Christoph Klarer: "Wenn wir kommen, ist es das Spiel des Jahres"
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Christoph Klarer: "Wenn wir kommen, ist es das Spiel des Jahres"

Aus der Deutschen Bundesliga in die 3. Liga Englands - die Entscheidung von ÖFB-Legionär Christoph Klarer hat im Sommer für Fragezeichen gesorgt. Im 90minuten-Interview steht er Rede und Antwort.

90minuten: Bevor wir zu deinem Wechsel im Sommer kommen, würde ich gerne einen kurzen Rückblick machen. Es wird gerne vergessen, aber du hast schon einmal in England gespielt. Wie nah warst du schon bei Southampton am Sprung in die Premier League? Als U18-Kapitän macht man sich wahrscheinlich schon Gedanken in diese Richtung.

Christoph Klarer: Ich war damals noch sehr jung, vielleicht 18 oder 19. Der Sprung aus den Nachwuchsligen ist wirklich groß, vor allem auf meiner Position, die ja mit viel Verantwortung und Druck verbunden ist - ich war damals einfach noch nicht weit genug, um meine Leistungen konstant abrufen zu können. Das habe ich auch eingesehen, so realistisch war ich.

Dazu kam ja, dass der Verein mit der Zeit auch immer mehr gegen den Abstieg spielen musste. Einen Flügelspieler oder einen Stürmer wirft man schon einmal hinein, einen Innenverteidiger eben nicht. Auf diesem Level wird jeder Fehler bestraft, das wäre sich einfach noch nicht ausgegangen. Das ist wahrscheinlich auch kein Genickbruch, wenn man als 18-Jähriger noch nicht bereit für die Premier League ist. 

90minuten: Die Einschätzung trifft es wahrscheinlich gut. Du hast zum Beispiel mit Nathan Tella, Michael Obafemi und Jan Valery gespielt. Alle haben ihre Chancen bekommen, keiner von ihnen war Innenverteidiger.

Klarer: Der Verein hat schon den Ruf, dass Spieler dort gut ausgebildet werden. Selbst wenn es bei Southampton nicht reicht, dann reicht es vielleicht in der Championship. Wenn man sich anschaut, wie viele Jungs gar nicht mehr Fußball spielen, nachdem sie die U18 verlassen, ist es schon erstaunlich, wie viele es aus meinem Jahrgang geschafft haben, sich im Profifußball zu etablieren.

Die Hauptmotivation war für mich das Projekt an sich. Da steckt ein Eigentümer dahinter, mit großen Plänen für die Zukunft.

Christoph Klarer

90minuten: Machen wir einen Sprung, vier Jahre später bist du wieder in England gelandet. In Darmstadt stand schon mit Ende April fest, dass der Verein aus der Bundesliga absteigen muss. Wann hat sich abgezeichnet, dass du gehen wirst?

Klarer: Wir wussten von Anfang an, dass es schwer wird, die Klasse zu halten. Insgesamt war das natürlich sehr bitter, auch weil es mit Heidenheim einen Mitaufsteiger gegeben hat, der sich viel besser geschlagen hat. Wie es in einem Transferfenster eben so ist, schaut und hört man sich um, irgendwann kam die Anfrage von Birmingham.

Zuerst denkt man sich: 'Naja, der Verein ist nach zehn Jahren in der Championship gerade in die League One abgestiegen'. Das ist auf den ersten Blick nicht ideal. Nachdem ich mich aber genauer mit der Sache beschäftigt habe, wurde es interessanter. Vorgenommen habe ich mir den Schritt zurück nach England sowieso, aber den Zeitpunkt weiß man im Fußball nicht immer ganz genau.

90minuten: Darmstadt hat von Anfang an einen hohen Preis für dich festgelegt. Ich nehme aber einmal an, dass sich neben Birmingham trotzdem auch andere Vereine bei dir gemeldet haben.

Klarer: Es hat auch andere Angebote gegeben. Mein Eindruck ist aber, dass es seit Corona für viele Vereine nicht mehr so einfach ist, Ablösesummen zu zahlen. Am Ende war das Gesamtpaket in Birmingham auch einfach sehr interessant.

90minuten: Es ist nicht immer einfach, sich etwas unter einem “Gesamtpaket” vorzustellen. Wenn Spieler nach England wechseln, denken viele wahrscheinlich schnell an das Thema Geld. 

Klarer: Natürlich spielt das finanzielle eine Rolle. In England ist das aber eh so, wie es ist. Die Hauptmotivation war für mich in meinem Alter, mit 24, aber sicher das Projekt an sich. Da steckt ein Eigentümer dahinter, mit großen Plänen für die Zukunft. Davon will ich ein Teil sein.

Mit unseren Möglichkeiten und Spielern, mit der Größe des Vereins, würde uns wahrscheinlich auch keiner etwas anderes abkaufen.

Klarer über das Ziel 'Aufstieg'

90minuten: Wenn wir ehrlich sind, war es - nur auf das Niveau der Liga bezogen - schon ein Schritt zurück, oder? Das zeigen ja schon die Reaktionen der Birmingham-Fans im Internet, die waren auch ein bisschen überrascht.

Klarer: Man kann die Bundesliga nicht mit der League One vergleichen. Ich glaube schon, dass mehrere Topteams in unserer Liga finanziell und sportlich in der 2. Deutschen Bundesliga mithalten könnten. Einen klaren Vorteil hat Deutschland mit den vollen Stadien und der einzigartigen Stimmung. Das ist weltweit eigentlich unschlagbar.

90minuten: Die Liga ist das eine, euer Kader lustigerweise etwas ganz anderes. Ist das die beste Mannschaft, in der du bisher gespielt hast?

Klarer: Das Investment im Sommer und die Spieler, die wir geholt haben, sprechen für sich. Auch in Düsseldorf hatte ich viele sehr gute Teamkollegen, in Darmstadt war ich Teil einer Bundesligamannschaft. Das Team, in dem ich aktuell spiele, hat vielleicht das meiste Potenzial für die Zukunft. Das kann man schon sagen. Wir wissen natürlich trotzdem alle, dass Geld nicht automatisch Tore schießt.

90minuten: Trotzdem steckt hinter dem Investment natürlich ein Plan. Welche Ziele wurden euch denn vor der Saison gesteckt?

Klarer: Wir brauchen nicht groß drum herumreden. Unser großes Ziel ist natürlich der Aufstieg. Das wissen die Spieler. Wenn das Stadion bei jedem Heimspiel auch in der dritten Liga ausverkauft ist, in einer Stadt, um die herum fast drei Millionen Menschen leben, ist in einem so großen Verein wie Birmingham Druck da. Bis jetzt ist es uns relativ gut gelungen, damit umzugehen. Wenn es so läuft wie jetzt, kann man daran auch wachsen.

90minuten: Du hast den Aufstieg jetzt direkt angesprochen, aber in der Regel wird dann bei den meisten Interviews doch recht gerne drumherum geredet. Da geht es dann ums “oben mitspielen” oder ums “dabei sein”. 

Klarer: Mit unseren Möglichkeiten und Spielern, mit der Größe des Vereins, würde uns wahrscheinlich auch keiner etwas anderes abkaufen.

Es sollte keiner glauben, dass es einfach ist, weil wir im Sommer Geld ausgegeben haben. Wenn Birmingham City kommt, ist es für jeden das Spiel des Jahres.

Christoph Klarer

90minuten: Wie wurdest du im Sommer aufgenommen?

Klarer: Gut! Ich war ja nicht der einzige Neuzugang und konnte mich mit den Jungs austauschen. Da ich schon mehrere Jahre in England gespielt habe, geht es auch mit der Sprache relativ einfach. Wenn man menschlich und sportlich etwas zurückgeben kann, wird man überall gut aufgenommen. Über das Ziel haben wir schon gesprochen, wenn man tagtäglich daran arbeitet, schweißt das auch zusammen. 

90minuten: Du warst schon mehrmals als Kapitän im Einsatz. Wurde dir von Anfang an mitgegeben, dass du eine Führungsrolle einnehmen sollst?

Klarer: Man hat sich von mir schon erwartet, neben dem Sportlichen eine Führungsrolle einzunehmen. Es war natürlich eine riesengroße Ehre, so schnell die Kapitänsschleife von einem so großen Verein zu tragen, während unser Kapitän verletzt gefehlt hat. Das macht mich unfassbar stolz.

90minuten: Bis jetzt ist euch sportlich viel aufgegangen. Ihr habt erst zwei Spiele verloren, in der Tabelle geht es vorne trotzdem knapp zu. Wie zufrieden bist du bis jetzt?

Klarer: Ich glaube schon, dass unsere Position derzeit gut ist. Natürlich hatten wir ein, zwei Spiele dabei, in denen wir nicht auf dem absoluten Topniveau waren. Da wirst du dann auch in dieser Liga bestraft. Es sollte keiner glauben, dass es einfach ist, weil wir im Sommer Geld ausgegeben haben. Wenn Birmingham City kommt, ist es für jeden das Spiel des Jahres. 

90minuten: Die Qualität an der Spitze der Liga ist auch einfach enorm hoch, wenn man zum Beispiel auf Wrexham schaut - denen fehlt es auch nicht an Geld und guten Spielern. Für die Liga ist es ja nicht schlecht, wenn es spannend bleibt.

Klarer: Wir werden uns schon bemühen, davonzuziehen. Derzeit steht mit Wycombe ein Überraschungsteam ganz oben. Mit Wrexham konnte man rechnen, weil dort seit mehreren Jahren gute Arbeit geleistet wird. Dann gibt es noch mehrere große Vereine wie Bolton und Huddersfield, die in den letzten Jahren auch schon deutlich weiter oben als in der 3. Liga gespielt haben.

Gerade um den Boxing Day und Neujahr hat das so viel Tradition, man merkt einfach, wie Fußball die absolute Nummer 1 im Land ist.

Christoph Klarer

90minuten: Auch euer Trainer Chris Davies ist erst seit dem vergangenen Sommer beim Verein. Er ist zum ersten Mal Cheftrainer, war davor Assistent von Jürgen Klopp, Brendan Rodgers und Ange Postecoglou - wie schlägt er sich bis jetzt?

Klarer: Das erste, was man merkt, ist, dass er seine bisherige Trainerkarriere auf dem absoluten Elitelevel verbracht hat. Das gilt auch für unsere Co-Trainer. Er toleriert auf und neben dem Platz nur die höchsten Standards und stellt sehr hohe Ansprüche an uns. Ich denke, er sieht das Potenzial im Kader. Mir macht es viel Spaß, mit ihm zu arbeiten, als Verein können wir uns da schon sehr glücklich schätzen.

90minuten: Welche Rolle spielst du als Innenverteidiger in seinem System?

Klarer: Die Liga ist genau so, wie man sich das immer vorstellt: Sehr direkt, sehr viele lange Bälle. Wenn man die Grundtugenden nicht auf den Platz bringt, ist man verloren, egal wie gut man Fußballspielen kann. Darüber hinaus ist der Anspruch schon, dass wir das Spiel dominieren. Dann geht es darum, in die richtigen Räume zu spielen, von hinten unter Druck geordnet herauszuspielen, die Linien zu überspielen. Das sind dann die zusätzlichen Anforderungen an mich.

90minuten: Ihr habt eine vorentscheidende Phase vor euch. Rund um den Boxing Day habt ihr über zwölf Tagen fünf Spiele. Gibt es dafür eine besondere Vorbereitung?

Klarer: Für eine Vorentscheidung ist es wahrscheinlich noch zu früh, weil es in der Liga 46 Spiele und zusätzlich mehrere Cupbewerbe gibt. Wir spielen sehr oft Samstag, Dienstag, Samstag - es ist generell speziell. Gerade rund um den Boxing Day und zu Neujahr hat das aber so viel Tradition, man merkt einfach, wie Fußball die absolute Nummer 1 im Land ist. 

90minuten: Bei dir klingt das eher nach einem lachenden Auge, als nach einem weinenden, weil die Belastung zu groß wird.

Klarer: Alle Stadien im ganzen Land sind voll, die Stimmung ist überall super. Natürlich wünscht man sich manchmal eine Pause, für mich ist das aber "part of the job". Meine Familie kommt nach England und feiert Weihnachten hier.

90minuten: Weißt du schon, wie die Trainingspläne zu dieser Zeit ausschauen werden?

Klarer: Bei so vielen Spielen liegt der Schwerpunkt wahrscheinlich eher auf Regeneration. Da wir in Österreich am 24. am Abend feiern und in England am 25. in der Früh gefeiert wird, sollte das gut passen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir am 24. am Abend trainieren. Da wird man einen Kompromiss finden zwischen guter Vorbereitung und Zeit mit der Familie.

Auf meiner Position ist die Qualität sehr hoch - aber keine Frage, es ist natürlich ein großes Ziel.

Klarer zum Thema Nationalteam

90minuten: Als Österreicher in der Deutschen Bundesliga ist die Wahrscheinlichkeit groß, mit dem Nationalteam in Berührung zu kommen. Hattest du schon einmal Kontakt zu Ralf Rangnick?

Klarer: Direkten Kontakt hat es nicht gegeben. Ich war aber schon auf Abruf dabei. Natürlich ist das eine Ehre und motiviert für mehr. Auf meiner Position ist die Qualität sehr hoch - aber keine Frage, es ist natürlich ein großes Ziel. Ich denke nicht jeden Tag daran, aber arbeite schon darauf hin. 

90minuten: Ihr habt auch in der dritten Liga mehrere Nationalspieler im Kader, unter anderem aus Schottland oder Island. Hältst du es für realistisch, dass sich der ÖFB schon in dieser Saison bei dir meldet?

Klarer: Dafür spielen die Innenverteidiger in Österreich wahrscheinlich zu gut. Dass es möglich ist, zeigen die Beispiele, die du gerade genannt hast. In Österreich haben wir die Auswahl aus Spielern, die auf höchstem Niveau spielen, das ist eigentlich ein gutes Zeichen für den österreichischen Fußball.

90minuten: Deutlich besser stehen die Chancen wahrscheinlich in der Championship. Dort spielt ja zum Beispiel auch Maximilian Wöber…

Klarer: Dass sich die Ausgangslage mit einem Aufstieg deutlich verbessert, ist mir bewusst. Die Qualität in der Championship ist schon sehr groß, das sollte auch in Österreich bekannt sein. 

Vielen Dank für das Gespräch!



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