Im Sommer 2023 wechselte Christoph Baumgartner für rund 25 Millionen Euro von der TSG Hoffenheim nach RB Leipzig. Während der 25-jährige Offensivspieler in Leipzig noch um seine Rolle kämpfen muss, ist er im Nationalteam Leistungsträger und einer der Erfolgsgaranten der letzten Jahre.
Im Exklusivinterview mit 90minuten spricht der Niederösterreicher unter anderem über das bittere EM-Aus gegen die Türkei, den Konkurrenzkampf in Leipzig, die Entwicklung von Sturm Graz und sein "Herzensprojekt" in Uganda.
90minuten: Du bist seit Sommer 2023 in Leipzig. Speziell in der Anfangszeit bist du häufig von der Bank gekommen. In dieser Saison kannst du deine Stärken deutlich häufiger unter Beweis stellen. Wie zufrieden bist du mit deiner Entwicklung in Leipzig?
Baumgartner: Es war am Anfang ein bisschen schwierig, ich habe nicht die Spielzeit bekommen, die ich mir erhofft habe. Aber ich konnte das gut einschätzen, weil es vor allem der Konkurrenzsituation geschuldet war. Zusätzlich haben mich auch immer wieder kleinere Verletzungen zurückgeworfen. Es war nicht einfach zu akzeptieren, aber ich habe versucht, auch an mir zu arbeiten. Ich glaube, dass man in diesem Jahr schon einige Fortschritte sieht, speziell ins neue Jahr bin ich sehr gut reingekommen.
90minuten: Gerade in der Offensive ist der Konkurrenzkampf bei RB groß. Letzte Saison war Dani Olmo noch vor dir, jetzt hast du mit Xavi Simons und Antonio Nusa starke Rivalen. Wie gehst du mit dem großen Konkurrenzkampf um?
Baumgartner: Wir versuchen uns tagtäglich im Training zu pushen, um das Maximum aus sich herauszuholen. Bei einem Top-Klub ist einfach viel Konkurrenz. Aber genau das macht den Reiz aus. Ich kann mit guten Jungs auf dem Platz stehen und mit ihnen gemeinsam Spiele gewinnen. Ich bin nach wie vor sehr glücklich, dass ich hier bin.
Es war eine schwierige Zeit für mich. Speziell die ersten Tage nach dem Ausscheiden haben sehr an mir genagt.
90minuten: Motiviert dich der Konkurrenzkampf mehr?
Baumgartner: Definitiv. Das war ja auch einer der Gründe, warum ich hierher gekommen bin. Hier kann ich mich einfach mit richtig guten Spielern messen und mit ihnen gemeinsam erfolgreich sein.
90minuten: Ich würde gerne, bevor wir nochmal über Leipzig sprechen, kurz einen Schwenk zum Nationalteam machen. Das EM-Aus gegen die Türkei war bitter, du hast nach dem Spiel von einer großen Leere gesprochen. Wie hast du das Aus mittlerweile verarbeitet und was nimmst du aus solchen Momenten für deine weitere Karriere mit?
Baumgartner: Es war eine schwierige Zeit für mich. Speziell die ersten Tage nach dem Ausscheiden haben sehr an mir genagt. Ich habe dann versucht, im Urlaub mit meiner jetzigen Frau abzuschalten. Ich wollte die ganze Situation hinter mir lassen und mich erholen. Das ist mir dann zum Glück auch ganz gut gelungen. Ich glaube, dass man aus solchen Situationen einiges lernen kann. Wenn wieder solche Spiele anstehen, können wir als Mannschaft, aber auch ich für mich persönlich, unsere Vorteile daraus ziehen. So ein Gefühl, was ich in den Tagen hatte, möchte ich aber nie mehr erleben. Am Ende des Tages gehört das aber auch zum Fußball dazu. Es ist nicht immer alles wunderschön, es gibt auch schlechtere Tage.
90minuten: Viele reden vom vielleicht besten Nationalteam der Geschichte. Was ist unter Ralf Rangnick für euch noch möglich?
Baumgartner: Ich glaube, dass wir über die letzten Jahre ein super Team entwickelt haben. Ein Team, mit einer guten Stimmung und einem absoluten Top-Trainer, der uns immer wieder bestmöglich auf die Spiele einstellt. Wir wissen immer, was wir gegen welchen Gegner brauchen. Wir wollen bei uns und unserer Spielidee bleiben. Das macht uns so stark. Außerdem passt der Kader richtig gut zur Idee des Trainers.
Wir wollen wie bei der EM nicht nur dabei sein, sondern auch mutig sein und Spiele gewinnen. Das Ziel ist, Österreich weiter auf der Fußball-Weltkarte zu platzieren.
90minuten: Seit der WM 1998 war Österreich nicht mehr dabei. Wie optimistisch bist du, dass es diesmal mit der Qualifikation klappt?
Baumgartner: Zuerst steht jetzt mal das Nations-League-Playoff an. Das wird nicht leicht, aber es ist natürlich das große Ziel, wieder aufzusteigen. Im Anschluss daran freuen wir uns sehr auf die Quali. Die Zeit bei der EM war einfach unfassbar schön. Wir wollen das natürlich wieder erreichen. Ich denke, das wird eine richtig coole WM. Speziell als NFL-Fan ist es richtig spannend zu sehen, dass wir in genau diesen Stadien spielen könnten. Das ist schon etwas Besonderes. Ich hoffe, dass wir das konservieren können, was wir in den letzten Wochen und Monaten gezeigt haben. Dann bin ich zuversichtlich, dass wir uns wieder qualifizieren. Wir wollen wie bei der EM nicht nur dabei sein, sondern auch mutig sein und Spiele gewinnen. Das Ziel ist, Österreich weiter auf der Fußball-Weltkarte zu platzieren.
90minuten: Mit Ralf Rangnick und Marco Rose hast du zwei international sehr angesehene Trainer. Welche Gemeinsamkeiten haben die Beiden und worin unterscheiden sie sich in ihrer Arbeit?
Baumgartner: Ich glaube, dass die Art und Weise, wie sie grundsätzlich über Fußball denken und wie sie Fußball spielen lassen, sehr ähnlich ist. Aber natürlich sind das zwei unterschiedliche Menschen und Typen, zwei unterschiedliche Generationen. Da kann man aber weder sagen, das eine ist besser oder schlechter. Es macht mit beiden sehr viel Spaß zu arbeiten, weil sie viel mitbringen. Sie sind ja nicht umsonst sehr angesehen in der Fußball-Welt. Daher bin ich sehr glücklich, unter zwei solchen Trainern trainieren zu dürfen. Ich glaube aber auch, dass ich in meiner Karriere schon sehr tolle Trainer hatte. Julian Nagelsmann, Sebastian Hoeneß und einige weitere haben mich auch geprägt. Aber klar Rose und Rangnick sind zwei absolute Top-Trainer. Da versuche ich, tagtäglich in der Arbeit etwas mitzunehmen und zu lernen.
90minuten: Du hast in dieser Saison deine ersten beiden Champions-League-Tore erzielt. Für euch als Team ist es in der Königsklasse aber schon nach der Ligaphase vorbei. Was hat euch in den Spielen gefehlt?
Baumgartner: Das waren eigentlich immer Kleinigkeiten. Wir haben fast jedes Spiel mit nur einem Tor Unterschied verloren. Es zeigt aber auch, dass viel mehr drin war. Auf diesem Niveau geht es eben oft um Details. Egal ob in Glasgow, in Madrid gegen Atletico oder daheim gegen Juve, wir haben die Spiele nicht über die Zeit gebracht. Da hat uns das letzte Quäntchen gefehlt. Egal ob es dann Glück war oder individuelle Fehler. Sowas wird auf dem Niveau bestraft und deshalb sind wir bis zum Sporting-Spiel eben auch mit null Punkten dagestanden.
90minuten: Wie groß ist der Ärger über das Aus?
Baumgartner: Das ist natürlich enttäuschend. Das war nicht unser Ziel, aber so ist der Fußball. Er kann manchmal knallhart sein. Du darfst dir einfach keine Fehler erlauben, das wird meist eiskalt ausgenutzt. Wir möchten uns trotzdem positiv verabschieden. Gegen Sporting haben wir den ersten Schritt gemacht und in Klagenfurt wollen wir den letzten gehen. Ich habe ein positives Gefühl, dass wir das schaffen werden.
Bei Sturm sieht man, was mit kontinuierlich guter Arbeit, den richtigen Transfers und einem guten Trainerteam möglich ist.
90minuten: Zum Abschluss geht es jetzt gegen Sturm Graz. Wie blickst du als Österreicher auf die Grazer und deren Entwicklung?
Baumgartner: Extrem positiv natürlich. Bei Sturm sieht man, was mit kontinuierlich guter Arbeit, den richtigen Transfers und einem guten Trainerteam möglich ist. Ich glaube, es ist nicht selbstverständlich, Salzburg in einer Saison den Rang abzulaufen und das Double zu holen. Da gehört einiges dazu. Sie haben einen tollen Job gemacht, jetzt wird man aber sehen, wie sie es nach dem Umbruch hinkriegen.
90minuten: Mit Jürgen Säumel hat Sturm einen neuen Trainer. Was hältst du von ihm?
Baumgartner: Ich kenne Jürgen (Säumel Anm.) ja schon. Er war mal kurz bei uns im Nationalteam als Co-Trainer. Ich freue mich sehr, dass er die Chance bekommen hat und ich wünsche ihm nur das Beste. Aber es ist nicht einfach, nach so einer positiven Phase zu übernehmen. Weil sich nicht nur im Trainerteam, sondern auch durch den Abgang von Andi Schicker viel verändert hat. Da bin ich sehr gespannt, wie sie das hinkriegen.
90minuten: Dein Bruder hat mit dem WAC im Herbst gegen Sturm mit 3:0 gewonnen. Hast du dir schon Tipps von ihm geholt?
Baumgartner: Da muss ich in den nächsten Tagen noch bei ihm anrufen. Aber für den WAC war das ein super Ergebnis. Mal schauen, ob wir das am Mittwoch auch so hinkriegen.
90minuten: Du hast noch bis 2028 Vertrag in Leipzig. Was sind deine langfristigen Ziele mit RB? Wäre der Meistertitel ein realistisches Ziel für euch?
Baumgartner: Wir müssen realistisch sein. Wenn wir uns die Tabelle anschauen, wäre es Quatsch, über den Meistertitel zu reden. Wir hinken aktuell schon einige Punkte hinter der Spitze. Generell hatten wir in dieser Saison unsere Probleme. Der volle Fokus liegt jetzt erstmal darauf, in der Bundesliga oben dranzubleiben. Das Ziel sind die Champions-League-Plätze, da wollen wir definitiv wieder hin. Auch im Pokal sind wir noch dabei, haben mit dem VfL Wolfsburg aber ein schwieriges Spiel vor uns. Das wichtigste ist, dass wir in unseren Leistungen und den Ergebnissen eine gewisse Konstanz reinbringen. Das fehlt uns ein Stück weit. Eine 3:0-Führung gegen Bochum dürfen wir so nicht aus der Hand geben.
90minuten: Abseits vom Fußball hast du 2023 in Uganda die "Baumi Junior School" gegründet. Wie läuft das Projekt und wie wichtig ist es dir, anderen Menschen helfen zu können?
Baumgartner: Das Projekt läuft sehr gut und ich bin zufrieden, wie es sich entwickelt hat. Wir haben da relativ klein begonnen und versucht, das nachhaltig aufzubauen. Es soll keine Unterstützung für kurze Zeit sein, sondern sich über Jahre festigen. Ich finde, wir als Fußballprofis sind extrem privilegiert. Generell geht es vielen Menschen in Mitteleuropa sehr gut. Daher möchte ich meinen Beitrag leisten und Menschen helfen, denen es nicht so gut geht. Ich habe mich damals entschieden, das Projekt öffentlich zu machen, weil ich auf gewisse Missstände in der Welt aufmerksam machen möchte. Ich bin sehr glücklich und dankbar, wie es bis jetzt läuft und möchte versuchen, das weiter auszubauen.