Der Conference League Showdown zwischen dem LASK und Cercle Brügge (Donnerstag, ab 21 Uhr im LIVE-Ticker) kann eine Vorentscheidung über den Einzug in die nächste Runde bringen. Für die Belgier an der Seitenlinie steht der Österreicher Miron Muslic, der im September 2022 die Nachfolge von Dominik Thalhammer antreten durfte.
Der 54-Jährige war zuvor schon in Linz tätig, kennt also beide Vereine gut. Im 90minuten-Interview sieht er das Kräfteverhältnis beider Vereine nahezu ausgeglichen, hat aber vor allem für einen besonders viel Lob zu vergeben:
90minuten: Am Donnerstag kommt es in Linz zum Duell zwischen dem LASK und Cercle Brügge, sie waren in den letzten Jahren für beide Vereine als Trainer tätig. Sind Sie im Stadion dabei?
Dominik Thalhammer: Ich werde im Stadion sein, Sky hat mich eingeladen, als TV-Experte mitzuwirken.
90minuten: Wären Sie auch ohne diese Einladung vor Ort dabei? Wie groß ist Ihr Interesse am Spiel?
Thalhammer: Es interessiert mich schon sehr. Nach 10 Jahren beim ÖFB war der LASK mein erster Profiverein seit langem. Cercle Brügge war meine erste Auslandsstation. Ich habe meine Zeit bei beiden Vereinen sehr genossen und fühle mich beiden verbunden.
90minuten: Wie eng ist denn das Verhältnis zu den Vereinen noch? Sie waren bei beiden grob überschlagen ein Jahr, da baut man schon einige Beziehungen auf, nehme ich an.
Thalhammer: Beim LASK hat sich natürlich viel verändert, auch mit Blick auf die handelnden Personen, das muss man schon sagen. Auch viele Spieler, die zu meiner Zeit noch da waren, sind es inzwischen nicht mehr. Bei Cercle war es schon etwas konstanter und stabiler, was die handelnden Personen betrifft. Vielleicht ist das im Spiel auch ein kleiner Vorteil für Cercle Brügge.
Der LASK ist in einer Findungsphase und muss sich entscheiden, in welche Richtung es gehen soll.
90minuten: Ich habe nachgezählt, es stehen noch fünf Spieler im Profikader, die auch im September 2021 für die erste Mannschaft aktiv waren. Es gab immer wieder Umbrüche. Mit Markus Schopp wurde zuletzt auch der fünfte Trainer innerhalb dieser drei Jahre verpflichtet. Wieso kommt der LASK nicht zur Ruhe?
Thalhammer: Den LASK hat lange eine gewisse Identität ausgezeichnet. Es war klar, wie man spielen will und welche Spieler man dafür braucht. Natürlich kann mangelnde Konstanz im Trainerbereich Probleme mit sich bringen. Man will eine Mannschaft und Spieler entwickeln, wenn ständig neue Ideen hineingebracht werden, ist das nicht einfach.
Für Vereine ist es wichtig, Klarheit zu haben. Vielleicht auch eine Identität, damit Fans und Sponsoren spüren, wofür der Verein steht und welche Werte er verkörpern will. Da ist der LASK in einer Findungsphase und muss sich entscheiden, in welche Richtung es gehen soll.
90minuten: Jetzt nehme ich an, dass auch die Verantwortlichen im Verein wissen, dass mehr Kontinuität mit Sicherheit helfen würde. Warum ist die Umsetzung dann so schwierig?
Thalhammer: Das ist eine Frage, die die handelnden Personen wahrscheinlich besser beantworten können. Der Trainer spielt natürlich eine wesentliche Rolle. Wenn man auf die österreichische Bundesliga schaut und sieht, welche Vereine erfolgreich sind, fällt mir natürlich in erster Linie Sturm Graz mit Christian Ilzer. Auch Austria Klagenfurt mit Peter Pacult wäre ein Beispiel.
Aus meiner Erfahrung bin ich absoluter Gegner davon, die Positionen Trainer und Sportdirektor zu vereinen.
90minuten: Spannend ist ja, dass Markus Schopp - wie Sie damals - eine Doppelrolle als Trainer und Sportdirektor einnimmt. Von diesem Modell hatte sich der Verein ja in den letzten Jahren eigentlich distanziert. Kann dieser Ansatz Ihrer Erfahrung nach funktionieren?
Thalhammer: Es ist natürlich wichtig, dass der Trainer in gewisse Entscheidungen eingebunden ist, vielleicht sollte er sogar ein Vetorecht haben. Wenn man seinen Job wirklich gut machen will, muss man sich meiner Meinung nach aber auf das Eine oder das Andere konzentrieren. Mit Transfers alleine ist es ja nicht getan.
Wer gibt die strategische Ausrichtung im Verein vor? Wer bestimmt, wie Strukturen und Spielidee weiterentwickelt werden? Wer ist dafür zuständig, Leistung zu beurteilen? Das sind große Aufgabenfelder - wenn man sie in Form von Job Descriptions definieren würde, halte ich es für unmöglich, beides gleichzeitig zu machen. Wenn im Hintergrund jemand diese Aufgaben übernimmt, ist es wieder eine andere Sache. Es kommt auf die Definition an, was die Aufgaben eines Sportdirektors in einem Verein sind.
90minuten: Ich kann mir vorstellen, dass es in einem größeren Verein mit dem LASK auch deutlich schwieriger ist, dermaßen viele Aufgaben zu übernehmen. In Hartberg sind die Strukturen zum Beispiel viel kleiner, die Wege vielleicht kürzer.
Thalhammer: Wenn ich ehrlich bin, glaube ich, dass es auch bei kleinen Vereinen nicht funktionieren kann. Aus meiner Erfahrung bin ich absoluter Gegner davon, diese Positionen zu vereinen. Wenn es nur darum geht, Spieler zu verpflichten, kann man das vielleicht mit einer guten Scouting-Abteilung bewerkstelligen. Wenn man es als strategische Position sieht, die einen Verein weiterentwickeln soll, ist es nicht machbar, egal ob man bei Hartberg oder beim LASK tätig ist.
90minuten: Kann man es sein, dass es bei diesem Thema auch um die Außendarstellung geht? Der Trainer bekommt auf dem Papier mit einer Doppelfunktion mehr Verantwortung, in der öffentlichen Wahrnehmung spielt das schon eine Rolle. Intern kann man die Aufgaben dann immer noch anders verteilen.
Thalhammer: Das kann schon sein. Wenn es nur darum geht, nach außen zu zeigen, dass der Trainer mitreden kann, ist das okay. Es braucht im Verein aber eine Person, die an die nächsten fünf bis zehn Jahre denkt. Da geht es um Nachwuchsmannschaften, um die Durchlässigkeit zu den Profis, um Aufgabenverteilung und viele interne Prozesse. Das ist ein absoluter Full Time Job.
90minuten: Bei Ihnen war es zum Beispiel auch das Thema Frauenfußball, das LASK-Team wurde in Ihrer Amtszeit als Sportdirekt gegründet und ist inzwischen in die Bundesliga durchmarschiert. Ist das rückblickend etwas, worauf Sie stolz sind?
Thalhammer: Mir ist der Frauenfußball natürlich sehr wichtig, das Projekt finde ich sehr gut. Ich möchte mir das aber gar nicht auf die Fahne heften, weil andere Leute den Großteil der Arbeit gemacht haben. Der Job als Trainer ist unglaublich fordernd, man sitzt bis spät am Abend daran. Für andere Bereiche bleibt dann leider wenig Zeit.
90minuten: Neben dem LASK hat auch der SK Rapid inzwischen ein Frauenteam gegründet. Ist es wichtig, dass sich renommierte Vereine auch im Frauenfußball etablieren?
Thalhammer: Es ist immer die Frage, ob man es aus einem Leidensdruck heraus macht, weil es gerade gefordert wird, oder ob man wirklich dahinter steht, weil es einem ein Anliegen ist. Man weiß, dass die Fankultur im Frauenfußball eine andere ist, es ist vielleicht auch ein Weg, neue oder andere Leute für den Verein zu gewinnen. Ich kann mich erinnern, dass wir beim ÖFB schon 2018 oder 2019 darüber gesprochen haben, dass sich etwas tun muss. Seitdem sind mehrere Jahre vergangen, viel getan hat sich in dieser Zeit aber nicht.
Der wichtigste Faktor bei Cercle ist der Verein selbst: Ich kenne nur wenige Klubs, die so klar definieren, was sie wollen.
90minuten: Kommen wir noch einmal zum Spiel zwischen LASK und Brügge. Miron Muslic ist jetzt seit längerer Zeit Cheftrainer der Belgier, sie haben davor zusammen bei Cercle gearbeitet. Wie sehen Sie seine Entwicklung?
Thalhammer: Man sieht einfach, dass Trainer in gewissen Settings gut und in anderen weniger gut passt - in Ried hat es zum Beispiel nicht funktioniert. Der wichtigste Faktor ist aber der Verein selbst: Ich kenne nur wenige Klubs, die so klar definieren, was sie wollen. Wenn ich mich an den Rekrutierungsprozess rund um meine Person erinnere, zum Beispiel. In Österreich treffen sich Verantwortliche vielleicht einmal mit einem Trainer, sprechen oberflächlich über Fußball und dann wird man vielleicht Trainer - das gilt natürlich nicht für alle Vereine, einige machen das sehr professionell.
Bei Cercle gibt es wirklich klare Strukturen, man weiß genau, wofür man steht, wie man spielen will. Nach drei oder vier Jahren ist es vielleicht ein bisschen eindimensional, weil das System extrem auf Pressing ausgelegt ist. Aus meiner Sicht müsste man sich mittlerweile weiterentwickeln, weil das Spiel mit dem Ball eher einfach gehalten und sehr direkt ist. Aber die Spieler wissen mit einer hundertprozentigen Klarheit, was sie zu tun haben. Was in Brügge auch sehr positiv ist: Spieler werden stark in ihren Entwicklungsprozess einbezogen. Es wird festgelegt, was wie in den nächsten Monaten erreicht werden kann und soll. Dazu kommt die starke Physis: 2021 waren wir die beste Mannschaft Belgien, was die physische Kapazität betrifft. Man kann es sich so vorstellen, dass die Spieler von Cercle um 40 bis 50 Prozent mehr hochintensive Läufe machen können, als ein Gegner in der Liga.
Diese Stärke, gepaart mit dem Pressing, gibt dem Verein ein klares Profil. In diesem Profil kann man sich als Trainer sehr gut bewegen, das zeichnet diesen Verein aus. Wenn ich an den LASK denke, war es in letzter Zeit nicht mehr so klar, wofür er steht. Aber auch bei Cercle Brügge gibt es Schwierigkeiten, zum Beispiel mit dem Partnerklub AS Monaco.
Wir hatten einen Leihspieler aus Monaco. Er war nicht fit, ich wollte ihn nicht aufstellen. Mir wurde dann aber nahegelegt, dass dieser Spieler spielen muss.
90minuten: Wie äußern sich diese Schwierigkeiten?
Thalhammer: Monaco versucht immer wieder, auf Cercle einzuwirken. Ich kann mich an meine Zeit erinnern: Wir hatten einen Leihspieler aus Monaco. Er war nicht fit, ich wollte ihn nicht aufstellen. Mir wurde dann aber nahegelegt, dass dieser Spieler spielen muss. Ich weiß, dass es erst vor kurzem wieder eine gewisse Problematik gab. Cercle ist ein einer Krise gesteckt, dann wurde seitens Monaco die mangelnde Rotation angesprochen mit der Kritik, dass sich der Trainer in Europa profilieren will und dann dort nicht rotiert. Jetzt hat sich das wieder beruhigt, hin und wieder gibt es aber Spannungen.
90minuten: Eine wesentliche Frage ist ja, wie man erfolgreiche Strukturen in einen Verein hinein bekommt. Wie ist das in Brügge gelungen?
Thalhammer: 2021 hat man sich auf einen totalen Paradigmenwechsel festgelegt. Weg vom belgischen Stil mit viel Ballbesitzfußball, der aber die Defensive außer Acht gelassen hat. Paul Mitchell war damals Sportdirektor bei der AS Monaco und hat gewisse Connections zu Red Bull. Es war schon die Idee, in diese Richtung zu gehen, mit einem klaren System, das es braucht, um Erfolg zu haben. Bei Cercle war Carlos Aviña als Sportdirektor zuständig. Bevor ich zum Verein gekommen bin, gab es dort einen belgischen Trainer, der den Fußball ein bisschen anders gesehen hat. Dann haben wir umgestellt, ich kann mich erinnern: Die Mannschaft lag auf Tabellenplatz 17, wir haben dann sieben oder acht Spiele in kurzer Zeit gewonnen.
90minuten: Über einen nicht zustande gekommenen Wechsel zum FC Barnsley wurde vor einigen Monaten viel berichtet. Wie sehen Ihre Zukunftspläne derzeit aus?
Thalhammer: Der Trainerberuf ist für mich schon eine Passion und reizt mich sehr. Nebenbei habe ich in den letzten Monaten aber Projekte gestartet, bei denen es um strategisches Consulting für Vereine geht. Diese Ebene finde ich spannend, weil das Business oft sehr kurzfristig denkt. Ich glaube, dass es wichtig ist, Kontinuität und Qualitätssicherung in die Vereine zu bringen.
90minuten: Gibt es da schon Kontakte mit Vereinen?
Thalhammer: Da gibt es schon Verbindungen, auch zu Multi-Club-Ownerships, weil das natürlich auch für solche Institutionen sehr spannend sein kann.
90minuten: Ich nehme an, um welche Vereine es geht, werden Sie mir nicht verraten?
Thalhammer: Nein, das kann ich leider nicht.
Wir danken für das Gespräch!