"Restprogramm der Admira beeinflusst meine Arbeit nicht"
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"Restprogramm der Admira beeinflusst meine Arbeit nicht"

Maximilian Senft visiert mit der SV Ried den Aufstieg in die ADMIRAL Bundesliga an. Der Weg bis hierhin begann mit einem Abstieg und führt über die Südstadt.

Maximilian Senft ist 35 Jahre alt und seit Frühjahr 2023 Trainer der SV Ried. Er stieg ab, die Innviertler hielten an ihm fest. Warum? Vielleicht auch deshalb, weil zuvor "Kontinuität am Trainerstuhl" und "Ried" nicht wirklich zusammenpassten.

Mittlerweile ist alles anders. Nach einem guten Konsolidierungsjahr mit Platz zwei ist der Aufstieg nicht weit entfernt. Den Platz an der Sonne hat die Admira inne - kein Jausengegner. Bis zum Schluss wird es spannend bleiben, ist Senft überzeugt. Darüber und sein gesamtes Wirken spricht er im 90minuten-Exklusiv-Interview.

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90minuten: Als ehemaliger Pokerspieler: Würden Sie auf einen Aufstieg der SV Ried setzen?

Maximilian Senft: Das kann ich als Trainer dieser Mannschaft mit Ja beantworten.

90minuten: Und als Pokerspieler?

Senft: Auch als Pokerspieler. Es geht immer um Wahrscheinlichkeiten und da denke ich, dass das zwischen uns und der Admira sehr ausgeglichen ist.

90minuten: Sie haben als Coach einen Abstieg und einen Nichtaufstieg "überlebt". Das ist nicht selbstverständlich. Mit welchen Gefühlen schauen Sie zurück?

Senft: Im Sommer 2023 war wenig Zeit, nachzudenken und zu trauern. Ich habe den Abstieg erst im Winter so richtig verarbeiten können. Es ist zu dem Zeitpunkt meiner Vertragsunterzeichnung im Sommer darum gegangen, eine komplett neue Mannschaft inklusive Betreuerteam zusammenzustellen. Ich musste sofort einen riesigen Umbruch mitgestalten.

90minuten: Die Anzahl der Trainerstühle ist begrenzt, viele Trainer setzen auf Bewährtes. Didi Kühbauer hat schon fünf Bundesligaklubs trainiert. War da nicht die Befürchtung, dass es das gleich wieder war mit der Trainerkarriere?

Senft: Ich glaube nicht, dass es nur bei einer Chance im Leben bleibt. Aber mir ist bewusst, dass es eine rare Möglichkeit ist, einen der Trainerstühle zu ergattern.

Man muss zu dem Weg stehen, auch wenn es schwierig ist. Wir sind nicht gut in den Herbst 2023 gestartet und da gab es dann schon auch kritische Stimmen. Da braucht es Commitment, um diese Phasen zu überstehen.

Maximilian Senft

90minuten: Grabherr, Heinle, Lederer. Das sind so ein paar Namen, die als junge Coaches eine Chance hatten und jetzt nicht mehr in der Bundesliga sind.

Senft: Stimmt schon, aber ich kenne jetzt auch deren Karriereplanungen oder Ambitionen nicht, also kann ich dazu nichts sagen. Oliver Lederer macht beispielsweise mit unseren Jugendnationalteams sehr gute Arbeit.

90miuten: Die SV Ried, das weiß auch ihr Boss Wolfgang Fiala, war lange ein Trainerfriedhof. Auf welcher Ebene ist es denn wichtig, lange zu arbeiten? Das wird ja nicht an 3-5-2 und 4-4-2 hängen, oder? Wie und wo ist Kontinuität wichtig?

Senft: Aus Vereinssicht maße ich mir nicht an, das zu beantworten. Aus Trainersicht ist es besser, je länger man die Beziehungen zu Spielern und Betreuern pflegen kann. Ich bin ein persönlicher Typ, versuche viel in Vieraugengesprächen zu kommunizieren. Das ist meine Philosophie: Je länger ich mit jemandem zusammenarbeiten kann, desto mehr Vertrauen bildet sich. Und das bildet sich dadurch, gemeinsam schwierige Zeiten zu meistern, keine Tücher zu zerschneiden und so Substanz in der Beziehung aufzubauen.

90minuten: Im Nationalteam wird wieder einmal über Taktik diskutiert, das war lange nicht mehr der Fall. Aber wenn man zwei Jahre zusammenarbeitet, dann kann man ja nicht nur mit der Mannschaft taktisch arbeiten, aber die gemeinsame Zeit macht stärker?

Senft: Wenn du einen Umbruch erlebst, geht es anfangs darum, ein gewisses Spielkonzept zu etablieren. Da geht es um andere Dinge als jetzt. Das Konzept ist manifestiert, man kann an Details arbeiten und sich in Kleinigkeiten neu erfinden. Es hängt vom jeweiligen Kontext ab, worum es geht. Die schwierige Phase haben wir gemeinsam gemeistert, Resilienz entwickelt und Wurzeln geschlagen.

90minuten: Viele Absteiger haben aus verschiedenen Gründen massive Probleme, Ried wurde – mit Respektabstand, aber doch – Zweiter. Was sind die Gründe hierfür?

Senft: Ich glaube, die Basis war ein klares sportliches Konzept, nach dem sich die Kaderplanung von Wolfgang Fiala und mir gerichtet hat. Ohne diese Klarheit ist es schwierig. Ich möchte da auch unseren Technischen Direktor Lukas Brandl erwähnen, der permanent das Zusammenspiel zwischen Konzept und Kader weiterentwickelt und professionalisiert. Wenn Spielkonzept und Kaderplanung Hand in Hand gehen, gibt es dieses wichtige Fundament.

Dann kommt die Überzeugung ins Spiel. Man muss zu dem Weg stehen, auch wenn es schwierig ist. Wir sind nicht gut in den Herbst 2023 gestartet und da gab es dann schon auch kritische Stimmen. Da braucht es Commitment, um diese Phasen zu überstehen. Aber ja, es ist häufig der Fall, dass Absteiger Probleme haben, nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern.

Im Innviertel gibt es viel zu bejubeln. Aktuell hat aber die Admira noch mehr Anlass dazu
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Im Innviertel gibt es viel zu bejubeln. Aktuell hat aber die Admira noch mehr Anlass dazu

90minuten: Aktuell liegt die SV Ried vier Punkte hinter der Admira. Wie schauen Sie auf die aktuelle Spielzeit?

Senft: Die Admira ist das dritte Jahr in der Liga und hat Qualitätsspieler mit Bundesliga-Erfahrung. Der Kader ist sehr gut zusammengestellt. Aus meiner Sicht war es bei uns so, dass wir Veränderungen auf Schlüsselpositionen hatten. Die Abgänge von Arjan Malic und Belmin Beganovic zu Sturm Graz haben eine siebenstellige Summe gebracht, das sollte man nicht vergessen. Man hat bei Arjan Malic gegen RB Leipzig gesehen, was für eine Qualität er hat. So funktioniert der moderne Fußball und es spricht ja auch für unsere Akademie. 

Der Start war bis zu Sanes Verletzung super. Die Bandscheibenoperation hat unser funktionierendes System etwas irritiert, und wir haben das eine oder andere Spiel gebraucht, um uns zu finden. Das Spiel gegen Sturm Graz 2 (Anm.: Nach dem 0:1 gegen die Admira in Runde 12) war da schon sehr wichtig, sonst hätten wir acht Punkte Rückstand gehabt. Da bin ich wieder beim Thema Überzeugung, dass wir in einer schwierigen Phase die richtigen Hebel betätigt haben und gestärkt herausgekommen sind. Wenn es jetzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen wird, sieht man, dass beide einen guten Job machen und beide Teams das ganze Potenzial Woche für Woche ausschöpfen müssen.

90minuten: Meiner Einschätzung nach ist die Auslosung der Admira ein bisschen leichter bis zum Duell in Runde 27.

Senft: Ich habe mir das Restprogramm der Admira nicht im Detail angesehen. Es beeinflusst meine Arbeit auch nicht. Für uns zählt das nächste Spiel, auch wenn man genau diesen Sager immer und überall hört. Im Leistungssport gibt es keinen Platz dafür, darüber nachzudenken, welches Spiel die Admira spielen wird.

90minuten: Was auch keinen Platz haben sollte, sind finanzielle Probleme. Wie geht es einem Verein mit Ambitionen, wenn die Konkurrenz wie letztes Jahr Leoben es sich eigentlich nicht leisten kann? Vor allem, wenn man selbst gerne einen Spieler hätte, der dann aber dort hingeht, weil er mehr Geld bekommt.

Senft: Es ist natürlich nicht schön, wenn ein Spieler woanders hingeht, weil wir ihn sonst nicht gefragt hätten, ob er bei uns spielen will. Aber in solchen Fällen habe ich noch keine Beziehung aufgebaut und beschäftige mich damit nicht weiter, auch wenn man die Leistungen registriert. Klar ist, dass wir unsere Transfergespräche im Nachhinein aber gemeinsam reflektieren.

Wenn ich 65 Prozent Ballbesitz und einen eher schlechten Untergrund habe, muss ich anders spielen, als wenn ich 35 Prozent habe und der Boden gut ist.

Maximilian Senft

90minuten: Aber die, die da waren, verfolgen Sie?

Senft: Natürlich, zu denen habe ich ja eine Beziehung aufgebaut. Ich bleibe mit einigen in Kontakt, weil es mich interessiert, wie sich die Karriere entwickelt, wenn ich ein Teil davon war. Es geht auch in die andere Richtung, Arjan Malic ist so ein verwurzelter Spieler, der schaut sich unsere Spiele auch noch gelegentlich im Stadion an.

90minuten: Kaderplanung ist ein gutes Stichwort. Wie planen Sie denn aktuell? Im Endeffekt muss man einerseits für eine höhere Liga planen, in der es andere Tugenden braucht als wenn man aufsteigen will.

Senft: Dafür sind Wolfgang Fiala und Lukas Brandl zuständig. Sie planen den Kader, führen Gespräche. Wir haben ein wöchentliches Reflexionsmeeting, da bringe ich mich ein. Ansonsten bin ich in dem Prozess von Scoutinglisten bis Verhandlungen erst am Schluss involviert.

90minuten: Die zwei werden viel Arbeit haben, es haben nur gut zehn Spieler einen Vertrag über die Saison hinaus.

Senft: Die haben viel zu tun, ja.

90minuten: Geben Sie einen Ausblick, wer bleiben soll.

Senft: Diese Frage leite ich auch an den Sportdirektor weiter, weil ich da meinen Kompetenzbereich verlassen würde.

90minuten: Ok, ich probiere es anders. Wie viele gestandene Spieler wird es brauchen?

Senft: Das kommt immer auf den Kontext an. Es macht einen Unterschied, ob ich wie jetzt seit zwei Jahren einen Plan verfolge oder eine komplett neue Mannschaft zusammenstelle. Dann kommt es darauf an, in welcher Liga ich spiele. Es ist also komplett kontextabhängig, um es möglichst trotzdem irgendwo eine allgemeingültige Aussage zu machen, würde ich sagen, es braucht immer einen guten Mix, was Alter, Charakter und Spielerprofile betrifft. Ich bleibe hier lieber vage, aber eine Achse zu haben, macht schon Sinn.

90minuten: Welche Faktoren in der Kaderplanung gibt es, an die man auf den ersten Blick vielleicht gar nicht denkt?

Senft: Zum Beispiel das Thema Rasenqualität der Liga. Das hat man neulich auch im DFB-Pokal gesehen.

Lacht am Ende Senft oder doch Thomas Silberberger?
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Lacht am Ende Senft oder doch Thomas Silberberger?

90minuten: Das müssen Sie genauer ausführen, welchen Einfluss der Rasen auf den Kader hat.

Senft: Wenn du jede Woche auf hervorragendem Rasen spielst, hast du eine ganz andere Idee von Ballbesitzfußball, als auf einem...

90minuten: ...ich sage es: Erdäpfelacker.

Senft: Jedenfalls ist das ein großer Unterschied zwischen Bundesliga und 2. Liga. Als Aufsteiger werde ich weniger dominant auftreten und man kann sich ungefähr ausrechnen, wie viele Spielanteile in welcher Phase man dann hat, sowie die Adaption des Kaders aussieht. Wenn ich 65 Prozent Ballbesitz und einen eher schlechten Untergrund habe, muss ich anders spielen, als wenn ich 35 Prozent habe und der Boden gut ist – diesen ist mein Gegner ja auch gewohnt. Bekanntlich spielt der Gegner eine große Rolle im Fußball. 

90minuten: Der finanzielle Abstand ist auch sehr groß. Wie soll die 2. Liga denn organisiert sein?

Senft: Für kleine Vereine wird es weltweit Jahr für Jahr schwieriger, weil die Schere immer weiter auseinandergeht und das nicht leichter wird. Die Herausforderungen, die 2. Liga zu finanzieren, sind groß. Aber wir sind ein gutes Beispiel, wie es gehen kann, denn trotz Abstiegs haben wir mit Akademiespielern über eine Million Euro verdient. Es braucht kreative und innovative Ideen. Aber, das sage ich auch ganz klar, wir sind vermutlich die einzige zweite Leistungsstufe, die nur einen Aufsteiger hat. Das macht es schwierig, für Sponsoren attraktiv zu sein.

90minuten: Merkt man die Ligagröße bei der Spielerqualität?

Senft: Nein, man hat zudem ja auch gesehen, dass viele Klubs den Kader im Winter aufgepäppelt haben. Dementsprechend liegt es meiner Meinung nach nicht an der Anzahl der Vereine. Amstetten ist da für mich ein anschauliches Beispiel: Sie haben eine klare Idee und wissen dann auch, wo man etwas weniger Qualität in Kauf nimmt bzw. wie man die Spielidee danach ausrichtet. Und generell ist es ja so, dass die meisten Klubs gegen einen Titelaspiranten wie uns noch ein paar Prozent mehr motiviert sind, also spüren wir diese Unterschiede noch weniger.

90minuten: Letzte Frage: Die SV Ried wird den Meistertitel in Runde 27 klar machen – da trifft man auf die Admira. Warum wird das so sein?

Senft: Das glaube ich ehrlicherweise nicht. Der Titelkampf wird da weiterhin nicht vorbei sein. Ich schaue mir den bisherigen Saisonverlauf an und stelle eine Wahrscheinlichkeitsrechnung aus meiner Vergangenheit an: Ich halte das für dermaßen unwahrscheinlich, dass es nach dem Spiel vorbei ist, dass mir jetzt da auch keinen Grund einfallen will, warum das so sein sollte.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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