David Schnegg startet am kommenden Wochenende mit D.C. United in die MLS-Saison 2025.
Nach zwei sagenhaften Jahren beim SK Sturm Graz entschied sich der 26-Jährige im vergangenen Sommer zu einem Wechsel nach Washington D.C.
Mit dem Schritt erfüllte sich der Tiroler einen lang gehegten Traum, sah sich allerdings bald mit Herausforderungen konfrontiert.
90minuten hat mit dem USA-Legionär gesprochen.
VIDEO: Die größten One-Season-Wonder
90minuten: Am Samstag ist es soweit! Die MLS-Saison 2025 geht los. Wie geht es dir? Wie groß ist die Vorfreude?
David Schnegg: Sehr gut. Wir haben eine lange Vorbereitung hinter uns. Ich bin sehr happy, dass die jetzt einmal vorbei ist. Die Mannschaft ist sehr gut drauf und ich bin schon bisschen aufgeregt, weil es jetzt endlich losgeht.
90minuten: Bei Sturm verliefen die Vorbereitungen unter Christian Ilzer ja bekanntlich ziemlich intensiv. Wie ist es dir in den letzten Wochen ergangen?
Schnegg: Ja, bei Sturm waren die Vorbereitungen immer hart. Wir haben aber einen Athletiktrainer von Burnley aus der Premier League geholt, in Sachen Intensität standen die letzten Wochen dem nichts nach (lacht). Das war richtig zach. Aber ich fühle mich gut.
90minuten: Nach deinem Wechsel im Sommer 2024 hast du deine erste Halbsaison in der MLS bereits hinter dir. Du hattest im Herbst mit einer Verletzung zu kämpfen, bist bis zum Ende der Regular Season nur auf zwei Einsätze gekommen. Wie bewertest du deine ersten Monate in den USA?
Schnegg: Abseits vom Fußball war die Zeit wirklich überragend. Was ich jetzt schon alles gesehen habe, was ich für Connections knüpfen konnte. Der Lifestyle hier taugt mir extrem. Vom Fußball her war es eine sehr lehrreiche Zeit, weil ich meine erste große Verletzung hatte. Ich hatte einen Muskelriss in der Wade, musste acht Wochen pausieren. Da habe ich jetzt auch mal durchmüssen. Aber nach der langen Pause ist jetzt alles richtig ausgeheilt, ich kann meiner Wade wieder zu 100 Prozent vertrauen. Umso mehr freu' ich mich jetzt.
Schneggs Tor beim MLS-Debüt gegen Dallas:
90minuten: Wie kam es im vergangenen Sommer zu deinem Abschied? Welche Gründe haben den Ausschlag gegeben?
Schnegg: Die zwei Jahre bei Sturm waren wirklich überragend. Im Fußball sagt man das immer so leicht, aber es war wirklich eine unvergessliche Zeit. Ich denke auch jetzt noch oft an das letzte Spiel, als wir den Titel geholt haben, die beiden Cup-Titel. Auch die anderen Spieler, die gewechselt haben, sagen das. Ehrlich gesagt wollte ich trotzdem wieder etwas anderes erleben. Ich wollte immer schon nach Amerika während meiner Karriere. Schon ein Jahr zuvor war ich bereits mit einem MLS-Klub in Kontakt. Das ist dann aber nicht zustande gekommen. Mit D.C. United hat dann einfach alles gut zusammengepasst.
90minuten: Hattest du auch andere Optionen oder warst du dir mit dem Schritt in die USA ganz sicher?
Schnegg: D.C. United war schon länger an mir dran. Ich habe den Vertrag schon ein, zwei Wochen vor Saisonende unterschrieben. Das wollten wir eigentlich nur noch keinem mitteilen, weil noch so viele wichtige Spiele vor uns waren. Ich wollte ja nicht, dass dann die Fans glauben, dass ich da nicht mehr konzentriert war. Wie gesagt, am Schluss ist ja Gott sei Dank alles perfekt gekommen.

90minuten: Mit dem Double-Gewinn im Gepäck hättest du wirklich kaum einen besseren Zeitpunkt für deinen Abschied erwischen können. Hat es dir dennoch Überwindung gekostet, auf die Champions League mit Sturm Graz zu verzichten?
Schnegg: Es gibt so viel, was richtig cool war bei Sturm Graz und was ich immer noch vermisse. Die Champions League war dann für mich eigentlich kein Grund zu bleiben. Man sagt das immer so leicht im Fußball, aber es war wirklich wie eine Familie in der Zeit: Von den Zeugwarten über die Physios und das ganze Büro. Wenn man denkt, wie oft wir zusammengesessen sind, egal ob vor oder nach dem Training. Das war eigentlich der schwierigste Part. Ich sehe da immer das Positive. Es war für jeden eine geile Zeit. Für jeden Fan, für jeden Spieler.
90minuten: Für dich ist es nach deinem Jahr in Italien das zweite Auslandsengagement. Wie ist es dir mit der Anpassung und dem Einlebungsprozess ergangen?
Schnegg: Für mich war der Schritt viel einfacher als der Schritt nach Italien. Ich bin damals alleine hin, hatte anfangs wirklich Probleme mit der Sprache. Ich hatte dort (bei Venezia und Crotone, Anm.) drei Trainer und keiner hat Englisch gesprochen. Da war es auch nicht so, dass man gesagt hat, du kannst dir die Zeit nehmen, bis du Italienisch lernst. Entweder du funktionierst, oder du spielst nicht. Hier kann ich die Sprache und habe sofort einen Anhang mit der Mannschaft gehabt. Die Mannschaft heuer erinnert mich vom Zusammenhalt her wirklich an die Sturm-Zeit. Da sind wirklich viele coole Typen dabei. Meine Freundin ist ja aus New York, die hat die ganze Family da. Das passt alles super.
90minuten: Von Graz in eine Weltmetropole wie Washington D.C.: Wie groß war der Kulturschock für dich?
Schnegg: Ich war ja schon öfters in New York bei meiner Freundin. Das war für mich schon brutal. Ich habe eigentlich schon immer gesagt, dass ich dort unbedingt mal leben will. Das Leben hier ist für mich perfekt eigentlich. Du bist in zwei Stunden mit dem Flieger in Miami, in einer Stunde in New York, du bist gleich mal in Texas oder auf den Bahamas. Das taugt mir extrem.
90minuten: Du hast ja auch die US-Wahl im November hautnah miterlebt...
Schnegg: Gerade die Zeit, wo es wirklich um die Election gegangen ist, war schon heftig. Washington ist ja sehr liberal, und da kriegt man natürlich viele Sachen mit. Man schaut sich mal die ganzen Debatten an, in Österreich hört man ja nur Ausschnitte. In Amerika ist gefühlt jeder Präsident, jeder hat seine eigene Meinung, aber das hat schon eine andere Tragweite als bei uns.
90minuten: Zurück zum Sport: Welchen fußballerischen Eindruck hast du bis jetzt von der MLS gewinnen können? Wie bewertest du das Niveau?
Schnegg: Ligen zu vergleichen, ist immer schwer. Es gibt sehr, sehr viele gute Spieler in Amerika, die individuelle Qualität ist hoch. Was vielleicht ein bisschen vernachlässigt wird, ist Taktik und Defending. Aber es wird immer mehr Geld investiert, es werden viele Trainer aus Europa geholt, es wird viel mehr auf Taktik gesetzt. Die Spiele jetzt schauen mittlerweile einfach viel besser aus, als noch vor ein paar Jahren.
90minuten: Auch die Fan- und Stadionkultur in den USA ist eine andere als in Europa. Bei deinem MLS-Debüt durftest du ja bereits dein erstes Tor vor den Fans bejubeln.
Schnegg: Mit Sturm Graz kann man es auf jeden Fall nicht vergleichen. Das ist auch schwierig. Letztes Jahr war ja wirklich jedes Spiel ausverkauft. Hier ist es eher so, das Stadion ist ausverkauft, aber die Leute kommen eher zum Fußball schauen. Die Leute machen sich einen schönen Tag, trinken und essen was. Aber es ist nicht so, dass man hinter dem Tor eine Kurve mit 10.000 Fans, Fangesängen und Pyrotechnik hat.
Fußballprofi ist der beste Job der Welt, wenn man fit ist und spielen kann. Wenn man dann wirklich 9 Wochen verletzt ist und von außen zuschauen muss, dann ist es wohl einer der schlechtesten.
90minuten: Wie siehst du den Verein sportlich aufgestellt? Was traust du euch zu und welches Ziel hat der Klub eigentlich ausgegeben für das Jahr?
Schnegg: Die Playoffs sind das Minimalziel, das müssen wir erreichen. Wir haben zwölf neue Spieler geholt – die "neue" Mannschaft kann man nicht vergleichen mit der von letztem Jahr. Ich traue uns alles zu, weil wir wirklich eine gute Mannschaft sind.
90minuten: Mit einem Christian Benteke habt ihr auch einen ehemaligen Weltklasse-Stürmer in euren Reihen.
Schnegg: Ja, genau. Ich hoffe aber, dass wir zeigen können, dass nicht unbedingt der teuerste Kader die beste Mannschaft stellt.
90minuten: Welche Ziele steckst du dir persönlich? Wie willst du dich fußballerisch weiterentwickeln?
Schnegg: Ich will jetzt unbedingt wieder in den Rhythmus kommen, 90 Minuten spielen und fit bleiben. Das ist die oberste Priorität für mich. Ich habe noch nie in meiner Karriere so eine Verletzung gehabt und ich hoffe, dass ich von dem verschont bleibe. Fußballprofi ist der beste Job der Welt, wenn man fit ist und spielen kann. Wenn man dann wirklich neun Wochen verletzt ist und von außen zuschauen muss, dann ist es wohl einer der schlechtesten.
90minuten: In den kommenden Wochen triffst du mit D.C. United auch auf echte Schwergewichte. Wie groß ist die Vorfreude auf Duelle mit Lionel Messi, Luis Suarez und Co.?
Schnegg: Das sind dann die Spiele, die man spielen will als Spieler. Jetzt am Wochenende geht’s gegen Toronto, die haben Spieler wie Bernardeschi, Insigne. Das sind Weltstars. Jede Mannschaft hat richtig gute Spieler, das ist nicht nur Miami.

90minuten: Deinen bisher einzigen Einsatz für das ÖFB-Team hast du im September 2023 absolviert. Spielt das Nationalteam in deinen Zielen und Träumen aktuell eine Rolle?
Schnegg: Ich mache mir keine Gedanken, weil es nichts ist, das ich beeinflussen kann. Ich muss meine Leistung beim Verein bringen. Wenn der Trainer die Liga sieht und anruft, natürlich sagt man nicht nein. Aber das ist kein Thema, worüber ich mir Gedanken mache.
90minuten: Im Anschluss an dein Debüt beim 1:1-Remis im Testspiel gegen Moldawien hat Ralf Rangnick im Rahmen einer Pressekonferenz deine Fitness beanstandet. Mit welchen Gefühlen blickst du auf diese Causa zurück?
Schnegg: Schwierig zu sagen. Meine Handys sind durch die Decke gegangen, auf Social Media haben all die "Teamchefs" ihre Meinung abgegeben. Das war wirklich eine Zeit, die nicht ohne war. Man kann es nicht mehr ändern. Ich bin aber ein Mensch, der dann schnell nach vorne schaut. Hätten wir das Spiel gegen Moldawien einfach gewonnen, dann hätte wahrscheinlich keiner darüber gesprochen. Vielleicht hat mich das aber in der restlichen Saison stärker gemacht.
90minuten: Hat es seitdem noch Kontakt mit dem Teamchef gegeben?
Schnegg: Wir haben dann am nächsten Tag dann noch kurz darüber geredet, aber seitdem gab es dann keinen Kontakt mehr.

90minuten: Wie intensiv verfolgst du Sturm seit deinem Abschied? Wie beurteilst du die sportlichen Entwicklungen im Herbst und nach der Winterpause?
Schnegg: Ich schaue fast jedes Spiel, das passt zeitlich fast immer perfekt. Ich glaube an die Mannschaft. In der Champions League haben sie zwei Siege geholt, die Cup-Partien nach der Winterpause sind nie einfach. Die Ansprüche sind aufgrund der Erfolge einfach gestiegen. Aber sie sind immer noch der Tabellenführer. Jeder, der die Liga ein bisschen verfolgt, weiß, es zählt dann, wenn die Punktverteilung kommt. Ich traue ihnen auf jeden Fall die Meisterschaft zu.
90minuten: Wie beurteilst du die Verpflichtung von Jürgen Säumel als Nachfolger von Christian Ilzer?
Schnegg: Er ist ein super Typ und ein guter Trainer. Er hat auch selbst eine richtig gute Karriere gehabt.
90minuten: Zum Abschluss: Hast du Träume oder Ziele, die dich auf lange Sicht antreiben?
Schnegg: Ich bin eigentlich noch ein neuer Spieler in der Liga. In Amerika wird ja nach der Saison das All-Star-Team gewählt. Das wäre auf jeden Fall eine persönliche Auszeichnung. Natürlich will ich versuchen, mit dem Verein Titel zu gewinnen. Das Gefühl schmeckt einfach richtig gut. Der Rest ergibt sich, da denke ich jetzt wirklich gar nicht dran.
90minuten: Alles Gute und Dankeschön!