
"Es nervt. Es war nie alles so schlecht oder gut, wie es geschrieben wurde"
Als Sportchef bei Rapid muss man sich vielen Fragen stellen und zu Themen Statements abgeben, die mit dem eigenen Fachbereich eher wenig zu tun haben. Das nervt mitunter, wie Markus Katzer im 90minuten-Exklusivinterview zugibt.
Beim SK Rapid ist immer etwas los, oftmals gleichzeitig und nicht immer hat es viel mit Fußball zu tun. Dieses Kerngeschäft liegt seit Jänner 2023 in den Händen von Markus Katzer. Und wie es in Hütteldorf eben immer so ist: Mit Niederlagen in Banja Luka und gegen den GAK hätte sein Werk eine ungute, zu Saisonbeginn nicht erwartete, Wendung genommen.
Und Hütteldorf wäre dann vermutlich wieder einmal explodiert. Zwischen Europacup-Halbfinale und möglicher Meisterfeier auf der einen sowie Radau und Randale gibt es in Wien-West wenig. Auch im Zuge dieses Interviews fragt 90minuten in der einen Sekunde, ob Katzer einen Plan B gehabt hätte, nur um dann gleich über das Conference-League-Halbfinale zu sprechen.
Rapid halt. "Es nervt", sagt er dazu. Im Interview spricht er nun über eine mögliche Erleichterung nach den letzten Wochen, Leistungsdaten und Transfereinnahmen. Und natürlich auch über den Anhang, von dem sich ein kleiner Teil in Hartberg zum wiederholten Male in wenigen Monaten vollkommen daneben benommen hat.
90minuten: Wie erleichtert sind Sie nach dem Abschluss des Grunddurchgangs?
Markus Katzer: Man muss den Abschluss des Grunddurchganges differenziert betrachten. Ich habe mich geärgert, dass wir die Ergebnisse nicht zustande gebracht haben. Im Spiel gegen den WAC waren wir 70 Minuten spielbestimmend, haben dann aber das Spiel noch aus der Hand gegeben.
Gegen Austria und den LASK haben wir uns durch Eigenfehler um den Sieg gebracht, gegen Banja Luka und Altach sowie dann daheim in der Conference League und gegen den GAK haben wir gute Spiele geliefert. Lediglich gegen Hartberg waren wir einfach nicht gut. So kann man das im Nachhinein bewerten.
90minuten: Der Start ins Frühjahr war von den Ergebnissen her schlecht, schon davor waren einige schwache Leistungen dabei. Robert Klauß sprach die Belastung an: "In der Phase waren wir auch sehr müde, es war schwer, an unsere Topleistungen ranzukommen."
Katzer: Das war schwer zu analysieren. Vergleicht man die physischen Daten vom selben Spieler von Beginn und vom Ende des Herbstes, hatte er nicht mehr dieselbe Geschwindigkeit, Distanz, Anzahl an Sprints. Dann muss es mit der Belastung zu tun haben und sie waren es nicht gewohnt. Dann haben wir versucht, positiv drüber zu kommen, es gab auch Ausreißer wie Kopenhagen.
Die Gewichtung war ja auch schlecht. Am Anfang haben wir einen Raketenstart zum Mond hingelegt, dann waren wir kurz dort und es kam gefühlt zu einem Leistungseinbruch. Den konnte man schwer erklären und das sorgte für Enttäuschung. In der Vorbereitung sind wir davon ausgegangen, dass die Spieler wieder frisch sind – dann startet man so. Manchmal ist nicht alles erklärbar, auch wenn man das gerne so hätte als Journalist.
Wir kennen die Mechanismen, aber ganz ehrlich: Damit habe ich mich nicht beschäftigt, weil ich davon überzeugt war, dass wir beide Spiele gewinnen.
90minuten: Was meinen Sie?
Katzer: Es passieren nun einmal solche Sachen wie, dass Jansson statt ins Tor einen Mitspieler anschießt, im Gegenzug kommt es nach einem blöden Fehler zu einem Elfer und dann schießt Fitz ein Tor, dass er nicht immer macht. Es führt halt eines zum anderen. Auch gegen den LASK passiert ein dummer Fehler, man ist verunsichert, schafft das 5:0 gegen Altach, müsste in Banja Luka eigentlich 3:0 gewinnen und es folgt das Spiel in Hartberg.
90minuten: Ich möchte da aber einhaken: Im Normalfall muss sich nach so einem Unstart der Sportchef schon Gedanken machen, ob der Trainer noch haltbar ist. Irgendwann greifen die Dynamiken des Fußballs und die heißt irgendwann, dass der Trainer gehen muss.
Katzer: Wir kennen die Mechanismen, aber ganz ehrlich: Damit habe ich mich nicht beschäftigt, weil ich davon überzeugt war, dass wir beide Spiele gewinnen. Ich sehe die tägliche, akribische Arbeit und bewerte die Spiele, nicht nur die Ergebnisse. Da sieht man, ob man gut spielt oder nicht, individuelle Fehler passieren oder nicht. Dadurch war ich relativ ruhig.
90minuten: Diese Mechanismen kennt auch Robert Klauß, darum frage ich nochmals: Gab es einen Plan B?
Katzer: Wie schon erwähnt, da ich voll und ganz überzeugt war, hat es keinen Plan B gebraucht.
90minuten: Positives und Negatives wechselt sich bei Rapid schnell ab, darum mache ich das auch und wechsle schnell woanders hin: Wie fühlt es sich an, das erste Europacup-Viertelfinale Österreichs seit 2017/18, das erste Rapids seit 1995/96 zu verantworten?
Katzer: Großartig. Das ist schon etwas Besonderes, wenn man sich ansieht, wie lange wir das als Klub nicht erreicht haben. Es macht mich stolz und so sieht man, welche Qualität in der Mannschaft steckt.

90minuten: Wobei da schon auch Klubs dabei sind, die ohne Reform nicht im Europacup gespielt hätten.
Katzer: Trotzdem sind Chelsea und Fiorentina dabei, wir sind Vierter geworden und der LASK hat sich nicht für die K.o.-Phase qualifiziert. Am Ende des Tages ist ein internationaler Wettbewerb nie ein Spaziergang und immer etwas Besonderes. Das braucht man nicht kleinzureden.
90minuten: Wie bereitet man sich auf Djurgården vor? Ist das ein Gegner, auf den man auch in der Meistergruppe treffen könnte?
Katzer: Es ist 50/50 und das ist auch dem geschuldet, dass es ein Europacup-Viertelfinale ist, somit ein Spiel auf Augenhöhe. Sie spielen zu Hause auch auf Kunstrasen, das ist sicher kein Nachteil. Im ersten Spiel auswärts wollen wir ein gutes Ergebnis schaffen, um die Voraussetzungen zu schaffen, um weiterzukommen.
90minuten: Was ist schöner: Die polnische oder die englische Hauptstadt (im Fall eines Aufstieges trifft man auf den Sieger zwischen Legia Warschau und Chelsea)?
Katzer: Wir konzentrieren uns auf das Djurgården-Spiel und dann werden wir sehen, wer im Fall eines Aufstiegs unser Gegner wäre.
Man muss aufhören, nach zwei Siegen zu fragen, ob Rapid Meister werden kann. Das ist euer Job, aber es kann ja auch nicht sein, dass nach zwei Niederlagen wieder alles hinterfragt wird.
90minuten: Mit ungefähr so einer Antwort habe ich gerechnet. In der einen Minute sprechen wir vom Trainerrauswurf und dann vom Europacup-Halbfinale. Sie halten ja den Deckel auf den Kochtopf Hütteldorf drauf; wie geht es mit dem Erwartungshaltungsmanagement?
Katzer: Es nervt. Ich muss das wirklich sagen. Es war nie alles so schlecht, wie es hin und wieder geschrieben wurde, auch war nicht alles so gut. Wichtig ist, dass wir intern ruhig bleiben. Unsere Zielsetzung vor der Saison war, den Gap zu den Top3 zu schließen und uns international zu qualifizieren. Das haben wir geschafft, sind sogar im Viertelfinale und können unter die Top3 kommen. Nicht nur von der Tabelle her, sondern von dem her, was die Mannschaft zu leisten imstande ist. Jetzt ist Konstanz wichtig.
Und man muss aufhören, nach zwei Siegen zu fragen, ob Rapid Meister werden kann. Das ist euer Job, aber es kann ja auch nicht sein, dass nach zwei Niederlagen wieder alles hinterfragt wird. Ich nenne es intern immer Rapid neu: Ruhe, Stabilität und ein klarer Plan, Vision und Strategie.
Wir sind noch immer mitten in einem Prozess, in dem wir von Beginn an sehr viel am Kader verändert haben, manche neue Mechanismen haben schneller gegriffen als erwartet und anderen brauchen einfach länger. Da gibt es keinen Platz, sich von Emotionen leiten zu lassen – auch nicht von denen von anderen.
90minuten: Ich bin ein Freund von Zahlen. Rapid hat im Grunddurchgang gegen die Top6-Teams insgesamt zwölf Punkte geholt, in der "Rückrunde" nur zwei. Bei Rapid platzen viele Knoten, ist mit den letzten Wochen der entscheidende geknackt worden? Die Spieler sind ja nicht deppert, die wissen schon, dass Banja Luka in Österreich kein Topteam wäre. Wie geht man damit um?
Katzer: Alles Schlechte hat auch etwas Gutes und jedes Ende ist ein Anfang. Die Meistergruppe ist der Anfang von etwas, wo man etwas erreichen kann. Wir wären ja völlig fehl am Platz, wenn wir nicht mit Optimismus und Selbstvertrauen an die Sache rangehen würden.
Was man gelernt hat, ist, dass man demütig, fokussiert und konzentriert sein muss. Denn wenn man denkt, man ist schon dort, wo wir alle gerne wären, folgt der nächste Nackenschlag. Noch einmal: Wir haben die Qualität und brauchen Konstanz. Wir müssen auch uns selber schauen!

90minuten: Auf sich selber schauen ist eine gute Sache...
Katzer: Ich möchte noch etwas anfügen: Wenn wir unsere Aufgaben erledigen, können wir jeden schlagen. Das ist keine Floskel. Wovor sollen wir uns sorgen, wenn wir jetzt jede Woche an unser Leistungslimit kommen? Wir haben bis auf den LASK, der nicht dabei ist, und Blau-Weiß, alle geschlagen!
90minuten: Ich stelle meine Frage fertig und die gehört zum auf sich selber schauen. Haben Sie sich bei den Transfers manchmal gedacht, dass man in der Offensive noch andere Spielertypen hätte holen können?
Katzer: Kara, Beljo, Jansson, Wurmbrand, Seidl, Schaub, Radulovic und Bischof: Wie viel Spielertypen will man denn haben? Da gibt’s Geschwindigkeit, eins gegen eins, attackieren der letzten Linie, Qualität im Zwischenlinienraum, Kopfballstärke, Wucht und Boxbesetzung.
Es ist wichtig, immer zu reflektieren, aber ich hätte da nichts anderes gemacht. Vieles weiß man erst im Nachhinein. Wenn ich mir aber ansehe, was wir alles gemacht haben: Wir haben Sangare, Raux Yao, Bolla geholt, Jansson verpflichtet und fünf Stammspieler seit letztem Dezember verloren: Kühn, Grüll, Sattlberger, Querfeld, Kasanwirjo und zusätzlich noch Mayulu abgegeben, wobei der kein Stammspieler war, aber trotzdem gewinnbringend verkauft wurde.
Wir haben einen Step nach vorne gemacht und dabei mehr Geld eingenommen als ausgegeben. Seitdem ich da bin, haben wir die Hälfte von dem ausgegeben, was wir eingenommen haben und den Kaderwert sowie die Qualität erhöht.
90minuten: Mit Wurmbrand, Bischof und Jansson sind aktuell nur noch drei Stürmer ab Sommer verfügbar. Wie sieht es bei den anderen aus? Überall anders sind die Verträge langfristig.
Katzer: Beim Dion (Anm.: Beljo) muss man schauen, was passiert. Das ist eine offene Geschichte, es ist nicht so, dass er fix weg ist. Bei Ercan Kara kann es auch sein, dass er noch hier bleibt. "Burgi" werde ich übrigens gar nicht kommentieren, da geht es jetzt um etwas ganz anderes, nämlich dass er tatsächlich wieder hundertprozentig gesund und fit für Profisport wird. Wir haben ja auch die Möglichkeit, tätig zu werden, aber müssen nun schauen, wie die Spiele in der Meistergruppe und in der Conference League verlaufen.
90minuten: Bei Beljo, Kara und Radulovic gibt es Kaufoptionen.
Katzer: Zu Verträgen und Vertragsdetails äußere ich mich nicht. Wir versuchen die Verträge immer so gut wie möglich zu verhandeln. Und dann ist es immer ein budgetäres Thema, ob es sich ausgeht. Man kann sich nur so weit strecken, wie es geht. Das hängt eben vom Sportlichen ab: Wenn wir ins Halbfinale kommen, gibt es mehr Geld, schaffen wir es unter die ersten Drei in der Liga, ist die Chance höher, dass wir international spielen.
Ich bin der Erste, der bestätigt, dass der Block West eine unglaublich tolle Stimmung macht. Wir müssen dafür sorgen, dass das Stadion ein sicherer Ort ist.
90minuten: In allen anderen Mannschaftsteilen laufen die Verträge über die Saison hinaus. Wo braucht es dennoch Verstärkungen?
Katzer: Ich denke, es ist zu früh, öffentlich darüber zu reden. Die Mannschaft hat genug Qualität, um die Saisonziele, was wirklich Großes zu erreichen. Wir evaluieren aber wie erwähnt ständig und besprechen das intern.
90minuten: Worüber man bei Rapid auch noch sprechen muss, ist das Rundherum. Für manche Dinge kann man wenig, etwa wenn jemand in Hartberg Bengalen und Klotüren auf Polizisten schmeißt. Ich habe da schon mehrere Versionen gehört...
Katzer: ...egal was stimmt. Ich habe mich dazu schon geäußert, dass die Vorfälle auf das Schärfste zu verurteilen sind. Aber auch hier gibt es vielleicht etwas Gutes im Schlechten. Nur wer mutig ist, kann auch etwas verändern. Vielleicht braucht es nicht einmal einen Mut, aber man muss einfach die richtigen Schlüsse ziehen.
90minuten: Wie lange wird das dauern? Alleine, was im letzten Jahr alles war...
Katzer: Die beste Medizin ist Erfolg. Und wenn man erfolgreich ist, kann man gewisse Dinge auch leichter umsetzen. Es ist nicht mein Aufgabengebiet, aber ich habe wie bereits erwähnt eine klare Meinung dazu und die habe ich bereits geäußert.
90minuten: Klar ist ja auch, dass sich diese Dinge sportlich auswirken. Die Derby-Gesänge haben zu Sperren geführt, vielleicht gewinnt man in Hartberg, wenn das Spiel wie geplant angepfiffen wird. Wie arbeitet man genau diese Dinge auf, die ja auch Ihr Kerngeschäft betreffen?
Katzer: Ich sage nie was zu Vertragsdetails, aber der Vorfall in Hartberg hat uns mehr gekostet als die Ablöse von Isak Jansson. Das kann sich jeder bildlich vorstellen und mich macht das stutzig. Bei den Fans ist es wiederum notwendig, zu differenzieren.
Gegen Banja Luka gab es mehr als 90 Minuten Gänsehautstimmung und ich bin der Erste, der bestätigt, dass der Block West eine unglaublich tolle Stimmung macht. Auch die Choreografien sind beeindruckend, mein Sohn liebt sie. Wir müssen dafür sorgen, dass das Stadion ein sicherer Ort ist.
90minuten: Klare Abschlussworte. Wir danken für das Gespräch!