Warum es beim ÖFB-Team nur ganz oder gar nicht funktioniert
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Warum es beim ÖFB-Team nur ganz oder gar nicht funktioniert

Gemeinsam, und das mit voller Überzeugung. Österreichs Erfolgsrezept gegen Norwegen, erklärt in der 90minuten-Taktikanalyse:

Es gehe im ÖFB-Team nicht mit 98 Prozent, nicht mit 99 Prozent, sondern ausschließlich mit 100 Prozent, bringt es Philipp Lienhart treffend auf den Punkt. "Wenn wir einen Prozent weniger geben, kriegen wir Probleme", sagt der Freiburg-Legionär.

Als bestes Beispiel für diese Worte hält die Partie der Österreicher Anfang September in Norwegen her. Ralf Rangnicks wilde Pressingtruppe kam damals aus verschiedenen Gründen nicht auf ihr Leistungs- und Motivationsmaximum, man hatte kaum Zugriff im Spiel gegen den Ball und musste sich schließlich auch deshalb geschlagen geben.

Keine fünf Wochen später traf das ÖFB-Team am vergangenen Sonntag bekanntlich erneut auf Norwegen. Die rot-weiß-rote Herangehensweise war diesmal von Spielminute eins eine sichtlich andere, weil deutlich aggressiver und intensiver, das Ergebnis komplett konträr.

In der aktuellen Ausgabe der 90minuten-Taktik-Analyse, die wir gemeinsam mit unserem Spielanalyse-Partner, dem Internationalen Fußball Institut (IFI), präsentieren, analysieren wird den Kantersieg Österreichs über Norwegen und seine Gründe etwas genauer.

Das Pressing klappt wieder

Österreichs Erfolg am Sonntag resultierte vor allem (aber nicht nur) aus einem nahezu perfekten Spiel gegen den Ball.

Um einen Beweis für diese Aussage zu finden, muss man im Spielfilm nicht allzu weit nach vorne spulen. Schon nach acht Minuten kam das ÖFB-Team in eine vielversprechende Pressingsituation und konnte einen Ballverlust des Gegners erzwingen - nur wenige Sekunden später klingelte es im norwegischen Kasten.

Die 4-2-3-1-Grundordnung, mit welcher Österreich wie gewohnt seine Spiele bestreitet, wurde im Pressing zu einem 4-2-2-2, in welchem Baumgartner von der Zehn eine Etappe nach vorne rückt.

Baumgartner war es auch, der vor dem 1:0 den ersten Unruhestifter spielte. Die Norweger brachten sich in dieser Szene aus einer eigentlich relativ ungefährlichen Situation, in der sie nach einem nicht angekommenen weiten Ball von Phillipp Mwene in den kontrollierten Spielaufbau gehen wollten, selbst in Bedrängnis.

Einer läuft an, alle anderen machen mit

Innenverteidiger Andreas Hanche-Olsen spielte einen eher ungünstigen Pass auf Mittelfeldspieler Morten Thorsby, der in seinem Rücken Baumgartner ansprinten spürte. Thorsby gab die Kugel mit dem ersten Kontakt und dabei etwas holpernd zu Hanche-Olsen zurück, der durch die mangelnde Schärfe von Thorsbys Pass plötzlich auch Gefahr lief, vom durchpressenden Baumgartner attackiert zu werden.

Gegen so manch anderes Team hätte Hanche-Olsen noch immer genug Anspielstationen gehabt, um die Situation sauber zu lösen, nicht aber gegen Österreich. Innenverteidiger Nummer zwei, Kristoffer Ajer, wurde bereits von Marko Arnautovic angelaufen, Linksverteidiger David Möller Wolfe von Romano Schmid.

Auch die durch Baumgartners Sprint aufgegangene Lücke im Mittelfeld kann Hanche-Olsen nicht nützen, da das ÖFB-Team nicht mannorientiert presst, sondern synchron und durch gewisse Auslöser, wie eben Baumgartners Lauf, gelenkt.

In dem Moment, wo Baumgartner zu sprinten beginnt, presst gleichzeitig die Welle hinter ihm, in diesem Fall Nicolas Seiwald und Konrad Laimer, mit durch und schützt dadurch Baumgartners Rücken, damit dieser mit voller Intensität den ballführenden Gegenspieler attackieren und dadurch noch mehr Druck auf ihn ausüben kann.

Tatsächlich schien Hanche-Olsen unter dem Druck einzuknicken und spielte einen hohen Verlegenheitsball Richtung linken Flügel, der locker von Stefan Posch heruntergestoppt werden konnte.

Hätte auch nur ein österreichischer Spieler nicht voll mitgezogen, wäre dieser enorm wichtige Ballgewinn womöglich nie gelungen.

Die beschriebene Szene in der Spielanalyse-Grafik:

"Waren auch im Ballbesitz gut"

Anschließend an den Ballgewinn gab Posch die Kugel zu Seiwald ab, der nur einmal aufschauen musste, um einen perfekten, das komplette norwegische Mittelfeld überbrückenden Vertikalpass auf Baumgartner zu spielen. Dieser drehte sich mit dem ersten Kontakt perfekt Richtung gegnerisches Tor auf und brachte sich so in eine Position, um Arnautovic in Szene zu setzen - was uns zum nächsten Punkt führt.

"Am Ende des Tages waren wir auch im Ballbesitz sehr gut, sind oft gut in die Halbräume gekommen, hatten dort gute Aufdreh-Bewegungen, sind auch oft über die Flügel durchgebrochen, haben viele Männer in die Box gebracht", so der Assistgeber zum 1:0.

Baumgartner erwischte überhaupt einen glänzenden Tag, ihn konnten die Norweger am Sonntag überhaupt nicht bändigen. Immer wieder wurde er von seinen Mitspielern gefunden, immer wieder gelang ihm diese angesprochene Aufdreh-Bewegung zur Perfektion. Auch aus der Abwehr, vor allem von Lienhart, kamen immer wieder solche präzisen flachen Pässe in die Halbräume.

Auf diese Weise konnte Österreich über wenige Passstationen in eine gefährliche Zone vordringen und war nicht ausschließlich darauf angewiesen, dass die Norweger die Bälle in diesen gefährlichen Zonen als Folge des Pressings verloren.

Mwene hielt Sabitzers Rücken frei

Während Baumgartner aufgrund seiner Unberechenbarkeit besonders gerne im Zentrum gesucht wurde, hatte Marcel Sabitzer am linken Flügel seinen Spaß.

Sein BVB-Teamkollege Julian Ryerson, der in Dortmund eigentlich Außenverteidiger spielt, wurde diesmal als rechter Mittelfeldspieler eingesetzt. Bei norwegischem Ballbesitz rückte er dabei immer wieder ins Zentrum rein, um dort Überzahl zu kreieren. Nach Ballverlusten fehlte er in der Rückwärtsbewegung dadurch aber oftmals am Flügel - was Österreich eiskalt ausnutzte.

Sabitzer erzeugte im Zusammenspiel mit dem sehr quirligen Mwene häufig eine Überzahl über links. Mwene lockte Rechtsverteidiger Marcus Pedersen mit Tiefenläufen immer wieder von Sabitzer weg, der wiederum meist den Weg zur Mitte suchte und dort viel Raum hatte. Der Treffer zum 4:1 durch Stefan Posch fiel aus einer genau solchen Situation.

Am Ende hatte der Erfolg über Norwegen mehrere rot-weiß-rote Väter. Nur weil alle ÖFB-Kicker an einem Stang zogen und dies auch mit aller Kraft taten, sah die Mannschaft am Sonntag so viel besser aus als Anfang September in Oslo. Personell gab es zwischen diesen beiden Partien nämlich kaum Unterschiede.

Der wertvollste Spieler der Welt hingegen war großteils auf sich alleine gestellt, für Erling Haaland kamen an diesem Abend kaum Bälle von seinen Mitspielern durch.

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