"Österreich geht als Favorit in diese Duelle. Erstens, weil der ÖFB zuerst daheim spielt, zweitens, weil bei Serbien einige Stammspieler fehlen", sagt Luka Pavlovic. Der Trainer kennt sich aus, arbeitete schon in beiden Ländern: Aktuell absolviert er in Österreich die UEFA-Pro-Lizenz.
Begonnen hat Pavlovic 2015 als Jugendtrainer bei Roter Stern Belgrad, ehe er von 2017 bis 2021 bei Sturm tätig war. Danach war der heute 34-Jährige Videoanalyst und Co-Trainer bei den Juniors OÖ bzw. in der LASK-Akademie. Nach einem Jahr als Co bei Serbiens U17 war er 2023/24 Cheftrainer beim zweiten Team des LASK, zuletzt war er Co bei FK TSC Backa Topola unter Ex-Rieder Jovan Damjanović.
Wie geht es dem Land fußballerisch aktuell? Nach dem Vorrunden-Aus bei der EM spielten die Serben in der Liga A gegen Spanien, Dänemark und die Schweiz.
Die Nations-League-Duelle der Serben
Gegner | Ergebnis |
---|---|
Spanien | 0:0/h |
Dänemark | 0:2/a |
Schweiz | 2:0/h |
Spanien | 0:3/a |
Schweiz | 1:1/a |
Dänemark | 0:0/h |
Österreich holt auf
Serbien hat erst fünfmal gegen Österreich gespielt, wenn man die gesamte Historie des Balkanlandes als Teil von Jugoslawien nicht berücksichtigt. Von fünf Spielen gewann Österreich zwei, passenderweise die beiden letzten Begegnungen.
Als man 2008 das erste Mal gegeneinander spielte, waren die Serben klar im Vorteil. Die ÖFB-Auswahl verlor mit 1:3, United-Star Nemanja Vidić hielt die Abwehr zusammen, Fiorentina-Legionär Zdravko Kuzmanović wurde erst eingewechselt. Insgesamt war der Marktwert der Serben doppelt so hoch. Höher ist er heute auch noch, aber nicht mehr so extrem.
Die Zehnerjahre waren nicht die besten für Serbien. Während Österreich sich am aufsteigenden Ast befand und sich für drei Europameisterschaften in Folge qualifizierte, waren die Balkankicker erst 2024 wieder bei der EM dabei. Umgekehrt verpasste man nur die WM in Brasilien, in Russland war Serbien dabei. In Zahlen: Österreich ist aktuell 22. der Welt, Serbien 32.
Serbien entwickelt sich, Österreich macht das aber wohl strukturierter, schneller und zielstrebiger.
"Thomas Eidler und Ralf Rangnick machen einen überragenden Job, man ist sehr innovativ - aber auch Serbien entwickelt sich", so Pavlovic. "Österreich macht das aber wohl strukturierter, schneller und zielstrebiger."
Auf sie muss man aufpassen
Unabhängig von der Verbandsarbeit unterstellt man Balkan-Kickern gerne, dass sie technisch sehr gut sind. Das trifft wohl auf Dušan Vlahović zu. Der Linksfuß ist Angreifer in Diensten von Juventus Turin und "schnell, auch im Abschluss. In Umschaltsituationen ist er flink hinter der letzten Linie und nutzt seinen starken Schuss", berichtet Pavlovic über den 25-Jährigen.
Premier-League-Export Saša Lukić ist noch so einer, auf den Österreich aufpassen sollte. Er ist 28 und spielt bei Fulham, ist "ein klassischer Box-to-Boxspieler, der viele Kilometer macht und nach vorne denkt", beschreibt er ihn.
Jüngeren Alters ist Sturm-Talent Mihajlo Cvetkovic von Cukaricki. Der 18 Jahre alte Spieler könnte von der Bank kommen und für "Überraschungen sorgen, er ist in der Box sehr stark".
Ähnliches gilt für den 20-jährigen Ognjen Mimovic. Der Rechtsverteidiger ist bei Zenit St. Petersburg unter Vertrag, den er selbst trainiert hat: "Er ist ein extrem moderner Außenverteidiger, technisch und physisch sehr gut." Hervorzuheben ist weiters auch noch Andrija Maksimovic: Mit seinen 17 Jahren ist der Roter-Stern-Mittelfeldmann eine heiße Transferaktie und hat auch schon vier Spiele für das A-Nationalteam absolviert.
Die restlichen Spieler sind freilich auch nicht ohne, extra hervorgehoben wird da aber keiner mehr.
Der Rest und Abwesende
Von den Stammkräften fehlen Torjäger Aleksandar Mitrovic, der in 98 Spielen 59 Tore erzielte. Der Al-Hilal-Kicker musste wegen Herzrhythmusstörungen ins Krankenhaus, wurde aber schon davor nicht berücksichtigt.
Sein Teamkollege Sergej Milinkovic-Savic fehlt ebenfalls, vier Spieler sind gesperrt: Aleksa Terzic (Red Bull Salzburg), Strahinja Pavlovic (AC Milan), Nikola Milenkovic (Nottingham Forrest) und Andrija Zivkovic (PAOK). Für Salzburg-Spieler Petar Ratkov war kein Platz im Kader. Was jedenfalls auffällig ist: Der Kader ist knapp zwei Jahre jünger als der österreichische.

Summa summarum muss der seit 2021 im Amt befindliche Trainer Dragan Stojkovic vielleicht etwas von seinem gewohnten 3-5-2-System abrücken. Der Coach stand schon mehrmals vor dem Aus, hat sich nun aber wieder gefangen. Taktisch setzt man auf physisch starken Ballbesitzfußball.
Insgesamt aber sieht Pavlovic die Serben hinsichtlich individueller Qualität nicht auf demselben Niveau wie Österreich.
Keine Angst vorm Pressing
Angesprochen darauf, wer dem serbischen Nationalteam am ehesten weh tun kann, fallen ihm zunächst David Alaba, Marko Arnautovic und Christoph Baumgartner ein. Spieler also, die für Genieblitze gut sind; den Verweis auf Bayern-Legionär Konrad Laimer bzw. seine Qualität kann man sich eigentlich auch sparen.
Das Rangnick'sche Pressing sollte dem Gegner Sorgen machen. Zwar helfen Physis und technisches Können, um Pressing zu überspielen bzw. auszuweichen, aber: "Presst Österreich die Dreierkette an, kann man sie zu Fehlern zwingen und dann muss man vertikal nach vorne umschalten." Möglicherweise hilft sich Stojkovic mit einer Viererkette; das funktionierte in der Vergangenheit aber nicht so gut. Aber auch hier gilt: "Österreich muss gute Auslöser suchen, um den auf den Ball wartenden Spieler unter Druck zu setzen und so Unordnung zu provozieren."
Hier spielt nun wieder die Klarheit mit rein: Denn die taktischen Vorgaben von Ralf Rangnick sind aus seiner Sicht besser. Die Ballbesitzphasen haben sich auch verändert, statt Positionsspiel fließt dynamische Raumbesetzung ein. "Damit will man den Gegner auch einmal locken und ihn erst tief attackieren und in dem Moment bietet man ja auch Räume an", so Pavlovic.
Alte Größe
Indes träumt man in Serbien natürlich von den alten Zeiten. Und da geht es durchaus auch um die ganz alten, als Serbien noch die meisten Menschen im Vielvölkerstaat Jugoslawien stellte. 1960 wurde die Auswahl Olympiasieger, nachdem man dreimal in Folge Zweiter geworden war. 1962 stand man im Halbfinale und wurde letztlich Vierter. 1960 und 1968 verlor die Nation die EM-Endspiele, 1976 war das Land noch einmal Vierter.
Hier ist die serbische Kreativität, das Talent, da sind die Strukturen und die österreichische Klarheit – ich halte beiden die Daumen
Oder vom Klubfußball! Partizan Belgrad stand 1966 gegen Real Madrid im Landesmeistercup-Endpsiel. 1979 verpasste Roter Stern den Sieg im UEFA-Cup gegen Borussia Mönchengladbach. 1991 besiegte Roter Stern in der vorletzten Saison vor Einführung der Champions League Olympique Marseille im Endspiel.
Der Zug Richtung Europacup-Finale ist für die meisten kleineren Nationen mittlerweile abgefahren, vorbehaltlich Ausnahmen und Conference League. Auf Nationalmannschaftsebene sind es nun die Kroaten, die deutlich besser sind: 1998 und 2022 war man bei der WM im Spiel um Platz drei, 2018 in Russland gar im Finale.
Vorteil Österreich
"Aber der Unterschied sind hier Kleinigkeiten, Kroatien besticht vor allem durch den Teamgeist", so Pavlovic, der auch die Größe der Länder nicht gelten lässt. Da geht es nur um Qualität, nicht darum, ob es 9,1 Mio Einwohner (Österreich), 6,7 Mio. (Serbien) oder 3,9 Mio. (Kroatien) gibt: "In Serbien ist die Erwartungshaltung halt auch immer sehr hoch, man kritisiert viel."
Mittlerweile haben sich die Ergebnisse wieder stabilisiert, auch der Spielstil ist jetzt um einiges klarer, auch wenn das Nationalteam noch nicht den sehr großen Wurf geschafft hat. Das dunkle Tal der Zehnerjahre ist einmal durchschritten.
Einen Ergebnistipp traut er sich nicht ganz. "Ich bin halb Österreicher, halb Serbe und so eine Frage ist immer undankbar", lacht er, "Hier ist die serbische Kreativität, das Talent, da sind die Strukturen und die österreichische Klarheit – ich halte beiden die Daumen." Auch wenn er eben Österreich im Vorteil sieht.