Warum zieht es Österreichs Fußballerinnen nach Italien?
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Warum zieht es Österreichs Fußballerinnen nach Italien?

Über die letzten Jahre war die Serie A ein beliebtes Ziel für ÖFB-Teamspielerinnen. Eine von ihnen - Isabella Kresche - erzählt, was die Liga aktuell ausmacht.

Worauf man in Österreich wohl noch einige Jahre hinarbeiten muss, hat man in Italien schon geschafft: Seit der Saison 2022/23 wird in der Serie A Femminile ausschließlich professionell Fußball gespielt. In Europa hat das immer noch Seltenheitswert, England und Spanien wären noch zu nennen, das war es dann eigentlich schon. 

Anderswo befinden sich die Strukturen gerade im Aufbau. Selbst Deutschland - aus rot-weiß-roter Sicht dank vieler Legionärinnen besonders interessant - ist noch nicht soweit. 

Italien mit Aufholbedarf

Jetzt ist es natürlich nicht so, dass Italien in den Jahren davor nicht auf der Fußballlandkarte zu finden war. Österreichs erste Legionärin überhaupt - die Vorarlbergerin Elke Scheubmayr - war in den 1990ern in Modena und für die SSC Bardolino aus der Gegend um Verona aktiv. Birgitt Hufnagl wurde bei Bardolino ein Jahrzehnt später sogar Meisterin der Saison 2004/05.

Mit dem Männerbereich vergleichbar ist es aber eben auch nicht. In der Champions League spielen italienische Teams noch keine wichtige Rolle, das Nationalteam belegt im UEFA-Ranking Platz 14.

Die Professionalisierung soll dabei helfen, das zu ändern und bringt dabei vor allem wesentliche Verbesserungen für Spielerinnen.

Alle Spielerinnen haben die Möglichkeit, sich auf Fußball zu konzentrieren, ohne in einem Nebenjob zu arbeiten.

Isabella Kresche

Aus Erfahrung spricht Österreichs Nationalspielerin Isabella Kresche. Die 25-Jährige war zuletzt für zwei Jahre bei Sassuolo aktiv und hält sich aktuell für neue Aufgaben fit. "In einer Profiliga gibt es ein Mindestgehalt, in Italien ist das abhängig vom Alter angesetzt. Dadurch haben alle Spielerinnen die Möglichkeit, sich auf Fußball zu konzentrieren, ohne in einem Nebenjob zu arbeiten. Das stärkt die Liga und hebt die Qualität", erklärt sie im Gespräch mit 90minuten.

Nebenbei bringt es den Fußballerinnen Sicherheit. Es geht nicht nur um ein besseres Gehalt, sondern um ein Gesamtpaket, das in vielen anderen Berufen selbstverständlich ist: Gesundheitsversicherung, Arbeitslosengeld, Karenz, längerfristig gedacht beispielsweise um die Pension - also bei weitem keine Kleinigkeiten.

Vorteile bringt das auch für das Team um das Team: "Auch der Staff war fast komplett in Vollzeit angestellt, das ist in Europa nicht selbstverständlich."

Bei Sassuolo wurden Kresche und Co. unter anderem von zwei Physios, einem Athletiktrainer, einem Torwarttrainer, einem Co- und einem Cheftrainer betreut.

Österreichische Wiederentdeckung

Dass man in Italien inzwischen gut arbeiten kann, hat sich herumgesprochen. Mit Carina Wenninger (AS Roma), Laura Feiersinger (AS Roma) und Isabella Kresche (US Sassuolo) sind seit 2022/23 drei Österreicherinnen gekommen und wieder gegangen. Mit Verena Hanshaw (AS Roma) und Marina Georgieva (AC Florenz) sind zwei noch da.

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Ex-Nationalteamkapitänin Carina Wenninger ging von Bayern München nach Rom

"Es ist eine sehr aufstrebende Liga, sie ist jetzt schon richtig gut. Es kommen auch immer mehr starke Spielerinnen nach Italien", berichtet Isabella Kresche. Im Zuge der Professionalisierung wurde die Liga von 12 auf 10 Teams verkleinert, langfristig soll sie wieder wachsen. Mit dem AC Milan, der AS Rom, Inter Mailand, Juventus und dem SSC Neapel sind die meisten bekannten Größen aus dem Männerfußball dabei - große Plattform inklusive.

"Vom Gesamtpaket passt das schon sehr gut: Die Liga ist super, man kann vom Fußball leben und Italien als Land ist auch anziehend. Die Vereine müssen es aber schaffen, die Infrastruktur und das Niveau stetig anzuheben, damit sie zu einer echten Topliga wird."

Mangelhafte Infrastruktur

Wäre die Situation überall so, wie in Florenz, gäbe es kein Problem. Die Fiorentina hat mit dem "Viola Park" vor wenigen Jahren einen Trainingscampus errichtet, den auch die Frauenteams mitbenützen können. "Wir haben alles vor Ort, sowohl Kryo (Kältetherapie) als auch einen eigenen Zahnarzt, einen Hautarzt und sogar einen Friseur. Neben einem SPA-Bereich gibt es auch die Möglichkeit, direkt vor Ort MRT-Untersuchungen durchzuführen", hat ÖFB-Legionärin Marina Georgieva LAOLA1 schon 2023 erklärt.

Ihre Nationalteamkollegin hat andere Erfahrungen gemacht: "Ich glaube, Florenz ist ein Ausnahmeverein, der die Frauen sehr an die Männer angleicht. Das ist in Italien aber nicht überall der Fall. Das wird noch einige Zeit dauern, bis da ein Umdenken stattgefunden hat", meint Kresche. Zwar sieht die Liga vor, dass in diesem Bereich Investitionen getätigt werden sollen, passiert ist aber nicht überall viel.

Bei Sassuolo wurde auf Kunstrasen trainiert, obwohl im Trainingszentrum Rasenplätze frei gewesen wären. "Wir haben in einem kleinen alten Stadion von den Männern gespielt - ich glaube, da gibt es Aufholbedarf", so die Torhüterin.

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ÖFB-Keeperin Isabella Kresche im Sassuolo-Trikot

Viel Spaß beim Training

Gute Arbeit war trotzdem möglich. "Ich bin einen großen Schritt gegangen, vor allem im ersten Jahr", erinnert sich Isabella Kresche. Als Stammspielerin war sie über die erste Saison 20 Mal im Ligaeinsatz, Sassuolo gelang der Klassenerhalt ohne große Probleme.

Die Grazerin wurde vom SKN St. Pölten nach Italien geholt und musste sich schnell in einer herausfordernden Rolle zurechtfinden: "Wir haben von hinten heraus gespielt, ich habe viel steuern und lenken können."

Cheftrainer Gianpiero Piovani ist inzwischen zu Inter Mailand gewechselt, er war als Spieler selbst lange Profi in seinem Heimatland. "Auch mein Tormanntrainer hatte Topniveau und hat früher selbst bei Inter Mailand gespielt, es hat extrem viel Spaß gemacht, mit ihm zu arbeiten".

Zukunft vorerst offen

Schwieriger wurde das zweite Jahr, auch aufgrund einer Verletzung: "Im Fußball geht es schnell, man wird einfach aussortiert. Im Winter hatte ich eine Wechseloption und habe diesen Wunsch geäußert. Diesem wurde aber nicht nachgekommen, danach bin ich meistens auf der Tribüne gesessen".

Im Frauenfußball ist es nicht so einfach wie im Männerfußball, man muss sich gut überlegen, welcher Verein der Richtige ist.

Isabella Kresche

In der vergangenen Saison blieb die Spielpraxis, die ursprünglich ein wichtiges Kriterium bei der Vereinswahl war, dann beinahe komplett aus. Kresches nächster Schritt will deshalb gut überlegt sein: "Im Frauenfußball ist es nicht so einfach wie im Männerfußball, man muss sich gut überlegen, welcher Verein der Richtige ist. Es soll für mich und meine Familie einfach für die nächsten Jahre passen."

"Wir hatten separate Eingänge"

Dass bessere Bezahlung noch keine Garantie für Wertschätzung ist, zeigt die Serie A leider auch. Nationalspielerin Laura Feiersinger, die nach einem Jahr in Rom jetzt beim 1. FC Köln spielt, hat das in ihrem Interview mit 90minuten angedeutet. In Deutschland sei die Verbindung zur Männermannschaft größer, der Verein dadurch insgesamt familiärer.

"Wir haben zum Beispiel den gleichen Kraftraum und sind überhaupt am selben Gelände. Das haben nicht alle Topvereine. In Frankfurt kam das sehr spät, in Italien war das gar nicht der Fall", berichtet Feiersinger.

Ähnlich hat es Isabella Kresche in einem anderen Verein wahrgenommen, Zufall ist es also keiner: "Da hat es viele Kleinigkeiten gegeben, bei denen man gemerkt hat, dass der Wunsch nach Trennung da ist. Wir haben zum Beispiel separate Eingänge gehabt. Medial wird das oft besser dargestellt, als es ist."

Ausgestreckte Hände

Nicht scheitern dürfte es an Mitgliedern den Frauenteams: "Unsere Trainer waren für einen Austausch aber immer sehr offen. Der Tormanntrainer der Männer war mehrmals bei uns zuschauen. Ich denke, dass es auch sehr auf die Verantwortlichen der Männermannschaft ankommt und wie sie zum Frauenfußball stehen."

Wenn Laura Feiersinger gegenüber 90minuten davon spricht, dass sich das Gesamtpaket in Italien "nicht ganz so gut" angefühlt hat, wird es wohl auch mit diesem Mentalitätsproblem zu tun haben. Die Voraussetzungen dafür, dass Serie A Vereine auch intern zusammenwachsen, sollten aber schaffbar sein - dann stünde auf dem Weg zur Topliga nur mehr wirklich wenig im Weg.

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