VAR-Innovationen: Zu teuer für Österreich
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VAR-Innovationen: Zu teuer für Österreich

Die VAR-Technologie entwickelt sich ständig weiter: Viele Innovationen werden vorgestellt, für Österreich sind diese aktuell aber zu teuer.

Es ist wie bei jeder technologischen Entwicklung: Innovationen stehen auf der Tagesordnung, kaum ein Monat vergeht, in dem nicht neue Tools vorgestellt werden. Auch der VAR profitiert davon, speziell mit Blick auf die künstliche Intelligenz. 90minuten blickt auf die neuesten VAR-Trends und klärt auf, warum diese in Österreich derzeit noch kein Thema sind.

Halbautomatisches Abseits

Es war aus technischer Sicht eines der Highlights der in diesem Jahr abgelaufenen EURO 2024: die halbautomatische Abseitserkennung oder auch Semi Automatic Offside Technology (SAOT) genannt. Insgesamt zusätzlich zehn Kameras, die in den Stadien Deutschlands während des Turniers installiert wurden, erfassten mit 50 Bildern pro Sekunde das Spielfeld und trackten dabei jeweils 29 Körperpunkte sämtlicher Spieler auf dem Feld. Mit diesen Daten konnte von jeder Person ein 3D-Skelett angefertigt werden, um die Gliedmaßen korrekt zuzuordnen. Dazu wurden Algorithmen einer KI-gestützten Software verwendet, die speziell darauf trainiert sind.

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Belgien bei der EURO im Pech: Das Abseits wurde erkannt. (Screenshot ServusTV)

Mit dieser Software wurde es ermöglicht, genau festzustellen, ob bei einem Zuspiel (mit der Connected Ball Technologie – siehe unterhalb) eine Abseitsstellung vorlag oder nicht. Nicht immer zur Freude der Fußballfans, wenn etwa eine Zehenspitze, also möglicherweise ein bis zwei Zentimeter für das Abseits entschieden haben.

Connected Ball Technologie

Die Connected Ball Technologie (siehe Titelbild) kam ebenfalls bei der EURO 2024 zum Einsatz. Der Ball „Fußballliebe“, dem offiziellen Spielball der EURO 2024, war erstmals mit einer 14 Gramm leichten Sensoreinheit ausgestattet. Mit integriert war ein Ultrabreitbandsensor und eine sogenannte Inertial Measurement Unit. Diese Technik kann 500-mal pro Sekunde messen, ob und wie der Ball berührt wurde. Diese Daten werden von bis zu 24 Antennen rund um das Spielfeld empfangen. Über Beschleunigungsdaten kann zudem ermittelt werden, wann genau der Ball berührt wurde, was für die Ermittlung eines möglichen Abseits (siehe Punkt „Halbautomatisches Abseits“ oberhalb) von Bedeutung ist.

Die nächste Veranstaltung, bei der die Adidas-Hightechbälle zum Einsatz kommen werden, ist die UEFA Women's EURO 2025 in der Schweiz. Insgesamt wurden für jedes Spiel 20 dieser Bälle zur Verfügung gestellt.

 

Dragon-System: iPhones für die Premier League

Seit dieser Saison setzt die englische Premier League auf das Dragon-System, das auf den Einsatz von iPhones basiert. Entwickelt wurde das Produkt von Genius Sports und hat insgesamt bei jedem Spiel 28 Apple iPhones am Spielfeldrand montiert. Dabei werden Videos mit hoher Bildrate von allen Bereichen des Spielfelds aufgezeichnet und erzeugen somit zu jeder Zeit zwischen 7.000 und 10.000 Datenpunkte von jedem/r Spieler:in. Die Technologie ist so weit fortgeschritten, dass man digitale Zwillinge eines Fußballspiels erstellen kann.

Die Geräte werden jeweils zu viert in einen Rahmen gespannt, mit Netzstrom versorgt und mit einem eigenen Ventilator gekühlt. Wie Gizmodo berichtet, werden dann bis zu 200 Bilder pro Sekunde (FPS) aufgenommen. Dadurch soll u.a. der exakte Zeitpunkt, an dem der Fußball einen Trittimpuls erhält, bestimmt werden können. Künstliche Intelligenz analysiert die Daten, kann mögliche Abseitssituationen auch schon ahnen, und so die Bildrate erhöhen, um ein noch besseres Ergebnis zu erzielen.

Challenge System

Vielen österreichischen Fußball-Fans ist es bei der U20-WM der Frauen in Kolumbien aufgefallen, wo erstmals ein Challenge-System eingeführt wurde. Der große Unterschied zum aktuellen VAR-System: Nicht ein Schiedsrichter muss sich melden, um eine mögliche Fehlentscheidung zu beeinspruchen, sondern die Trainer:innen auf dem Feld.

Die Cheftrainer:innen können pro Spiel zwei Anträge auf Videounterstützung stellen. Stellt sich dabei heraus, dass es eine Fehlentscheidung gab, erhält das Team die Antragskarte wieder zurück, wenn nicht, wird sie einbehalten. Um ein Ausarten zu verhindern, kann dies aber nur bei festgelegten Situationen wie Toren, Elfmetern oder Roten Karten erfolgen.

Das System soll nun auch in weiteren Ligen getestet werden, etwa in der Serie C in Italien. Das hat Präsident Gabriele Gravina den Fußball-Regelhütern des International Football Association Board (IFAB) schriftlich mitgeteilt. Gianluca Rocchi, Italiens Schiedsrichterchef, begrüßt diesen Vorstoß: "Der Video-Support kann eine Lösung sein, [...] die richtige Entscheidung zu treffen."

Und was kommt davon in Österreich?

Schiedsrichter-Chef Viktor Kassai zeigt sich offen für neue Entwicklungen, macht im Interview mit 90minuten jedoch klar: „Aus finanzieller Sicht gibt es derzeit keinen Puffer mehr. Wir nehmen aber jede technische Möglichkeit gerne mit.“ Die Technologie sei vor allem eine Kostenfrage, so Kassai. „Wir lesen von vielen Neuigkeiten, wie die halbautomatische Abseitstechnologie. Doch das ist sehr teuer, und die Liga muss dafür bezahlen.“ Da ist Österreich übrigens kein Einzelfall, auch in den meisten anderen, vergleichbaren Ligen sind diese Innovationen derzeit aus Kostengründen kein Thema.

Zum Challenge-System meint der Ungar: „Der Vorteil dieses Systems ist, dass es keine ständige Überprüfung des VAR braucht und daher günstiger ist. Ein Nachteil wäre, dass man einige größere Fehler dann nicht entdecken würde.“

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