Während sich die Männer nach 15 Jahren in Deutschland bei den Bayern und in England bei Arsenal oder Tottenham einmal entspannen können, ist das bei Frauen nicht der Fall. Zwar werden sie heute mehr verdienen als das "Taschengeld", das Viktoria Schnaderbeck damals vom FC Bayern bekam, reich wird man aber nicht.
Und dann kommt noch dazu, dass es bis vor ein paar Jahren keinen Mutterschutz gab, was die eine oder andere Karriere noch mehr verkürzt hat. Aber auch noch heute müssen sich die Schnaderbecks dieser Welt andere Gedanken machen als die Männer, wenn es das Thema dieses Schwerpunktes "Die Karriere danach" geht.
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Sie ist heute jedenfalls TV-Expertin und Speakerin, mit ihrer Agentur hört sie auf. Im Fokus steht nach der langen Karriere entspannen. So gehört es auch einmal dazu, im Urlaub ohne schlechtem Gewissen "ein bisschen angetrunken ins Bett" zu gehen.
90minuten: Fangen wir ganz am Anfang an. Du bist 2007 Teamspielerin geworden und hast damals bei den Bayern gekickt. Wie war das?
Viktoria Schnaderbeck: Ich war ein 16-jähriges Mädchen und es war ein tolles Gefühl, als ich das erste Mal auf die Säbener Straße eingebogen bin. Das war damals alles kleiner, auch bei den Männern, aber es war trotzdem eine Stufe über Österreich. Das war die Ära, als die deutschen Frauen amtierende Welt- und Europameisterinnen waren. Der Frauenfußball war am Höhepunkt.
Aber ich habe nur ein bisschen Taschengeld bekommen, es gab nicht einmal ein eigenes Trainingszentrum. Mit der 1. Mannschaft waren wir in Aschheim, mit der U17 und zweiten Mannschaft hat man auf Kunstrasen trainiert. Wenn ein Spiel live im Fernsehen übertragen wurde, war das ein Highlight, das nicht oft vorgekommen ist. Im Vergleich zu dem, was heute ist, war das noch nicht so professionell.

90minuten: Um eine Sache muss man nicht drum rumreden: Du verpflichtest dich als Frau auch schon früh, um dann 15 Jahre Profi zu sein, aber wirst nicht entsprechend belohnt.
Schnaderbeck: Ich habe zum Schluss schon davon leben können, aber viel wegsparen konnte ich mir nicht. Das war auch nie mein Fokus. Dass die Männer viel verdienen und wir viel weniger, spielt für die Außenwelt eine große Rolle. In jungen Jahren war das kein Thema. Ich habe gewusst, dass ich dieselbe Karriere haben kann wie beispielsweise David Alaba, der ein Jahr später nach München gekommen ist. Aber das Endziel habe ich nie so bewusst gesehen.
Du weißt ja nicht, ob der Traum vom Profifußball ein oder fünf Jahre dauert. Ich hab mir damals nicht vorstellen können, später tatsächlich einen Profivertrag zu haben, von dem ich leben kann oder einmal vor 80.000 Menschen zu spielen. Was ich wusste, war, dass ich immer zu den Besten gehören wollte, egal, ob ich Millionen auf dem Konto habe oder eben nicht.
90minuten: Ich nehme an, du freust dich aber, dass die Mädels jetzt vor 90.000 Menschen spielen.
Schnaderbeck: Absolut, ich habe da keine negativen Gefühle. Erstens bin ich froh, dass wir eine positive Entwicklung sehen. Und zweitens bin ich stolz auf meinen Weg und darauf, dass ich diesen gegangen bin und Wegbereiterin für die nächste Generation war. Ich setze mich auch heute noch für die Entwicklung des Frauenfußballs ein, auch wenn ich nicht mehr direkt davon profitiere. Es geht da um viel mehr als nur mich.
90minuten: Wenn man in die USA schaut und sich die Entwicklung ansieht, wird es wohl auch bald eine Cristiana Ronalda geben, die sich mit 40 noch eine goldene Nase verdient. Aber vielleicht ist es "einfacher", sich auf die Karriere danach vorzubereiten, wenn man hinsichtlich Verdienst nicht von 20.000 auf 2.000 Euro brutto runterrasselt.
Schnaderbeck: Sich auf die Karriere danach vorzubereiten soll eine Entscheidung unabhängig vom aktuellen Einkommen sein. Bei Frauen spielen bei der Entscheidung des Zeitpunktes für das Karriereende allerdings mehrere Faktoren hinein: Familie, Job und Geld. Mutterschutz gibt es erst seit ein paar wenigen Jahren. Davor musstest du dich entscheiden zwischen Fußball und Familie. Es war schwierig, den Anschluss nach einem Jahr ohne Job, Bezahlung und professioneller Vorbereitung wiederzufinden.
Heutzutage ist es Gott sei Dank schon anders, aber du musst ja trotzdem ein Baby auf die Welt bringen und in den Leistungssport zurückkommen. Ich habe jetzt eine Tochter und weiß, was es heißt, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Sich gleichzeitig zu 100% für den Leistungssport zu committen, ist eine riesige Herausforderung und wahnsinnige Leistung jener Spielerinnen, die das beeindruckend vorleben.
Du kannst im Urlaub auch einmal ein bisschen angetrunken ins Bett gehen oder einen Burger essen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Das wäre als Profi nie gegangen. Es ist eine mentale Freiheit.
90minuten: Aber wie ist das trotzdem, wenn man jahrelang im Leistungssportradl drinnen ist und auf einmal hast du viel Zeit?
Schnaderbeck: Ich genieße es schon, dass nicht alle Wochenenden komplett verplant sind. Das sehen viele vielleicht anders, ihnen fehlt genau dieser Spannungsaufbau: Es kribbelt die ganze Woche im Bauch, dann wird der Druck größer, es wartet ein großes Spiel mit vielen Fans. Das vermissen viele. Ich nicht.
Däumchen habe ich auch nicht gedreht, sondern mir einmal eine Auszeit von drei, vier Monaten genommen, wir sind viel gereist. Nur so ein Beispiel: Du kannst im Urlaub auch einmal ein bisschen angetrunken ins Bett gehen oder einen Burger essen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Das wäre als Profi nie gegangen. Es ist eine mentale Freiheit.
90minuten: Für einige andere deiner Ex-Kolleginnen gibt es ja auch Jobs im Fußball. Kannst du dir vorstellen, einmal Teamchefin oder Trainerin zu werden?
Schnaderbeck: Teamchefin ehrlich gesagt nicht, aber ich habe in England eine Trainerausbildung gemacht. Ich bringe sicher viele Skills mit, um als Trainerin zu arbeiten, aber es geht auch immer um das innere Feuer. Und das habe ich aktuell nicht. Ich wurde nach meinem Karriereende auch bezüglich Sportdirektorin angefragt. Aber auch das wollte ich zu diesem Zeitpunkt nicht.
90minuten: Heute bist du Speakerin und hast eine Agentur. Wie kam es dazu?
Schnaderbeck: Ich habe mich in meiner aktiven Karriere selbst vermarktet und dadurch viel gelernt. Außerdem war das Potenzial - vor allem im Frauenfußball – offensichtlich, es gab Bedarf. Mehrere meiner Kolleginnen haben gesagt: Viki, wenn du das machst, bin ich sofort an Bord, unter anderem Manuela Zinsberger. Und so habe ich die Agentur gegründet und seitdem tolle Projekte umgesetzt und Partnerschaften entwickelt. Allerdings habe ich die Entscheidung getroffen, aufgrund zeitlicher Ressourcen dieses Jahr damit aufzuhören.

90minuten: Interessant!
Schnaderbeck: Ich werde sie erstmals stilllegen. Ich habe es nun drei Jahre gemacht und bin in der Luxussituation, dass sich meine beruflichen Tätigkeiten als Vortragende und TV-Expertin sehr gut entwickelt haben. Ich möchte mich zudem mehr auf den schönen Aspekt konzentrieren, Mama zu sein. Ich will nicht, dass die zeitlichen Ressourcen, die ich für die Arbeit brauche, auf Kosten der Familie gehen. Da bin ich sehr straight, auch wenn es kein einfacher Schritt ist und wir erfolgreich waren.
90minuten: Jetzt ist Frauenfußball noch nicht so riesig, aber ein bisschen muss man auch als Speakerin und ORF-Expertin das Rampenlicht mögen, oder?
Schnaderbeck: Als Spielerin habe ich es geliebt und gehasst. Du hast schon in der Kabine schweißnasse Hände, dein Puls wird höher und du musst in wenigen Minuten vor tausenden Zuschauer:innen performen – das ist nicht immer angenehm. Aber das Gefühl nach 90 Minuten und wenn du ein geiles Spiel gemacht hast und dem Druck standgehalten hast, ist unbeschreiblich. Dieses Adrenalin erlebst du so nur selten woanders. Als Speakerin ist es jedenfalls nicht mein Ziel, das Rampenlicht zu suchen. Der Grund, warum ich es mache, ist, dass ich andere Leute mit meiner Geschichte berühren und motivieren kann.
Es ist ein großes Privileg, wenn sich andere dadurch ermutigt und inspiriert fühlen, was ich erlebt habe. Als TV-Expertin zu arbeiten, war nicht der Plan. Ich habe nach meinem Karriereende auch unterschiedliche Anfragen abgelehnt. Eineinhalb Jahre später habe ich mir die Entscheidung schwer gemacht, aber spätestens bei meiner Premiere im Männerspiel Österreich gegen Deutschland gespürt, dass ich bereit und motiviert dazu bin und als erste Frau im Männerfußball gegebenenfalls auch nachhaltig etwas verändern kann.
90minuten: Leider findet man unter eineinhalb Millionen Menschen, die da zuschauen, auch ein paar, die sich drüber aufregen.
Schnaderbeck: Ich bin nicht nur eine Frau, sondern auch noch mit einer verheiratet – das ist für viele ein weiterer Grund, um kritisch zu sein. Meine Frau ist Norwegerin und dort oder in England ist man schon viel weiter, was die Themen Homosexualität und Diversität betrifft. Österreich ist da schon sehr konservativ.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!