Die Geschichte des Wiener Sportclubs reicht bis ins Jahr 1883 zurück, aber auch Blau-Weiß Linz versteht sich als Traditionsverein. 1946 wurde der Klub als Werksportverein des staatlichen Stahlkonzerns VÖEST gegründet. Die Stahlstädter waren 1974 Fußballmeister, die Hernalser sogar dreimal: 1922, 1958 und 1959.
Die Schwarz-Weißen mussten in den 90ern zwei Konkurse hinnehmen und das führte dazu, dass sich die Fußballsektion als WSK von 2001 bis 2017 abgespaltet hatte. Die Oberösterreicher gingen 1997 unter dem seit 1993 bestehenden Namen FC Linz im LASK auf. Die Zeiten danach waren ruhiger, aber nicht gänzlich unturbulent.
Der Versuchung, sich mit Haut und Haar einem Mäzen auszuliefern, ist im Fußball nicht gering, so mancher erliegt ihr. 90minuten hat sich im Rahmen des Themen-Schwerpunkts "Investoren" mit Sportclub-Vizepräsident David Krapf-Günther und Blau-Weiß-Geschäftsführer Christoph Peschek darüber gesprochen, wie sich Traditionsklubs im modernen Fußball verhalten können bzw. sollen.
90minuten: Was schätzt der Wiener Sportclub an dem FC Blau-Weiß Linz?
David Krapf-Günther: In jüngerer Vergangenheit die Fertigstellung des Stadions, das ist ja bei uns der nächste Schritt. Wir würden auch gerne den Weg in die 2. Liga und in Bundesliga nachmachen, wo die Linzer eine sehr gute Figur abgeben.
90minuten: Und umgekehrt?
Christoph Peschek: Ich habe es immer geschätzt, dass der Verein eine klare Position hat. Auch die Fanszene auf der Friedhofstribüne und solche Sachen wie das Schlüsselklimpern ist in gewisser Form ein Alleinstellungsmerkmal. Das schafft auch überregionale Bekanntheit. Ich drücke jedenfalls die Daumen, dass es - Klammer auf: endlich - etwas mit dem Stadion und somit nachhaltige Weiterentwicklung ermöglicht wird.
90minuten: In Wien und im Zentralraum sind Blau-Weiß und der WSC nicht die großen Player, Politik, Wirtschaft und Co. findet sich lieber bei den anderen ein.
Krapf-Günther: Man ist nicht die erste Adresse für solche Dinge. Dennoch denke ich, dass wir in vielen Bereichen die Nummer eins in Wien sind, etwa bei den Fans oder unseren Werten. Jetzt zählen wir zu den Kleinen, das war in 140 Jahren Geschichte schon auch anders und wir haben derzeit einiges aufzuholen. Wir sind aber nicht neidisch auf andere, sondern gehen unseren Weg in einem vernünftigen Tempo. So wollen wir für alle Menschen und auch die Politiker auf der Landkarte aufscheinen.
Peschek: Für mich persönlich ein spannender Perspektivwechsel, vom größten Klub hierher zu wechseln. Aber was bei Rapid notwendig und sinnvoll war, gilt auch hier: eine eigene Identität und ein klares Wertefundament. Das ist uns meiner Meinung nach auch gelungen. Blau-Weiß ist als Arbeiterverein mit harter Arbeit zum Erfolg gekommen. Diese Werte vermitteln etwa auch die Persönlichkeiten, die wir zur Feierlichkeit von 50 Jahren Meistertitel eingeladen haben. Es gibt diese Indentifikationsfiguren und neue Sympathieträger. Zahlen können das belegen: Wir hatten 950 Fans, jetzt sind wir fast immer mit rund 5.000 Fans ausverkauft, sind von 450 auf 3.200 Abos gewachsen sowie von 35 Business Partnern auf 117.
90minuten: Die Vereine hatten ihre negativen Erfahrungen mit potenten Geldgebern bzw. sehr präsenten Bossen. Wie sehr wirkt das nach?
Krapf-Günther: Die ganzen Geschichten mit Insolvenzen und Finanzproblemen sowie der Abspaltung des WSK haben die letzten 30 Jahre schon mitgeprägt. Und wir sind ein Polysportverein, die anderen Sektionen sind auch in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Rückführung ist gelungen und es gibt klare Regelungen, dass all das nicht mehr passieren kann; das stellen die Vereinsgremien bzw. der Aufsichtsrat sicher. Es klingt vielleicht blöd, aber eventuell hat es so kommen müssen, damit man sieht, dass das nicht der Weg ist. Die Kehrseite ist, dass eben alles ein bisschen langsamer geht und es gibt auch genug Angebote, wieder in alte Muster zu verfallen.
Ich habe ja den Luxus, nichts an meiner Meinung ändern zu müssen. Ich war schon bei Rapid für 50+1 und das bin ich auch hier.
90minuten: Zwischenfrage: Kommen derzeit Menschen, bieten 500.000 Euro und wollen alle Transferrechte?
Krapf-Günther: Knapp darunter sogar – und ja, es kommen Angebote, sehr viel Geld beizutragen und dafür viele Entscheidungen zu treffen. Man fühlt sich dann wie eine Spielwiese für Sportagenten und das ist nichts für uns. Das fällt uns aus oben genannten Gründen aber nicht schwer, abzulehnen.
90minuten: Und bei Blau-Weiß?
Peschek: Ich habe ja den Luxus, nichts an meiner Meinung ändern zu müssen. Ich war schon bei Rapid für 50+1 und das bin ich auch hier. Der Klub will derzeit weiterwachsen. Der Umsatz ist von 3,7 auf 10 Mio. Euro gestiegen. Das funktioniert mit Zusammenhalt, harter Arbeit sowie einer klaren Strategie. Zur Ausgangsfrage: Ich bin kein Zeitzeuge, aber Hermann Schellmann hat Unglaubliches für den Klub geleistet.
Dass der Verein 1997 vom LASK geschluckt wurde, ist sicherlich ein Teil der DNA, dass man sich niemals wieder aufgeben will. Diese Unbeugsamkeit spürt man. Hier sind Wille, Leidenschaft und Zusammenhalt besonders stark ausgeprägt. Insofern bin ich überzeugt, dass es keinen Einstieg von Investoren geben wird.
90minuten: Man bewegt sich aber in einem gewissen Wettbewerb mit Vereinen, die den Weg zum Erfolg anders suchen und einen links und rechts überholen. Welche Gefühle gibt es gegenüber solchen Vereinen, wo es eben funktioniert, wenn einer viel zahlt?
Peschek: Die oberste Prämisse einer Klubführung muss immer sein, dass der erfolgreiche Fortbestand des Klubs gesichert ist. Aus meiner Sicht ist es wesentlich, das Staffelholz irgendwann weiterzugeben und zu wissen, dass der Verein stabil dasteht. Natürlich hilft ein deutlicher finanzieller Vorteil und macht es den anderen schwer, sportlich wettbewerbsfähig zu sein.
Sich in die Abhängigkeit zu begeben und an einer einzelnen Person zu hängen – bei aller Wertschätzung allen handelnden Personen gegenüber – birgt aber immer die Gefahr, dass, wenn diese Personen aufhören, auch beim Klub die Lichter ausgehen. Deshalb bin ich einfach der Überzeugung, dass wir als Blau-Weiß Linz uns jetzt nicht über andere definieren müssen, sondern unseren eigenen Weg gehen werden. So wie ich es gerade beschrieben habe, kann man in diesem Wettbewerb bestehen.
90minuten: So weit ist der Sportclub noch nicht, es braucht einmal das Stadion; erst dann kann man den Schalter umlegen. Wenn man dann rauf will, wird es auch die geben, die mit mehr Euroscheinen bessere Spieler holen.
Krapf-Günther: Ich kann Herrn Peschek da nur zustimmen. Ich habe allein in meiner Funktionszeit beim Wiener Sportclub in den letzten zehn Jahren schon viele vorbeirasende Geldkoffer gesehen. Die leeren Geldkoffer purzeln dann schon auch wieder ein paar Ligen runter und sind heute in desaströser Bedeutungslosigkeit oder werden gar nicht mehr fortgeführt.
Die haben auch schon in der Zeit, wenn noch Geld fließt, keine Zukunft, weil es keine Fanszene gibt, nur hochbezahlte Fußballsöldner. Schnell kommen die ersten Berichte über Geldprobleme. Problematisch ist es für vernünftige Vereine, diese Zeit zu überdauern. Wenn ein Spieler dort anheuert, geht es nur darum, schnell Geld zu machen. Das stört mich am meisten an der Dynamik. Es gibt dann Spieler, die nicht mehr die höchstmögliche Liga als Ziel haben, sondern das größtmögliche Bankkonto.
Das zerstört, worum es im Fußball gehen sollte – zumindest, bis wir im Profibereich angekommen sind, haben wir uns damit arrangiert, dass es diese drei, vier Vereine immer geben wird. Wenn das Stadion da ist, wird es noch immer solche geben, die mit Geldkoffern winken, aber wir können und wollen Kickern erklären, warum der Wiener Sportclub die richtige Adresse für sie ist und sie mit uns in die 2. Liga gehen können.
Wir sagen nicht "Friss oder stirb", aber wir sind mit unserer 140-jährigen Geschichte und dem Aufstieg im Blick wohl schon für viele Unternehmer sehr attraktiv.
Peschek: Vielleicht darf ich noch drei Gedanken mitteilen.
90minuten: Gerne!
Peschek: Punkt 1: Gerade in Österreich ist ja die Geschichte von Investoren häufig mit Pleiten, Pech und Pannen verbunden, insofern überrascht mich ja dieser Ruf nach Investoren immer wieder. Jeder kennt das "Marktumfeld". Man soll ambitionierte, aber realistische Ziele haben. Welche Budgetgrößenordnungen sind realistisch und finanzierbar? Irgendwo ist eine gläserne Decke.
Punkt 2: Das Wort Investor sagt es ja schon, sonst würde er Spender heißen. Der gibt Geld, um mehr rauszuholen, als er reingesteckt hat. Das kann man gut oder schlecht finden, aber die Dividende eines Fußballvereins sollten schon positive Emotionen und sportlicher Erfolg sein und nicht die Vergrößerung der Geldschatulle eines Investors.
Und Punkt 3 kann man auch in europäischem Kontext sehen. Vereine wie der HSV oder Schalke sind schwerfällige Tanker, Blau-Weiß ist ein Speedboat, wo man flotter zu Entscheidungen kommen, schneller Korrekturen vornehmen und sich über den Kurs Gedanken machen kann, ohne, dass man den Kompass der Werte verliert.
90minuten: Man sieht eben leider immer wieder, wie das mit den Großsponsoren oder Investoren auch ausgehen kann. Beide Vereine sind Traditionsvereine und möchten den eigenen Anhang bespielen, umgekehrt kostet es Geld. Wie viel Spagat ist es, einen Fußballverein, der für viele Menschen Bedeutung hat, zu finanzieren?
Peschek: Salzburg hat 180 Mio. Umsatz, wir zehn. Die sportliche Herausforderung ist da schon sehr groß, in jeder Liga. Ich denke, es geht um Glaubwürdigkeit. Wir können nicht nach innen der Louis-Vuitton-Schicki-Micki-Klub sein und nach außen ein Arbeiterverein. Sagen wir es aus Marketingperspektive:
Ein Produktversprechen lebt davon, dass es gut gefüllt ist. Natürlich braucht es ein finanzielles Fundament, aber auch entsprechende Fanarbeit, eine wirtschaftliche und sportliche Strategie. Das muss aber zusammenpassen. Klar muss man auch immer Sponsoren suchen. Gerade ein Abstieg, in egal welche Liga, ist immer mit einer enormen finanziellen Herausforderung verbunden. Ich drücke ja auch dem WSC ganz fest die Daumen, weil der Sportclub eine Bereicherung ist. Aber alles muss authentisch sein, bis in den Businessklub hinein.
90minuten: Hat man in Dornbach schon Angst vor dem Duell Lachsbrötchen gegen Bratwurst?
Krapf-Günther: Eher, dass uns die Lachsbrötchen ausgehen. Im Ernst: Der Verein muss wissen, wer er ist und wofür er steht, in allen Bereichen. Wenn ich 10 Mio. Umsatz höre, ist das für uns aktuell wie der Unterschied zwischen Salzburg und Blau-Weiß. Wenn wir uns nämlich nicht verändern, wird sich in diesem Bereich nichts tun und wir werden nicht konkurrenzfähig zu sein. Das ist aber wohl allen bewusst.
Wir sagen nicht "Friss oder stirb", aber wir sind mit unserer 140-jährigen Geschichte und dem Aufstieg im Blick wohl schon für viele Unternehmer sehr attraktiv. Wir nehmen Fans und Mitglieder auf diesem Weg mit und loten aus, wo die schwarz-weißen Grenzen sind. Wir stellen immer unsere Dreijahrespläne vor, die definieren, welche wirtschaftlichen Faktoren wir angehen müssen.
90minuten: Letzte Frage; wie sollte man das Duell Blau-Weiß Linz gegen den Wiener Sportclub vermarkten. Heutzutage nennt man Salzburg gegen Rapid ja schon "Klassiker"...
Peschek: Die Tradition beider Vereine – auch wenn der WSC mehr hat – könnte eine Brücke sein. Also könnte man es Traditionsduell nennen.
Krapf-Günther: Am besten finde ich an der Sache, dass es ein Duell in der ersten Bundesliga wäre.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!