Der eine hat fast alle Spiele auf dem Weg zum Youth-League-Sieg von Red Bull Salzburg gespielt, der andere nur eines - war dort aber der entscheidende junge Mann. Nach dem 2:1-Triumph im Finale gegen Benfica Lissabon gingen die Karrieren auseinander.
Während Finaltorschütze Nummer eins, Patson Daka, heute bei Leicester City in der Premier League spielt, bäckt Nicolas Meister kleinere Brötchen. Der Offensivmann verließ die Bullen, wollte beim LASK Fuß fassen und hält seit drei Jahren den Traum vom Profifußball in der Ostliga bei Marchfeld am Leben.
Alexander Schmidt wiederum stand nach Verletzungsproblemen erst im Halbfinale im Kader und schoss dann im Finale das entscheidende Tor. Der Stürmer, heute bei Blau-Weiß Linz, hat aber hautnah miterlebt, wie der Sieg zustande kam. 90minuten hat sie zum Doppelinterview gebeten.
90minuten: Fangen wir vielleicht von vorne an. Da kommt der Trainer zu einem Haufen junger Burschen und sagt: Du bist dabei, du nicht. Wie habt ihr das aufgenommen?
Alexander Schmidt: Du hast auf jeden Fall gehofft, dass du da dabei bist, weil du hast ja gesehen, wer in den Jahren davor dort mitgespielt und gewonnen hat. Du bist heiß drauf, weil es diese Spieler in die Profimannschaft geschafft haben.
Nicolas Meister: Ich schließe mich dem Alex an. Davor hatte Salzburg einen starken Kader, mit Konny Laimer, Mergim Berisha oder Dayot Upamecano. Da waren wir schon froh, dass wir im nächsten Jahr mit dabei waren.
90minuten: Habt ihr es irgendwie mitbekommen, dass alle anderen Länder U17, U19 spielen, wir aber U18 und dann schon zweite Mannschaft?
Meister: Alle, die unterhalb der U19 waren, durften spielen. Es gab einen großen Kader, aber eben den kleineren Matchtagkader, wo jeder schauen musste, dass er während der Saison performt, damit man auch dabei sein kann.
Das erste Spiel war damals in Grödig und das war nach dem Hinspiel erledigt. So ehrlich darf man da auch sein: Wir waren von der Qualität weit über ihnen.
90minuten: An welchem Punkt eurer Karriere wart ihr denn 2016/17 aus eurer Sicht?
Meister: Bei mir war es so, dass ich da gerade zu Liefering gekommen bin im Winter. Du warst schon dort, oder?
Schmidt: Ja, aber ich habe damals Schambeinprobleme gehabt. Das hat sich lang gezogen und ich habe eigentlich keinen Plan gehabt. Ich wollte nur ohne Schmerzen trainieren und spielen. Man hat leider keine Lösung gefunden, also hab ich mich auf die Schule konzentriert. Mittlerweile weiß man schon mehr darüber, damals dachte ich, ich bin der erste Mensch der Welt, der deswegen behandelt wird.
90minuten: Gehen wir es durch. Die großen Vereine durften Gruppenphase spielen, hatten sechs Spiele. Ihr wart im Ligaweg, es gab also 1. und 2. Runde mit Hin- und Rückspiel, dann ein Entscheidungsspiel und Achtelfinale bis Endspiel. Der erste Gegner war Skopje. Was nimmt man als junger Bursche von einem 5:0 im Hinspiel und einem 3:0 im Rückspiel mit?
Meister: Das erste Spiel war damals in Grödig und das war nach dem Hinspiel erledigt, man wusste, man ist weiter. Nach Skopje sind wir in anderer Besetzung gefahren, es haben andere gespielt. So ehrlich darf man da auch sein: Wir waren von der Qualität weit über ihnen.
90minuten: Kairat Almaty aus Kasachstan war auch keine Hürde.
Meister: Da haben wir acht Tore geschossen, das war relativ leicht. Dann kam schon Manchester City.
90minuten: Genau, die Zwischenrunde. Die haben aber nicht vier Spiele, sondern sechs in der Gruppe gehabt, mit Barcelona, Mönchengladbach und Celtic.
Meister: Die waren eingespielt, aber bei uns war das auch ähnlich, weil wir ja auch täglich alle in Liefering gemeinsam gespielt haben.
Schmidt: Der Kern war von Liefering!
Meister: Genau, es war jetzt keine komplett zusammengewürfelte Mannschaft.
Schmidt: Einige waren im Internat, andere schon in der eigenen Wohnung. Außerdem haben wir das Spiel auch zuhause gehabt. Das war sicherlich auch ein Grund, warum wir es bis ins Finale geschafft haben.
Du bist im Achtelfinale von diesem Bewerb und denkst dir: Wenn ich City schlage, kann ich jeden schlagen. Da bekommt man eine breite Brust.
90minuten: Inwiefern?
Schmidt: Ich weiß gar nicht, ob City- oder dann Paris-Fans da waren. Du bist in deinem gewohnten Umfeld und musst eigentlich nicht viel verändern gegenüber den anderen Spielen. Außerdem ist ein K.o.-Spiel, entweder du gewinnst und kommst weiter oder es ist vorbei.
90minuten: Da waren schon ein paar bekannte Namen dabei: Jadon Sancho oder Lukas Nmecha. Damals weiß man das noch nicht, aber wie ist es gegen solche zu kicken?
Meister: Ich bin damals in der 71. Minute eingewechselt worden, er war linker Flügel, ich war rechts vorne, da hatte ich schon meine Zweikämpfe mit ihm. Beim Jadon Sancho hat man damals schon gesehen, dass der einmal ein großer wird, der war für sein Alter schon sehr weit und technisch gut. Aber man kann das nie wissen, dass sie dann so durchstarten, weil wie viele Talente hat man schon gesehen, bei denen man glaubt, dass der ein Weltstar wird und dann scheitert er.
Schmidt: Ich war da verletzt. Sancho hat man von Social Media und Videos schon gekannt. Da hast du gesehen, dass der richtig gut ist im eins-gegen-eins.
90minuten: Die Partie ging nach einem 1:1 ins Elfmeterschießen, das war dramatisch, Igor hat den ersten Versuch nicht getroffen.
Meister: Ja, an die Stange.
Schmidt: Wer hat den eigentlich als erstes schießen lassen? (beide lachen)
90minuten: Nicolas, du hast dann das 4:4 gemacht, Brahim Diaz hat nicht getroffen, Mergim Berisha hat dann das 5:4 erzielt, Paolo Fernandes verschossen. Was geht einem nach einem Sieg gegen Manchester City durch den Kopf?
Schmidt: Es ist erstmal geil, dass du in der nächsten Runde bist und das Abenteuer weitergeht. Dass es gegen eine Mannschaft wie Manchester City war, macht es noch um einiges besonderer. Du bist im Achtelfinale von diesem Bewerb und denkst dir: Wenn ich City schlage, kann ich jeden schlagen. Da bekommt man eine breite Brust.
90minuten: Genauso kam es. Nächste Runde, 5:0 gegen Paris Saint-Germain!
Meister: Die waren echt nicht gut, damals waren sie nicht so weit wir.
Schmidt: Die Spielweise hat ihnen auch nicht getaugt, sie wurden überrannt.
90minuten: Plus eine frühe Rote Karte in Minute 36.
Schmidt: Ja, das macht es dann einfacher.
90minuten: Und wenn man sich den Kader anschaut, sind die auch nicht weit gekommen.
Schmidt: Abwehrspieler Mahamadou Dembélé ist dann später zu uns gekommen, sonst erinnere ich mich auch an keinen.
Es gibt ja Trainer, mit denen man auch ein gutes Verhältnis hat, wenn man nicht so oft spielt. Genau so einer ist er. Er sucht trotzdem immer das Gespräch mit allen Spielern.
90minuten: Dann habt ihr einfach weiter gemacht. Spielt Atlético Madrids U19 eigentlich so wie die oben?
Meister: Eins zu eins dasselbe, auch richtig provokant. Es war eine Kampfpartie, mit Schimpfen und Nachtreten von ihnen. Es ist lange 0:0 gestanden, dann haben wir 2:0 geführt (Anm.: Igor 48., Wolf 61.), nach dem Anschlusstreffer in der 79. Minute ist es noch hitzig geworden. Aber am Ende haben wir verdient gewonnen.
90minuten. Auf ging es zum Final Four, zuerst gegen Barcelona.
Schmidt: Das war schon cool, im UEFA-Hauptquartier alles zu sehen und dann merkst du schon, dass das richtig groß ist, weil so viel rundherum passiert.
90minuten: Links außen hat ein gewisser Marc Cucurella gespielt, war der auch damals schon gut im Handball?
Schmidt: Damals noch nicht.
90minuten: Wobei du das noch von der Bank ausgesehen hast.
Schmidt: Ich hab kurz davor bei einem Turnier in Deutschland das erste Mal durchgespielt. Und dann bin ich gleich mitgeflogen.
90minuten: Und ihr habt Barcelona auch geschlagen, obwohl sie in der 19. Minute 1:0 in Führung gegangen sind.
Schmidt: Mit den Siegen hast du schon viel Selbstvertrauen. Trainer Marco Rose hat uns in der Kabine heiß gemacht, die richtigen Worte gefunden. Vom Spielverlauf her war es schon sehr eng, wenn ich mich recht erinnere.
Meister: Wir waren im Halbfinale und das erste Mal im Rückstand. Dann haben wir das Spiel gedreht.
90minuten: Und das Finale, gegen Benfica.
Meister: Wir waren gar nicht gut und hatten eigentlich Glück, dass wir zur Pause nur 0:1 hinten waren.
Schmidt: So viele Chancen haben sie nicht gehabt.
Meister: Spielerisch waren sie trotzdem überlegen. So ehrlich muss man sein.
Schmidt: Aber sie haben schon riskant gespielt, da hast du gewusst, dass sich irgendwann einer anschüttet.
90minuten: Kommen wir nochmal zu Marco Rose.
Meister: Er ist richtig, stark und eine arge Respektperson. Er findet die richtigen Worte, weiß, wie man eine Mannschaft gut bei Laune halten kann. Es gibt ja Trainer, mit denen man auch ein gutes Verhältnis hat, wenn man nicht so oft spielt. Genau so einer ist er. Er sucht trotzdem immer das Gespräch mit allen Spielern. Und wenn du auch Gas gibst, bekommst du deine Chance. Ich denke, dass dieser gute Draht zu den Spielern auch der Schlüssel zum Erfolg ist.
Ein Beispiel: Ich habe den L17 gemacht und er hat mir einfach seinen Range Rover gegeben, mit dem ich zur Schule gefahren bin.
Schmidt: Ich hatte ihn schon in der U15, man wollte für ihn alles zerreißen. Seine Art ist einfach anders, er war immer so der Coole. Wir haben ihn Bushido genannt, wegen seiner Art und wie er sich gekleidet hat.
Meister: Außerhalb des Platzes ist er ein voll gemütlicher Mensch.
Schmidt: Ein Beispiel: Ich habe den L17 gemacht und er hat mir einfach seinen Range Rover gegeben, mit dem ich zur Schule gefahren bin. Das macht nicht jeder Trainer.
90minuten: Er hat auf jeden Fall ein glückliches Händchen bewiesen. Es stand nach einem Tor von Patson Daka 1:1, dann kam in Minute 68 Alexander Schmidt, er schießt das 2:1.
Schmidt: Das Tor hat so viel Energie freigesetzt und es hat sich gedreht. Wir haben gewusst, dass uns nichts mehr passieren kann, wir das Ding in der Tasche haben und noch ein bisschen leiden und verteidigen müssen. Ich kann mich dann nicht mehr an eine Torchance erinnern.
90minuten: Abpfiff, Sieg.
Schmidt: Dann war einmal Dopingkontrolle.
90minuten: Habt ihr überhaupt realisiert, was da passiert ist? Das letzte Mal war ja Rapid 1996 in einem Europacupfinale...
Meister: Von Anfang an war es nicht zu erwarten, das waren ja die Akademien von Barcelona und Chelsea, die das zuvor gewonnen hatten. Aber die Red Bull Akademie hatte damals noch nicht diesen Namen.
90minuten: Wie ist es weitergegangen. Von euch haben es viele weit geschafft, bis in die Premier League, Deutschland und Ligue 1.
Schmidt: Ich habe danach den Vertrag bei Liefering unterschrieben und es ging bergauf, ich hab dann ein halbes Jahr durchspielen können. Ich habe einen Profivertrag unterschrieben, war wieder verletzt und musste wieder zurückkommen. Unter Rose konnte ich auch mit den Profis mittrainieren. Danach war ich eine Saison beim WAC und seitdem in der Bundesliga unterwegs, ein Jahr in Portugal, bei der Austria und jetzt eben wieder Bundesliga.
90minuten: Ist das so verlaufen, wie du es dir vorgestellt hast?
Schmidt: Es ist nicht so verlaufen bzw. immer so verlaufen, wie ich es wollte, aber man versucht das Bestmögliche zu machen.
Meister: Es ist halt auch von anderen Dingen abhängig. Also vom Trainer oder durch Verletzungen. Das sind halt alles so Faktoren, die mitspielen. Für einen Durchbruch braucht man auch das notwendige Glück. Es muss auch der Verein gerade hinschauen, während du eine gute Performance ablieferst.
Sportlich ist zwischen der Ostliga und der 2. Liga auch kein Unterschied. Max Entrup hat vor zwei Jahren hier gespielt und ist jetzt Nationalspieler.
90minuten: Du spielst heute bei Marchfeld in der Ostliga.
Meister: Ich war nach dem Youth-League-Sieg noch ein Jahr in Liefering. Dann bin ich zum LASK, die waren nach Salzburg damals richtig gut, aber auf meiner Position auch gut besetzt. Ich habe bei der zweiten Mannschaft in der 2. Liga gespielt, es gab eine Leihe nach St. Pölten, aber der Trainer war nach drei Spielen weg und ich hatte eineinhalb Jahre Vertrag. Dann kommt ein anderer Trainer und es passt nicht. Man performt natürlich auch nicht, hat kein Selbstvertrauen. Ein Trainer, der auf dich baut, verzeiht dir ein, zwei schlechte Spiele. Bei dem anderen spielst du fünf, sechs Spiele nicht.
Schmidt: Es ist immer schwierig, wenn dich ein Trainer holt, der dann weg ist. Gerade wir offensiven Spieler brauchen diesen Rhythmus, damit kommen Selbstvertrauen und Automatismen.
Meister: Du spielst ja dann als Spieler ganz anders, als wenn du weißt, dass du lange nicht spielst, wenn du kein Tor machst. Das ist schon ein Druck zu liefern.
Schmidt: Dann traust du dich aber auch nichts machen, weil du möchtest keinen Fehler machen.
90minuten: Und du bist nicht an dem Punkt, wo du sagst, ich lasse den Profifußball, Nicolas?
Meister: Ich war dann in der 2. Liga bei Lafnitz, meine Freundin schwanger. Ich hätte in die 2. Liga gehen können, das hat sich aber nicht ausgezahlt, das ist keine Profiliga. Ich wollte nicht weg von daheim, wollte bei meiner Familie sein. Marchfeld will ja auch aufsteigen und ich habe damit nicht abgeschlossen. Sportlich ist zwischen der Ostliga und der 2. Liga auch kein Unterschied. Max Entrup hat vor zwei Jahren hier gespielt und ist jetzt Nationalspieler. Ich bin seit drei Jahren Stammspieler, davor habe ich wenig gespielt. Das ist wichtig für das Selbstvertrauen.
90minuten: Und bei dir?
Schmidt: Ich glaube, am Ende des Tages spielst du Fußball, weil es Spaß macht, aus Leidenschaft heraus.
Meister: Es kann ja nicht jeder schaffen. Aber wenn man bei Red Bull ist, denkt man schon, dass man einmal in der deutschen Bundesliga bei Leipzig spielen will. Man will das höchstmögliche machen. Und es kann schnell in beide Richtungen gehen. So lange ich Spaß habe, spiele ich. Ich will immer Fußball spielen und möchte auch nach meiner Karriere im Fußball bleiben, möchte nebenbei die Trainerausbildung anfangen. Fast alle meine Freunde kommen aus diesem Sport. Da will ich einfach drinnen bleiben.
90minuten: Danke für das Gespräch!