht. Für mich war die Hauptpriorität, möglichst viele Spiele auf höchster Ebene zu machen, es hat eine gewisse Kontinuität gebraucht. Es ist auch kein Geheimnis, dass ich in den letzten Sommern mehrere Möglichkeiten hatte, wo ich hingehe. Ich fühle mich in Hartberg aber wohl und kann mich entfalten.

Man sieht ja auch, dass es für mich richtig gut läuft – was also passieren wird, werde ich mit meinen Leuten besprechen. Die Saison ist grandios, ich bin in der Blüte meiner Karriere in einem Topalter und träumen ist ja immer erlaubt.

Avdijaj steht mehr im Fokus als andere Kicker, bei ihm werden Worte auf die Waagschale gelegt
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Avdijaj steht mehr im Fokus als andere Kicker, bei ihm werden Worte auf die Waagschale gelegt

90minuten: Klagenfurt, Altach, WAC, Rapid, Blau-Weiß. Träumen wir gemeinsam, weil wenn man sich teilweise deren Leistungen ansieht, kann sich das mit der Meistergruppe ja ausgehen.

Avdijaj: Ich will das jetzt nicht falsch verstanden wissen, aber wir haben Qualität in der Truppe und es ist viel möglich, wenn wir die Leistung auf den Platz bringen. Das sind alles schlagbare Gegner. Beziehungsweise: An einem guten Tag kannst du alle schlagen, aber du kannst an weniger guten Tag gegen alle verlieren. Wir haben die Qualität, gegen jede Mannschaft zu bestehen, wenn wir das absolute Leistungsmaximum an jedem Spieltag erreichen. Es ist aber natürlich wichtig, nach oben zu schauen.

90minuten: Lieber Cupfinale oder Meistergruppeneinzug?

Avdijaj: Ich sag’ ganz ehrlich: am besten beides. Im Cup bietet sich dieses Jahr eine sensationelle Möglichkeit, auch wenn wir ein sehr schweres Auswärtsspiel bei der Austria haben, die auch zu hundert Prozent ins Finale will. Aber auch hier gilt: Ich halte alle Teams im Halbfinale für schlagbar. Das hat sich in dieser Saison schon gezeigt.

90minuten: Ich weiß nicht, ob du Skifahren schaust, aber am vergangenen Sonntag meinte Hannes Trinkl, Abfahrtsweltmeister von 1991, dass er daran nicht mehr denkt. Was würde ein Cuptitel für dich bedeuten, vor allem im Vergleich dazu, in der Meistergruppe beispielsweise Vierter zu werden?

Avdijaj: Ein Titel ist ein Titel und das ist schon ein Riesentraum für jeden Verein, jede Mannschaft und jeden Spieler. Aber der 2. April ist noch weit entfernt, jetzt geht es einmal um die Meisterschaft.

90minuten: Insofern spricht ja nichts dagegen, dass Hartberg nächstes Jahr Europacup spielt.

Avdijaj: Wie schon gesagt: Die Liga hat extrem an Qualität gewonnen. Jeder kann jeden schlagen, alle sind für Überraschungen gut. Man darf deshalb auch keine einzige Sekunde von dem Leistungsmaximum runtergehen.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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